Ein persönlicher Kommentar zum Urteil des LG Münster

Das Landgericht Münster hat am 06.07.2021 gegen Hauptangeklagte im Fall besonders schweren sexualisierten Missbrauchs von Kindern Strafen zwischen 10 und 14 Jahren verhängt, sowie die anschließende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen die Mutter eines der Hauptangeklagten wurden 5 Jahre verhängt. Hintergrund der Anklage war der systematische sexuelle Missbrauch von Kindern, insbesondere des Stiefsohns des 28-jährigen Hauptangeklagten. Ein großer Teil der Taten wurde zudem auf Video aufgezeichnet.

Der Strafvollzug

Sollten die Urteile rechtskräftig werden, erwartet die Verurteilten erst einmal eine umfassende Umsorgung durch einen ganzen Stab an Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen. Besondere Unterbringung in besonderen Trakten, bevorzugte Gewährung von Vollzugslockerungen und manches mehr. Das ist die Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011, wonach schon der Strafvollzug darauf auszurichten sei, dass ein Antritt der Sicherungsverwahrung möglichst entbehrlich wird. Die besondere Unterbringung wird auch schon aus Schutzgründen erforderlich sein, da die Verurteilten andernfalls mit körperlichen Angriffen durch andere Insassen rechnen müssten.

Die Sicherungsverwahrung

In der SV selbst wird gleichfalls ein sogenanntes multiprofessionelles Behandlungsteam sich um die nun Verurteilten bemühen, dann in noch besser ausgestatteten Anstalten, mit noch mehr ‚Privilegien‘, noch größeren Zellen als zuvor und im Kreise anderer Sexualtäter ( nur circa 20% der Insassen der SV-Anstalten sitzen nicht wegen Sexualverbrechen dort ein).

Die wirkliche Strafe

Da ich selbst seit acht Jahren in einer SV-Anstalt lebe, also umgeben von Tätern wie jenen aus dem Fall Münster, von Männern die Kinder sexuell ausgebeutet, Frauen vergewaltigt und in Einzelfällen sogar ermordet haben, hat sich meine Wahrnehmung auf die Verwahranstalten verändert. Es gilt nach wie vor, die Maßregel der SV wurde mit Gesetz vom 24.11.1933 eingeführt, diese Genese ist unauslöschlich in ihrer DNA verankert. Zudem ist es eine Vorbeugehaft, d.h. die Inhaftierung erfolgt aufgrund der Spekulation, der/die Verwahrte ( es gibt allerdings nicht einmal eine handvoll weiblicher Verwahrter bundesweit ) könnte künftig wieder Straffällig werden.

Aber Mitgefühl diesen Täter*innen gegenüber wäre aus meiner Sicht verfehlt. Ich erlebe sie Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr um Jahr. Sobald ein Furunkel am Gesäß entsteht, oder die Nase läuft, wird nach dem Arzt gerufen und eine sofortige medizinische Versorgung, notfalls schreiend, eingefordert. Wenn die Therapeutin die Station betritt umschwirren sie diese, bieten ihr Kekse und Tee an; sobald sie die Stationstüre hinter sich geschlossen hat, fallen übelste sexistische Äußerungen.

Auch der Neidfaktor ist enorm: was wird da über Migrant*innen gescholten, insbesondere über straffällig gewordene, denen der Staat angeblich unzulässige Rundumversorgung gewähre. Und selbstredend will man nach unten treten.

Diejenigen welche keine Sexualtaten begangen haben, das sind in ihren Augen oftmals die wirklich ‚gefährlichen‘ und böse Menschen, denn sie selbst, sie haben doch nur das getan was die Kinder, was die Frauen ‚in ihrem tiefsten Inneren‘ selbst gewollt haben. Sie hatten das Menschenrecht darauf, ihren Penis in sie zu stopfen!

Wer, wie ich, in einem solchen Klima jahrelang lebt, ohne echte Möglichkeit der Distanzierung, denn im Stock über einem leben diese Menschen, im Stockwerk darunter, in der Zelle neben einem, den Flur hinauf und hinab nur ein einziger weiterer Insasse der keine Frauen oder Kinder vergewaltigt hat, verliert zwar dessen ungeachtet nicht den Glauben an das Gute im Menschen, sieht auch immer wieder jene Insassen die tatsächlich ihre Taten bereuen, aber Mitgefühl mit ihnen ist da, wenn überhaupt, nur noch in Resten vorhanden.

Die wirkliche Strafe, für jene Täter*innen und für mich selbst, ist tatsächlich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung; nicht nur weil Mensch Tag wie Nacht rundum umgeben ist von diesen Täter*innen-Gruppen, es keine Ausflucht gibt vor ihrem Selbstmitleid, was auch nur zu verständlich ist, da kaum jemand mit ihnen Mitleid hat, müssen sie sich selbst bemitleiden, sondern weil es gewissermaßen kein Ende gibt, sieht man vom Tod und in seltenen Fällen: einer Entlassung, einmal ab.

Thomas Meyer-Falk

z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV)

Hermann-Herder.Str. 8

D-79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com


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