Gefängnisskandal in Augsburg: Bericht der Antifolter-Stelle online!

Vergangenes Jahr machte die JVA Augsburg-Gablingen Schlagzeilen, nachdem eine Anwältin von zwei Gefangenen Foltervorwürfe erheben und eine ehemalige Gefängnisärztin wesentliche Teile der Vorwürfe bestätigte. Nunmehr ist der Besuchsbericht der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter online abrufbar.

Die Vorwürfe

Die Rechtsanwältin hatte der JVA Augsburg-Gablingen u.a. vorgeworfen ihre Mandanten über Tage in einer bunkerartigen Zelle eingesperrt zu haben, nackt, ohne Decke, ohne Matratze, teilweise ohne Essen. „Die Hölle des Südens“ überschrieb das ARD Magazin KONTRASTE seinen Fernsehbeitrag. Auch gewalttätige Übergriffe habe es gegeben. Der bayrische Justizminister Eisenreich sah sich veranlasst Stellung zu nehmen, er distanzierte sich von etwaigen Übergriffen und kündigte eine Aufarbeitung an.

Die Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter

Die Nationale Stelle ist eine Beobachtungsstelle, die auf ein Übereinkommen der Vereinten Nationen zurück und gibt es in Deutschland seit Mai 2009, wobei die Nationale Stelle seit Jahren eine unzureichende finanzielle Ausstattung beklagt, die es ihr verunmögliche ihren Aufgaben, nämlich Orte an denen Freiheitsentziehung erfolgt (neben Gefängnissen, Psychiatrien, Polizeizellen auch Alters- und Pflegeheime) umfassend zu besuchen und zu prüfen.

Der Besuchsbericht zur JVA Augsburg-Gablingen

Am 09.08.2024 besuchte die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter die JVA. Vor wenigen Tagen veröffentlichte sie ihren Besuchsbericht. Neben den in vielen anderen Haftanstalten gleichfalls beanstandeten Zuständen wie keine Schamwände in den Gemeinschaftsduschen, kein Sonnen-/Regenschutz im Gefängnishof, unverpixelte Videoüberwachung der Toilette im besonders gesicherten Haftraum (bgH), Urinkotrolle ohne Sichtschutz, und manches mehr, behandelt der Bericht ausführlich die Situation in den erwähnten besonders gesicherten Hafträumen: tagelang seien Menschen in den leeren Zellen, ohne Decken, Matratzen, ohne Kleidung, also nackt, weggesperrt worden, ohne Frischluft im Hof, denn der Zugang zum Hof sei ihnen verweigert worden.

Auffällig fand die Besuchskommission, dass sie bei ihrem unangekündigt erfolgten Besuch, längere Zeit an der Torwache festgehalten worden und am sofortigen Betreten der Anstalt gehindert worden sei. Es besteht der Verdacht, dass die Wartezeit genutzt wurde, um den in den bgH sitzenden Gefangenen schnell noch Matratzen, Decken und Kleidung zu bringen. Solche Vorwürfe hatte schon die ehemalige Gefängnisärztin erhoben.

Exkurs: Der Leiter Abteilung Strafvollzug im bayrischen Staatsministerium der Justiz

In allen 16 Bundesländern gibt es im jeweiligen Justizministerium eine Abteilung, welche sachlich und organisatorisch zuständig ist, für alle Justizvollzugsanstalten im Land. Ao auch in Bayern. Der Leiter der Abteilung F, Ministerialdirigent Peter Holzner, versteht es geschickt, in seinem medialen Auftreten (hier Seite 12-15), den Eindruck eines konzilianten Menschenfreunds zu erwecken, der von sich sagt, er „gehe sehr gerne wandern und wenn die Zeit dafür nicht reicht, auch gerne länger spazieren“, denn das sei „eine wunderbare Gelegenheit, um in der Früh munter zu werden und Kraft zu tanken und am Abend Stress abzubauen“. Dieser Wanderfreund also, verbittet sich, nach Mitteilung der Nationalen Stelle, unangekündigte Besuche in einer JVA: so habe dieser am 28.08.2024, also knapp drei Wochen nach dem Besuch in der JVA Augsburg-Gablingen die Nationale Stelle schriftlich aufgefordert von solchen unangekündigten Besuchen abzusehen.

