Um das Jahr 2008 wurden sogenannte Forensische Ambulanzen (FAB) eingeführt Diese sollen ehemalige Inhaftierte oder aus dem Maßregelvollzug entlassene Menschen in der wiedergewonnenen Freiheit begleiten und auch überwachen. Dabei kommen neben Sozialarbeitenden auch Psycholog*innen zum Einsatz, welche dann therapeutische Gespräche führen. Bis zu fünf Jahren kann der Besuch einer FAB zur Auflage gemacht werden. Ich selbst habe nun einen kleinen Einblick als Betroffener gewinnen können. Die FAB in Karlsruhe hat mich vor wenigen Tagen als Klienten abgelehnt.
Wer ist die FAB in Baden-Württemberg
Die FAB in Baden-Württemberg wird getragen von BIOS e.V., der Behandlungsinitiative Opferschutz, gegründet unter anderem von OLG-Richter Klaus Böhm, vor nunmehr über 15 Jahren. BIOS betreut nicht nur ehemalige Insass*innen, sondern, der Name deutet es an, begleitet auch Tatopfer, allerdings sind die beiden Bereiche intern voneinander getrennt. Ihren Sitz haben BIOS, bzw. die baden-würtembergische FAB in Karlsruhe (https://www.bios-bw.com). Finanziell getragen wird der Verein von Spenden und Zuwendungen d.h. durch die Zuweisung von Geldauflagen seitens der Staatsanwaltschaften oder Gerichte. Die therapeutische Begleitung von Entlassenen trägt im Regelfall jedoch die Staatskasse.
Beginn meiner Erfahrungen
Vor einigen Monaten, ich saß noch in der Sicherungsverwahrung der JVA Freiburg,
wurde mir mitgeteilt, dass im Falle einer Entlassung ich um eine sogenannte „Vorstellungsweisung“ nicht herum käme. In Fällen in welchen jemand aus der SV entlassen und in dessen Fall die SV „für erledigt“ erklärt wird, ordnen die Gerichte einen umfassenden Katalog an Führungsaufsichtsmaßnahmen an. Selbiges gilt auch für alle jene Inhaftierte die ihre Strafen voll verbüßen mussten. Darunter gibt es Auflagen wie z.B. Meldepflichten bei der Polizei, bei der Bewährungshilfe, Alkoholverbote, der Verbot des Besitzes von bestimmten Gegenständen (insbesondere Waffen, Messer), die Pflicht bestimmte Orte/Straßen/Plätze nicht zu betreten (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__68b.html ). Diese „Führungsaufsicht“ kann bis zu einer Dauer von fünf Jahren ab Entlasstag ausgesprochen werden.
Unter anderem kann angeordnet werden, dass er/sie sich bei der FAB regelmäßig vorstellt. Ein Verstoß gegen eine solche Weisung ist strafbewehrt (vgl. § 145 a StGB: Geldstrafe oder Haft bis zu drei Jahren). Zusätzlich gibt es sogenannte „Therapieweisungen“: dort kann auferlegt werden sich nicht nur „vorzustellen“, also kurz bei der FAB „Hallo“ zu sagen und dann wieder zu gehen, sondern sich auf Gespräche einzulassen. Diese Therapieweisung ist insofern „freiwillig“, als keine strafrechtliche Verfolgung erfolgen darf, wenn man dieser nicht nachkommt, allerdings könnte die Dauer der Führungsaufsicht unter bestimmten Umständen über die Dauer von 5 Jahren hinaus verlängert werden.
Da es nicht ganz verkehrt sein könnte mit einer psychologisch versierten Person die möglichen Belastungen nach einer eventuell plötzlichen Freilassung nach 27 Jahren besprechen zu können, stimmte ich einer ersten Kontaktaufnahme noch in der Haftanstalt zu.
Die erste Kontaktaufnahme zu der FAB: in Haft
Zu Besuch kam Frau Dr. K. Im Zweitgespräch legte sie mir einen Behandlungsvertrag vor. Diesen müsse ich unterzeichnen, tue ich dies nicht, würde man Gespräche ablehnen. Da mir der Tonfall des Vertragstextes und erst Recht das Thema Datenschutz und Schweigepflichtentbindung aufstießen, unterschrieb ich unter dem Vorbehalt die Sache nachträglich prüfen zu lassen. Wo lag mein „Problem“ mit dem Text?
Die Betroffenen müssen die FAB von ihrer Schweigepflicht gegenüber Ärzt*innen, Anwält*innen und anderen Personen entbinden, zugleich stimmt man der Verwendung der Daten in der Forschung und zu Zwecken der Publikation zu, wenn auch diese nur in anonymisierter Form einfließen würden. Wer die Unterschrift verweigert oder später widerruft, der/die wird nicht behandelt. Das gilt für die probatorischen Sitzungen in Haft wie für die Zeit nach der Entlassung gleichermaßen.
Laut Frau K sei ich der erste Klient, der sich an alledem störe. Durchgelesen habe vor mir den Text eigentlich auch kaum jemand. Als wir über den Inhalt diskutierten kam schnell der Hinweis, dass ich im Leben in Freiheit meine Schwierigkeiten haben würde, wenn ich z.B. ein Bankkonto bräuchte, denn Banken würden mit mir sicher nicht in einen Dialog über ihre Datenschutzerklärungen treten.
