Auch hier aus dem in Süddeutschland gelegenen Freiburg solidarische und herzliche Grüße zu der Soliwoche. Seit bald 27 Jahren beobachte ich die Welt hinter Gittern aus der Perspektive des gefangenen Menschen. Erst in Untersuchungshaft, später in Strafhaft und schließlich seit 2013 in Sicherungsverwahrung (SV). Die SV wurde ein Deutschland 1933 eingeführt. Ja, es waren die Nazis, die am 24.11.1933 das Strafrecht entsprechend ergänzten. Seitdem können in Deutschland Menschen auch nach Verbüßen der Freiheitsstrafe auf unabsehbare Zeit in Gefängnissen gehalten werden. In den 1990er und 2000er Jahren zogen auch andere europäische Länder nach, stets im Namen der „öffentlichen Sicherheit“: Belgien, Frankreich, Schweden, Großbritannien, Schweiz und viele Länder mehr.
Dabei erweist sich schon die normale Haft in vielen Fällen als eine Todesstrafe auf Raten: Erst stirbt die Seele und oftmals am Ende auch der Körper. Gerade vor ein paar Wochen hat sich in der Freiburger SV ein erst Anfang-40-jähriger das Leben genommen. Er sah offenbar für sich keine realistische Perspektive, wieder in Freiheit zu gelangen. Frau, Kinder, Adoptivmutter, Geschwister trauern um ihn, aber auch einige der Mitinsassen. Dabei muss jedoch eines klar sein: Auch Gefangenen steht das Recht zu, sich das Leben zu nehmen. Niemand soll es ihnen verbieten dürfen. Aber es ist auch zu fragen, welche Mitverantwortung tragen die staatlichen Institutionen an solch einer Entscheidung? Es wäre zu leicht, diese aus ihrer Verantwortung zu entlassen, indem auf die autonome Entscheidung der jeweiligen Insass:innen verwiesen würde.
Anarchist:innen streiten und kämpfen für den Autonomieanspruch der Individuen, aber immer auch eingebettet in ein soziales Netz. Denn kein Mensch steht jemals für sich alleine, wir alle sind eingewoben in ein Netz sozialer Beziehungen! Niemand ist eine Insel! Wir alle sind Teil des sozialen Miteinanders. Etwas, das verloren zu gehen scheint in der modernen Konsumwelt, wo Menschen nur in scheinbar „sozialen“ elektronischen Welten miteinander interagieren, aber in Wirklichkeit doch vielfach in die Vereinzelung von ihren Smartphones zurückgeworfen werden.
Gefängnisse sind in aller Regel internetfreie Zonen. Mein Beitrag heute findet auch nur deshalb Verbreitung, weil solidarische Menschen ihn abtippen und online verbreiten, auf diese Wiese die Gefangenenperspektive zur kritisierenden Kenntnis einer gewissen Öffentlichkeit bringen. Diese Möglichkeit verweist auf das dann durchaus auch emanzipatorische Potenzial der elektronischen Medien. Wenn nämlich zuvor nicht vernetzte Menschen zueinander Kontakt finden, wenn zuvor Namenlosen, Gesichtslosen und Stimmlosen schlussendlich doch Namen, Gesicht und Stimme gegeben wird.
Das strukturelle Ausgeliefertsein, das das Leben der Gefangenen kennzeichnet, soll in dieser Woche ganz besonders in den Fokus gerückt werden. Die oftmals unmenschlichen, erniedrigenden Haftbedingungen werden skandalisiert. Es wird die Freiheit der Gefangenen gefordert! Immer und immer wieder! Jahr um Jahr! Aber nur wenn diese Forderungen kontinuierlich erhoben und von Generation zu Generation weitergetragen werden, wenn an jene erinnert wird, die in den Gefängnissen leben und auch dort sterben, nur dann werden wir etwas ändern.
Für eine Welt ohne Käfige und Gefängnisse!
Thomas Meyer-Falk
z.Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str. 8
D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
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