Boehse Onkelz hoffähig im Knast?

Alle Jahre wieder grüßt der Anstaltsleiter der JVA Bruchsal die Gefangenen und Bediensteten via Aushang; wobei er nicht immer ein glückliches Händchen beweist (vgl. seine Botschaft im Dezember 2003; http://de.indymedia.org/2003/12/70907.shtml). Dem leitenden Regierungsdirektor Thomas MÜLLER, besoldet nach Besoldungsgruppe A16 mit über 5.000 Euro pro Monat, gefiel es, auch 2009 einen Gruß unters Volk zu bringen. Er ließ auf buntem, weihnachtlich geschmücktem Hochglanzpapier verbreiten, er wünsche allen „ruhige und friedvolle“ Tage, wie auch für „das Neue Jahr 2010 Gesundheit, Glück und Erfolg“.

So einfallslos dieser Teil, umso brisanter das dem Gruß vorangestellte Zitat, welches er einem „Anonymus“ als Autor zuschrieb.
„Ich trinke auf gute Freunde, verlorene Lieben,
auf alte Götter und neue Ziele.
Auf den ganz normalen Wahnsinn
und auf das, was einmal war.
Darauf, dass alles endet
und auf ein neues Jahr!“

Dank Hinweisen und Recherchen von ABC konnte der Autor des Zitats in Erfahrung gebracht werden: Es wurde dem Song der berüchtigten Band Boehse Onkelz, „Auf gute Freunde“ (CD: „Gestern war Heute noch Morgen“) entnommen. Einer Band, deren erstes Album prompt 1986 verboten wurde, da es „tendenziell nationalsozialistische, gewaltverherrlichende und sexistische Texte“ (vgl. F.A.Z. 09.01.2010, S. 9) enthielt, deren Musiker in Frankfurt Ausländer misshandelten.

Insbesondere rechts eingestellte Gefangene und/oder Bedienstete werden das Zitat vielleicht erkannt haben. Man kann sich vorstellen, was diese Klientel sich denkt, wenn der Leiter des Knastes, Herr Müller, ein Zitat gerade dieser Band verbreitet. Und linke Gefangene, sowie nicht-deutsche Insassen, sie alle fragen sich, was wohl zu erwarten ist von jemandem, der Boehse Onkelz zitierfähig für einen Weihnachtsgruß erachtet.

Nun mag sich, ich weiß es nicht, der Herr Thomas Müller damit verteidigen, er habe nicht um die Provenienz des Zitats gewusst; er ist jedoch Volljurist, war früher Staatsanwalt! Und schon im Studium lernt man: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Eine simple Recherche (z. B. via google) hätte genügt, um den Hintergrund zu erhellen. Aber vielleicht hört er auch „bloß“ gerne die Boehsen Onkelz?

Jetzt warten die Insassen gespannt auf den nächsten Coup des Herrn Leitenden Regierungsdirektors, wen wird er nächstes Mal zitieren…

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
http://www.freedomforthomas.wordpress.com
P.S.: Special Thanks an ABC, u.a. für die Recherche und Hinweise

Urteil zur Sicherungsverwahrung

Kurz vor Weihnachten 2009 machte sich ein Urteil des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) mit Sitz in Strasbourg Schlagzeilen. Konkret ging es um einen in Schwalmstadt (Hessen) inhaftierten Sicherungsverwahrten, der gegen seine fortdauernde Verwahrung bis nach Strasbourg zog, wo ihm nun der EGMR eine Verletzung seiner Menschenrechte bescheinigte und zudem 50.000 Euro Geldentschädigung zuerkannte.

