Monopole und Hungerstreiks im Knast

Wer im Knast sitzt unterliegt nicht nur der Beschränkung seiner räumlichen Bewegungsfreiheit, sondern beispielsweise auch Einschränkungen wenn er oder sie etwas kaufen möchte. Darum soll es gleich im Anschluss gehen. Danach berichte ich noch kurz über einen Hungerstreik in der JVA Bielefeld von Juni 2009, sowie die „Vorsicht-Steinschlag“-Schilder in Bruchsals Gefängnis.

1.) Monopole im Gefängnis

Gefangene dürfen aus einem von der Haftanstalt vermittelten Angebot Nahrungs- und Genussmittel sowie Mittel zur Körperpflege kaufen (vgl. §22 Strafvollzugsgesetz). Die bedeutet, die Anstalt beauftragt einen Händler mit der Bereitstellung des Angebots, ggf. Belieferung der Gefangenen via Listeneinkauf. Im ersteren Fall befindet sich in den Räumen der JVA ein kleiner Laden und Gefangene können vor Ort die Waren die sie gerne kaufen möchten aussuchen, im zweiten Fall erhalten sie nur eine Waren- und Preisliste, sie bestellen was sie benötigen und erhalten einige Tage später fertig kommissioniert einen Korb mit den Artikeln. Bei alledem ist ein Problem in nahezu jeder Haftanstalt zu beobachten: die Preise, die den Gefangenen abverlangt werden, tendieren dazu sich von den Preisen in Freiheit abzuheben. Verkauft beispielsweise EDEKA in seinen Geschäften Kaffee der Marke Dallmayr Prodomo für 2,89 Euro, bezahlen wir in der JVA Bruchsal bei der uns beliefernden Firma Massak (http://www.massak.de) stolze 4,79 Euro. Ein von der Bruchsaler Anstalt höchstselbst im Frühjahr durchgeführter Preisvergleich von 141 Produkten (verglichen wurden die Preise der Firma Massak Logistik GmbH mit zwei Supermärkten) ergab, dass 42 Produkte im Gefängnis ein paar Cent billiger waren als „draußen“, aber 89 Produkte, teilweise erheblich, teurer (bei 10 Produkten fanden sich identische Preise). Wenn knapp 60% der Artikel teurer sind, dann kann etwas nicht stimmen, zumal wenn keine unabhängige Stelle den Vergleich durchführte, sondern sogar die Justiz selbst. Wie der Preisvergleich ausgefallen wäre, wenn eine unabhängige Instanz diesen gemacht hätte, mag man sich selbst ausmalen. Wie sehen nun die Handlungsmöglichkeiten der Gefangenen aus? Eine Alternative besteht in völligem Konsumverzicht. Eine andere darin, die Justiz im Wege von Amtshaftungsklagen in Anspruch zu nehmen. Ich selbst erstritt vor einigen Jahren einmal vor dem Zivilgericht Schadenersatz, da der damalige Anstaltskaufmann nur viel zu teure Schreibwaren anbot; da mir die JVA keine preisgünstigere Bezugsquelle genehmigen wollte, musste das Land die Differenz zwischen Anstaltskaufmann und günstigerer Bezugsquelle ersetzen. Der Rechtsstreit dauerte Jahre und beinhaltete auch Versuche der Anwaltskanzlei die das Land vertrat, den Kläger (mich) schlicht zu diffamieren. Wer daran denkt über das Wettbewerbsrecht (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) dem Kaufmann beikommen zu wollen, der stößt auch auf Schwierigkeiten. So teilte das Bundesministerium für Wirtschaft (Anschrift: 11019 Berlin; Az.: IB1-999 813) am 14.07.2009 mit, dass Monopole nicht per se verboten seien, jedoch dürfe ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung nicht missbrauchen. Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg (Postfach 10 34 51; 70029 Stuttgart; Az.:1-4453.89/23) ließ am 8.09.2009 wissen, dass es nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht davon ausgehe, dass ein Anstaltskaufmann in einer JVA eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von §19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen inne habe. Dieses Gesetz knüpfe an das Vorhandensein eines Marktes an; dieser liege dann nicht vor, wenn die Wirtschaftssubjekte nicht grundsätzlich autonom seien. Das heißt, verständlich formuliert, zwar dürfen Gefangene einkaufen, jedoch nur unter den wesentlichen Einschränkungen des Strafvollzugsgesetzes. Dies schließt dann aus, dass es sich dabei um einen Markt im Sinne von §19 GWB handele. Und wo kein Markt, dort auch keine marktbeherrschende Stellung. In einem Buch des in den USA seit 22 Jahren in Haft sitzenden deutschen Diplomatensohns Jens Söhring, beschreibt dieser die dortige Situation: auch dort gibt es Gefängnisse in denen Firmen ein Monopol inne haben. Und genau die selben Firmen, so berichtet er, die in anderen Bundesstaaten kein Monopol haben, sondern wo Gefangene sich aussuchen können bei wem sie etwas bestellen, bieten ihre Waren dort bis zu 40% billiger an, als in Anstalten, in welchen sie das Monopol haben. Nichts anderes passiert in Deutschland und die Firma Massak ist nur ein Beispiel von mehreren.

