Neues zum Übergriff auf ‚Endinger Mordverdächtigen‘

Wie vor einigen Wochen berichtet wurde in der Untersuchungshaft der JVA Freiburg ein Inhaftierter von Mitgefangenen verletzt. Hierzu gibt es Neuigkeiten.

Ermittlungsverfahren gegen zehn Untersuchungsgefangene

Mittlerweile beschuldigt die Staatsanwaltschaft Freiburg (Az. 250 Js 19 841/17) zehn Untersuchungsgefangene, den Verdächtigen im ‚Endinger Mordfall‘ mit Faustschlägen und Tritten verletzt zu haben.

Beschluss des Amtsgerichts Freiburg

Mit Beschluss vom 05.07.2017 hat der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Freiburg bei einem der Beschuldigten die Beschlagnahme von dessen Turnschuhen angeordnet, da an diesen Blutspuren gefunden worden seien.Es bestehe mithin die Möglichkeit, dass im Rahmen des weiteren Verfahrens die Schuhe eingezogen würden.

Sammelaktion von Polizei und Staatsanwaltschaft

Kurz nach dem Angriff auf Herrn C., den Tatverdächtigen im ‚Endinger Mordfall‘ am 07.Juni 2017 wurden bei diversen Untersuchungsgefangenen Schuhe und Kleidungsstücke aus den Zellen geholt. In keinem Fall wurden gerichtliche Beschlüsse vorgelegt oder Beschlagnahmeprotokolle ausgehändigt. Erst nachdem sich mehrere Untersuchungsgefangene beschwerten, ergingen nun Beschlüsse wie jener vom 05.07.2017; wobei der Ermittlungsrichter nicht versäumt zu erwähnen, der Beschuldigte habe schließlich „freiwillig“ die Schuhe herausgegeben.

Wie man bei migrantischen Gefangenen, die vielfach der deutschen Sprache kaum mächtig sind, von einer ‚Freiwilligkeit‘ sprechen kann, wenn plötzlich die Zellentüre aufgerissen wird und die Polizei steht im Raum, bedarf schon einer großen Phantasie.

Wie geht es weiter?

Den zehn Beschuldigten wird gefährliche Körperverletzung (§§223, 224 Strafgesetzbuch) zum Nachteil von Herrn C. Vorgeworfen. Es bleibt nun abzuwarten ob die Beweise für eine Anklage oder später eine Verurteilung genügen.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA

Hermann-Herder-Str.8, D-79104 Freiburg

http://freedomforthomas.wordpress.com

Zivilklage gegen Baden-Württemberg: Zu hohe Telefonkosten im Knast!

Wie schon an anderer Stelle berichtet

(https://freedomforthomas.wordpress.com/2016/04/25/klage-gegen-hohe-telef…) hat auch das Landgericht Freiburg bestätigt, dass Inhaftierte zu viel für die Telefonie bezahlen müssen. Nunmehr wurde Zivilklage auf Schadenersatz eingereicht.

Gefangenentelefonie

Ein Leben ohne Telefon ist für viele der Menschen außerhalb der Gefängnismauern kaum mehr vorstellbar, das Smartphone erscheint allgegenwärtig. Aber es gibt empfangsfreie Orte, die Gefängnisse. In Bayern sind Telefonate nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig, in Baden-Württemberg, zumindest im Bereich der Sicherungsverwahrung während der Zellenöffnungszeiten, also werktags von 6:25 Uhr bis 22:00 Uhr. Telefonate sind essentiell für die Förderung, den Aufbau und den Erhalt sozialer Bindungen, zumal in der Regel die Familien oder Freundinnen der Insassen in der ganzen BRD, oder im Ausland und nicht etwa vor Ort in Freiburg leben, so dass die Telefonate auch als Ersatz für Besuche dienen (müssen).

Die Kosten

Bezahlen müssen für die Telefonate die Insassen, denn sich anrufen zu lassen ist in fast keiner Haftanstalt möglich. Viele Haftanstalten sind dazu übergegangen die Telefonie outzusourcen, wobei bundesweit vor allem der Anbieter Telio GmbH hervorsticht, da er den Gefängnisleitungen und Ministerien verspricht die gesamte Infrastruktur bereit zu stellen und zu betreuen, nicht nur der Telefonie, sondern, in einzelnen Anstalten, auch die Versorgung mit Fernsehern und Computern in den Hafträumen, mit eingeschränktem Zugang zum Internet. Für Ferngespräche musste man in Freiburgs Gefängnis deshalb 20 Cent pro Minute, für Ortsgespräche 10 Cent in der Minute bezahlen.