Im Folgenden möchte ich erst die rechtlichen Hintergründe der Sicherungsverwahrung (1.), danach den Fall des Beschwerdeführers (2.) und hieran anschließend die Entscheidung des EGMR (3.) darstellen, um mit einem kurzen Resümee (4.) zu schließen-

1.) rechtliche Hintergründe der SV
Die SV geht zurück auf das von den Nationalsozialisten 1933 eingeführte Gewohnheitsverbrechergesetz und gestattet dem Staat, einen Gefangenen auch über die eigentliche Strafzeit hinaus in Haft zu verwahren, wenn dieser für die Allgemeinheit – wie es im Gesetz heißt – „gefährlich“ ist. Bis 1998 gestattete die Rechtslage eine Maximaldauer der erstmalig angeordneten SV von 10 Jahren. Sprich nach Verbüßen der Strafzeit schlossen sich maximal 10 Jahre Verwahrung an; danach erfolgte eine Freilassung zwingend.
Ohne konkreten Anlass im Einzelfall hob der Gesetzgeber 1998 diese zeitliche Obergrenze auf, so daß auch die erste Anordnung der SV lebenslänglich, sprich bis zum Tode, vollstreckt werden darf. Jedoch galt diese Gesetzesverschärfung nicht nur für künftige Verurteilungen, sondern auch für jeden und jede, der/die schon verurteilt war, sprich das Gesetz galt „rückwirkend“.
Im Jahr 2004 bestätígte das Bundesverfassungsgericht diese Gesetzesänderung und sah keinen Verstoß gegen das grundlegende – schon zu Zeiten der alten Römer geltende – Prinzip des Verbots rückwirkender Strafgesetze. Dabei bediente sich das Verfassungsgericht eines Kniffs: Strafen dürfen rückwirkend nicht erhöht werden; daran hielt das Gericht fest. Bei der SV jedoch handele es sich nicht um eine Strafe, sondern eine „Maßregel der Besserung und Sicherung“; diese diene nicht der Bestrafung für vergangenes Tun, sondern diene rein präventiven Zwecken. Nicht nur Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung) sprach von einem „Taschenspielertrick“, denn für die Verwahrten stellt sich der Haftalltag faktisch als Strafe dar. Noch 2004 gingen deshalb die ersten Klagen in Strasbourg beim EGMR ein. Dieser ist zuständig für Klagen, in welchen eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EKMR) geltend gemacht wird.

2.) Der Fall des Verwahrten M.
M. wurde 1957 geboren und zuletzt verurteilt 1986 vom Landgericht Marburg wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Raub. Es wurde eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren verhängt und zusätzliche SV angeordnet. Seit 1991 sitzt M. in Sicherungsverwahrung und die Gerichte lehnten – gestützt auf psychiatrischen Gutachten – seine Freilassung wegen dessen „Gefährlichkeit“ ab.
2001 hätte er – nach alter Rechtslage – entlassen werden müssen, wurde er jedoch in Folge der oben erwähnten Gesetzesänderung weiter inhaftiert.
Das von ihm dann angerufene Bundesverfassungsgericht wies seine Verfassungsbeschwerde zurück, so daß er wegen Verletzung der Artikel 5 (Recht auf Freiheit) sowie Artikel 7 (Rückwirkungsverbot) der EMRK gegen die Bundesrepublik Deutschland Klage beim EGMR erhob. Nach Klärung der Zulässigkeit der Eingabe fand am 01. Juli2008 eine mündliche Verhandlung in Strasbourg (Frankreich)statt, wo der Rechtsanwalt von M. ausführlich zur Situation des Beschwerdeführers vortragen konnte.
Am 17. Dezember 2009 obsiegte M. auf ganzer Linie!

3.) Die Entscheidung des EGMR
In seinem Urteil vom 17.12.2009 (Application no. 19359/04), welches 29 Seiten umfasst, kommt der Gerichtshof zunächst zu dem Ergebnis, daß die SV an sich keinen Verstoß gegen die EMRK darstellt, es sich vielmehr um eine zulässige Form der Sanktionierung handelt.
Jedoch verletze die Gesetzesänderung, mithin die weitere Inhaftierung seit 2001 (als die ursprünglich geltende 10-Jahres-Dauer abgesessen war) seine Menschenrechte aus Art.6 (vgl. im Anschluss aa.) und Art.7 (vgl. bb.), weshalb ihm für die unrechtmäßige Freiheitsentziehung eine Geldentschädigung zustehe (vgl. cc.). Gegen dieses Urteil können die Beteiligten Rechtsmittel einlegen (vgl. dd.)