2.) Hungerstreik in Bielefeld

Die junge Welt berichtete am 04.Juli 2009 von einem Hungerstreik in der JVA Bielefeld aus Protest gegen eine ausgefallene Sportstunde. Eine Anfrage beim Justizministerium Nordrhein-Westfalen vom 27.07.2009 brachte nicht wirklich erhellendes zu Tage, denn das Ministerium verweigert den Zugang zu einem Vorlagebericht der JVA Bielefeld. Lediglich auszugsweise übermittelte am 29.09.2009 das JM einen Vermerk der zuständigen Referatsleiterin im JM vom 03.07.2009 wo es heißt, der Hungerstreik habe von Montag, dem 29.Juni bis Mittwoch, 01.Juli angedauert. Teilgenommen hätten sechs Gefangene das Haus 6, einem besonders gesicherten Haftbereich mit 14 Haftplätzen, der über einen eigenen Hof verfüge.

3.)„Vorsicht Steinschlag“

Offenbar um sich vor Schadenersatzklagen von Gefangenen zu schützen, hängte die Bruchsaler Haftanstalt im Hof an die Außenmauer Schilder „Vorsicht Steinschlag“. Die Mauerkrone ist schon etwas brüchig und bevor von Steinen getroffene Gefangene das Land in Regress nehmen, hängte man die Schilder auf. Nun haben die Gefangenen die Wahl: nehmen Sie den Steinschlag in Kauf und spazieren ihre Runde auch an der Mauer vorbei, oder halten sie sich von der Mauer fern. Ein völliger und plötzlicher Zusammenbruch der Mauer ist -leider- nicht zu erwarten.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76647 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas.de

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Wahlrecht für Gefangene

Auch Gefangene dürfen in Deutschland wählen; ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht ist die absolute Ausnahme (von 1990 bis 2009 wurde gegen 77 Verurteilte als Nebenfolge ein solcher Ausschluss verhängt; vgl. Bundestags-Drucksache 16/12622 vom 08.04.2009). Was viele – auch Inhaftierte – nicht wissen, ein Ausschluss vom passiven Wahlrecht, also dem Recht, gewählt zu werden, findet sich im Alltag viel häufiger. Denn jede und jeder, die/der zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr wegen eines Verbrechens verurteilt wurde, verliert automatisch (§ 45 StGB) die Amtsfähigkeit und auch das Recht, gewählt zu werden für die Dauer von 5 Jahren, wobei die Zeit im Gefängnis nicht auf diese Frist angerechnet wird.

Einher mit dem Verlust der Wählbarkeit geht der Verlust des Rechts, Mitglied einer Partei zu sein (vgl. § 10 Abs. 1 Parteien-Gesetz).


Superwahljahr 2009


Im Superwahljahr 2009 stellt sich auch für Gefangene die Frage, ob sie sich an den Wahlen beteiligen. An dieser Stelle soll nicht die Sinnhaftigkeit von Wahlen an sich thematisiert werden, viel mehr beschränke ich mich auf die formalen Aspekte.

