Wiesenhof – Teil 2

Wie schon im August 2011 berichtet ( http://de.indymedia.org/2011/08/313165.shtml), wehrt sich die Firma Wiesenhof – Geflügel Möckern GmbH vehement dagegen, dass mir das Landesverwaltungsamt (LVwA) in Halle Zugang zu Unterlagen gewährt. Zwischenzeitlich liegt eine erste Gerichtsentscheidung vor.

Vorgeschichte

Nicht nur die Tierrechtsorganisation PeTA ( http://www.peta.de/) berichtete schon mehrfach in der Vergangenheit über o.g. Firma, sondern auch Tages- und Wochenzeitungen, von der Süddeutschen Zeitung, über SPIEGEL, bis hin zu taz und Neues Deutschland (im ND zuletzt am 21.07.2011, „Wiesenhof in den Schlagzeilen“). Stets ging es um die Frage, inwieweit die Zustände bei Wiesenhof selbst, aber auch Subunternehmen von Wiesenhof, mit den lebensmittelrechtlichen, aber auch den tierschutzrechtlichen Vorgaben in Einklang stünden.

Da Gefangene in der JVA Bruchsal auch Produkte dieser Firma kaufen können, bat ich das LVwA um Zugang zu Daten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Verbraucherinformationsgesetz, also über Verstöße gegen das Lebensmittelrecht. Das Amt bewilligte am 12.07.2011 den Zugang zu den vorhandenen Akten und ordnete am 07.09.2011 die „sofortige Vollziehung“ des Bescheids an.
Denn angesichts der schon im Vorfeld durch die Anwälte von Wiesenhof angekündigten gerichtlichen Schritte, sollte man mir Zugang gewähren wollen, wäre ein jahrelanger Rechtsstreit absehbar gewesen. Durch die Einlegung eines Widerspruchs durch Wiesenhofs Anwälte (Kanzlei Berding & Partner,  http://www.berding-partner.de/) wäre jeder Zugang zu den Akten bis zur rechtskräftigen Klärung vor Gericht ausgeschlossen. Dem sollte die „sofortige Vollziehbarkeit“ entgegenwirken, denn hiergegen wäre – lediglich – eingeschränkter Eilrechtsschutz bei Gericht zulässig.

Eilrechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Halle

Am 10.10.2011 reichte Rechtsanwalt Franz Anton Berding einen 20 Seiten umfassenden Schriftsatz beim Verwaltungsgericht Halle ein; als Anlagen fügte er 33 weitere Schriftstücke, Gutachten, Urteile, Zeitungsausschnitte, etc. bei.
Einleitend stellte der Anwalt dar, um welch bedeutendes Unternehmen es sich handele, welches er da vertrete. Wiesenhof, so Franz Berding gehöre zur PHW-Gruppe in Visbek, erwirtschafte einen Umsatz von 1,227 Milliarden Euro und beschäftige „etwa 2900 Mitarbeiter“. Dann folgt noch etwas Eigenlob, nämlich die Betonung, dass Wiesenhof „für höchste Qualität und höchstmögliche Sicherheitsstandards“ stehe.
Schon auf Seite 3 der Antragsschrift, mit der Wiesenhof wünschte, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder hergestellt werde (ich also vorerst keinen Zugang zu den Akten bekäme) wird dann auf meine Person, und auf den weiteren Seiten in epischer Breite auf die Tierrechtsorganisation PeTA eingegangen.
So heißt es auf Seite 3: „Herr Thomas Meyer-Falk ist 1996 wegen Bankraubs mit Geiselnahme festgenommen worden (…), ferner ist (er) ein Anhänger der sogenannten „Tierrechtsorganisation PeTA Deutschland e.V.“
Woher der Anwalt letztere Erkenntnis haben kann, ist mir schleierhaft, denn bislang habe ich mich eher kritisch über PeTA geäußert (z.b. deren Vergleich von Tierställen mit KZs).

Offenbar diente ihm die Unterstellung, ich sei „Anhänger“ von PeTA lediglich dazu, dann auf den folgenden Seiten über aus seiner Sicht ungerechtfertigte Angriffe von PeTA gegen Wiesenhof zu lamentieren, mich als Strohmann von PeTA aufzubauen und dies als zusätzliche Argumentationslinie zu nutzen, weshalb ein Zugang zu den Akten unter allen Umständen zu verhindern sei.

Denn PeTA könne die Akten dazu verwenden, den „sogenannten Wiesenhof-Skandal voranzutreiben“.
Mir spricht er das Zugangsrecht dann noch mit dem Argument ab, dass „ein Inhaftierter (nicht) an dem gesellschaftlichen Leben“ teilnehme, also auch nicht einkaufe. Ergo benötige „Herr Meyer-Falk (…) somit die gewünschten Informationen mit Sicherheit nicht, um eine eigenverantwortliche Kaufentscheidung zu treffen“.