Das ist derselbe Leiter, dessen Abteilung mindestens seit 2023 Vorwürfe über die Misshandlungen bekannt sind. Über eine Anstalt, die seiner Aufsicht untersteht, von der schon 2020 die taz berichtete, das einem Gefangenen falsche Medikamente ausgegeben wurden, so dass dieser nach Alarmierung des Notarztes ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Die Nationale Stelle lehnt Aufforderung ab und empfiehlt so einiges

Die Nationale Stelle lehnt die Aufforderung des Ministerialdirigenten von unangekündigten Besuchen abzusehen, ab und wertet den Vorgang als „irritierend“. Justizminister Eisenreich wird die Aufforderung seines Mitarbeiters als „individuelle Äußerung“ des Beamten abtun, welche nicht seiner eigenen Haltung entspreche. Dann folgt eine lange Liste an Empfehlungen: Matratzen, Sitzwürfel, Zugang zum Hof, Frischluft in den Zellen, blickdichte Kleidung, Verpixelung des Toilettenbereichs. Strengste Prüfung der Unterbringung im bgH (in einem Fall von 11 Tagen Unterbringung sei in Vermerken stets vom ruhigen Verhalten des Gefangenen die Rede gewesen, weshalb man nicht nachvollziehen könne, weshalb er dort 11 Tage gefangen gehalten wurde).

Der Justizminister erwidert

Auch die Antwort des Ministers ist mittlerweile öffentlich zugänglich. Mit Schreiben vom 16.01.2025 reagiert Minister Eisenreich auf den Besuchsbericht und die Empfehlungen. Er sei offen für die Idee, eine längere Unterbringung in einem bgH, an einen Richtervorbehalt zu knüpfen. Bislang entscheiden dies die Anstalten vor Ort in eigener Machtvollkommenheit. Es werde, so der Minister, eine lückenlose straf- und disziplinarrechtliche Aufklärung erfolgen. Zudem habe er eine „interdisziplinär besetzte Kommission unter der Leitung von Herrn Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs a. D. Peter Küspert eingesetzt“. Diese habe die Aufgabe Empfehlungen für die Unterbringung in einem bgH und dessen Ausstattung zu entwickeln. Angeblich gebe es aber Fälle, in welchen Kleidung und Decken dazu führen könnten, dass Gefangene sich verbergen, um Wunden unentdeckt aufzubeißen (!) oder Kleidungsstoff verschlucken, um sich umzubringen. Auch eine Verpixelung im Toilettenbereich könne zu entsprechenden Handlungen genutzt werden, die dann unentdeckt bleiben würden.

Ausblick

Skandale wie diese haben die Eigenschaft sich tot zu laufen. Noch sind SPD und Grüne im bayrischen Landtag durchaus engagiert. Horst Arnold (SPD) meint, „Abteilungen des Justizministeriums (würden) ein selbstherrliches Eigenleben“ führen. Toni Schuberl von den Grünen hat eine Kleine Anfrage an die Staatsregierung gerichtet. Er wirft Ministerpräsident Söder vor, den „Laden nicht im Griff“ zu haben. Dieses Engagement neigt jedoch dazu, schnell zu verpuffen, wenn die Scheinwerfer der Medien auf andere, neue Skandale gerichtet sein werden. Mit Forderungen die Lebenssituation von Gefangenen zu verbessern, lassen sich zudem in Wahlkämpfen kaum viele Stimmen gewinnen. Schon Anfang der 90’er Jahre war das Anti-Folterkomitee des Europarats Bayern vor, in der JVA Straubing Gefangene zu misshandeln. Jetzt, über 30 Jahre später, hat sich strukturell nicht viel geändert.

Aber immerhin, es wird berichtet und aktuell schauen mehr Menschen auf den (bayrischen) Strafvollzug, als sonst.

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