Bush-Prozess! Die Fortsetzung

Wie im Februar berichtet (http://de.indymedia.org/2010/02/272962.shtml), findet vor dem Verwaltungsgericht ein Verfahren um die Kosten des Besuchs des damaligen US-Präsidenten Bush jr. im Jahr 2006 in Bundeskanzlerin Merkels Wahlkreis statt.

Ich hatte mich um Zugang zu den Rechnungen des Besuchs bemüht, da ich höhere Kosten als die vom Land behaupteten etwa acht Millionen Euro, für die „teuerste Grillparty der Welt“, vermute.

Nachdem das Innenministerium den Zugang zu den Rechnungen nach dem Informationsfreiheitsgesetz verweigerte, erhob ich Klage vor dem o.g. Gericht, das mir wegen Aussicht auf Erfolg Prozesskostenhilfe bewilligte.

Eine für den 05. März 2010 terminierte mündliche Verhandlung setzte das Gericht kurzfristig ab (http://de.indymedia.org/2010/03/275476.shtml).

Nunmehr setzte Vorsitzender Richter Skeries einen neuen Termin für die mündliche Verhandlung über die Klage fest:

Freitag, den 27.08.2010 um 8:30 Uhr, Saal IV

im Verwaltungsgericht Schwerin, Wismarsche Straße 323 a, 2. OG in Schwerin

Für Rückfragen steht auch mein, mir vom Gericht beigeordneter Rechtsanwalt Stefan Schulz (Kanzlei: Lorentz, Macht, Fandel, Platz der Freiheit 7 a, 19053 Schwerin, Tel. 0385-79 56 01, http://www.die-verteidiger.de, email: info@die-verteidiger.de) zur Verfügung.

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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Gefangene – voller Defizite?

Viele Menschen denken erst einmal an Defizite, die das Gegenüber tatsächlich oder vermutlich aufweist: Zu groß, zu klein, zu dick, zu dünn, zu affektiert, zu laut, zu leise, zu egozentrisch, zu unaufmerksam, zu unhöflich, und anderes mehr.

Insoweit unterscheidet sich das Miteinander in Freiheit nicht vom Leben hinter Gittern, nur hat es auf Dauer gesehen vielleicht unerfreulichere Wirkungen, wenn gerade Inhaftierte auf Defizite reduziert werden.



Exkurs: Ein Mal pro Woche spaziere ich mit P. im Gefängnishof im Kreis, etwa für eine dreiviertel Stunde und es geht meist recht heiter zu. Er hält sich für einen Realisten, wenn er sein Umfeld an Mitgefangenen überwiegend defizitär wahrnimmt und wirft mir vor, eine rosarote Brille zu tragen, wenn ich die Ressourcen sehe, die in diesen Menschen noch verschüttet liegen.



Ressourcen, das ist das Stichwort. Wenn ein Mensch es einmal geschafft hat, ins Gefängnis zu kommen, liegt eine lange Wegstrecke hinter ihr, bzw. ihm. Ausgeschlossen von der freien Welt, finden sich die Gefangenen an einem Ort wieder, der (in aller Regel) das fortsetzt, was sie schon seit Kindesbeinen an kennengelernt haben. Nicht ihre Ressourcen, ihre Talente, Fähigkeiten stehen im Fokus, sondern das, was sie nicht-können, all diese negativen Zuschreibungen, die suggerieren, ein Mensch sei so, sei ein statisches Wesen, unveränderlich.

Schnell entsteht der Eindruck, Verhaltensmerkmale wie „ist kriminell“, „ist aggressiv“, „ist faul“ seien manifest, vielleicht unveränderbar.

So zementieren sie eine Welt und die Gefangenen fühlen sich bestätigt auch in ihrem eigenen, meist wenig wohlwollenden Selbstbild, aber ebenso in ihrem (Vor)Urteil vom Gegenüber, das sie erneut auf die Defizite reduziert.



Exkurs: Manche werden schon vom Mittel des Umdeutens gehört haben. Aus der mentalen Sackgasse, das Gegenüber sei doch „verhaltensauffällig“ wird ein „verhaltensoriginell“, denn neue Worte schaffen neue Gefühle und öffnen so einen Zugang zu den Ressourcen eines Menschen.