aa.) Artikel 5 EMRK
Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, daß die von den Gerichten festgestellte Gefahr, daß M. im Falle der Freilassung weitere schwere Straftaten begehen könne, nicht konkret und spezifisch genug war, um ihn weiter hinter Gittern halten zu können. Zudem sei er weder ein psychisch Kranker, noch leide er an einer krankhaften seelischen Störung, so daß die Fortdauer der Haft über die 10-Jahresfrist hinaus Art.5 verletzt.

bb.) Artikel 7 EMRK
Angesichts der Tatsache, daß sich Freiheitsstrafe und SV-Vollzug in der Praxis derart stark ähneln, in Anbetracht des Umstands, daß die SV in normalen Gefängnissen und ohne ausreichende psychologische Betreuung vollstreckt werde, kam der Gerichtshof zu dem Schluss, bei der SV handele es sich im Sinne der Konvention (EMRK) um eine Strafe, so dass das strikte Verbot der rückwirkenden Erhöhung von Strafen eingreife und Deutschland mithin durch die rückwirkende Streichung der 10-Jahres-Obergrenze Art.7 verletzt habe.

cc.) Geldentschädigung
Der Gerichtshof kann im Normalfall dem verurteilten Staat keine bestimmten Anweisungen erteilen, insbesondere kann er nicht (wie etwa der Bundesgerichtshof) Urteile aufheben. somit lässt er es bewenden mit der Feststellung ein Staat habe die Konvention verletzt; und, sofern angemessen, erkennt er eine Geldentschädigung zu. Während M. eine Entschädigung von 172.000 Euro forderte, hielt der Gerichtshof 50.000 Euro für ausreichend.

dd.) Rechtsmittel
Beide Seiten, also M. und die BRD können noch binnen dreier Monate die Verweisung der Sache an die „Große Kammer“ beantragen; bis es so weit ist muss die BRD das Urteil auch nicht befolgen, da nur endgültige Entscheidungen den Staat binden. Das Bundesministerium der Justiz hat schon mehrere Verwahrte angeschrieben und um Geduld ersucht sowie die Sach- und Rechtslage erläutert, wie mir Martin S. (der ebenfalls in Strasbourg Klage eingereicht hat) berichtete.

4.) Resümee
Was bleibt nach über 11 Jahren Rechtsstreit? Ein schales Gefühl. Von Anfang an war klar, daß hier ein Rechtsbruch von Seiten des Parlaments begangen wurde. Und betonte noch das Verfassungsgericht 2004, eine Vollstreckung der SV über 10 Jahre hinaus habe die Ausnahme zu bleiben, ist sie heute die Regel. Immer mehr Verwahrte sitzen seit 15, 20 und mehr Jahren in Sicherungsverwahrung ohne jeden Hoffnungsschimmer.
Hier bedeutet das einstimmige Urteil des EGMR, das unter Beteiligung Renate Jaegers (ehem. Richterin BVerfG) zustande kam, einen ersten vagen Funken Hoffnung für die Betroffenen. Freilich schüren BILD, aber auch der SPIEGEL schon die Ängste und warnen davor, daß Dutzende, wenn nicht gar über 70 extrem „gefährliche Verbrecher“ bald auf freien Fuß gesetzt werden müssten. Hier hülfe manchmal ein Blick in Statistiken und Untersuchungen: Danach wurde kaum einer derer, die frührer nach 10 Jahren SV entlassen werden mussten, wieder einschlägig oder schwer „rückfällig“. Selbst renommierte Gutachter bestätigen, daß 50 – 70 % derer, die man in SV und damit für „gefährlich“ hält, in Wahrheit gar nicht gefährlich sind; nur sei man leider nicht in der Lage zu erkennen, wer zu welcher Gruppe (der „Gefährlichen oder der „Ungefährlichen“) gehöre.
Offen ist, wie Deutschland reagieren wird, sollte dieses Urteil rechtskräftig werden, ob dann die Betroffenen wirklich entlassen werden.
Keine Geltung besitzt das Urteil für jene, die nach der Gesetzesänderung verurteilt wurden oder bei denen zum wiederholten Male die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist – ihre Lage bleibt schlicht hoffnungslos. Selbst Einbrecher, die niemanden physisch verletzt haben, sitzen heute über die 10-Jahres-Grenze hinaus in SV. Dies entlarvt die Parole, in der SV säßen nur die „Gefährlichsten der Gefährlichen“ als plumpe Lüge. Menschlich gesehen sitzen in der SV arme Kerle: Randständige, ohne finanzielle Mittel, um sich gute Anwälte oder Privatgutachter zu leisten, die eine Unterbringung in der SV verhindern könnten, vielfach auch intellektuell Unterlegene, die sich weder vor Gericht noch vor Gutachtern adäquat auszudrücken vermögen.
Nirgendwo sonst ist die Zahl der Schlägereinen und anderer „besonderer Vorkommnisse“ in Strafvollzug so gering wie auf den Abteilungen der Sicherungsverwahrten. Ein weiterer Beleg dafür, daß dort zwar keine Unschuldslämmer, aber gewiss nicht die „Bestien“ und „Gefährlichsten der Gefährlichen“ einsitzen, wie BILD, SPIEGEL und Politiker von CDU/CSU/SPD behaupten.