Ein 30-minütiges Gespräch nach Dresden oder Berlin schlug somit mit jeweils 6 Euro zu Buche.

Die erste Klage in Freiburg

Schon vor fast drei Jahren verklagte ich deshalb die Anstalt darauf, einen günstigeren Anbieter zu verpflichten, denn die Preise entsprächen nicht ansatzweise denen vor den Gefängnistoren. Mit Beschluss vom 22. April 2016 (Az.: 13 StVK 550/14) gab mir das Landgericht Freiburg vollumfänglich recht, die Justizvollzugsanstalt müsse nämlich die wirtschaftlichen Interessen der Insassen schützen. Das hiesige Landgericht bezog sich dabei auf ein Musterverfahren in einem anderen Bundesland, in welchem der Berliner Rechtsanwalt Dr. Jan Oelbermann (http://kanzlei-gleisdreieck.de) intensive Arbeit geleistet und vor Landgericht, wie Oberlandesgericht für seinen inhaftierten Mandanten obsiegt hatte.

Die Reaktion der Justizvollzugsanstalt Freiburg

Wer nun erwartet, die Anstalt hätte dafür gesorgt, dass alle Insassen günstiger telefonieren können, wird eines Besseren belehrt werden. Die Folge der Gerichtsentscheidung war, dass nunmehr viele Insassen, so auch ich selbst, sogar mehr zu bezahlen hatten, bzw. haben, als noch zuvor. Wie denn das?

Im Laufe der zuvor laufenden Rechtsstreitigkeit mit der JVA Freiburg, führte die Telio GmbH einen neuen Tarif ein: den „Flexi-Tarif‘. Gegen einen monatlichen Betrag von knapp 10 Euro, konnte man die monatlichen Kosten um 50% senken: d.h. statt 20 Cent/min für Ferngespräche, fielen „nur“ noch 10 Cent/min an; für Ortsgespräche statt 10 Cent/min derer 5 Cent/min.

In Folge der oben erwähnten Gerichtsentscheidung trat die JVA Freiburg in Verhandlungen mit Telio GmbH. Das Ergebnis: generell wurde der Tarif für Ferngespräche auf 15 Cent/min gesenkt, jedoch unter Wegfall des „Flexi-Tarifs“. Das Ende vom Lied war also, eine fast 50%-ige Preiserhöhung für jene Insassen die viele Ferngespräche zu führen haben, denn zuvor konnte man den Ferntarif auf 10 Cent/min drücken. Da nutzte es auch nichts, dass die Anstalt 10 Freiminuten pro Monat aushandelte.

Auf Kritik der Verwahrten gab die Anstaltsleitung lapidar bekannt, man habe diese Auswirkungen so gar nicht im Blick gehabt.

Um es noch mal zusammenzufassen: das Landgericht verpflichtete die JVA im Rahmen einer neuen Prüfung der Angelegenheit, auf eine Senkung der Tarife hinzuwirken, die JVA stimmte aber einer Erhöhung der Tarife durch die TELIO GmbH zu. Ein Schelm wer, selbstverständlich völlig unberechtigterweise, dabei Böses denkt.

Die Zivilklage

Nachdem sich also die Mitarbeiterinnen der Haftanstalt als geradezu resistent, manche Insassen meinen auch: renitent, erweist, was die Senkung der Tarife angeht, hat nun mein Rechtsanwalt, Dr. Klaus Eschenburg (http://www.dr-klaus-eschenburg.de) mit Schriftsatz vom 19.06.2017 bei der 2. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe, Klage gegen das Land Baden-Württemberg erhoben, um im Wege der sogenannten Amtshaftung (Artikel 34 Grundgesetz i.V.m. § 839 BGB) vom Land den mir entstandenen und künftig entstehenden finanziellen Schaden ersetzt zu erhalten.

Unter anderem bezieht sich der Rechtsanwalt auch auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches schon vor Jahren entschieden hatte, dass Haftanstalten verfassungsrechtlich verpflichtet seien, die finanziellen Interessen der Gefangenen zu wahren, wenn sie sich externer Anbieter bedienen sollten. Dass jedoch die Gefängnisleitungen vor Ort, so auch in Freiburg, nicht sonderlich geneigt sind, verfassungsrechtliche Rechtsprechung oder die unterer Instanzen zu befolgen, ist kein Geheimnis.

