Symbolbild: Freiburger Wache der Bundespolizei

Mißhandlung durch einen Polizisten? AG Freiburg verhandelt gegen Polizeibeamten!

Am 15.02.2024 verhandelte das Amtsgericht Freiburg gegen einen Bundespolizisten dem zur Last gelegt wird, am 29.10.2022 im Freiburger Revier der Bundespolizei, einen vorläufig festgenommenen Menschen am Hals gewürgt und mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen zu haben.

Das Verfahren wurde nicht durch eine Anzeige des Opfers eingeleitet, sondern in Folge eines Vermerks eines Polizeikollegen, der das Vorgehen des nunmehr Angeklagten für nicht hinnehmbar gehalten hatte. Der Angeklagte und dessen Emmendiger Verteidiger bestritten nachdrücklich ein „Würgen am Hals“ und an die Wand Schlagen des Kopfes. Vielmehr habe der Angeklagte einen Kopfstoß befürchtet und mit einer Hand ans Kinn des Gefesselten gegriffen und auf den Stuhl zurück gedrückt.

Wie alles begann:

Begonnen hatte alles am Bahnhof von Freiburg. Am 29.10.2022 sei die Meldung eingegangen, ein Zugpassagier habe gepöbelt: am Bahnsteig sei dann aus einem einfahrenden Zug seitens eines Zugbegleiters ein Passagier der Polizei mitgeteilt worden. Dieser sei beleidigend gewesen, aber er-der Zugbegleiter- stelle keinen Strafantrag.

Zwecks Personalienfestellung sei der Passagier nun festgehalten worden. Maximal unkooperativ sei dieser gewesen, er habe gezappelt, keine Ausweispapiere vorgezeigt, immer nur davon geredet, er wolle und müsse weiter: zum Arzt, er brauche Insulin. Da eine Identitätsklärung vor Ort nicht machbar gewesen sei, habe man dem Mann unmittelbaren Zwang angedroht, denn man werde nun aufs Revier gehen. Anschließend sei der Mann von drei Polizist*innen zu Boden gebracht und auf dem Rücken gefesselt worden. Bis zu dem weiter entfernt stehenden Polizeiwagen habe sich der Mann immer wieder dagegen gestemmt, habe geschleift und getragen werden müssen.

Der Angeklagte beklagt sich

Immer wieder sei der Gefesselte „auffällig“ geworden, wie genau, den Wortlaut, konnte der Angeklagte aber nicht mitteilen. Aber er erinnerte sich genau, daß ihm der Gefesselte zwei Stinkefinger gezeigt habe (mit auf den Rücken gefesselten Händen). Er selbst sei nun seit 33 Jahren Polizist, nie auffällig geworden, seit einer Woche, so dessen Verteiger, schlafe der Mandant schlecht. Immer wieder, so der Angeklagte, habe der Gefesselte sich laut geäußert, auf dem Revier nach seiner Brille gefragt, sei zappelig gewesen und habe immer wieder etwas von einem Arzt geäußert zu dem er müsse.

Die Anklage

Die Staatsanwaltschaft Freiburg hatte ursprünglich einen Strafbefehl von 90 Tagessätzen beantragt. Hiergegen hatte der nunmehr Angeklagte Einspruch erhoben, weshalb an diesem Tag öffentlich verhandelt wurde. Laut der Vorsitzenden Richterin Bachmann ein Verfahren von öffentlichem Interesse, wie auch die Zahl der Zuschauer*innen belege, so die Richterin zur Eröffnung weiter. Im Saal saß rund ein Dutzend Menschen, nach meiner Einschätzung die meisten Polizist*innen in Zivil, sowie Freund*innen des Angeklagten.

Der Gang der Verhandlung

Nach der umfänglichen Einlassung des Angeklagten, dieser bestritt nicht, den Geschädigten auf dem Revier angefasst zu haben, nur eben nicht am Hals und auch habe er nicht den Kopf des Mannes gegen die Wand geschlagen. Sportlich, Anfang 50, grünumrandete Brille saß der Angeklagte oft vorgebeugt auf seinem Stuhl, beantwortete mit zunehmender Dauer der Verhandlung Fragen unwilliger und wurde an manchen Stellen fast auch patzig: es wurde viel zu der Frage erörtert, weshalb man dem Gefesselten die Brille abgenommen hatte. Wozu denn ein auf dem Stihl sitzender Gefesselter eine Brille brauche, so der Angeklagte irgendwann in genervtem Tonfall. „Um zu sehen“, so der Staatsanwalt. Ihm, so der Staatsanwalt weiter, habe sich beim Aktestudium irgendwann der Verdacht beschlichen, der Angeklagte habe den Festgenommen schikaniert.

Der Gefesselte beharrte immer wieder auf den Gang zu seinem Arzt wegen des Insulins: dies kommentierte der Verteidiger, ein Rechtsanwalt aus dem Freiburger Umland, mit den Worten: er sei selbst Diabetiker und könne das beurteilen. Auf jedem Revier gebe es Zuckergetränke und wenn der sein Insulin später bekomme, sei das nicht weiter schlimm. Der Staatsanwalt Schmied meinte, diese medizinische Erkenntnis sei neu für ihn.