Thomas Meyer-Falk
z.Zt. JVA – Z 3113, Schönbornstr.32, D- 76646 Bruchsal

Ein Knastchef hat Gedanken und Einfälle

Noch recht umgänglich (manche meinten jedoch überheblich) im Ton grüßte Thomas Müller, seines Zeichens Leitender Regierungsdirektor und damit Chef der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, die Insassen zu Weihnachten vermittels eines Aushangs auf weihnachtlichem Papier, wünschte allen „ruhige und friedvolle Weihnachtsfeiertage“ und beeilte sich hinzuzufügen, „für das Neue Jahr 2010, Gesundheit, Glück und Erfolg“ zu wünschen.

Eingeleitet wurde diese Botschaft durch ein Zitat. Dort stand dann zu lesen: „Ich trinke auf gute Freunde, verlorene Lieben, auf alte Götter und neue Ziele. Auf den ganz normalen Wahnsinn (…)“.

Verschärfung – Teil 1

Das mit dem „ganz normalen Wahnsinn“ scheint er vielleicht allzu wörtlich genommen zu haben. Denn wenige Tage später informierte er über weitere Repressionen für 2010.Als wären die diversen Einschränkungen des Jahres 2009 nicht genug, sah er sich nun veranlasst, für 2010 ein umfangreiches Besuchsverbot anzuordnen für fast einen ganzen Monat in 2010. Insgesamt strich er mit seiner Unterschrift an 23 Tagen jeglichen Besuch. Was gab er als Begründung an? Die Belegung der JVA sei zurück gegangen, mithin könne man auch Besuchstage streichen.

Verschärfung – Teil 2

Seine Fortsetzung des „ganz normalen Wahnsinns“ folgte wenig später in einem Verbot, sich Zeitungen/Zeitschriften/Bücher ab 01.01.2010 durch Dritte bezahlen zu lassen. War es hier schon immer üblich, dass man Zeitungen abonnieren, Bücher bestellen konnte, welche dann Freunde, Angehörige, Bekannte direkt beim Verlag oder Buchhandel bezahlten, oder die der Berliner Verein Freiabonnements für Gefangene finanzierte (http://www.freiabos.de), hat er dies nun untersagt. Die Begründung ist etwas umständlich und hat mit der auch für Vollzugskenner verwirrenden Regelung zur Behandlung von Gefangenengeldern zu tun.

Regelung der Gefangenengelder

Für jeden Gefangenen führt die JVA mehrere Buchungskonten.

Überbrückungsgeld: Hier wird das Geld, welches für die erste Zeit nach der Entlassung gedacht ist, verbucht.

Eigengeld: Das ist das von Dritten zugesandte Geld oder sobald der festgesetzte Ü-Geld-Betrag angespart ist (z. Zt. ca. 1600 Euro), werden 4/7 des Arbeitslohns dorthin gebucht.

Hausgeld: Hierfür kann man beim Knastkaufmann einkaufen. Es bildet sich aus dem Lohn für die Arbeit (3/7 davon landen auf diesem Konto und die übrigen 4/7 entweder auf oben erwähntem Ü-Geld oder später auf dem Eigengeld).