§ 8 BWO (Bundeswahlordnung) sieht vor, dass im Regelfall die Behörden in den Gefängnissen einen sogenannten „beweglichen Wahlvorstand“ errichten, sprich es soll für einige Stunden ein Wahllokal eingerichtet werden, damit auch Gefangene ganz normal wählen können. In der Praxis jedoch, so das Ergebnis einer Umfrage eines Doktoranden aus Berlin bei allen Landeswahlleitern und Justizministerien, gibt es heute in keiner einzigen Anstalt mehr eine solche Einrichtung (früher, noch in den 90’ern gab es bspw. in der JVA in Hamburg einen solchen beweglichen Wahlvorstand).


Zwang zur Briefwahl


Somit müssen Inhaftierte den Weg der Briefwahl beschreiten. War es bislang z.B. in der JVA Bruchsal üblich, dass die Anstalt die Anträge auf Erteilung der Briefwahlunterlagen an die Stadt Bruchsal kostenlos weiterleitete, müssen seit 2009 Gefangene, die denn wählen möchten, dafür bezahlen, nämlich Briefmarke und Kuvert kaufen.

Ein Vorgehen, das nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch in der Politik auf Protest trifft. So veröffentlichte Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (http://www.ulla-jelpke.de) am 17.12.2009 eine Pressemitteilung und forderte – Zitat – „die Gefangenen bei der Ausübung ihres Wahlrechts zu unterstützen, anstatt sie zu behindern“. Und Bundestagsabgeordneter Wolfgang Bosbach (CDU) schrieb die Justizministerin von Nordrhein-Westfalen an, nach dem sich Gefangene der JVA Iserlohn bei ihm über eine ähnliche Praxis dort beschwert hatten.

Berücksichtigt man das geringe Einkommen der Gefangenen (monatlich sind zwischen 31 und vielleicht 80/90 Euro verfügbar) und die Tatsache, dass jeder Mensch in Freiheit seinen Antrag kostenlos bei der Stadt abgeben oder am Wahlsonntag in ein Wahllokal gehen kann, um kostenfrei zu wählen, stellt die Kostenpflicht für Gefangene eine unzulässige Beeinträchtigung des Wahlrechts dar. Es bleibt abzuwarten, ob sich auch die OSZE mit der Thematik beschäftigt, nach dem ihrer Unterorganisation ODIHR eine Beschwerde vorliegt und sie dieses Jahr auch Wahlbeobachter nach Deutschland entsandte.

Bei der Briefwahl kann sich zudem kein Gefangener sicher sein, dass die JVA nicht doch die Wahlbriefe zensiert (ein Problem, auf das die LINKE im Bundestag in einer Anfrage an die Bundesregierung hinwies; vgl. oben genannte Drucksache).


Wahleinspruch für alle


Jeder kann, sofern wahlberechtigt, Einspruch gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl einlegen (Bundestag, Platz-der-Republik 1, 11011 Berlin). Die Frist hierzu endet am 26. November 2009, der Einspruch ist kostenfrei. Sollte der Einspruch vom Bundestag zurückgewiesen werden, wird es etwas aufwendiger, denn nun muss man sich 100 UnterstützerInnen suchen und kann Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen.

Der Wahlprüfungsausschuss fordert in der Regel den Bundeswahlleiter zur Stellungnahme auf, die dann der Einspruchsführer zugeleitet erhält, um hierauf erwidern zu können. Selbst eine mündliche Anhörung in Berlin ist möglich.


Probleme bislang unbeachtet


Wie unterbelichtet das Thema „Wahlrecht der Gefangenen“ bislang war, dokumentiert der Umstand, dass erst jetzt eine Doktorarbeit zu diesem Feld in Arbeit ist (der Doktorand promoviert bei Professor Dr. Feest, Universität Bremen) und sich näher mit den Fragestellungen rund um inhaftierte Wählerinnen und Wähler auseinandergesetzt wird.


Kollateralschäden bei Einspruch


Mitunter fühlen sich manche Journalisten bemüßigt, aus einem sachlichen Anliegen ein Schmierenstück zu fabrizieren. So nahm Wieland Schmid von der Stuttgarter Zeitung einen Wahleinspruch gegen die Oberbürgermeister-Wahl in Bruchsal (Wahlgewinnerin war eine ehemalige LKA-Beamtin) zum Anlass, über den inhaftierten Einspruchsführer, dieser war ich, im Stil der Boulevardpresse zu berichten.


Ausblick


Vielleicht ermöglichen Einsprüche gegen die Bundestagswahl vom 27.09.2009 die Situation von Gefangenen in den Medien breiter zu positionieren und so aus dem Schattendasein etwas heraus zu lösen.


Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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Gefangene sind Lumpen?

Heute soll über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hamburg berichtet werden, wonach die Bezeichnung von Gefangenen als „Lumpen“ eine straflose Meinungsäußerung darstelle (Ziff. 1), sowie über den Ausgang eines über 6 1/2jährigen Rechtstreits eines Gefangenen der JVA Bruchsal (Ziff. 2).

1.) Gefangene sind Lumpen- so ein Wärter

Auch Strafvollzugsbedienstete sind gewerkschaftlich organisiert und zwar im Bund der Strafvollzugsbediensteten ( http://www.bsbd.de). Dessen Zeitschrift „Der Vollzugsdienst“ druckte 2008 einen Bericht des hamburgischen Vollzugsbeamten Schuster, der mit einem Kollegen eine Dienstreise in die bayrische JVA Kaisheim unternommen hatte ab. In seinem Bericht beschrieb Schuster eine Führung durch die Anstalt in Kaisheim und fand es offenkundig amüsant, daß dort das Personal die Inhaftierten umgangssprachlich als „Lumpen“ bezeichnet.

Diesen Begriff machte er sich sodann zu eigen, z.B. als er beschrieb, daß den „Lumpen“ in Kaisheim -im gegensatz zu den Haftraumausstattungen in Hamburg- keine CD-Spieler zur Verfügung stünden. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beamten Schuster wegen des Verdachts der Beleidigung (Az.: 7301 Js 62/09, Staatsanwaltschaft Hamburg) stellte Staatsanwältin Dr. Graue das Verfahren ein, weil der Begriff „Lump“ nach ihrer Auffassung „in Bayern offensichtlich eine übliche Bezeichnung ist“. Ferner fehle es dem Beamten an einem Vorsatz Gefangene beleidigen zu wollen, da er sich in seinem Bericht „lediglich des dortigen Jargons bedient und keine Herabsetzung (…) Gefangener beabsichtigt“ habe.

Die angerufene Generalstaatsanwaltschaft Hamburg (Az.: 2 Zs 715/09) machte zudem geltend, daß angesichts der kurzen Verjährungsfrist im Presserecht (6 Monate) auch schon Verjährung eingetreten sei, so Staatsanwältin Menke. Zur Zeit beschäftigen sich noch die Petitionsausschüsse in Hamburg und München mit der Frage welches Menschenbild wohl hinter der Verwendung des Begriffs „Lumpen“ für Gefangene stehen mag.

2.) Schadensersatz für Bruchsaler Gefangenen

In den vergangenen Jahren berichtete ich schon mehrfach über den Klagemarathon des Fritz G. aus der JVA Bruchsal. Seit dem 06.08.2009 liegt nun ein wohl endgültiges Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Az.: 12 U 226/06) vor.

Wie alles anfing: seit Anfang 2002 war Herr G. als „Einkaufshelfer“ beschäftigt. Im Verkaufsraum des damaligen Anstaltskaufmanns hatte er verschiedene Hilfstätigkeiten im Zusammenhang mit dem zweimal monatlich stattfindenen Basar-Einkauf zu erbringen. Mit Verfügung vom 02.06.2003 löste die Anstaltsleitung G. von dieser Tätigkeit ab, da er versucht haben soll eine Stange Tabak zu stehlen.

Sich keiner Schuld bewusst klagte er sich durch alle Instanzen, und wurde Ende November 2005 wieder als Einkaufshelfer eingesetzt. Dem ging u.a. ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (Az.: 7 Ca 327/05) voraus, welches mit einem Vergleich endete. Aber Herr G. wollte den ihm entgangenen Verdienst ersetzt bekommen, weshalb er das Land Baden-Würtemberg auf Schadenersatz vor dem Zivilgericht verklagte. In erster Instanz unterlag er 2006, da die Zivilkammer keine Amtspflichtverletztung erkennen wollte.

