Freiburg Amt für Migration in der Kritik – Migrant_innen-Beirat fordert runden Tisch!

Wie „Willkommen“ fühlen sich Menschen mit Migrationsgeschichte in Freiburg?

Im Dezember letzten Jahres berichtete RDL aus dem Ausschuss für Migration und Integration hier in Freiburg. Dort wurde unter anderem von 14 Neueinstellungen beim Amt für Migration und Integration (AMI) berichtet und die Hoffnung geäußert, dass sich in den kommenden Monaten die Situation verbessern werde.

Wie sieht es zehn Monate später aus? RDL sprach mit Ariam und Tekle, zwei Betroffenen. Aber auch mit drei Menschen aus dem Migrant_innen-Beirat der Stadt Freiburg. Über die ganz konkreten Konflikte im Umgang mit dem AMI, aber auch die strukturellen Defizite.

Zu Gast bei RDL waren neben Ariam und Tekle, Frau Fedoua Haman, Herr Ali Sari und Herr Jascha Andrew Hilkowitz.

Radiobeitrag

Interview mit Ariam und Tekle

Interview mit den Personen aus dem Migrant_innen-Beirat

Freiburger Stadtrat im Interview: Die „Bezahlkarte“ für Geflüchtete ist diskriminierend!

Noch ist offen ob und wenn ja wann in Baden-Württemberg die „Bezahlkarte“ für Geflüchtete einführt: dann könnten diese nur noch 50 € im Monat an Bargeld erhalten, alles andere würde über die Karte zwangsabgewickelt. In Hamburg und Nürnberg haben Sozialgerichte die Praxis, Geflüchtete auf 50 € Bargeld/Abhebung im Monat zu begrenzen, schon in Eilverfahren beanstandet.

Was für Einschränkungen und Diskriminierungen die Bezahlkarte mit sich bringt und wie auch zivilgesellschaftlich dem etwas entgegen gehalten werden kann, dazu beantwortete mir in einem Interview für Radio Dreyeckland, der Freiburger Stadtrat Felix Efosa von der Linken Liste Freiburg, einige Fragen.

Geflüchtete auf 50 € Bargeld zu begrenzen: von Gerichten beanstandet

Mit der sogenannten Bezahlkarte sollen Geflüchtete gezwungen werden, den Großteil ihrer Ausgaben nur noch unbar zu bezahlen. Lediglich um die 50 € Bargeld im Monat wollen die Behörden ihnen zugestehen.

Hiergegen regte sich von Anfang an Widerstand. Wieso? Zahlen nicht mittlerweile viele Menschen mit Karte? Zum einen werden Geflüchtete staatlich entsprechend gezwungen, können also nicht wählen, so wie die übrigen Bürger*innen. Zum anderen sind gerade Menschen in prekären Lebensverhältnissen darauf angewiesen Geschäfte auch bar zu tätigen: viele (kleine) Läden nehmen keine Karten an, auf Flohmärkten, wo bestimmte gebrauchte Artikel besonders günstig zu kaufen sind, kann mensch sowieso nicht mit Karte bezahlen. Aber wie steht es um die Bezahlung von Anwält*innen? Nicht wenige Geflüchtete suchen anwaltliche Hilfe und bezahlen diese von ihren Sozialleistungen, wenn sie aber nur noch 50 € im Monat in bar erhalten, können sie dies nicht mehr. Oder soetwas wie ein Handyvertrag: den bekommen sie mit der Bezahlkarte nicht. Dazu bräuchten sie ihr reguläres Bankkonto, aber auf dieses wird die Sozialleistung nicht überwiesen, sondern auf die gesonderte „Bezahlkarte“.

Eine erste Gerichtsentscheidung aus Hamburg

Das Sozialgericht Hamburg verpflichtete am 18.07.2024 die zuständige Behörde einen höheren Barbetrag als die 50 € im Monat auszuzahlen, denn dieser geringe Betrag werde der spezifischen Situation der antragstellenden Person nicht gerecht. Zudem habe es die Behörde versäumt eine konkrete Einzelfallentscheidung zu treffen.