Entscheidung der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Halle

Mit Beschluss vom 01.11.2011 (Az.: 1 B 209/11 HAL) gab das Gericht, unter Vorsitz von Dr. Albrecht dem Antrag von Wiesenhof voll umfänglich statt. Mir selbst wurde kein rechtliches Gehör gewährt. Erst am 21.11.2011 teilte mir die zuständige Richterin mit, es sei „bisher leider übersehen worden“ mich beizuladen, dies werde hiermit nachgeholt.
Ein eigenartiger Umgang mit den elementaren Verfahrensrechten eines Verfahrensbeteiligten.
Begründet wurde die Entscheidung vom 01.11.2011 damit, dass das LVwA nicht ausreichend begründet habe, weshalb ein besonderes öffentliches Interesse daran bestehe, dass mir sofort der Zugang zu den Akten zu gewähren sei.
Es bleibt abzuwarten, ob das LVwA eine neue Entscheidung treffen wird, diesmal ausführlicher und fundierter begründet.

Weitere Eskalation?

Ersichtlich empört, Rechtsanwalt Berding wählte das Wort „Befremden“, war besagter Rechtsvertreter, dass mir das LVwA im Juli 2011 einen Bescheid zustellte, in welchem es hieß, das „Unternehmen hat in der Vergangenheit wesentliche hygienerechtliche Vorschriften nicht eingehalten“. Diese Aussage wies er als „nachweislich falsch“ zurück. Am 5. September 2011 legte Berding dann nochmal nach und unterrichtete das LVwA davon, dass Wiesenhof „jeden Schaden, der ihr aus dem Vorgehen des LVwA entstehe“, gegenüber dem Land geltend machen werde. Sodann meldete er Schadenersatz „bereits jetzt namens und im Auftrage“ von Wiesenhof, „dem Grunde nach an“. Nur um dann 15 Tage später, am 20.09.2011 den zuständigen Sachbearbeiter des LVwA wegen „Befangenheit“ abzulehnen und gegenüber dem Verwaltungsgericht am 10.10.2011 die Vermutung in den Raum zu werfen, Dr. S., besagter Sachbearbeiter, habe einen „Bescheid (…) rückdatiert“, weil nämlich der Anwalt den „Einwand der Besorgnis der Befangenheit bzgl. der Person von Herrn Dr. S. (…) erhoben“ habe.

Ausblick und Bewertung

Es kündigt sich schon jetzt ein Rechtsstreit an, der Jahre dauern und die Instanzen beschäftigen wird. Als Verbraucher fragt man sich, was ein Unternehmen gegen Transparenz haben kann.
Jedenfalls wird seitens der Firma Wiesenhof-Geflügel Möckern GmbH mit harten Bandagen gekämpft. Mit Methoden, die anfangen bei der Disqualifizierung des Antragstellers als Person, die angeblich „missbräuchlich“ und als Strohmann von PeTA ferngesteuert Anträge stellt, über massives Vorgehen gegen ein Amt und dessen Beschäftigen Dr. S., das dem Bürger den Zugang zu Informationen gewähren möchte. Die Inaussichtstellung von Schadenersatzklage. Das ganze Repertoire, welches das deutsche Recht zur Verfügung stellt. Ob insbesondere Rechtsanwalt Berding dabei die weit gesteckten Grenzen, die die Rechtsordnung dann doch setzt, überschritten hat, ist noch Gegenstand von Prüfungen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Zelle 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
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Knast-Shop-Preise ein Ärgernis!

Schon früher hatte ich kritisch über den mittlerweile in weit über 50 Gefängnissen vertretenen Lebensmittelverkäufer Massak (genauer gesagt: Massak Logistik GmbH  http://www.massak.de/) berichtet (vgl.  http://de.indymedia.org/2010/05/280395.shtml).

Immer wieder erzählen Gefangene aus verschiedenen Anstalten von der eigenwilligen Preispolitik besagter Firma oder über sonderbare Lieferungen, die, sofern eine Reklamation erfolgt, als „bedauerliches Versehen“ bezeichnet und dann reguliert werden.

So hatte in Bruchsals Gefängnis ein Insasse ein paar Markensportschuhe bestellt, nach eigenen Angaben jedoch ein No-name Billigprodukt geliefert erhalten: freilich zum Preis des Markenprodukts. Erst als er sich energisch beschwerte, wurde von einem „Versehen“ gesprochen und das bestellte und bezahlte Produkt nachgeliefert.