Hiergegen legte G. Berufung zu OLG ein. Zwischenzeitlich erging am 27.12.2007 noch eine Entscheidung des von Fritz G. angerufenen Bundesverfassungsgerichts (Az.: 2 BvR 1061/05) in welcher sich das Gericht zur Frage der Verantwortlichkeit der Anstalt bei Verwendung von Gefangenen in Privatunternehmen ausführlich äußerte und der Verfassungsbeschwerde stattgab. ( http://www.bverfg.de) Mit Urteil vom 06.08.2009 billigte jetzt das OLG Karlsruhe dem Gefangenen 960.- Euro, zzgl. Zinsen zu, betonte jedoch ausdrücklich, daß nicht jede unrichtige Rechtsanwendung durch Gefängnisbeamte eine schuldhafte Amtspflichtverletzung darstelle.

ng eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung vorausgehe, die dann getroffene Entscheidung „des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen“ werden könne, scheide ein Schadenersatzanspruch aus. Denn nur weil etwa strafvollzugsgerichtliche Entscheidungen eine Verfügung der JVA missbilligten und aufheben, folgte hieraus noch kein zivilrechtlich relevanter Schuldvorwurf.

Deshalb erhielt Herr G. auch nicht die insgesamt geforderten knapp 1900.- Euro für die Gesamtdauer der Nicht-Verwendung als Einkaufshelfer, sondern nur die erwähnten 960.- Euro für einen Teil des Zeitraums. Der ungerechtfertigte Vorwurf des versuchten Diebstahls belastete die Vollzugssituation des Fritz G. über Jahre. Es waren damit befasst: Landgericht (Zivilkammer und Strafvollstreckungskammer), das Amtsgericht (dort wurde er freigesprochen), das Oberlandesgericht (Strafsenat und Zivilsenat), das Bundesverfassungsgericht, das Arbeitsgericht.

Ein Prozessmarathon von 6 1/2 Jahren der viel Geduld und Nerven abverlangte und hätte Herr G. nicht eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verbüßen und deshalb genügend Zeit um alles durchzustehen, vielleicht im Nichts geendet.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z. 3113, Schönbornstrasse 32, D-76646 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas.de

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Haftbedingungen im europäischen Vergleich

Wer sich mit den Haftbedingungen in den Knästen beschäftigt, der oder die ist vielleicht auch daran interessiert etwas über die Situation in anderen Staaten zu erfahren. Selbst auf europäischer Ebene wird sich mit dieser Frage beschäftigt, wobei die Gründe hierfür einmal dahin gestellt bleiben sollen.

In einer Studie, welche im Auftrag des europäischen Parlaments die University of London (dort das „International Center for Prison Studies“) erstellte, wurden die Haftbedingungen in 27 Staaten Europas näher beleuchtet. Erkenntnisquellen waren primär die entsprechenden Ländergesetze zum Strafvollzug, aber genauso Berichte von amnesty international oder des Komitees des Europarates zur Verhütung von Folter. Zwar datiert die Studie (Az. Des Europäischen Parlaments: PE 358.897) von Professor Andrew Coyle von März 2004, dessen ungeachtet ist die auch noch fünf Jahre später lesenswert und informativ.

Auf den ersten 39 Seiten der insgesamt 138 Seiten umfassenden Studie stellt der Autor seine Erkenntnisse zusammenfassend dar. Er beklagt nachdrücklich die in vielen Staaten der Europäischen Union (EU) zu beobachtende Praxis der Überfüllung der Haftanstalten, die zunehmende Zahl der Gefangenen, obwohl die Zahl der Straftaten rückläufig ist. Sodann behandelt er die besonderen Aspekte jeder Freiheitsentziehung: Isolationshaft, Rassismus, Gesundheit, Kontakt mit der Aussenwelt, Arbeit, weibliche Gefangene und jugendliche Inhaftierte.

Die restlichen knapp 100 Seiten beinhalten jeweils detaillierte Analysen der eingangs erwähnten 27 EU-Staaten. Angefangen bei Österreich, über Osteuropäische Länder, aber auch Deutschland bis in den Süden, nach Italien, Spanien, Griechenland. Aus der Fülle der Informationen möchte ich folgende herausgreifen: Zu Spanien erwähnte Professor Coyle kritisch ausdrücklich das FIES-System (anschaulich bei Xose Tarrio in seinem Buch „Hau ab Mensch“ beschrieben), welches die Isolierung von Gefangenen erlaubt. Die Zahl der inhaftierten in Spanien sei von 1992 von 35.246 Gefangen auf 56.244 im Jahre 2004 gestiegen. 40 % seien mit Hepatitis infiziert, mindestens 15 % mit HIV/AIDS. Lettland sperrt, umgerechnet auf die Bevölkerungszahl am meisten Menschen weg, nämlich 351 von 100.000 Bürgerinnen und Bürgern, Estland immerhin 330 von 100.000. Die niedrigste Rate weisen Zypern mit 50 von 100.000 BürgerInnen auf und Slowenien mit 55 von 100.000. Die Überfüllung von Gefängnissen ist vielerorts ein drängendes Problem.