Taschengeld: Wer unverschuldet (z. B. Krankheit) ohne Arbeit ist, der erhält auf dieses Konto monatlich ca. 31 Euro gut geschrieben.

Zum 01.01.2010 kommen noch hinzu:

Sondergeld 1: Hierauf kann mich sich 55,20 Euro im Monat von „draußen“ einzahlen lassen und hierüber frei verfügen, also Essen kaufen, Telefonkosten begleichen usw.

Sondergeld 2: Hierauf sollen Gelder für Ausbildungszwecke oder zur Förderung sozialer Beziehungen eingezahlt werden können. Das Sondergeld 1 soll, so der Gesetzgeber (http://www.landtag-bw.de/Dokumente dort dann Drucksache 14/5012 vom 19.08.2009, Seite 227, Begründung zu § 54) einen Ausgleich dafür schaffen, dass ab 01.01.2010 kein Gefangener mehr ein Lebensmittelpaket erhalten darf. Die Möglichkeit, sich drei Mal pro Jahr ein solches schicken zu lassen, wurde nämlich kurzerhand verboten.

Reaktion des Anstaltsleiters

Müller nutzte nun diese Neuregelung dazu, die Situation eines Großteils der Gefangenen zu verschlechtern: Bislang durfte man für 10 Euro/Monat Obst, für 20 Euro/Monat Telefonkosten und für 15 Euro/Monat Miete für TV-Gerät nebst Kabelanschluss vom Eigengeld verwenden, mithin 45 Euro/Monat. Dies verbietet der Anstaltsleiter und verweist auf das Sondergeld 1, welches man nunmehr nutzen müsse. Und zusätzlich möge man Bücher/Zeitungen/Zeitschriften auch noch selbst zahlen – von besagten 55,20 Euro im Monat! Wie soll das gehen? 45 Euro sind schon für Obst/Telefon/TV-Gerät ausgegeben, verbleiben 10,20 Euro. Wo gibt es eine Tageszeitung für 10,20 Euro im Monat oder eine Wochenzeitschrift?

Der Eingriff in das Grundrecht auf Informationsfreiheit, das ausdrücklich eben auch den Bezug von Büchern und Zeitungen/Zeitschriften umfasst, ist evident.

Welche Ziele verfolgt die Anstalt?

Generell ist schon in den letzten fünf bis zehn Jahren ein Trend zu immer mehr Verschärfungen, zu mehr Überwachung, mehr Kontrolle, mehr Verboten, mehr Einschränkungen zu beobachten. Insofern unterscheidet sich der Strafvollzug nicht von den Entwicklungen außerhalb der Gefängnismauern, nur ist für gefangene Menschen, die in einem schon situationsbedingt reduzierten Lebensraum ihr Dasein fristen müssen, jeder Einschnitt um so gravierender, denn es besteht keine Möglichkeit, „auszuweichen“.

efangene ohne Zugang zu Zeitungen/Büchern werden künstlich dumm gehalten, werden noch mehr von der Freiheit abgesondert, da sich nicht einmal verfolgen können, was sich außerhalb der Mauern tut (oder sie verzichten, was ja nicht einmal wirklich schädlich wäre, auf TV-Empfang und sämtliche Sozialkontakte, haben dann 35 Euro ihres „Sondergeld 1“ frei zur Verfügung zu abonnieren eine Zeitung).

Da diverse Gefangene gegen die Restriktionen des Thomas Müller vor Gericht ziehen wollen, bleibt abzuwarten, ob dessen Vorgehen nach Art eines Sonnenkönigs Bestand haben wird. Es ist schon erfreulich, wenn sich Gefangene überhaupt wehren – und sei es auf diesem Weg zu Gericht. Denn außer auf den Fluren herum maulen regt sich kaum Widerstand.

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas. de    http://www.freedomforthomas.wordpress.com

Prekariat im Gefängnis

Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden; so lautet § 3 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz (Bund). In aller Regel nutzen die Vollzugsanstalten jedoch diese Bestimmung nur immer weitere Verschlechterungen für sie Gefangenen durchzusetzen. Während beispielsweise heute in fast jedem Haushalt ein Computer steht, wird Gefangenen konsequent der Besitz eines PCs verboten.