Ausblick

Bekommt irgendwer der diesen Beitrag liest, gelegentlich Anrufe?

Genau, sich anrufen lassen! Außerhalb der Gefängnisse Alltag. Nicht so in den Gefängnissen (es sei denn es handelt sich um Beschäftigte: diese telefonieren ausgiebig, ausufernd, gerne auch privat veranlasst, während der Dienstzeiten). Schon vor drei Monaten hat das Landgericht Freiburg auf meinen Antrag hin entschieden, es müsse geprüft werden, wie man mir ermöglicht gleichfalls angerufen zu werden (Az.: 13 StVK 163/15, Beschluss vom 11.04.2017).

Ich verrate gewiss nichts Überraschendes, aber bis heute kann ich-selbstverständlich- nicht angerufen werden.

Allerdings ließ der viel beschäftigte Vollzugsleiter, Sozialoberinspektor G. ausrichten, es liege ein Vorgang in dieser Sache dem Justizministerium zur Entscheidung vor, es sei allerdings weiter Geduld erforderlich.

Letztlich kann die Anstalt von mir aus künftig Verträge mit Telefonie-Drittanbietern schließen die auch 5 €/min verlangen, solange dann das Land den Insassen und damit auch mir, die Differenz als Schadenersatz zurück überweist.

Diese Verfahren zeigen deutlich wie mühselig, zeit- und arbeitsaufwendig es ist, Mitarbeiterinnen einer Behörde, die den Anspruch erheben, Gefängnisinsassen zu einem „Leben ohne Straftaten und in sozialer Verantwortung“ befähigen zu wollen (wie es fast lyrisch im Gesetzestext heißt), beizubringen, erst einmal selbst zu lernen Gesetze zu befolgen, bevor sie sich anmaßen, andere Menschen zu irgendetwas ertüchtigen zu wollen.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),

Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg

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    Zivilklage Land BaWü auf Schadenersatz LG Karlsruhe Az. 2 O 489 14 Telio GmBH (PDF)

Dank an alle Unterstützerinnen und Unterstützer

Seit rund 21 Jahren sitze ich in Haft, davon vier Jahre in der SV und möchte an dieser Stelle auch auf diesem Weg meinen Dank aussprechen.

Ich danke all jenen die mich einen Teil meines Weges begleitet haben und nach wie vor begleiten, die mir seit langer Zeit ihre Wärme, Sympathie und auch Unterstützung zuteil werden lassen. Die mich besuchen, schreiben, solidarische Aktionen durchführen, aber auch finanzielle Hilfestellung geben.

Da die Justiz den Insassen hier den Zugang zum Internet verwehrt, danke ich auch all jenen die meine Texte abtippen (oder in den zurückliegenden Jahren getippt haben), diese dann auch online stellen. Ohne sie könnte ich nicht sprechen, ohne sie bleiben die Geschichten unerzählt und ohne sie bleiben die Geschichten ungehört.

All dies berührt mich sehr und gibt Kraft auf dem Weg durch den Gefängnisalltag. Eben weil es auch Menschen gibt, deren Postanschrift ich nicht kenne, die sich durch Karten, Briefe ‚anonym‘ melden, oder Unterstützung geben, wähle ich dieses Forum hier.

Die intensive Begleitung auf einem langen Weg, wie ich sie erfahre, ist eine Ausnahme. Nur wenige Mitverwahrte haben überhaupt intensivere Bindungen zu Menschen vor den Mauern, bei einigen ist die/der PflichtverteidigerIn für die alljährlichen Haftfortdauer-Prüfungen der einzige Kontakt nach draußen.

Ich bin allen die mich begleitet haben und auch immer noch an meiner Seite sind unendlich dankbar.

Und der Kampf – er geht weiter!

Herzliche Grüße aus der Freiburger Sicherungsverwahrung.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),

Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

Sicherungsvewahrung ohne Ende

Nachdem ich vor nunmehr vier Jahren, am 08. Juli 2013 in die Sicherungsverwahrung (SV) der JVA Freiburg gelangt bin, ist es Zeit, eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen, zumal weder eine Abschaffung der SV, geschweige denn der Gefängnisse, noch meine Freilassung in absehbarer Zeit zu erwarten sein werden.