Für Griechenland wird eine Belegungsrate von 158 % angegeben: d.h. 8.841 Gefangene (Stand: Dez. 2003) standen nur 5.584 Haftplätze gegenüber. Frankreich das öfters von sich Reden macht, wies für 2003 ebenfalls nur 48.603 Haftplätze für 60.963 Gefangene aus. Insgesamt krankt die Studie daran, dass sie in weiten Teilen nur die Gesetzeslage in den einzelnen Ländern referiert; aber wir wissen alle, dass es einen großen Unterschied zwischen Theorie und Praxis gibt. Da der Gutachter jedoch auch –wie oben erwähnt- Berichte von amnesty international, Urteile des Menschenrechtsgerichtshofes einarbeitet, kann man nicht davon sprechen, dass er die Situation allzu rosig darstellt. Der Berichtsteil über die Lage in Deutschland umfasst knapp vier Seiten (S. 70-74).

Hervorgehoben wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Juli 1998 zu Gefangenenentlohnung, ferner, dass das Essen im Gefängnis dem in Freiheit vergleichbar wäre. Arbeit sei für 50 % der Gefangenen vorhanden.

Wer sich mit dieser Studie beschäftigt, der sollte jedoch auch die von mir schon früher besprochenen Studie des Europäischen Parlaments von Mai 2000 (Az.: PE 168.394/Fin.St.) mit dem Titel „Crowd Control Technologies“ (Techniken/Technologien zur Bekämpfung von Aufständen) lesen. Dort wird ausführlich dargestellt mit welchen technischen Möglichkeiten Aufstände, ob nun in Freiheit oder aber in Gefängnissen niedergekämpft oder aber z.B. „gefährliche Gefangene“ unter Kontrolle gehalten werden können. Sehr anschaulich ist das Beispiel des „elektrischen Gürtels“. Ein Gürtel mit eingebautem Elektroshocker, der von Wärtern per Fernbedienung ausgelöst werden kann. Vor dem Ersteinsatz an Gefangenen testete man ihn an Schweinen! Es gibt Gefängnisse in den USA, dort müssen als „gefährlich“ eingestufte und HIV-positive Gefangene solch einen Gürtel während ihrer gesamten Haftzeit tragen.

Auf 93 Seiten breiten die Sachverständigen die entsprechenden Technologien –zum Teil bebildert- aus. Beide Studien sind kostenlos über die Webseite des Europäischen Parlaments abrufbar ( http://europarl.de ; bei Problemen die Studien zu finden, kann man sich per Mail an das Archivzentrum des Parlaments wenden unter arch-info@europarl.europa.eu ). Inhaftierte Interessierte können die Studien ebenfalls unter Angabe der erwähnten Aktenzeichen bestellen. Hierzu schreibe man an Herrn Isaac Gonzales Garcia, c/o Parlement Europeen –Comite Editorial-, ATR 01L026, Rue Wiertz/Wiertzstraat 60, B-1047 Brüssel, Belgien. Jedoch sind beide Studien nur in ENGLISCHER Sprache zu beziehen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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Nachrichten aus dem Strafvollzug – August 2009

Im folgenden berichte ich zum einen über das Therapiekonzept des Justizvollzugskrankenhauses Hohenasperg (Baden-Württemberg) für Drogenabhängige (1.), im weiteren über den im Juni 2009 im Düsseldorfer Landtag vorgestellten Jahresbericht des Ombudsmanns für den Justizvollzug in NRW (2.) und schließe mit einem Beispiel aus dem kafkaesken Vollzugsalltag unter dem Stichwort Styropor-Kuchenring-Affäre (3.).


