Verhütung von Folter in BRD?

Seit dem 1. Mai 2009 hat die in Wiesbaden angesiedelte Bundesstelle zur Verhütung von Folter ihre Arbeit aufgenommen – und seit September 2010 die entsprechende Länderkommission.

Über die Hintergründe dieser Einrichtung, sowie deren ersten Jahresbericht soll im folgenden informiert werden.

 

Nationale Stelle zur Verhütung von Folter

 

Schon am 18.12.2002 verabschiedeten die Vereinten Nationen (UNO) eine Ergänzung zur Antifolterkonvention. Danach sollte auch auf Ebene der Mitgliedsstaaten jeweils eine Stelle geschaffen werden, die Orte, an welchen Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden, oder aber Freiheitsentziehung ausgesetzt sind (das reicht vom Polizeirevier, über Psychiatrien, typischerweise Gefängnisse, aber auch Alten- und Pflegeheime, sofern dort „freiheitsentziehende Maßnahmen“, wie Fixierungen durchgeführt werden) besucht und prüft, ob an diesen Orten die Betroffenen Folter oder aber unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt sind.

 

Erst 2006 unterzeichnete die BRD das Fakultativprotokoll vom 18.12.2002 – und wieder erst zwei Jahre später stimmte der Bundestag zu, so dass erst mit dem 03.01.2009 die Vorgaben für Deutschland verbindlich wurden.

 

Leiter der Bundesstelle ist Dr. Lange-Lehngut, ehemaliger langjähriger Leiter der JVA Tegel (Berlin); die vier ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Länderkommission wurden im Juni 2010 gewählt: Staatssekretär a.D. Geiger, eine Frau Schöner, Herr Rieß (Vorsitzender Richter am OLG Stuttgart), sowie ein Uniprofessor aus Marburg, Prof. Rössner.

 

Aufgaben und Befugnisse der Nationalen Stelle

 

Primäre Aufgabe der Stelle ist es, „Orte der Freiheitsentziehung“ aufzusuchen und dort festgestellte Mißstände zu benennen und den Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, bzw. ihnen Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Ausdrücklich nicht, und darauf weist das Sekretariat beharrlich bei Schriftverkehr hin, befugt sei man, Einzelpersonen zu helfen oder ihre Beschwerden zu überprüfen. Dessen ungeachtet werden konkrete Einzelfallschilderungen mitunter zum Anlass für Anfragen bei der jeweiligen Anstaltsleitung genommen.

Die Gefängnisse und anderen Einrichtungen sind eigentlich gehalten, Schriftwechsel ihrer Insassen mit der Nationalen Stelle nicht zu überwachen, jedoch nicht immer ist dies dem Personal bewusst und Briefe werden geöffnet.

 

Finanzielle Ausstattung der Nationalen Stelle

 

Wer weiß, dass auf Bundesebene 360 „Gewahrsamseinrichtungen“ (z.B. von Bundeswehr, Zoll, Bundespolizei, insbesondere auch auf den Flughäfen) existieren und auf Länderebene 186 eigenständige Justizvollzugsanstalten, 9 Abschiebehafteinrichtungen, 1.430 Polizeireviere, 245 Psychiatrien (Krankenhäuser), 81 forensische Psychiatrien (für den Maßregelvollzug), 16 geschlossene Einrichtungen der Jugendfürsorge und nahezu 11.000 Altenpflegeheime, wird sich vielleicht wundern, wenn er/sie hört, dass der Nationalen Stelle lediglich 300.000 Euro im Jahr zur Verfügung stehen (100.000 für die „Bundesstelle“, die in Wahrheit nur aus dem Vorsitzenden Lange-Lehngut besteht, sowie 200.000 Euro für die aus vier Personen bestehende Länderkommission).

Zum Vergleich: Frankreich finanziert 16 hauptamtliche, sprich voll bezahlte Kontrolleure und 16 Kontrolleure in Teilzeit und gibt ca. 3,3 Millionen Euro pro Jahr aus. Die im Vergleich zu Deutschland erheblich kleinere Schweiz verfügt über 12 Kontrolleure und lässt sich die Stelle ca. 300.000 Euro im Jahr kosten.

 

Deshalb beklagt die Nationale Stelle in ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht, die unzureichende finanzielle Ausstattung hindere sie, ihrer Aufgabe in dem gesetzlich bestimmten Umfang nach zu kommen.

 

Jahresbericht 2010/2011

 

In dem 121 Seiten umfassenden Jahresbericht stellt die Nationale Stelle die rechtlichen Hintergründe ihrer Arbeit, sowie durchgeführten Besuche in Gewahrsamseinrichtungen vor.