Die Sicherungsverwahrung

Gefängnisse sind gesellschaftlich ein Randbereich, auch wenn in Deutschland zehntausende Gefangene, und dazu hunderttausende Angehörige, FreundInnen und Bekannte dieser Inhaftierten betroffen sind. Und ein ganz dunkler Randbereich dieses Randbereichs stellt die Sicherungsverwahrung dar. Eingeführt wurde diese „Haft nach der Haft“ durch Gesetz vom 24.11.1933 durch das NS-Regime; es ermöglicht, Gefangene auch über das Ende ihrer Haft hinaus hinter Gefängnisgittern zu halten, über Jahre, Jahrzehnte, bis zum Tod.
Angestoßen durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 2004 und 2011, sowie Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verbesserten sich die materiellen Haftbedingungen im bundesdeutschen Vollzug der SV teilweise, an der absoluten Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit hat sich jedoch nichts signifikantes geändert. Die Anstalten für die Sicherungsverwahrung gelten als „Endlagerstätten“ (vgl. Privatdozent Dr. Kreissl in Drechsler (Hrsg.), „Maßnahmevollzug – Menschenrechte, Weggesperrt und Zwangsbehandelt“, Seite 91. Auf das Buch beziehe ich mich im weiteren Verlauf des Artikels. Es ist 2016 erschienen im Verlag Mandelbaum http://www.mandelbaum.at)

Situation in der Justizvollzugsanstalt Freiburg

Im malerischen südbadischen Freiburg, im Zentrum der Stadt und in Sichtweite des Münsters gelegen, werden bis zu 60 Menschen verwahrt; die Anstalt ist ein Annex zur Strafanstalt, in der hunderte Strafgefangene einsitzen und ein Anbau zur Untersuchungshaft, zu dessen Trakten eine direkte Sichtverbindung besteht. Letzteres ist deshalb pikant, weil sich hier, nur durch eine verglaste Gittertüre getrennt, Anfang und Ende eines Lebens hinter Gittern begegnen: Mit der Untersuchungshaft beginnt es, in der Sicherungsverwahrung klingt es aus.

Die therapeutische Situation

Vor nicht wenigen Jahren bestand die sozialarbeiterische Betreuung der Verwahrten in zwei Sozialarbeitern, die jeweils ¼ ihrer Arbeitszeit in der Anstalt für die Verwahrten verwenden durften; mittlerweile verfügt die SV-Anstalt über vier Vollzeitstellen an SozialarbeiterInnen für die vier Stationen, sowie einen leitenden Sozialoberinspektor, den Herrn G. Auch hinsichtlich der Ausstattung mit TherapeutInnen wurde einiges verändert. So arbeiten drei männliche sowie zwei weibliche TherapeutInnen mit jenen Verwahrten, die bereit sind, sich auf Gespräche und therapeutische Maßnahmen einzulassen. Zusätzlich sind einige wenige externe TherapeutInnen im Rahmen von gruppentherapeutischen Maßnahmen (wie Bewegungstherapie, Gestalttherapie) auf Honorarbasis im Einsatz.

Allerdings wird durchgehend von den Bewohnern bemängelt, das Fachpersonal sei im Alltag zu selten präsent, trete nur auf den Plan, wenn es zu besonderen Vorkommnissen gekommen sei, oder zu den therapeutischen Sitzungen. Und an den langen Wochenenden, Feiertagen und zahlreichen „Brückentagen“ sei erst recht niemand präsent. Zudem würden zu oft therapeutische Sitzungen ausfallen, so dass manche Verwahrte nur ein einziges Gespräch in fünf Wochen führen könnten, wo eigentlich wöchentliche Sitzungen angezeigt wären.

Die Sozialarbeiterin der Station, auf der ich lebe, ist tatsächlich ziemlich selten vor Ort; aber sie ist – nach eigener Mitteilung – viel beschäftigt mit Stellungnahmen verfassen. Zudem verbringt sie, wie ihre KollegInnen, jede Woche viele Stunden in diversen „Team-Sitzungen“, d.h. die Bediensteten treffen sich (mindestens) jeden Montag, Mittwoch und Freitag. Insofern handelt es sich letztlich wohl um typische Verwaltungsstrukturen, die sich selbst erhalten wollen. Nicht zu vergessen die Bediensteten des uniformierten Dienstes, die zwar dem „Behandlungsteam“ als wertvolle Ergänzung dienen sollen, so die Konzeption der Anstalt, die jedoch vielfach lieber im Kreise der eigenen Kollegenschaft speisen (und dafür dann auch die Station, auf der sie eigentlich Dienst machen müssten, über Stunden sich selbst überlassen), sich die neuesten Urlaubserlebnisse erzählen oder durch ausführliche Privattelefonate gebunden werden, so dass die Interaktion mit jenen Insassen, die auf Ansprache und Zuspruch warten, entfallen muss.
Zugleich fehlt es, auch nach Einschätzung der Bediensteten, nach wie vor an Personal.

