Oh dünnes Fädchen
aus dem Hirn gezupft
so hastig blöde aufs Papier getupft
hätt‘st dich gebündelt lieber
zu `nem starken Strick
dann hing ich jetzt
an meinem eigenen Genick
könnt mir erspar‘n
an meiner Peinlichkeit zu nagen
und bräuchte endlich
nie mehr was zu sagen
Katharia de Fries, geboren 1934, gestorben 2019. Autorin, Revolutionärin.
1967 trat sie dem SDS bei und zusammen mit Georg von Rauch, baute sie einen der ersten Kinderläden Berlins auf. Eigener Anspruch war, den Kindern zu vermitteln was es heißt Solidarität zu erleben, Sicherheit, Geborgenheit- außerhalb des familiären Kontextes. Alles inmitten des politischen Kampfes, die Kinderläden sollten also keine „heile, friedfertige Welt“ vorspielen. Alles sehr undogmatisch und anti-autoritär.
Warum heute über Katharina des Fries schreiben und sprechen? Weil im Februar 2024, ihr vor 40 Jahren erstmals erschienenes Buch „Gestreifter Himmel“ wieder aufgelegt wurde.
Im November 1980 überfiel sie einen Geldboten einer Supermarktkette, es sollte mit dem Geld eine Gefangenenbefreiung finanziert werden. Sie wurde verhaftet, saß einen Monat in U-Haft, erlitt während dieser Zeit eine Fehlgeburt, wurde frei gelassen und tauchte unter. Ein Jahr später wurde sie in Frankreich erneut festgenommen, in Auslieferungshaft gesteckt. Aber es war der damalige Französische Präsident Mitterrand, der der Auslieferung an Deutschland nicht zustimmte. Auch ein Versuch, sie 1987 in die BRD auszuliefern scheiterte am Ende.
Der rund 140 Seiten starke quasi-autobiografische Roman nimmt uns mit in die 70‘und 80‘er Jahre. Auf mich wirkt das Buch, als hätte Katharina den tiefsten Grund ihrer eigenen Seele erforscht, aber sich auch in andere eingefühlt. In einer beeindruckenden Unmittelbarkeit und Authentizität, lässt sie uns teilhaben an ihren politischen Gedanken und Entwicklungen ebenso, wie an ihren Begegnungen im Gefängnis. Zur Phase vor dem Überfall schreibt sie, dass wir heutzutage „nicht mehr auf die Revolution der Arbeiterklasse warten (können)“, sondern „unsereins (…)schon selbst zur Schreckschusspistole greifen und das Geld dort holen (muss), wo es ist: bei den Banken und Konzernen“.
Jene Menschen die das Buch nun in einer Auflage von 500 Stück neu aufgelegt haben, erinnern an den Strafprozess von 2016, als gegen Anarchist*innen wegen einer Überfallserie verhandelt wurde. Damals sei erstmals wieder „Bankraub“ ein Thema gewesen.
In einer szenischen Erinnerung finden wir die Protagonistin des Romans in einer Erinnerung an ihre Kindheit bei der Großmutter wieder: wie plötzlich SS-Schergen in die Wohnung eindringen, alles durchwühlen und sie selbst anschließend von der Oma zu Bett gebracht wird. Sie schildert auch ihre Begegnungen und Diskussionen mit Gefangenen. Immer wieder sind Gedichte eingeschoben, so wie jenes das ich eingangs zitiert habe.
Katharina des Fries konfrontiert die Leserinnen und Leser mit dem „entweder-oder“: der Aufgabe zu wählen! Das Leben ist eine Abfolge von Verzweigungen und wir sind gezwungen uns jeweils der Frage zu stellen, auch wenn das im Alltag oft unterzugehen scheint, welcher der Verzweigungen wir folgen.
Die Stärke des Buchs liegt darin, die radikale Verantwortlichkeit für diese jeweilige Wahl deutlich zu machen. Wird heute noch so gelebt wie es Katharina in ihrem Buch beschreibt? Es war eine andere Zeit bin ich versucht zu sagen. Eine andere Generation, unmittelbar geprägt von Kriegs- und Nachkriegserfahrungen. Das besondere an Katharina war, dass sie erst im Alter von rund 40 Jahren die Grenze der bürgerlichen Existenz hinter sich zurück ließ. Auch das macht das Buch so stark, denn es verweist darauf: es ist nie zu spät einen neuen, einen freieren Weg zu wählen.
Die nicht-lineare Erzählweise der Autorin mag manchen unvertraut vorkommen, aber sie verweist auf literarischer Ebene auf die Komplexität des Lebensvollzugs, erst recht von Menschen die keinem „linear verlaufenden Leben“ folgen.
Wer das Buch bestellen möchte, kann dies unter libresso.libertaer[at]immerda.ch tun!
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