1.) Therapiekonzept

Drogenabhängige Gefangene in Baden-Württemberg können auf dem Hohenasperg (bei Stuttgart gelegen) eine entsprechende Therapie erhalten. Sie leben in Mehrmannzellen und haben sich dem Therapiekonzept der Anstalt zu unterwerfen. Der Therapieverlauf wird von einem sogenannten „Phasenmodell“ bestimmt, d.h. nach der Beobachtungsphase von etwa einem Monat folgt die Zugangsphase (Dauer 3 Monate) und hieran anschließend die Beobachtungsphase (Dauer 8 Monate), wobei nach letzterer Phase eine Entlassvorbereitung einsetzen sollte.


Grundlage für die tägliche Arbeit mit den Gefangenen ist eine „Interventionssystem“ genannte Methodik. In dem Papier der Anstalt (Station: PS IV, Stand: 02.07.2009) heißt es wörtlich: „Das Interventionssystem beruht auf dem Verständnis des selbstbestimmten und ressourcenorientierten Handelns und Verhaltens des Patienten. Sie sollen durch die regelmäßige Rückmeldung ihres Verhaltens (in Form von Punkten) zu positiven Verhaltensänderungen ermutigt werden.“


Was hat es mit den „Punkten“ auf sich? Insgesamt gibt es fünf „Kriterienlisten“: Therapie-Checkliste, HOSS (=Hygiene, Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit), Sport-Liste, Kommunikations-Liste und Lockerungs-Liste. Wer nun von einer Phase (siehe oben) in die nächste Phase aufrücken oder später Vollzugslockerungen erhalten möchte, der benötigt eine bestimmte Mindestpunkte-Zahl.

Hinsichtlich der HOSS-Liste kontrollieren die Wärter an 7 (!) Tagen der Woche Bett, Schrank, Nachttisch, Kühlfach, Sauberkeit, etc. und machen – Zitat – „Häckchen“ in einer Liste, wenn sie meinen, alles sei in Ordnung. 49 „Häckchen“ können pro Woche ergattert werden. Zwischen 45 und 49 „Häckchen“ gibt es am Ende der Woche einen Punkt, zwischen 40 und 45 gibt es keinen, bei unter 40 Häckchen erfolgt ein Punkteabzug und Nacharbeit.


Für fast jede Lebensäußerung innerhalb der Therapie gibt es Punkte, Häckchen oder entsprechenden Punkteabzug. Für „korrekte Sportkleidung“ ebenso wie für „Wortwahl“, „aktives Zuhören“ und „respektvollen Umgang“.


Wer in der Behandlungsphase die Grenze von 110 Punkten unterschreitet, erhält keine Vollzugslockerungen, da in diesem Fall nicht mehr „mit gebotener Sicherheit das Vorliegen einer Flucht- und Missbrauchsgefahr ausgeschlossen werden könne“. Wer also sein Bett nicht oft genug ordentlich macht oder zum Sport nicht in „angemessener“ Kleidung erscheint, dem werden in letzter Konsequenz Vollzugslockerungen verwehrt. Eine juristisch zumindest kreativ zu nennende Auffassung und Praxis – aber wo kein Kläger, da kein Richter. Ob es zudem psychologisch Sinn macht, die Gefangenen regelrecht dazu abzurichten, sich „Häckchen“ und „Punkte“ durch Anpassungsverhalten zu erdienen, scheint zumindest fraglich.


2.) Jahresbericht des Ombudsmanns NRW


Seit 2007, in Folge eines Mordes an einem Gefangenen in der JVA Siegburg, gibt es in Nordrhein-Westfalen einen Ombudsmann für den Justizvollzug. Seit 2007 wird dieses Amt von dem ehemaligen Direktor am Amtsgericht Rolf Söhnchen bekleidet.

In seinem 74-seitigen Bericht für den Zeitraum März 2008 bis März 2009 widmet Söhnchen sich ausgiebig den Problemen des Vollzugspersonals, angefangen bei hohen Krankenständen, geringer Wertschätzung ihrer Arbeit oder deren Klagen über die lange Dauer von Versetzungsgesuchen, und dann auch den Problemen und Themen, welche Inhaftierte oder deren Angehörige beschäftigen.

In einer Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags in Düsseldorf vom 17. Juni 2009 (Ausschussprotokoll 14/908, Seite 4ff) gab Söhnchen seine Einschätzung über Gefangene wie folgt zu Protokoll:


„Gegen ihn selbst laufe ein Prozess, weil er einen Gefangenen genötigt haben solle. Er wisse, wovon er rede. Deshalb wolle er dem ein oder anderen in Erinnerung rufen (…), dass die Gefangenen es mit ihrer Wahrheitsliebe nicht sehr genau nähmen“.