Die bauliche Situation

Da die Schwäbinnen und Schwaben als sparsam, mit Hang zum Geiz gelten, wurde in Baden-Württemberg, im Vergleich zu den übrigen Bundesländern, nicht neu gebaut, sondern es wurde ein Anfang der 2000’er Jahre als Untersuchungshaftanstalt errichteter Anbau zur Strafanstalt einfach umgewidmet; mit Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes wurden jene Räume, die noch Tags zuvor Zellen genannt wurden, zu Zimmern umdefiniert.

Es gibt vier Stationen, mit jeweils maximal 16 Zellen für die Bewohner, auf einer Station ist ein Isolationstrakt eingerichtet für als „besonders gefährlich“ geltende Verwahrte. Jede Station verfügt über einen Freizeitraum mit Couch, Fernsehgerät, Dart-Scheibe und mitunter auch Aquarien. Ferner gibt es auf jeder der vier Stationen eine kleine Küche mit altersschwachem, aber immerhin noch funktionstüchtigem Herd/Backofen.

Die gesamte Infrastruktur ist allerdings für den Vollzug einer langjährigen freiheitsentziehenden Maßnahme völlig ungeeignet. Es fehlt an Freizeiträumen, Besuchsräumen, Räumen für therapeutische Maßnahmen, selbst an einer ausreichenden Zahl adäquat ausgestatteter Besprechungsräume für das Personal fehlt es.

Der Gefängnishof mag für Untersuchungsgefangene, die in der Regel einige Wochen oder Monate in einer JVA sitzen, halbwegs erträglich sein, für Langstrafer ist er eine Zumutung, denn er wirkt wie ein Grab. Man ist umgeben von Mauer und Gebäude mit den Gitterfenstern (via google-earth kann sich jeder den Hof aus der Vogelperspektive anschauen. Von oben sieht man das große Hofarreal für die Strafgefangenen und das ersichtlich winzige für die Verwahrten). Wer zudem im ersten oder zweiten Stock einsitzt, hat das Gefühl in einem Grab zu leben, denn er sieht nur die graue, triste Mauer, über Jahre, Jahrzehnte, und das letzte was er vor seinem Tod sehen wird, sind Gitter und Mauer.

Die Zellen sind ca. 14 m² klein, verfügen weder über einen Herd noch eine Dusche; Selbstverständlichkeiten, die beispielsweise in Niedersachsen bedacht wurden, wo die Zellen über 20 m² groß gebaut worden sind und auch die Ausstattung entsprechend installiert wurde. Nicht wenige der Freiburger Insassen meinen, wenn sie schon bis zum Tod oder zumindest bis ins hohe Alter hinter Gittern sitzen sollen, obwohl sie ihre Strafe längst verbüßt haben, dann wenigstens unter halbwegs erträglichen Umständen und nicht wie in einer Strafanstalt.

Von einer freien Bewegungsmöglichkeit innerhalb des Hauses, jederzeitigem Zugang zum Gefängnishof (wie vom Gesetz vorgeschrieben) ist auch vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Sicherungsverwahrung nichts zu spüren. Die Anstalt praktiziert weiterhin die „Kleingruppenisolation“; die an Wochenenden, Feiertagen, Brückentagen besonders deutlich und für viele bedrückend spürbar wird, denn sie werden sich selbst überlassen, können zwar für 3 ½ Stunden in den Hof oder für diese Zeitdauer auch einander auf den Stationen besuchen gehen (das heißt, ein/e Vollzugsbeamter/in schließt die Türe auf und gleich wieder zu), außerhalb dieser 3 ½ Stunden wird man jedoch lediglich auf der eigenen Station verwahrt.

Die rechtliche Situation hinter Gittern

Über die unzähligen Gerichtsverfahren anderer Untergebrachter und meine eigenen habe ich seit 2013 ausführlich berichtet; man wird regelrecht dazu gezwungen, selbst so etwas wie Pfefferminzöl vor Gericht einzuklagen. In dutzenden Verfahren habe ich gegen die Anstalt obsiegt, letztlich erweisen sich die Bediensteten jedoch als ziemlich resistent und machen einfach weiter, als ob Gesetze für sie nicht gelten würden.