Die entsprechende Eilentscheidung wurde medial breit rezipiert, beispielsweise in der taz, im Neuen Deutschland, oder im NDR.

Zweite Entscheidung aus Hamburg

Nicht ganz so breit berichtet wurde über eine Entscheidung des Landessozialgerichts, ebenfalls aus Hamburg. Dort lehnte es das Gericht ab, einem Geflüchteten mehr als die 50 € Barbetrag im Monat zuzugestehen. Dass der Geflüchtete viele Möglichkeiten günstig einzukaufen so nicht nutzen könne, veranlasste die Richter*innen lediglich zu der Bemerkung, dass „in der Begrenzung dieser konkreten Möglichkeiten (…) kein wesentlicher Nachteil (liege), sondern dies (der Neuregelung) immanent“ sei.

Entscheidung aus Bayern

Anders wiederum eine Sozialgericht aus Nürnberg. Diese hat am 30. Juli 2024 entschieden, das zwei Antragsteller*innen die jeweils vollen Beträge auf deren Girokonten auszuzahlen seien, so dass sie entsprechend auch dieses in bar abheben können. Es bedeute eben sehrwohl erhebliche Nachteile auf lediglich 50 € Bargeld im Monat beschränkt zu werden.

Bewertung

Neben der zivilgesellschaftlichen Möglichkeit, den Geflüchteten im Rahmen von Initiativen wie jener in München, die Bezahlkarten in Bargeld umzutauschen, ist abzuwarten wie die oberen Sozialgerichte in den kommenden Monaten entscheiden werden. Das Landessozialgericht in Hamburg gibt schon den ersten Ausblick, wohin die Rechtsprechung gehen könnte. Eine marginalisierte Gruppe, die in sehr prekären Verhältnissen lebt, wird -wie so oft- nicht nur von rechten Kräften, sondern in diesem Fall auch, ebenfalls wie so oft, von SPD und GRÜNEN zu Täter*innen stilisiert: angeblich würden von den Sozialleistungen Schleuser*innen bezahlt, und es soll sogar Geflüchtete geben die sich mal Zigaretten und Alkohol kaufen!

Immer nur auf Gerichte zu setzen oder auf Initiativen wie in München scheint mir zu wenig. Es bedarf größerer Proteste gegen die Entmündigung von Geflüchteten und deren Stigmatisierung.

Anmerkung

Bei Radio Dreyeckland habe ich einen kurzen Radiobericht über die aktuelle Rechtslage veröffentlich

Schöffengericht Freiburg verurteilt 28-jährigen Iraker wegen “Einschleusens mehrerer Ausländer” zu Geldstrafe von 700 €

Am Vormittag des 23.10.2023 verhandelte das Schöffengericht, unter Vorsitz von Richter Peterson, flankiert von einer Schöffin und einem Schöffen knappe zwei Stunden gegen Herrn M. Ihm wurde von der Staatsanwaltschaft Freiburg zur Last gelegt , im September vor zwei Jahren von Freiburg mit seinem eigenen Auto nach Frankfurt an der Oder gefahren zu sein und dort dann vier Minderjährige aufgenommen zu haben, um diese nach Karlsruhe zu fahren. Sich schon auf der Rückfahrt befindend, wurden sie 100 km entfernt von Berlin von der Polizei kontrolliert und von dieser dann Strafanzeige wegen des Verdachts der Einschleusens Minderjähriger und das auch noch gegen Entgelt erstattet. So lautete dann auch die Anklage.

Ein Vorwurf der Herrn M., wie dann sein Freiburger Verteidiger, Rechtsanwalt Erschig, im Verlauf der Verhandlung schon auch Angst machte, denn eine Anklage zum Schöffengericht läuft oftmals auf eine Freiheitsstrafe hinaus.

Während der Verhandlung stellte sich dann aber heraus, daß Herr M. nicht wirklich wissen konnte, daß es sich um Minderjährige handelte, denn nachdem Gericht, Staatsanwältin Frau Dr. Rohr und der Verteidiger die seinerzeit aufgenommenen Lichtbilder der vier Geflüchteten angeschaut hatten, wollte keiner die Hand dafür ins Feuer legen selbst sagen zu müssen, daß es sich um Menschen unter 18 Jahren gehandelt hat.

