Im Oktober 2019 erschien im unrast-Verlag ein kleiner Band der anarchistischen Aktivistin Hanna Poddig unter dem Titel ‚Klimakämpfe – Wir sind die fucking Zukunft!‘.
Auf den 103 Seiten bietet die Autorin eine zusammenfassende Übersicht zu brandaktuellen Handlungsfeldern insbesondere der jüngeren Generation. Ob Tierbefreiung, Mobilität (Auto, Flugzeug, Öffentlicher Nahverkehr, etc.), insbesondere die Klimabewegung. In drei großen Kapiteln werden zum einen die Themenschwerpunkte dargestellt in welchen sich die aktuellen Bewegungen besonders entwickeln, in einem weiteren die zentralen Motive und Zielsetzungen, und in einem dritten Kapitel die wesentlichen Akteurinnen und Akteure (von ‚Fridays for Future‘, über ‚Extinction Rebellion‘, bis hin zum ‚Hambacher Forst‘), und deren Strategien.
Wer sich also einen ersten Überblick verschaffen möchte über die Bewegungen im Bereich Klima im deutschsprachigen Raum, sowie deren Methoden um für ihre Ziele zu streiten und zu kämpfen, wird hier gut informiert.
Besonders wichtig erscheint mir das analytische Kapitel ‚Motive und Zielsetzungen‘, in welchem Hanna Poddig sich mit den Grundtypen der Motive der Handelnden beschäftigt: sie unterteilt nämlich die Bewegungen in jene die (lediglich) appellativen und jene, welchen einen revolutionären Anspruch erheben (in dessen abgemildeter Form wird auch noch der transformative Typ erwähnt). Beleuchtet wird die Frage, ob es genüge innerhalb des bestehenden Systems, bei Erhalt aller auch repressiver Strukturen, der Politik lediglich Anstoß zu geben, oder ob nicht doch eine revolutionäre und antiautoritäre Perspektive von Nöten sei (S.39 ff). Die Autorin beantwortet die Frage im letztgenanntem Sinne, was sicherlich auch Ausdruck ihrer politischen Haltung als Anarchistin sein dürfte.
In einem Exkurs (S.42 ff) führt sie in die unausweichlich für politische Aktivistinnen und Aktivisten sich stellende Frage der Gewaltfreiheit ein und kritisiert, wenn in bestimmten Zusammenhängen fast zwanghaft ein Bekenntnis zu absoluter Gewaltfreiheit abverlangt werde und dann die Abgrenzung auch noch in einer Diskreditierung von anderen Aktivisten/innen münde. Zutreffenderweise verweist sie zudem auf strukturelle Gewaltformen; fragt dabei eher rhetorisch, ob es denn keine Gewalt sei, wenn wegen des Klimawandels Menschen ihre Dörfer verlassen müssten und ganze Inseln im Meer versinken würden.
Im Kapitel über die ‚Akteur*innen und Aktionsformen‘ werden ‚Extinction Rebellion‘ (XR) relativ ausführlich dargestellt und deutlich deren Widersprüchlichkeiten aufgezeigt. Es wird deutlich, eine Freundin von (XR) ist die Autorin nicht (S. 55-64) wohingegen sie der noch sehr jungen Bewegung von ‚Fridays for Future‘ (S. 47-55) mehr abzugewinnen vermag, wobei sie auch dort Schwächen sieht, zum Beispiel in der exzessiven Nutzung von Instagram, Facebook und Co. Denn wer sich nicht in diese Kommunikationskanäle zwingen lässt, der sei ausgeschlossen von FFF.
Meist wird sehr deutlich wie die Autorin sich zu einem bestimmten Teil der Bewegungen positioniert. So heißt es schon im einleitenden Kapitel ‚Die leidigen Zahlen‘ (S. 5-9), sie halte Neutralität für unmöglich und erhebe deshalb mit ihrem Buch auch keinen solchen Anspruch. Allerdings hätte ich mir für manche wichtige Zahl die sie nennt genaue Quellenangaben gewünscht, zumal das Buch in der Unrast-Verlagsreihe „transparent“ erschienen ist. An das Internet angebundene Leserinnen und Leser werden dies vielleicht anders sehen, sie können wahrscheinlich die Quellen rasch nachgoogeln.
Abgerundet wird das Buch von Gedanken zur „Repression“ und einem Appell „ … gegen die Resignation“. Zur Repression führt Hanna Poddig exemplarisch die Beschlagnahme einer bunten Holzhütte durch die Polizei im Sommer 2018 an, als sie gerade auf dem Klimacamp im Rheinland war; zudem kritisiert sie das Verbot von‘ linksunten.indymedia.org‘ ebenso, wie die Verschärfungen der Polizeigesetze und ruft auf den Mut zu haben, sich auf die eigene (innere) Stärke zu besinnen. Nämlich nicht, wie es dann unter der Überschrift „ … gegen die Resignation“ heißt, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern im Blick zu halten, dass der eigene politische Kampf nicht nur etwas in einem selbst befreit, sondern auch anderen Menschen mehr Raum zum Atmen gibt, mehr Raum zum Träumen und mehr Mut zu kämpfen!
Angaben zu dem Buch:
‚ Klimakämpfe – Wir sind die fucking Zukunft!‘
Hanna Poddig,
Unrast-Verlag (https://www.unrast-verlag.de)
103 Seiten, 7,80 Euro
ISBN: 978-3-89771-148-8
Buchbesprechung von:
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV),
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg
Schreibe einen Kommentar