Im Folgenden soll von prekären Arbeitsverhältnissen hinter Gittern die Rede sein. Gefangene und Sicherungsverwahrte sind zur Arbeit verpflichtet (§ 41 Abs. 1 Satz 1 StrVollzG-Bund). Als Arbeitsbelohnung zahlt der Staat zwischen knapp 8 Euro und 13 Euro pro Arbeitstag, was einem Stundenlohn von etwas mehr als einem Euro bis zu 1,70 Euro entspricht.

Dem jeweiligen Arbeitsplatz ist eine bestimmte Lohnstufe zugeordnet (vgl. Strafvollzugsvergütungsordnung); angefangen bei Lohnstufe 1 (welche für Arbeiten einfacher Art, die keine Vorkenntnisse erfordern gedacht ist), über Lohnstufe 2, 3 und 4, bis hin zu Lohnstufe 5, für Arbeiten die ein besonderes Maß an Können, Einsatz und Verantwortung, welche über die eines Facharbeiters hinausgehen, erfordern.

In den letzten Monaten fand nun in der JVA Bruchsal eine radikale Neubewertung der Arbeitsplätze statt; offenbar einzig diktiert von dem Ziel Gelder einzusparen. So werden heute konsequent Gefangene, die noch vor kurzem mit Lohnstufe 3 eingestellt wurden (also für Arbeiten, die eine Anlernzeit erfordern und durchschnittliche Anforderungen an die Leistung und Geschicklichkeit stellen) bei Arbeitsaufnahme die Lohnstufe 2 (Arbeiten die eine Einarbeitungszeit erfordern und im übrigen zur Lohnstufe 1 gehören) bezahlt, erhalten also statt etwas mehr als 10 Euro pro Arbeitstag, nur wenig mehr als 9 Euro.

Sieht die o.g. Strafvollzugsvergütungsordnung bei überdurchschnittlicher Leistung eine Zulage von bis zu 30% vor, so darf nach Vorgabe der Betriebsleitungen maximal 7,5% im Durchschnitt gewährt werden. Wird also jemand 10% Zulage ergattern muss jemand anders auf 2,5% verzichten.

Beliebt ist auch, Gefangene die aus Mangel an Aufträgen (denn vielfach arbeiten Gefangene Aufträge aus der freien Wirtschaft ab) nicht beschäftigt werden können, nach einem Monat formal zu „kündigen“, sprich sie verlieren ihren Arbeitsplatz, um dann bei Verbesserung der Auftragslage wieder eingestellt zu werden. Jedoch, die geneigte Leserschaft kann es sich denken, zu verschlechterten Konditionen, nämlich im Regelfall nach Lohnstufe 2 ohne jegliche Zulagen, egal wie gut die Arbeitsleistung auch sein mag.

Eine wahrhaft punktgenaue Umsetzung des eingangs zitierten Paragrafen und eine Vorbereitung auf das Leben „draußen“. So macht zum Beispiel die Drogeriemarktkette SCHLECKER regelmäßig Schlagzeilen, wenn sie kleinere Märkte schließt, die Belegschaft entlässt um oftmals nur wenige Meter entfernt SCHLECKER-XXL-Märkte zu eröffnen. Dort werden dann Beschäftigte nur noch über eine Zeitarbeitsfirma (welche dem Schleckerkonzern zugerechnet wird seitens der Gewerkschaft) eingestellt, zu einem Lohn von unter 7 Euro die Stunde, ohne Urlaubsgeld, ohne Weinachtsgeld und mit weniger Urlaub.

Die Bereitschaft sich zu wehren ist jedoch nicht sonderlich ausgeprägt bei den betroffenen Gefangenen, denn sie fürchten als Querulant abgestempelt, dann auch noch den nur spärlich entlohnte Job zu verlieren und am Ende mit 30 Euro Taschengeld im Monat dazustehen, anstatt mit 50 oder 60 Euro (das ist der Betrag der effektiv für den Kauf von Nahrungs-/Genuss- und Körperpflegemitteln verwandt werden kann, denn hierfür dürfen 3/7 des Lohn verwandt werden. 4/7 wandern auf ein Sperrkonto zu Schuldentilgung oder für die Zeit nach einer Entlassung).