Auch der Vorwurf gegen Entlohnung tätig geworden zu sein fiel bald in sich zusammen. Zwar konnte durch Chatverläufe sichergestellter Telefone von der Polizei ermittelt werden, dass ein Betrag von um die 750 Euro thematisiert worden waren, jedoch betrugen die Bezinausgaben für die Fahrt des Herrn M. nach Frankfurt an der Oder und zurück mehr als 500 €, so daß zu seinen Gunsten davon ausgegangen wurde, wie dann der Vorsitzende auch in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich betonen sollte, daß Herr M. aus “alturistischen Motiven” gehandlet habe: nämlich anderen Menschen helfen wollend, so wie ihm geholfen wurde, als er 2014 in die BRD flüchtete. Herr M. war nun selbst in der Lage helfen zu können, als er im September 2021 über einen Hamburger Bekannten seines Vaters, der nach wie vor im Irak lebt, nachts angerufen und um diesen Hilfsdienst für die vier Geflüchteten gebeten worden.

Hier lebt er mit einer (deutschen) Ehefrau, drei Kindern, gerade vor wenigen Wochen ist er nochmal Vater geworden, arbeitet hauptberuflich für eine Logistikfirma, im Nebenjob noch für Lieferando. Seine Frau ist im Mutterschutz und als Angestellte für die Stadt Freiburg tätig.

Im Verlauf der Hauptverhandlung, die gänzlich ohne Zeug*innen auskam, wurde Herrn M. der Hinweis erteilt, er könne auch wegen eines anderen Vorwurfs, als des angeklagten verurteuilt werden, nämlich statt des Einschleusens von Minderjährigen, bzw. Beihilfe hierzu, wegen “Einschleusens mehrerer Ausländer”.

So kam es dann auch. Die Staatsanwältin forderte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 15 €, wobei sie es für schulderschwerend hielt, daß es sich um vier Menschen gehandelt habe, die Herr M. in seinem Auto aufgenommen hatte.

Der Verteidiger forderte eine geringere Geldstrafe, stellte 50 Tagessätze in den Raum und auch eine geringere Tagessatzhöhe.


Nach kurzer Beratung verkündte das Gericht um kurz vor 11 Uhr sein Urteil: 70 Tagessätze Geldstrafe von jeweils 10 €. Zu Gunsten von Herrn M . wurde bedrücksichtigt, dass er gut integriert und eben wieder Vater geworden sein, daß er viel und hart arbeite, geständig war, was den Kernvorwurf anbetraf und er eben aus altruistischer Motivation gehandelt habe. Allerdings hatte er vor einigen Jahren ingesamt vier Geldstrafen u.a. wegen Körperverletzung erhalten, war also vorbestraft, aber nicht einschlägig, wie der Vorsitzende betonte.

Die Staatsanwältin gab Frage von RDL noch dahingehend Auskunft, daß man in Freiburg selten “Schleuserfälle” vor Gericht bringe, und wenn, dann seien es in der Regel Anhegörige oder Bekannte die anderen Angehörigen und Bekannten helfen würden. “Richtige Schleuserkriminalität”, so Frau Dr. Rohr, gebe es hier eigentlich kaum.

Auch wenn der Prozess öffentlich war, so interessierten sich wenige Menschen dafür, wäre nicht ich für RDL im Zuschauer*innenraum gesessen, so hätte auch von diesem Prozess niemand weiter Kenntnis genommen. Irritierend fand ich, wie während der Prozesspause der Verteidiger, die Staatsanwältin und auch die Protokollführerein des Gerichts sich relativ fröhlich unterhielten, über den (lang erwarteten) Umzug des Amtsgerichts in neue Räumlichkeiten, dann weniger fröhlich über die hohe Arbeitsbelastung der Bediensteten des Amtsgerichts, über andere Strafprozesse- und währenddessen saß Herr M. relativ verloren und unsicher auf seinem Stuhl.

In der Mittagssendung von RDL sprach kex mit mir über den Prozess und auch dessen politische Einordnung. Der Link zu dem Beitrag folgt noch.