Meine Eingaben
Ich schrieb dann zum einen an den Landesbeauftragten für Datenschutz, da es mir nicht so recht nachvollziehbar erschien, warum die FAB, welche einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen hat, und die behördenintern (z.B. gegenüber Gericht und Bewährungshilfe) sowie gesetzlich von der Schweigepflicht entbunden ist, noch darüber hinaus, ultimativ von den Betroffenen eine viel weitergehende Schweigepflichtentbindung einfordert. Die Verquickung mit dem Therapieangebot erschien und erscheint mir sehr fragwürdig, ob diese Kritik auch von dort geteilt wird ist noch offen.
Zum anderen wandte ich mich an den Landtag: da die FAB vom Staat (mit)finanziert wird, sollte es doch eine staatliche Aufsicht geben. Ich machte geltend, dass es rechtlich und moralisch fragwürdig sein könnte, von Menschen in einer Zwangslage gewissermaßen ultimativ diese Unterschrift einzufordern. Zwangslage deshalb, weil die dann Entlassenen gerichtlich verpflichtet werden dort zu erscheinen, die Auflagen zu erfüllen: tun sie dies nicht droht bei ehemaligen Sicherungsverwahrten strafrechtliche Verfolgung (§ 145 a StGB), oder wer den Strafrest auf Bewährung ausgesetzt bekam, der/dem droht der Widerruf der Bewährungsaussetzung.
Eine freie Wahl hätten die Betroffenen offenbar nicht, so meine Argumentation.
Ein Fragekatalog sorgt bei der FAB für Unmut
Ferner schickte ich einen Fragekatalog an die FAB/BIOS, da ich über diese Institution recherchierte und gerne deren Haltung zu einigen Punkten in Erfahrung gebracht hätte: warum halten sie diesen Vertrag, so wie sie ihn verwenden, für zulässig, welche Einnahmen aus der Forschung generieren sie unter Verwendung von Daten von Proband*innen, welche Veröffentlichungen hat es gegeben? Die FAB/BIOS reagierten bis dato nicht. Allerdings teilte mir die erwähnte Therapeutin der FAB, noch während der letzten Wochen in der JVA mit, dass die Anfrage für ziemliche Aufregung gesorgt hätte, man bei mir in der Zentrale meine, offenbar viel genauer hinschauen zu müssen, wenn ich solche (dreisten?) Anfragen schon aus der Haft heraus stellen würde.
Der Ausschluss meiner Person von der FAB
Am Tag meiner „Blitzentlassung“, es war der 29.08.2023, gerade war mir die freudige Nachricht der sofortigen Freilassung mitgeteilt worden, kam die Stationspsychologin der SV auf mich zu und meinte ich solle mit ihr ins Büro kommen, sie hätte eine Nachricht für mich: die FAB lasse wissen, die Therapieweisung könne ich nicht wahrnehmen, der Grund seien vermutlich meine Eingaben an Landtag und Petitionsausschuss.
Wenige Tage später erreichte mich dann auch ein Brief der FAB, darin teilte man mir mit, selbst die Vorstellungsweisung werde man nicht umsetzen, man wolle nichts mit mir zu tun haben, ich solle davon Abstand nehmen zu versuchen, der für mich unter Strafandrohung gültige Vorstellungsweisung durch Kontaktaufnahme mit dem Freiburger FAB-Büro, nachzukommen. Aber immerhin, man gab mir die besten Wünsche „für Ihren weiteren Lebensweg“ mit auf den Weg; und der Brief schloss mit den Worten „Ihre Forensische Ambulanz Baden“.
Bewertung
Die Eingaben an den Landtag und den Beauftragten für Datenschutz, das nur der Vollständigkeit halber, waren in einem sachlichen, aber verbindlichen Ton gehalten, auch mit der Psychologin der FAB gab es vorbereitende und sinnvolle Gespräche. Spannenderweise gab sie selbst zu, dass man schon im Kolleg*innenkreise, und das längst bevor ich mit meinen Schreiben aktiv geworden sei, an dem Tonfall des Vertrags hätte Verbesserungen in Angriff nehmen wollen.
Fachlich ist die Entscheidung der Leitung der FAB mindestens als „eigenwillig“ und „speziell“ zu charakterisieren. Wenn sie ihren eigenen Auftrag, und die Aufgabe für die sie vom Land finanziell unterhalten wird, ernst nehmen sollte, fragt man sich, als Betroffener, aber auch Außenstehende tun dies, worin konkret die Rückfallprohylaxe bestehen mag, einem Menschen der nach rund 27 Jahren von heute auf morgen entlassen wird, die therapeutische Begleitung zu entziehen. Wie es dann mit Menschen weitergehen würde, welche nicht in ein so freundliches, enges, solidarisches Umfeld eingebunden sind wie ich selbst, dies sich vorzustellen überlasse ich jeder/jedem selbst.
Thomas Meyer-Falk
https://www.freedomforthomas.wordpress.com
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