Und so setzt sich auch hinter Gittern die rigide Wirtschaftspolitik fort.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
http://www.freedomforthomas.wordpress.com

Zwei Meldungen aus dem Knast

Vor einiger Zeit hatte ich darüber berichtet wie in der JVA Nürnberg ein 23.jähriger Gefangener verblutete und der alarmierte Knastarzt sich weigerte in die JVA zu kommen um ihn zu untersuchen (http://www.de.indymedia.org/2009/06/252662.shtml). Mittlerweile liegt das Urteil in dieser Sache vor. Darüber, wie über einen Gesetzesentwurf das Drogenschmuggel in Gefängnissen härter bestraft wissen möchte, wird im Folgenden berichtet.

Tod von David Sargarian

Am 16.Juli 2008 hatte sich der 23.jährige Untersuchungsgefangene David Schnittwunden zugefügt und wurde von einem Wärter blutüberströmt aufgefunden. Der sofort alarmierte Gefängnis-Sanitäter traf gemütliche 30 Minuten später in der Zelle ein und alarmierte seinerseits den Rufdienst habenden Gefängnisarzt Kurt P.. Dieser weigerte sich in die Anstalt zu kommen, empfahl eine „Klammerung“ der klaffenden Wunden und eine Unterbringung von David in der B-Zelle (das ist eine kahle Zelle, ein Loch im Boden dient als WC und der Gefangene trägt außer einem reißfesten Nachthemd nichts und kann sich so auch nicht verletzen) bis zum morgen. Eigenmächtig alarmierte dann der Gefängnis-Sanitäter den Notarzt; wobei dieser nur noch den Tod David Sargarians feststellen konnte. Eineinhalb Jahre später fand vor dem Amtsgericht ein Strafprozess gegen den Knastarzt (, der zwischenzeitlich, aber erst nach massiven Protesten beurlaubt wurde) und den Gefängnis-Sanitäter statt. Beiden wurde fahrlässige Tötung vorgeworfen. Wie nun die Süddeutsche Zeitung (12.Dezember 2009) berichtet, wurden beide Beamte frei gesprochen. Amtsrichterin Heidi Dünisch kam zu dem Schluss, dass selbst bei sofortiger Alarmierung des Notarztes David nicht zu retten gewesen wäre. Die im Gerichtssaal, laut SZ, anwesenden Eltern von David hatten schon beim Plädoyer der Staatsanwältin den Saal verlassen müssen, nachdem diese Freispruch forderte und die ebenso geschockten wie empörten Eltern David die Staatanwältin beschimpft hatten. Die Eltern Davids werden den Freispruch mit Rechtsmitteln angreifen.

Straferhöhung für Drogenschmuggel geplant

Nordrhein-Westfalen brachte schon am 24.09.2009 (Bundesrats-Drucksache 734/09) einen Gesetzesentwurf in den Bundesrat ein, mit dem Ziel Drogenschmuggel/-handel hinter Gitter künftig noch härter zu bestrafen. Da der Drogenkonsum in den Gefängnissen eine erhebliche Gefahr für Sicherheit und Ordnung darstelle, aber auch die Gesundheit der Gefangenen gefährde, sei eine Erhöhung des Strafrahmens notwendig. Künftig soll, wer unerlaubt Betäubungsmittel in eine Vollzugsanstalt „einbringt, dort mit ihnen Handel treibt, sie dort, ohne Handel zu treiben, veräußert oder abgibt“ gemäß §29 Abs. 3 Betäubungsmittelgesetz mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe belangt werden können (Obergrenze sind 15 Jahre). Bislang beginnt der Strafrahmen bei der Geldstrafe und endet bei 5 Jahren Freiheitsentzug. Der Gesetzentwurf wurde vom Bundesrat zwischenzeitlich dem Bundestag zugeleitet, so dass das Gesetzgebungsverfahren voll im Gange ist.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas.de http://www.freedomforthomas.wordpress.com