Der erste Zeuge

Der erste Zeuge war der Polizeibeamte W. auf dessen Vermerk das ganze Verfahren zurück ging. Knapp zwei Stunden wurde er durch die Mangel gedreht, der Vertediger versuchte Widersprüche und Lücken in dessen Aussagen aufzudecken.
Irgendwann ging es um die Frage ob es schon im Polizeiauto einen Versuch eines Kopfstoßes durch den Gefesselten gegeben habe, was nämlich der Zeuge W. verneinte. Dies könnte entscheidungserheblich werden, denn der Angeklagte behauptet einen solchen Versuch, und stützt darauf seine notwehrähnliche Handlung auf dem Revier dort sei der Gefesselte aufgesprungen und er-der Angeklagte- habe wegen dessen aggressiven Vorverhaltens einen (erneuten) Kopfstoßversuch befürchtet.

Der Zeuge beteuerte jedoch, er selbst habe keinen solchen vorherigen Versuch im Polizeiauto beobachtet und er sei ja selbst die ganze Zeit an der Seite des Gefesselten gewesen.

Der zweite Zeuge

Gegen 18 Uhr betritt der nächste Polizeizeuge den Saall. Zuvor hatte es die Staatsanwaltschaft abgelehnt einer Verfahrenseinstellung, wie vom Verteidiger beantragt, zuzustimmen. Auch die Vorsitzende konnte der Argumentation des Verteidigers, die Schuld des Angeklagten wiege gering, und er erkenne auch garkein öfffentliches Interesse an der Strafverfolgung, nicht folgen.

Der zweite Zeuge behauptete dann, er selbst habe nicht nur den Kopfstoßversuch im Auto gesehen, nein, er habe ihn sogar selbst abgewehrt! Damit widerspricht er seinem Kollegen, und alle beide saßen im Auto, hinten zusammen mit dem Gefesselten. Nur einer der beiden Beamten dürfte wohl die Wahrheit sagen, denn die Aussagen schließen einander aus. Wohl auch deshalb wurden beide eindringlich von der Richterin belehrt, daß sie die Wahrheit zu sagen hätten, andernfalls drohe ihnen strafrechtliche Verfolgung.

Der Cliffhanger

Wie in einer Fortsetzungsserie, wurde dann inmitten der Vernehmung dieses zweiten Zeugen die Verhandlung unterbrochen, denn der Verteidiger meinte, er müsse um 19 Uhr zuhause sein, sonst drohe „eine echte Körperverletzung“, nämlich durch seine Frau zu seinem Nachteil. Immmer wieder fielen der Verteidiger und auch der Angeklagte durch entsprechend flapsige Sprüche, manche würden auch von sexistischen sprechen, auf.

Die Fortsetzung folgt

Auf den 28.02.2024 wurde der nächste Termin festgelegt, da wird der zweite Zeuge nochmal erscheinen müssen, denn dessen Befragung wird ganz wesentlich sein für die Frage ob der Angeklagte verurteilt werden wird. Der Verteidiger regte allerdings erneut eine Verfahrenseinstellung oder zumindest eine Verwarnung mit Strafvorbehalt an (dort wird eine Geldstrafe verhängt, diese aber zur Bewährung ausgesetzt). So daß es gut sein kann, dass am 28.02.2024 nicht weiter verhandelt werden wird. Der Verteidiger jedenfalls betreibt eine Konfrontationsstrategie und kündigte schon den Gang durch alle Instanzen an.

Bewertung

Spannend macht den Fall unter anderem, daß nicht der Geschädigte Anzeige erstattet hatte,, sondern sich ein Polizeikollege gemeldet hatte, dem das Verhalten des Angeklagten aufgestoßen war. Ein Detail am Rande:: der zweite Polizeizeuge, der einen angeblichen Kopfstoßversuch beobachtet und selbst abgewehrt haben will, war 2022 Polizeianwärter, also ein Berufsanfänger.
Polizeigewalt ist immer wieder Thema, insbesondere auch dann wenn Menschen vor laufenden Kameras zusammengeschlagen oder auch erschossen oder sonstwie umgebracht werden. Der vorliegend verhandelte Fall wäre garnicht der Öffentlichkeit zur Kenntnis gelangt, hätte nicht jener Polizist in seinem Vermerk davon berichtet. Er wirkte im Saal merklich verunsichert angesichts seiner Polizeikolleg*innen und betonte ausdrücklich, er sein kein „Beschwerdebeamter“, dies sei in sechs Jahren Dienstzeit sein erster entsprechender Vermerk.

Die Bundespolizei wollte sich auf Anfrage von Radio Dreyeckland bislang nicht äußern: weder die zuständige Inspektion Freiburg, noch die Direktion in Stuttgart, ebensowenig das Bundespolzeipräsidium.

Auch das nicht ungewöhnlich: die Reihen schließen sich fest, wenn einer der „ihren“ vor Gericht steht.


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