Am 13.10.2023 fand in einer nicht näher genannten Stadt in Ostdeutschland eine Gesprächsrunde von rund dreißig politisch aktiven linken Menschen statt- dort erzählte ich rund zweieinhalb Stunden über meine eigene Haftzeit und wie wichtig die erfahrene Solidarität durch die Strukturen ausserhalb der Mauern für mich und das Überleben war. Ich wollte nicht der Opa sein, der alte Geschichten auskramt, sondern Anspruch war, Menschen, die selbst oder deren Umfeld von Einknastung bedroht sind, einen kleinen Einblick in den aktuellen Haftalltag zu geben. Wie es gelingen kann, trotz der Inhaftierung Haltung zu bewahren. Welchen Preis das vielleicht kostet (z.B. keine vorzeitige Entlassung auf Bewährung), aber wie genau das dann die politische Haltung festigen helfen kann. Was ist zudem wichtig, aus Gefangenensicht, für die Soliarbeit: Vernetzung, Vernetzung, Vernetzung. Warum wird ein Großteil der Soliarbeit von Flinta* Personen bewerkstelligt, wo sind die Männer? Solche und andere Fragen wurden dort besprochen.
Für den nächsten Tag war im Bethanien in Berlin eine Diskussion mit sechs ehemaligen politischen Gefangenen geplant: vier Frauen und zwei Männer, darunter Philipp (aus dem Antifa-Ost-Verfahren, der mit seiner Namensnennung einverstanden ist), saßen vor den mindestens 130-140 Menschen, auf gleicher Augenhöhe mit dem Publikum. Die Moderatorin führte acht- und behutsam, aber mit strenger Hand durch die über zweieinhalb Stunden die folgten. Gesprochen wurde über die doch sehr unterschiedliche Umgehensweise im Frauen- und Männervollzug, denn die Bereitschaft über Gefühle zu sprechen ist unter Flinta* Personen weiterhin ausgeprägter als unter (zumal) Cis-Männern. Das ist dann auch für die Bewältigung von Krisen relevant, die gerade und auch im Gefängnis nie ausbleiben.
Es gab auch politische Einordnungen der gegenwärtigen massiven staatlichen Repression und die damit einherghende Notwendigkeit stabiler reaktionsstarker Solistrukturen, und was diese tun können um das Band zwischen drinnen und draußen, aber auch untereinander zu stärken. Die Gespräche zwischen den Ex-Gefangenen und dem Publikum waren geprägt von Offenheit und Respekt, was dann auch die Thematisierung von Sorgen und Ängsten ermöglichte, die stets mit einer Inhaftierung verbunden sind, denn dort erfolgt eine fast maximale Entmündigung und Entrechtung der Betroffenen. Erfreulicherweise hatten die Veranstalter*innen für eine Simultanübersetzung gesorgt, so daß deutsche Sprachkenntnisse nicht erforderlich waren um dem Gespräch folgen zu können. Von dem Erfahrungshorizont der sechs Ex-Gefangenen war die Zeit aus den Siebzigern bis in die Gegenwart abgedeckt, einschließlich interbationaler Bezüge und einem eindrücklichen Rückblick in die Isolationsfolter der 70’er, einschließlich der “toten Trakte”.
Zu der Veranstaltung in Berlin ist noch eine Broschüre in Planung, die wir hier auf RDL, sobald sie erschienen ist, noch vorstellen werden.
(zuerst erschienen am 20.10.2023 auf https://rdl.de/beitrag/die-bedeutung-von-soliarbeit-f-r-politische-gefangene )
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