 

Die Länderkommission konnte lediglich 18 Einrichtungen besuchen (um auch nur einmal jedes Gefängnis zu besuchen, bräuchte die Kommission folglich 10 Jahre, hätte dann aber noch keines der 1.430 Polizeireviere, keine Psychiatrie und kein Altenheim besucht).

 

Beispiele der Bundesstelle

 

Allgemein bemängelt Lange-Lehngut, dass insbesondere in Polizeidienststellen, aber auch bei der Bundeswehr in Gewahrsam genommene Menschen nicht unverzüglich und umfassend über ihre Rechte informiert würden. Gerügt wird auch, dass die Privat- und Intimsphäre der Betroffenen nicht gewahrt werde, wenn z.B. auf der Bundespolizeiinspektion des Flughafens München durch die Weitwinkelspione auch Toilettengänge beobachtet werden können. Ein Punkt der in weiteren Besuchen, z.B. in Düsseldorf, Kehl und Hamburg beanstandet wurde. Selbiges galt für fehlende Matratzen. Ferner forderte der Vorsitzende der Bundesstelle, dass bei der Fixierung von Betroffenen in der Zelle keine Polizeihandschellen zur Anwendung gebracht werden und stets eine Sitzwache vor Ort sein müsse, bis die Fixierung beendet werden könne.

 

Beispiele der Länderkommission

 

Besucht wurden 7 Gefängnisse, vier Polizeireviere, zwei Psychiatrien und eine Abschiebehaftanstalt. Durchgängig beanstandet wurde bei der Videoüberwachung von Zellen, dass die Überwachungsmonitore nicht den Intimbereich, oder die Toiletten verpixelt darstellen würden.

In Rosdorfs Vollzugsanstalt war die Kommission im Oktober 2010 und rügte anschließend, dass ein psychisch angeblich „auffälliger“ Gefangener, anstatt adäquat therapeutisch behandelt zu werden, seit Monaten in einer videoüberwachten Zelle in Isolationshaft gehalten wurde. Die Situation von Inhaftierten in Isolationshaft rügte man auch in Dresden und verlangte statt einer nur quartalsweise erfolgten Prüfung der „Notwendigkeit“ der Einzelhaft eine monatliche Prüfung.

 

Dass in den meisten der besuchten Einrichtungen in den Gemeinschaftsduschen keine Trennwände eingebaut sind, rügte die Kommission ausdauernd. Die zuständigen Behörden reagierten mitunter einsichtig (Dresden will Trennwände nachrüsten lassen, gleichfalls Chemnitz), aber auch zynisch (Berlin ließ wissen, auch in Schwimmbädern gebe es schließlich keine Trennwände).

 

Überregionale Beachtung in der Berichterstattung fand der „unhygienische und ekelerregende Zustand“ von Isolierzellen in Berlins Jugendstrafanstalt. Das Land ließ wissen, man habe im Juni 2011 die JVA angewiesen, die „erforderlichen Instandsetzungen“ durch zu führen.

 

Sofern Fixierungen notwendig wären, so die Kommission, dürften keine normalen Polizeihandschellen verwandt werden, es müsse zu Gurtsystemen gegriffen werden, inkl. Sitzwache vor Ort, um die Zahl der Fixierungen so gering als nur möglich zu halten.

 

In der forensischen Psychiatrie in Lippstadt beanstandete man die Überbelegung, die dadurch bedingte extreme räumliche Enge, fehlende Therapeuten, unzureichende Therapieräume, häufigen Therapeutenwechsel und nur eine geringe Therapiefrequenz. Beanstandet wurde auch, dass ein Anwalt, der seinen dort gefangen gehaltenen Mandanten besuchen wollte, diesen nur durch die Luke in der Zellentüre zu sehen bekam. Der Klient durfte in der Isolationszelle nur eine Unterhose tragen. Ein Gespräch im Besuchszimmer habe die Klinikleitung verweigert.

 

Bewertung des Berichts und der Nationalen Stelle

 

Das Positive vorweg: In Randbereichen konnte die Nationale Stelle etwas bewirken. Hier wurden Zellen frisch gestrichen, dort Matratzen in Zellen gelegt, wo vorher nur ein Betonklotz als Nachtlager diente. Das war es dann aber auch schon.