Erst vor wenigen Tagen gewann – mal wieder – ein Verwahrter gegen die Anstalt vor Gericht. Auf Seite 9 der Hausordnung der SV-Anstalt wird ausgeführt, dass die Untergebrachten „verpflichtet“ seien, an der Stationsversammlung eines jeden ersten Mittwochs im Monat teilzunehmen. Im Falle der Verweigerung der Teilnahme wird die Möglichkeit eines „Stationsumschlusses“ verboten.
Unter „Stationsumschluss“ wird in der Praxis die Möglichkeit verstanden, von der eigenen Station, auf der man lebt, auch „Kleingruppen-Isolation“ genannt, auf eine der übrigen drei Stationen der SV-Anstalt zu wechseln, um dort für mehrere Stunden andere Mitgefangene zu besuchen, mit ihnen zu sprechen, zu spielen, gesellig beisammen zu sein. Mit Menschen, die man mitunter viele Jahre, einige sogar seit Jahrzehnten aus der Zeit der vorangegangenen Strafhaft kennt. Wie oben beschrieben ist insbesondere an Wochenenden die Situation besonders beengend; für jene, die dann vom „Stationsumschluss“ ausgeschlossen sind, gerät das Leben zur international geächteten völligen Kleingruppenisolation.

Mit Beschluss vom 29.6.2017 (Az.: 13 StVK 130/17) erklärte das Landgericht Freiburg die Praxis, solche „Stationsumschlüsse“ zu verbieten, wenn man nicht an besagter Stationsversammlung teilnehme, für rechtswidrig, d.h. nur weil ein Insasse nicht an der Stationsversammlung teilnehme, dürfe sein Recht aus § 21 Abs. 2 JVollzGB-5 auf Bewegung innerhalb der Einrichtung nicht eingeschränkt werden. Es handele sich um eine unzulässige, vom Gericht nicht vorgesehene Bestrafung.

Von einem Leben, welches dem in Freiheit „angeglichen“ sein soll, eine der zentralen Forderungen der BVerfG in seinen Urteilen von 2004 und 2011 kann aus Sicht der Mehrzahl der Verwahrten nicht einmal im Ansatz gesprochen werden. So werden diese systematisch von den modernen Medien fern gehalten. Internetzugang? Verboten! Smartphones oder Tablets? Verboten!

Bargeldbesitz? Verboten! Freie Bewegung innerhalb der Einrichtung? Strengstens verboten! Die Möglichkeit der Teilnahme an Wandergruppen oder Ausflüge in Museen? Keine Angebote vorgesehen!

Eigene Gesprächsgruppen für die Verwahrten mit ehrenamtlichen BetreuerInnen? Gibt es nicht!

Selbst sich anrufen zu lassen ist verboten (in dieses Thema kommt aktuell lediglich deshalb Bewegung, weil ich gegen das Verbot erfolgreich vor Gericht gezogen bin)!

Vollzugslockerungen

Eine der wenigen substantiellen Verbesserungen seit der Gesetzesreform von 2013 stellt der Rechtsanspruch auf Ausführungen dar. Je nach Einstufung durch die Anstalt dürfen die Verwahrten in Begleitung einer/s Psychologen/in, Sozialarbeiter/in, oder aber gefesselt, von bis zu drei Wärtern bewacht, mindestens vier Mal im Jahr die Haftanstalt für einige Stunden verlassen. Für einen Spaziergang, zum einkaufen, oder um Angehörige oder Freunde zu besuchen.

Auch hier kommt es jedoch mitunter zu Dramen, denn es kann passieren, dass frühmorgens Ausführungen gestrichen werden, wenn Personalmangel herrscht (eine Praxis, die das Landgericht für rechtswidrig erklärte, aber wie das so ist mit Gerichtsentscheidungen: Die ergehen im Nachhinein, Monate später).
In absoluten Einzelfällen werden Verwahrte auch in den sogenannten Freigang verlegt, dies geschieht jedoch erst dann, wenn die Freilassung unmittelbar absehbar ist, Stellungnahmen von Gericht, Staatsanwaltschaft und insbesondere die Bewilligung des Justizministeriums eingeholt wurde. Der Freigang soll die Betreffenden auf das Leben in Freiheit „vorbereiten“.