Wenn wir negative Bewertungen durch ressourcenbeschreibende Bezeichnungen ersetzen, verändern wir zum einen unser eigenes Bild von unserem Gegenüber, zugleich eröffnen wir diesem die Möglichkeit, sich selbst und seine Umwelt mit anderen Augen wahrzunehmen. Nennen wir ihn Frank: Als Kind haute er oft von zu Hause ab, schwänzte die Schule und prügelte sich herum.


Verhaltensweisen und Zuschreibungen, wie sie sich in vielen Lebensläufen von weiblichen, wie männlichen Inhaftierten finden lassen.

Wie verändert sich unsere Wahrnehmung, unser Gefühl für Frank, wenn wir stattdessen hören: Er zeigte großen Freiheitsdrang, organisierte sich Freiräume und kämpfte um Anerkennung!?



Exkurs: Welche Anstrengungen unternehmen wir, um tief aus der Erde Kohle oder auch Diamanten zu fördern? Hunderte von Millionen werden in die Suche und hernach in das Schürfen gesteckt. Wäre es wohl möglich, mit der selben Energie und Hartnäckigkeit in anderen Menschen nach dem zu suchen, was wertvoll ist?



All das hat nichts mit einer „rosaroten Brille“ zu tun, sondern es geht um eine positive Veränderung der Eigen- wie der Fremdwahrnehmung, um so Kampfgeist und die Kompetenz der Gefangenen zu verdeutlichen.

Wer sie auf ihre Defizite reduziert, der nimmt ihnen auch ein Stück ihrer Würde.



Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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Anfragen zum Strafvollzug

Immer mal wieder beschäftigen sich Abgeordnete in den Landtagen mit dem Strafvollzug. Für Gefangene, wie am Thema Interessierte bietet sich so die Möglichkeit auch an Informationen zu gelangen, zumindest jedoch die Sicht der jeweiligen Abgeordneten und dann der Landesregierung kennenzulernen.

Nach einem kürzeren Hinweis auf eine aktuelle „Große Anfrage“ der GRÜNEN im niedersächsischen Landtag (a.) werde ich etwas ausführlicher mehrere Anfragen aus dem baden-württembergischen Landtag vorstellen (b.), um mit einem Fazit zu schließen (c.).

a.) GRÜNE im niedersächsischen Landtag

Unter Datum vom 23.03.2010 hat die Fraktion der GRÜNEN (Drucksache 16/2366) eine insgesamt 159 Fragen umfassende Große Anfrage zur gegenwärtigen Situation im Strafvollzug Niedersachsens eingereicht. Die schiere Anzahl von Fragen führte zu Kritik im Justizapparat und einschlägigen Medienberichten, wonach angeblich Gefängnisleitungen in ihrer wertvollen Resozialisierungsarbeit behindert würden, weil sie die Fragen zu beantworten hätten.

Schon in ihrer Eingangsbemerkung fragen die GRÜNEN kritisch, wie sich die Pläne der Regierung eine neue Anstalt mit 300 Plätzen zu bauen (und dies übrigens in Partnerschaft mit Privaten – Public Private Partnership) mit den sinkenden Gefangenenzahlen vertrage. In 18 Fragenkomplexen widmet sich die Anfrage der Situation der Inhaftierten und der Vollzugspraxis. Es wird nach Disziplinarmaßnahmen ebenso gefragt wie nach Vollzugslockerungen, nach der Situation von Frauen in Haft, wie nach der von Seniorinnen und Senioren hinter Gittern.
Aber auch Sicherungsverwahrung wird detailliert thematisiert; genauso wie die besonders wichtige Entlassungsvorbereitung.
Nach Mitteilung von MdL Helge Limburg wird mit der Antwort der Landesregierung auf die 159 Fragen nicht vor Anfang/ Mitte September zu rechnen sein. Jedenfalls verspricht die Anfrage einen detaillierten Einblick in die prekäre Situation der Inhaftierten in Niedersachsen.