Eine – nicht repräsentative, denn eine solche wäre von der Haftzelle aus nicht leistbar – Stichprobe in der 46. Kalenderwoche (2011) ergab die im Folgenden dargestellten Preisaufschläge. Vorauszuschicken ist, dass der Vergleich angestellt wurde anhand des Werbeprospekts der Lebensmittelkette EDEKA, da zu der Firmengruppe um Werner Massak (er ist Geschäftsführer und Teilhaber von Massak Logistik GmbH) mehrere EDEKA-Geschäfte, u.a. in Bamberg, gehören, so dass es durchaus angängig erscheint, EDEKA-Preise als Vergleich zu wählen. Unredlich wäre z.B. auf Aldi-Prospekte zurückzugreifen, da Werner Massak in diesem Preissegment – soweit bekannt – nicht aktiv tätig ist.

Ausweislich der EDEKA-Werbebroschüre Nr.46/2011, „diese Woche“ (e-mail:  Kundenservice@edeka-suedwest.de), sowie der Bestellliste, die die Firma Massak Logistik GmbH (e-mail:  info@massak.de) den Inhaftierten der JVA Bruchsal in derselben Woche als Abrechnungsgrundlage für Bestellungen hatte zukommen lassen, gibt es die Preisdifferenzen, die in der „Tabelle Preisvergleich“ zusammengestellt sind: siehe angefügte Grafik!

Auch Saison-Artikel, wie aktuell die Weihnachtsgebäck-Produkte, verkauft die Firma Massak Logistik GmbH den Gefangenen mit Aufschlägen (im Vergleich zu EDEKA) von 25 % und höher. Werner Massak rechtfertigte sich früher stets damit, dass er in den Gefängnissen „anders kalkulieren“ müsse, da er dort über die Lebensmittel seinen „Gewinn generiert“. Da zu über 50% des Umsatzes, so Massak, auf Tabak und Kaffee entfielen, mit entsprechend geringer Marge, müsse er bei Lebensmitteln und Körperpflegeprodukten mehr Geld verlangen.

Diesen Rechtfertigungsversuch können zumindest Gefangene in Bruchsal nicht nachvollziehen, denn bevor Massaks Firma 2007 anfing die hiesigen Inhaftierten zu beliefern, konnte man bei REWE einkaufen, die in der JVA eine Filiale unterhielten. Dort wurde dann genau das berechnet, was am selben Tag in einer Filiale in Freiheit berechnet wurde.

Auch aus anderen Anstalten ist bekannt, so z.B. Hohenasperg, dass dort, wo Massak noch nicht tätig ist, die Preise teilweise erheblich niedriger sind (auf dem Hohenasperg kann ein kleiner Einzelhandelskaufmann sogar Rabatt auf Briefmarken geben, da er diese im Auftrag der Post AG verkauft und zu einem geringeren Preis einkauft, als auf der Briefmarke aufgedruckt).

Dann lautete noch 2008 eine Erklärung von Werner Massak, er „finanziere“ in Gefängnissen, in welchen er tätig sei, großzügig Sommerfeste, und er legte eine Mappe mit schönen Fotos vor. In Bruchsal hörte man davon noch nichts, hier finanzieren die Gefangenen selbst das Sportfest; ganz abgesehen davon, dass es letztlich nicht die Massak Logistik GmbH ist, die „Sommerfeste finanziert“, sondern die Gefangenen durch die hohen Preise, die sie zahlen müssen.

Unverändert gehört auch zur Geschäftspolitik der Firma, dass wer auf Missstände hinweist, ganz unverblümt gesagt bekommt, dass dies Folgen für alle Gefangenen in einer Anstalt haben könne. Exemplarisch ein Vorgang aus der JVA Nürnberg: dort hatte sich ein Gefangener über den verkauften Leberkäse beschwert. Die Lebensmittelkontrolle stellte einen „sensorisch“ auffälligen Befund fest. Anstatt sich zu entschuldigen und fürderhin Waren zu liefern, die keinen Anlass für Bußgelder geben, wurde kurzerhand das entsprechende Produkt (warmer Leberkäse) aus dem Sortiment genommen.

Lebensmittel- und Körperpflegemitteleinkauf ist für Gefangene von immenser Bedeutung. Niemand verübelt einem Anbieter einen gewissen Profit, allerdings sind die oben dargestellten Aufschläge inakzeptabel. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass kein einziges Produkt in „diese Woche“ teurer war als bei Massak Logistik GmbH, d.h. obige Auswahl ist nicht etwa einseitig, sondern bietet von der Tendenz her ein realistisches Abbild der Preispolitik Werner Massaks.

Berücksichtigt man dann noch, dass Gefangene auf Grund stagnierender, eher sogar sinkender „Löhne“ jeden Monat lediglich 60-80 Euro, wenn jemand „sehr gut“ verdient vielleicht auch 100 Euro, zur freien Verfügung (sogenanntes „Hausgeld“) bleiben, wovon freilich Stromkosten, Kabelgebühr etc. noch abgehen, mag die Empörung unter den Gefangenen noch verständlicher erscheinen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z. 3113
Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
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