Die Perspektive auf Freilassung

Nun ist sicherlich das Allerwichtigste, zeitnah wieder in Freiheit zu gelangen, hat doch das BVerfG schon am 4. Mai 2011 entschieden, der Vollzug der Verwahrung solle so kurz als möglich andauern. In der Praxis regiert jedoch die Maxime: „So lange als nur irgendwie möglich!“.

Erst vor wenigen Tagen hat ein Langzeitverwahrter, der mittlerweile über 10 Jahre in der SV zubringt, seinen Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Freiburg erhalten. Maßgeblich wurde die Entscheidung damit begründet, er habe sich therapeutischen Maßnahmen während der Zeit der Verwahrung widersetzt. Er sei „gestört“, außerdem „gefährlich für die Allgemeinheit“.

Aber auch jene, die sich eifrig an jeder nur angebotenen Maßnahme beteiligen, sitzen hier Jahr um Jahr um Jahr. Und so sterben hier mehr oder weniger regelmäßig Insassen, der letzte Blick, den sie zu Lebzeiten machen, geht auf das vergitterte Fenster.

Die Gutachten

Entscheidungen wie die vorgenannte im Fall des Langzeitverwahrten fußen auf psychiatrischen (seltener: psychologischen) Sachverständigengutachten. Der oder die Sachverständige liest die Vorgutachten, die Gefangenenakten und die zahlreichen Vermerke des Personals und unterhält sich dann über mehrere Stunden mit dem Insassen.
Vielleicht wendet er/sie noch statistische Prognoseverfahren an, um dann am Ende zu einer „Gefährlichkeits-/ bzw. Sozialprognose“ zu gelangen. Diese fällt in aller Regel – wenig überraschend – zu Lasten der Insassen aus, d.h. diese werden als „schwer persönlichkeitsgestört“ und vor allem als „gefährlich“ für die Allgemeinheit klassifiziert.

Dabei agieren die GutachterInnen wie moderne „Halbgötter“ (Dr. Oelers, a.a.O.; S. 171) und gelten nicht umsonst als die „Schreibtischtäter des 21. Jahrhunderts“ (Dr. Oelers, a.a.O.). Denn selbst zumindest in Justizkreisen angesehene Psychiater wie Professor Nedopil (ehemaliger Leiter der Klinik für Psychiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität München) räumen ganz offen ein, dass die „Zahl der falsch-positiv Begutachtungen (…) in Deutschland etwa 60 bis 70 % betrage (a.a.O., Seite 187/188).

Was meint nun dieses auf den ersten Blick so unverständlich-kryptische „falsch-positiv“? Wenn Sachverständige über einen Insassen eine Prognose abgeben, so kann diese positiv oder negativ sein.
„Positiv“ meint in diesem Zusammenhang, es wird künftige Straffälligkeit vorhergesagt. „Negativ“ bedeutet, es wird künftige Straffälligkeit für ausgeschlossen erachtet. Wer nun „falsch-positiv“ begutachtet wurde, dem wird bescheinigt, er würde wieder Straftaten begehen, obwohl er, hätte man ihn denn entlassen, gerade nicht mehr straffällig geworden wäre. Das Gegenbeispiel sind die „falsch-negativ“ Begutachteten, d.h. jene, denen fälschlich attestiert wurde, mutmaßlich keine Taten mehr zu begehen, die dann in Freiheit gelangt, dennoch wieder straffällig werden (bei Sicherungsverwahrten liegt diese Rate bei rund 1 %).

Aber der „falsch-positiv“ Begutachtete bekommt keinerlei Chance, diese (falsche) Prognose zu widerlegen, er verbleibt dauerhaft in Haft.
Weshalb KritikerInnen die forensischen Gutachten mit „astrologischen Prognosen“ (Dr. Minkendorfer, ehemaliger Gefängnisdirekter, a.a.O., S. 35) gleichsetzen, oder sie mit einem „Blick in die Glaskugel der Wahrsagerin“ (Dr. Zihlmann, Rechtsanwalt, a.a.O., S. 170) vergleichen.

