Wie viel Strafe ist ein erschossener Asylbewerber einem Gericht wert

Das Landgericht Waldhut-Tiengen verurteilte am Montag, den 18.11.2024, nach einem schmutzig zu nennenden Deal zwischen Staatsanwaltschaft, Angeklagten und Gericht einen Mann, der einen Geflüchteten erschossen und zerstückelt hat. Eine Haftstrafe von sechs Jahre und zehn Monate wegen Totschlags hielt das Gericht für tat- und schuldangemessen. Rechtsextreme Motive für die Tat seien nicht nachweisbar hieß es. Geschenkt, dass einschlägige Literatur beim Angeklagten gefunden wurde. Dass er über dem Carport „Deutsches Schutzgebiet“ und über der Hundehütte „Wolfsschanze“ stehen hatte. Antisemitische Äußerungen auf Arbeit, Funde auf dem Smartphone, und anderes mehr. Weder für die Ermittler*innen, noch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht ausreichende Belege.

Urteil gegen Polizisten, der rechte Chatinhalte in „Spreewald-Rock“ Chats teilte

Nun ja, wenn dann auch dort solche Polizist*innen ermittelt haben sollten, wie in dem nun vom Amtsgericht Breisach verurteilten Fall, dann verwundert einen so eine Haltung nicht mehr so sehr. In Breisach stand ein Polizist vor Gericht, der unstrittig, über lange Zeit ausländerfeindliche, rassistische, nationalsozialistische Chatinhalte nicht nur widerspruchslos zur Kenntnis nahm, sondern solche auch selbst weiterverbreitete. Unter anderem in Chats die sich dem Besuch von Festivals widmeten. Dem „Rock-Dein-Leben“ und auch dem „Spreewald-Rock“ Festival. Spannenderweise wurden beide Festivals am letzten Prozesstag als völlig unpolitische Festivals, von politisch „neutralen“ Bands, dargestellt. Es gehe in den Songs um „Liebe“ und ums „Feiern“.

Entpolitisierung von Festivals

Wer tritt denn dort so auf? Auf dem „Rock dein Leben“ zumindest Frei.wild und BRDigung. Letztere Band auch auf dem „Spreewald-Rock“ Festival, ebenso die „Krawallbrüder“. Frei.wild wird von diversen Medien eine Nähe zu politisch rechten Motiven vorgeworfen, darunter nationalistische Positionen in Songs, wie im „Land der Vollidioten“. BRDigung wiederum verbreitet in ihren Songs Verschwörungstheorien zu 9/11, Chemtrails, den Machenschaften der GEZ, der „Impflüge“ und der NWO (Neue Weltordnung). Zu der Grauzone-Band „Krawallbrüder“ gibt es Veröffentlichungen zu deren Verbindungen zur saarländischen Naziszene. Das als ein paar wenige, als sehr wenige, Stichworte zu den angeblich so völlig unpolitischen Festivals. Ungestört vom Staatsschutzstaatsanwalt Graulich kann dies eine Zeugin so darstellen. Wenn es gegen linke Medien und Plattformen geht, ob nun linksunten.indymedia oder Radio Dreyeckland, kann Staatsanwalt Graulich aber auch ganz anders auftreten.

Solidarische Polizist*innen im Gerichtssaal und eine migrantische Kronzeugin

Dann sitzen da im Breisacher Gerichtssaal, neben wenigen Pressevertreter*innen, zahlreiche Polizist*innen, um ihrem angeklagten Kollegen „moralischen Beistand“ zu geben.

Wer von ihnen mag wohl auch Teil der WhatsApp „Feierabend Gruppe“ gewesen sein, und all die rassistischen Inhalte geteilt oder gelikt haben!? Aber aus Sicht der Verteidigerin waren es ja primär „Geschmacklosigkeiten“ oder derbe Späße, etwas „hart“, aber niemals ein Beleg für eine rassistische Überzeugung. Dann eine Polizeikollegin in den Zeugenstand zu rufen, die als Muslimin dem Angeklagten einen guten Leumund bescheinigen soll und das wunschgemäß auch tut, ist nicht gerade Beleg für irgendeine „Einsicht“ auf Seiten des Angeklagten. Er sei ja so nett zu der muslimischen Kollegin gewesen, habe mit ihr sogar auf einer Hochzeit getanzt- so jemand kann doch niemals ein Rassist, ein Ausländerfeind sein.

Ein Abgrund an Menschenverachtung

Die nun angeklagten und abgeurteilten Fälle, zusammen mit den strafrechtlich nie verfolgten Chats der „Feierabend-Gruppe“, lassen in einen Abgrund blicken. Nationalistisch! Rassistisch! Braun! In beruflichem Kontext, in familiärem Zusammenhang und auch bei dem scheinbar so sehr unpolitischen Festivalbesuchen. Überall rassistische, fremdenfeindliche Chatinhalte. Aber eine entsprechende Gesinnung, nein, die habe der Angeklagte nicht.

Was sagt es über die vielen Polizist*innen aus, die ihren angeklagten und nunmehr verurteilten Kollegen so eifrig und solidarisch begleitet haben? Was haben Menschen mit Migrationshintergrund zu befürchten, wenn sie auf einen von diesen treffen sollten? Auf Polizist*innen treffen, die nicht nur rassistische Inhalte teilten, sondern auch Bilder von Menschen in hilfloser Lage, über die sich dann lustig gemacht wurde?

Beide Prozesse, der um den getöteten Geflüchteten und nun der gegen den Polizisten in Breisach machen deutlich, wie wenig Geflüchtete zählen, ob vor Gericht, oder auch bei der Polizei. Rassistische Gewalt, in Wort und Tat sie sind Alltag.


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