b.) Anfragen im baden-württembergischen Landtag

Für das laufende Jahr 2010 waren einige Anfragen von Abgeordneten im Stuttgarter Landtag zu verzeichnen. Gleich im Januar wollten die GRÜNEN wissen, welche Konsequenzen die Regierung aus dem Urteil des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) vom 17.12.2009 ziehe, mit welchem die rückwirkende Verlängerung der Dauer der Sicherungsverwahrung für konventionswidrig erklärt wurde ( http://www.de.indymedia.org/2010/01/270543.shtml).
Mit Drucksache 14/5730 teilte die Landesregierung mit, dass sich derzeit 16 Personen in Baden-Württemberg im Vollzug der Sicherungsverwahrung befänden, welche bereits zu entlassen gewesen wären, wenn es nicht jene rückwirkende Verlängerung gegeben hätte.
Ferner merkte die Landesregierung an, den Verwahrten ginge es im Vergleich zu Strafgefangenen erheblich besser, da sie über „mehr Mobiliar und Haushaltsgeräte, über ein umfangreicheres Freizeitangebot sowie über längere Aufschlusszeiten“ verfügen würden.

Eine Anfrage der SPD im Landtag widmete sich der teilprivatisierten JVA Offenburg, eröffnet im Sommer 2009. Angesprochen wurde eine hohe Fluktuation der privaten Mitarbeiter der Firma KÖTTER, welche die Anstalt in weiten Teilen betreibt. Gefragt wurde auch nach rechtlichen Problemen, wenn Personal von KÖTTER Gefangene in den Zellen einsperre, denn hierbei handele es sich um hoheitliche Aufgaben, die nur Beamte erfüllen dürften.

Unter Drucksache 14/6340 lässt sich die Antwort von Justizminister Dr. Goll nachlesen. Man räumt gewisse Defizite im Bereich der „Sicherheit“ ein, da der private Betreiber „nicht ausreichend sensibilisiert und teilweise auch nicht ausreichend motiviert“ gewesen sei, die entsprechenden Standards einzuhalten.
Die privaten Angestellten der Firma KÖTTER seien vor Einsatz in der JVA „in einem vierwöchigen, ganztägigen Einweisungsseminar“ auf ihre Tätigkeit vorbereitet worden. Gefangene in die Zellen einschließen würden die privaten Angestellten nur und ausschließlich, wenn der jeweilige Gefangene einwillige. „Widersprüchen von Gefangenen gegen diese Verfahrensweise“ werde „sofort entsprochen“.

Angriffe auf Bedienstete habe es nur in zwei Fällen gegeben: einmal mit einem Anstaltsmesser und einmal habe ein Gefangener eine Psychologin mit einem Stück Spiegelglas bedroht. Ansonsten habe es „einige wenige“ Beleidigungssachverhalte gegeben.

Nach einem Mord in der nordrhein-westfälischen JVA Remscheid während eines nicht überwachten Besuchs einer Partnerin bei einem Gefangenen, wollte die FDP im Stuttgarter Landtag wissen, wie es sich um die Rahmenbedingungen des „Langzeitbesuchs“ in hiesigen Gefängnissen verhalte.
Am 20.04.2010 (Drucksache 14/6228) bestätigte Dr. Goll die Bedeutung solcher Besuchsformen (Ehefrauen können ihre inhaftierten Ehemänner unter bestimmten Bedingungen gänzlich ohne Überwachung empfangen) für die Integration der Gefangenen. In Bruchsal gebe es vier hierfür geeignete Besuchsräume, in Freiburg und Heilbronn jeweils eine Besuchseinrichtung. In den vergangenen zehn Jahren seien keinerlei versuchte oder vollendete Gewaltdelikte im Rahmen des LZ-besuchs bekannt geworden.

c.) Fazit

Meist ist der Erkenntnisgewinn solcher Anfragen gelinde gesagt suboptimal, denn Behörden neigen nicht gerade zur Transparenz. Die Bereitschaft einen Blick hinter die Mauern zu eröffnen ist zwar heute tendenziell größer als noch vor 15 oder vor 20 Jahren, aber in aller Regel werden vorgestanzte Antworten in orwell’schem Sprachduktus verbreitet, verfasst von Juristinnen und Juristen, Menschen also, die nicht gerade dafür bekannt sind, allzu anschaulich zu schreiben.
Dessen ungeachtet kann es für Interessierte hilfreich und sinnvoll sein, sich mit einzelnen Landtags-Drucksachen zum Strafvollzug zu beschäftigen, denn gelegentlich finden sich in der Tat darin ganz spannende Informationen und Einblicke in den Strafvollzug.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, 76646 Bruchsal
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