Diese pauschalisierende Diffamierung der Gefangenen ist bezeichnend und sagt viel über die Einstellung des Ombudsmanns aus.


Während des Berichtzeitraums habe er mit 529 Bediensteten und 383 Gefangenen gesprochen (Jahresbericht, a.a.O., Seite 9). 57 Bedienstete hätten ihn zudem angeschrieben und von Gefangenen seien 873 Eingaben, sowie von Angehörigen 36 Eingaben zu verzeichnen gewesen. Die größte Zahl an Eingaben, so ist dem Bericht (a.a.O., Seite 10) zu entnehmen, kam aus der JVA Duisburg-Hamborn (151), danach folgte Geldern (69), Gelsenkirchen (55), sowie Bochum und Kleve mit je 49 Eingaben. Auf den Seiten 20-22 schlüsselt Söhnchen die Anliegen im Einzelnen auf. Die größte Zahl an Eingaben (69) erfolgte zur Problematik der Verlegung in den Offenen Vollzug, auf Platz 2 folgten Probleme mit Bediensteten (48) und ein Zuwenig an Vollzugslockerungen (42 Eingaben).


In Teil V und VI seines Berichtes geht der Ombudsmann auf insgesamt 43 Problembereiche zumindest etwas näher ein. Ob nun das Problem der Genehmigung einer Playstation II (wird weiterhin vom Justizministerium aus Sicherheitsgründen abgelehnt, was aber selbst dem Ombudsmann sachlich nicht wirklich nachvollziehbar erscheinen mag), der Frage der Eingangsbestätigung von Gefangenenanträgen und der für sie eingehenden Post oder Auswirkungen der vor einiger Zeit eingeführten zusätzlichen Prüfungsstufe vor der Gewährung von Vollzugslockerungen.


Mittlerweile soll es wohl eine Weisung des Justizministeriums geben, wonach die Jahresberichte in den Anstaltsbibliotheken zur Entleihe für die Gefangenen bereit zu halten seien.

Von 27 Anstaltsleitern hatten immerhin 10 „Bedenken“ gegen eine Auslegung des Berichts, denn schließlich gingen die Gefangenen die in den Berichten geschilderten Probleme der Bediensteten nichts an (a.a.O., S. 49).


Wer sich mit der Materie Strafvollzug beschäftigen möchte, erhält durch den Bericht zumindest einen ersten Einblick, wenn dieser jedoch auch mitunter etwas einseitig gerät, was aber nicht überrascht, wenn man bedenkt, dass dessen Autor ehemaliger Direktor eines Amtsgerichts und mithin von Hause aus sehr justiznah ist.


3.) Styropor-Tortenring-Affäre


Wer kennt sie nicht, die Styropor-Tortenringe von Tiefkühltorten?

Seit Urzeiten könne sich Gefangene in Bruchsal zwei mal im Monat von ihrem Verdienst Lebensmittel kaufen, und eben auch Tiefkühltorten. Gefangener Gerd T. behielt einen solchen Styropor-Tortenring in seiner Zelle, da er diesen gut gebrauchen konnte, um sich aus Fertigtortenboden selbst einen Kuchen zu machen. Eines Tages gefiel es dem Wärter, den Tortenring an sich zu nehmen und als „Müll“ zu entsorgen – und ohne Gerd T. zuvor zu befragen. Dieser wandte sich an das Gericht und dieses gab ihm vollumfänglich recht (LG Karlsruhe, 151 StVK 27/09, 08.07.2009). Die Entnahme und Entsorgung war, so die Kammer „rechtswidrig“.


Wie sah nun die Reaktion der Anstaltsleitung aus? Sie entschuldigte sich bei dem Gefangenen T.?? Aber nein! Ähnlich einem trotzigen Kind, das aufstampft, wenn Vater mit ihm schimpft, nutzte die Anstalt, bzw. das zuständige Personal seine Macht und verbot kurzerhand den Kauf der besagten Tiefkühltorten für die Zukunft und setzt so ihre Vorstellung auf diesem Wege durch.


Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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