Der Ausblick

Bei der unbeschränkten Haftdauer des Maßnahmevollzuges handele es sich um „schwerste psychische Folter“. Das sagt nicht etwa ein inhaftierter Betroffener, auch wenn viele von ihnen diesen Satz unterschreiben würden, sondern diese Bewertung stammt von dem schon oben zitierten Privatdozenten Dr. Kreissl, einem Kriminalsoziologen und CEO des „Vienna Centre für Social Security“ (http/www.vicesse.at). Gefährlichkeit ist auch keine psychiatrische Diagnose, sondern nichts anderes als ein soziales Konstrukt. Wer deshalb behauptet, „kriminelles“ Verhalten zuverlässig voraussagen zu können, überhebt sich selbst (Dr. Zihlmann spricht in diesem Zusammenhang von „Hybris“, a.a.O., S. 170). Die Gesellschaft entsorgt tausende Menschen in Deutschland, der Schweiz, Österreich und anderen Staaten in „Endlagerstätten“, wobei die Pointe dieses Randbereichs eines Randbereichs darin liegt, dass alle Insassen ihre Haftstrafen längst verbüßt haben, d.h. die ihnen von Gerichten zugemessene „Tatschuld“ ist ausgeglichen, durch die Strafen verbüßt.

Die in den Gefängnissen tätigen Bediensteten, die Richterinnen und Richter an den Gerichten, nicht zuletzt aber auch und gerade die forensischen GutachterInnen, sie alle stellen sich in den Dienst einer sich technokratisch organisierenden Wegsperrmaschinerie des feindstrafrechtlich verfassten Verwahrvollzugs, sonnen sich – stellenweise auch öffentlich – in der Aura ihrer Macht, lassen sich blenden durch die von ihnen von der Gesellschaft zugeteilten Herrschaftsgewalt (vgl. so auch Dr. Zihlmann, a.a.O., S. 161 ff).

Ja, und so werde ich auch weiterhin aus der Dunkelkammer des Gefängniswesens berichten (müssen): Denn meine eigene Perspektive ist so dunkel wie die der anderen Verwahrten. Ich lehne es ab, mich den ausforschenden therapeutischen Eingriffen zu unterziehen. Ich lehne es ab, mich mit denen, die mir meine Freiheit nehmen, an einen Tisch zu setzen und mit ihnen zu essen. Ich lehne es ab, andere Insassen beim Personal zur denunzierenden Kenntnis zu bringen. Ich lehne es ab, mich mit GutachterInnen an einen Tisch zu setzen, die doch nur, als „moderne Schamanen“ (Dr. Zihlmann, a.a.O., S. 163) agieren, und genauso „treffsicher“ würfeln könnten, wobei zu würfeln wahrscheinlich sogar bessere Ergebnisse bringen würde.

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com

Grußwort zu den Protesten gegen den G20 – Gipfel in Hamburg – Juli 2017

Solidarische und herzliche Grüße aus dem Gefängnis! Wenn sich jetzt in Hamburg die Vertreterinnen und Vertreter der G20-Staaten treffen, versammeln sich auch die Eliten der Knastgesellschaften, welche unter anderem von Merkel, May, Trump, Putin und Erdogan repräsentiert werden.  

Jetzt, in diesem Moment, sitzen viele zehntausend Gefangene in Deutschland, Frankreich und Großbritannien und der Türkei hinter Gittern, sowie Millionen in den USA, China, Russland, Saudi-Arabien etc.! 

Und auch in Hamburg sitzen genau jetzt tausende Menschen in den Gefängnissen der angeblich so „freien“ Hansestadt. Damit es noch mehr werden, wurde zudem extra die Gefangenensammelstelle für bis zu 400 weitere Eingekerkerte gebaut. Hundert Richterinnen und Richter meldeten sich freiwillig, um die Verhaftungen der Polizei während der Gipfeltage zu legalisieren. 

Wer den G20 angreift, greift auch und immer den Gefängnis-Industrie-Komplex an. Ein System das auf Ausbeutung und Unterdrückung gerichtet ist. Ein System in welchem Polizei, Justiz und Wirtschaft Hand in Hand arbeiten. Ein System, dass die Menschen einschüchtern und dauerhaft aus dem politischen Prozess entfernen, aber noch wirtschaftlich „verwerten“ soll.

Euch allen in Hamburg deshalb kämpferische und aktive Stunden und Tage!

Für ein Gesellschaft ohne Knäste!

Herzschlagende Grüße aus Freiburgs Zuchthaus

Das Grußwort ist auch erschienen unter: https://de-contrainfo.espiv.net

Thomas Meyer-Falk
(Langzeit-Insasse seit 1996 –
https://freedomforthomas.wordpress.com)