Im kürzlich veröffentlichten Tätigkeitbericht für das Jahr 2023 kritisiert die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter, erneut vielfach die Zustände in deutschen Gefängnissen, Psychiatrien, Abschiebeeinrichtungen, aber auch in Alten- und Pflegeeinrichtungen.
Was ist die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter?
In der Selbstbeschreibung heißt es, die Stelle sei „eine unabhängige nationale Einrichtung zur Prävention von Folter und Misshandlung in Deutschland“, deren Errichtung „auf dem Zusatzprotokoll zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“ beruhe.
Was ist die Aufgabe der Nationale Stelle zur Verhütung von Folter?
Deren Mitglieder sollen alle Orte besuchen, an denen Personen aufgrund behördlicher oder gerichtlicher Anordnung die Freiheit entzogen wird. Aufgrund dieser Besuche hat sie dann Empfehlungen an die zuständigen Aufsichtsbehörden mit dem Ziel abzugeben, die die von Freiheitsentziehung betroffenen Menschen, vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe besser schützen.
Wie ernst es die Bundesrepublik Deutschland und die 16 Bundesländer mit dieser Einrichtung nehmen, beweist die chronische Unterfinanzierung. So musste die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter 2024 ihre Besuche in den Einrichtungen vorübergehend aussetzen, da sie schlicht kein Geld mehr dafür zugewiesen bekam.
Wer sitzt in der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter?
Mitglieder sind im wesentlichen ehemalige Mitarbeitende aus dem Bereich der Justizvollzugs. Exemplarisch kann das festgemacht werden am Vorsitzenden Rainer Dopp, ehemaliger Staatssekretär im Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern, aber auch an Friedhelm Kirchhoff, ehemaliger Leiter der bayrischen JVA Kaisheim oder an Dr. Werner Päckert, ehemals Leiter der teilprivatisierten JVA Hünfeld in Hessen. Weitere Mitglieder*innen waren u.a. Parlamentsabgeordnete oder Richter*innen.
Gefängnisse
Besucht wurden im Berichtsjahr u.a. die Vollzugsanstalten Freiburg, Wuppertal-Vohwinkel, Bochum, Butzbach, Aachen, Billwerder (in Hamburg), aber auch das Vollzugskrankenhaus Leipzig.
Lange Isolationshaft, Unterbringung im „Bunker“ (einer leeren Zelle, oftmals ohne Decke, kameraüberwacht, fast nackt), offenes Klo in mit mehreren Gefangenen belegten Zellen, zu kleine Zellen, ,respektloser Umgang, problematischer Umgang mit Daten bei ärztlichen Gesprächen, und vieles mehr. Die entsprechenden Besuchsberichte sind in vielen Fällen zugänglich, mitunter auch die Erwiderungen der jeweiligen Justizministerien.
In allen Haftanstalten hatte die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter Anlass Missstände zu beanstanden. Da, wie oben angedeutet, deren Mitglieder primär aus Menschen besteht, die selbst über Jahrzehnte genau jene Missstände zu verantworten hatten bzw. verursacht oder geduldet haben, die sie nun kritisieren, mag dies zumindest für bürgerliche Kreise ein Fingerzeig auf die Situation hinter Gittern sein.
Psychiatrien
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter besuchte 2023 auch diverse forensische Psychiatrien: Hörstel, Werneck, Heidelberg, Emmendingen, Bedburg-Hau, Mainkofen.
Gerügt wurde kontinuierliche Überbelegungen, Mehrfachbelegungen von kleinen Räumen (u.a. auf Campingbetten würden Patient*innen schlafen müssen), langdauernde Fixierungen, langdauernde Isolierungen (aus Bedburg-Hau wird von einem Pateinten berichtet, der schon 10 Jahre in einem karg eingerichteten „Isolierraum“ verbringe).
Auch hier sind von vielen der besuchten Einrichtungen die Besuchsberichte im einzelnen abrufbar, wie auch die Erwiderungen der Ministeren.
Abschiebeeinrichtungen/Abschiebebeobachtungen
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter kritisiert, dass trotz eindringlicher Empfehlungen, die Achtung des Kindeswohls bei Abschiebungsmaßnahmen regelmäßig nicht ausreichend berücksichtigt werde. So fänden immer wieder Abschiebungen von Familien mit Kindern, darunter Kleinkinder und Säuglinge, aber auch von unbegleiteten Minderjährigen statt. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 2.863 Minderjährige abgeschoben. Regelmäßig würden die betroffenen Kinder zur Nachtzeit aus den Betten gerissen und abgeschoben.
Wer die deutsche Grenze überschreitet, könne nicht sicher sein, so bemängeln es die Kommissionsmitglieder, dass ausreichend über das Recht auf Asyl aufgeklärt wird.
Detaillierte Informationen können dem Jahresbericht, aber auch einzelnen Besuchsberichten entnommen werden.
Alten- und Pflegeeinrichtungen
Besucht wurde 2023 ein Pflegeheim in Berlin, in dem auch Menschen mit psychischen Erkrankungen untergebracht waren: die bauliche Situation wie auch erhebliche Defizite in Unterbringung und personeller Situation wurden beanstandet, und es kam dann zu einem Wechsel von Schriftsätzen der zuständigen Senatorin und der Nationalen Stelle über die Missstände, denn -wenig überraschend- die Senatorin wollte solche Missstände nicht erkennen.
Zusammenfassung
Eine mit viel zu wenig Geld ausgestattete offizielle, auf einem Übereinkommen der UNO beruhende Stelle in Deutschland, besetzt mit Personen die fast durchweg in hohen und höchsten Justizämtern über Jahrzehnte tätig sind, kritisiert seit es diese Nationale Stelle zur Verhütung von Folter gibt, also seit dem Jahr 2009, die eklatanten Missstände in den Gefängnissen, Abschiebehafteinrichtungen, Psychiatrien, Heimen und bei Abschiebungen. Wirklich viel geändert hat sich nichts. Oftmals mit den selben Argumenten verteidigen die Verwaltungen die Zustände seit nunmehr 15 Jahren.
Immerhin mögen einzelne Besuchsberichte geeignet sein, in einem eher bürgerlichen Spektrum für Interesse zu werben, denn allzu oft wird Aktivist*innen vorgeworfen, sie würden übertreiben und es wird behauptet, es gehe doch hinter den hohen Mauern und hinter Gittern alles nach Recht und Gesetz vor sich.
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