 

Ob die Besetzung der Nationalen Stelle mit ausgesprochen staats- und justizhörigen Ex-Beamten, oder gar noch amtierenden Richtern, oder die absolut unzureichende finanzielle Ausstattung, dies alles zeigt, wie wenig ernst der Schutz von in Gewahrsam genommenen Menschen in Deutschland genommen wird. Um nicht zu viel Kritik zu provozieren, überträgt man die Kontrollen jenen, die zuvor selbst Knäste geführt haben (und gerade zu Lange-Lehnguts Zeiten als Knastdirektor kam es in Tegel regelmäßig zu Übergriffen) und um sich noch besser seitens Politik und Justiz abzusichern, stattet man diese „Kontrolleure“ auch noch finanziell minderwertig aus.

 

Dass die Kontrolleure nicht von geschlagenen und delirierenden (zu dem Fall eines todkranken HIV-positiven Gefangenen vgl. meinen Beitrag http://linksunten.indymedia.org/node/58237) Gefangenen berichten, wundert nicht, sie bekamen sie nicht zu Gesicht und wahrscheinlich wollten sie sie auch nicht zu Gesicht bekommen.

Folter verhütet wird so gewiss nicht!

 

Wenn also viele der in dem Jahresbericht angesprochenen Punkte wie Petitessen anmuten, liegt das daran, dass Deutschlands Politik das UN-Übereinkommen schlicht nicht ernst nimmt.

Diese These mögen noch zwei Details untermauern: Zum einen wurde das Sekretariat, mithin auch der offizielle Sitz der Nationalen Stelle im Gebäude und Büro des „Kriminologischen Dienstes“ (http://www.krimz.de), der eng mit BKD, den Landeskriminalämtern und den sonstigen Repressionsbehörden kooperiert, angesiedelt. Zum anderen nutzte die Nationale Stelle das Instrument der Zwangsarbeit von Gefangenen (zur Kritik an der Arbeitspflicht für Gefangene vgl. auch: http://de.indymedia.org/2003/06/55784.shtml ) um ihren Jahresbericht 2010/2011 in der Druckerei der JVA Heimsheim (http://www.jva-heimsheim.de) drucken und in der anstaltseigenen Buchbinderei binden zu lassen.

 

Die Jahresberichte der Nationalen Stelle können im Internet abgerufen werden unter:

http://www.antifolterstelle.de

(unter der Rubrik „Jahresberichte“)

 

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

http://www.freedom-for-thomas.de

https://freedomforthomas.wordpress.com

50 Jahre im Gefängnis

Kürzlich berichtete die taz (http://taz.de/Laengste-Haftstrafe-seit-Bestehen-der-BRD/!96971/) in einem langen Artikel über, wie ihn alle nennen, Icke, in Haft seit dem
20. Januar 1962. Icke sitzt seit den 80er Jahren in der baden-württembergischen Haftanstalt Bruchsal (www.jva-bruchsal.de), die Jahrzehnte zuvor hatte er in Berliner Gefängnissen zugebracht.

Was hat Icke getan?

Wie die taz berichtet, habe Icke am 13. Januar 1963 ein junges Pärchen in dessen VW Käfer erschossen. Das Hamburger Abendblatt habe damals vom „erregendsten Prozess der Berliner Nachkriegsgeschichte“ geschrieben.
Offenbar immer schwer bewaffnet unterwegs, sobald er die Wohnung verlassen hatte, traf er nachts gegen 1 Uhr in Berlin auf besagten VW Käfer. Ihm hätten die Füße wehgetan vom durch die Straßen Laufen und so hätte er die Idee gehabt, sich nach Hause fahren zu lassen. Als er sich unter vorgehaltener Waffe auf den Fahrersitz gedrängt habe, seien die
beiden Insassen davon ausgegangen, ausgeraubt zu werden. Gegen 1.45 Uhr, so die Schilderung des taz-Autors Kai Schlieter weiter, sei Icke in Neukölln auf einen Feldweg abgebogen, wo dann die Situation begonnen habe zu eskalieren, als sich Karin Baumann, eine der beiden Geiseln, mit Schlägen ihres Schuhs auf Ickes Kopf zu wehren begann und ihm dann auch ins Lenkrad gefasst habe. Hier sei dann Icke ausgerastet und habe der
Frau und ihrem Freund acht Mal in den Körper geschossen. Weitere Schüsse seien dann auch noch gezielt auf die Köpfe abgegeben worden und er – Icke – sei weggerannt und habe die Waffe in einen Kanal geworfen.

Das Urteil

Am 30. Mai 1965 urteilte das Berliner Schwurgericht, dass Icke „lebenslänglich“ wegen Doppelmordes ins Zuchthaus müsse. Ein Detail am Rande: wie die taz berichtet, habe das Gericht unter Vorsitz von Richter Heinz Brandt, einem früheren NSDAP-Mitglied und Abteilungsleiter in der Reichsgruppe „Junge Rechtswahrer“ getagt und geurteilt.

