Bundesverfassungsgericht rügt bayrische Justiz für Razzia bei Erlanger Professor

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die Verfassungsbeschwerde des Erlanger Psychologieprofessors Dr. Stemmler gegen eine angordnete Razzia des LKA vom 30.01.2020 nicht zur Entscheidung angenommen, rügt aber die bayrische Justiz für ihr Vorgehen.

Die Vorgeschichte

Am Lehrstuhl des Erlanger Professors fand ein Forschungsvorhaben über islamistische Radikalisierung in Geföngnissen statt, eiin Projekt das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte. Beteiligten Gefangenen wurde Vertraulichkeit zugesichert. Allerdings geriet ein 26-jähriger irakischer Insasse und Teilnehmer an der Studie in den Fokus der Justizbehörden. Angeblich sei er möglicherweise Mitglied einer terroristischen Vereinigung im Ausland gewesen. Im Zuge der Ermittlungen wurde dann auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft von der Ermittlungsrichterin am OLG München ein Durchsuchungsbeschluss gegen den Professor und bezogen auf dessen Räumlichkeiten. Insbesondere sollten im Zuge des Forschungsvorhaben gewonnene Unterlagen und Gesprächsaufnahmen mit dem Beschludigten irakischen Gefangenen sicher gestellt werden. Um eine Durchsuchung der Räume zu verhindern gab der Professor die Unterlagen heraus, legte danach aber Rechtsmittel ein.

OLG München weist Beschwerde ab

Mit Beschluss vom 28.07.2020 wies das OLG München die Beschwerde des Forschers zurück Die Forschungsfreiheit die grundgesetzlich gerantiert ist ziehe kein irgendwie geartetes Zeugnisverweigerungsrecht nach sich. Ein Vergleich mit der Presse sei nicht angezeigt, diese sei darauf angewiesen die Anonymität ihrer Quellen zu schützen, wohingegen die Wissenschaft mit größtmöglicher Transparenz arbeite um Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit sicher zu stellen. Nach der Strafprozessordung gebe es kein Zeugnisverweigerungsrecht für die Wissenschaft.

Verfassungsbeschwerde des Professors (nicht ganz) erfolglos!

Gegen den Beschluss des OLG München erhob der Wissenschaftler Verfassunsgbechwerde und rügte einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit. Interviewpartner würden ihre Bereitschaft zur Mitwirkung zurücknehmen, wenn sie mit der staatlichen Beschlagnahme der Unterlagen zu rechnen hätten, bzw. würden sich erst garnicht bereit erklären mitzuwirken.

Das Bundesverfassungsgericht wies die Beschwerde ab, da der Prozessbevollmächtigte diese offenbar zu spät eingereicht hatte (Entscheidung).

Allerdings nutzte das Karlsruher Gericht die Gelegenheit, den bayrischen Richterkolleg*innen Nachhilfe in der Auslegung des Grundgesetzes zu erteilen: danach bestünden „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“ geegen das Vorgehen. So formuliert das Gericht: „Die Forschungsfreiheit (…) umfasst auch die Erhebung und Vertraulichkeit von Daten im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte als Bestandteil der Prozesse und Verhaltensweisen bei der Suche nach Erkenntnissen.“ Um dann abschließend festzustellen, dass „eine rationale Kriminalprävention in hohem Maße auf Erkenntnisse über Dunkelfelder und kriminalitätsfördernde Dynamiken angewiesen (ist). Eine effektive Verhinderung von Straftaten setzt deshalb genau jene Forschung voraus, die durch den Zugriff auf ihre Daten zum Zwecke der konkreten Strafverfolgung erheblich erschwert oder verunmöglicht wird.“

Bewertung und Ausblick

Der Beschluss zeigt zum einen, wie fristenfixiert die Justiz ist, auch wenn vorliegend der Rechtsprofessor der die Verfassungsbeschwerde formuliert hatte, eigentlich die Fristen kennen dürfte, zum andere ist der Fall ein weiteres Beispiel dafür, wie sich die (gerne immer wieder die bayrische) Justiz ihr eigenes Recht versucht zu etablieren- und es ist kaum fraglich, daß bei nächster Gelegenheit die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Instanzengericht nicht genauso handeln werden.
Und Inhaftierte sollten bedenken, daß alles was sie gegenüber staatlichen Vertreter*innen, und seien es Forscher*innen die ihnen „Vertraulichkeit“ zusichern, gegen sie verwendet werden kann.

Anna und Arthur halten’s Maul“ ist eine zeitlos aktuelle und gute Devise!


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