Warum wird Icke nicht freigelassen?

Das Strafgesetzbuch sieht vor, dass zu lebenslänglicher Haft verurteilte Menschen nach frühestens 15 Jahren entlassen werden können, jedoch nur dann, wenn die Sozialprognose günstig ausfällt, sprich, wenn keine erneuten (Tötungs)Delikte zu erwarten sind.
Die taz zitiert Gutachter, denn in der Praxis orientieren sich die Gerichte bei ihren Entlassungsentscheidungen an den Beurteilungen von Psychiatern, wonach Icke angeblich einsichtslos sei. So schrieb 1997 der Sachverständige Engell: „Der Proband legt eine saloppe Fröhlichkeit an den Tag und macht einen völlig unbeschwerten Eindruck.“
Ein Facharzt für Psychiatrie, Dr. Schramm, sekundiert 2005, von Icke seien künftig „Drogenschmuggel oder andere illegale Aktivitäten“ zu erwarten. Und 2012 kommt der Chefarzt der Psychiatrie in Wiesloch, Dr. Splitthoff zu der Ansicht, der Gefangene sei „nach 50 Jahren Haft genauso bindungslos“ wie zu Beginn der Inhaftierung.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe meint im Jahr 2006, dass würde Icke aus der „vertrauten Umgebung der Haftanstalt gerissen“, er einer „Vielzahl von nicht voraussehbaren Konflikten“ ausgesetzt wäre, welchen der Verurteilte „nicht mehr gewachsen ist.“

Reaktion auf den taz-Artikel

Nach Erscheinen des taz-Artikels am 07. Juli 2012 bekam Icke, wie er mir erzählte, einige Zuschriften; teils von Menschen, mit welchen er früher schon in Kontakt stand. Zudem meldete sich jemand von der dpa (Deutsche Presseagentur), um ihn gleichfalls zu interviewen; denn dem taz-Artikel von Schlieter ging ein Besuch von diesem in der JVA Bruchsal voraus.

Ausblick

Ob Icke jemals entlassen wird, erscheint angesichts der durchaus uneinsichtig zu nennenden Sichtweise der Gutachter und Gerichte zweifelhaft; offenbar genügt es, einen Menschen nur lange genug wegzuschließen, um diesen dann nur deshalb weiter einzusperren, weil er schon so lange sitzt, da man nicht abschätzen kann, wie er sich verhält, wenn er nun doch noch frei käme. Eine Pervertierung des Anspruchs eines
Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde. Auch wenn Icke vor 50 Jahren zwei Menschen getötet hat, muss es irgendwann genug sein mit dem Verwahrvollzug. Wer jedoch nicht in das Konformitätsraster von Gutachtern, Richtern und Knastbediensteten passt und sich auch nicht passend machen lässt, hat ungeachtet aller Sonntagsreden über angeblich jedem Menschen zustehende Grundrechte faktisch kaum noch Rechte.

Ob die Angehörigen der 1962 getöteten Frau und des getöteten Mannes heute für Ickes weitere Inhaftierung plädieren würden, das bleibt im Dunkeln.
Wie der Volksmob die Situation beurteilt, dürfte hingegen klar sein: Knast bis zum bitteren Ende. Eine solche Position würde verkennen, dass selbst Menschen, die wesentlich grausamere Verbrechen begangen haben, unter keiner Regierung Deutschlands länger einsitzen mussten als Icke. Darunter KZ-Schergen, die tausende Menschen auf dem Gewissen hatten, Nazi-Richter, die Todesurteile im Akkord fällten, aber auch andere
Täter, die viel mehr Menschen, und auf ungleich brutalere Weise töteten – sie alle kamen in den zurückliegenden Jahrzehnten frei. Icke, so scheint es, wurde schlicht vergessen – und heute möchte niemand die Verantwortung übernehmen einen seit über 50 Jahren inhaftierten Menschen freizulassen. Hatte man doch auch noch nie solch einen „Fall“.

So wird Icke weiterhin, wie jeden Tag, egal ob es regnet, schneit oder 30 Grad im Schatten hat, im Hof der JVA seine Runden drehen – bis zu seinem Tod. Immer eine Tüte mit Apfelschnitzen dabei, die er dann während des Hofgangs isst.

Was kann getan werden, um Ickes Freilassung zu fordern?

Da Icke in Berlin verurteilt wurde, ist nach wie vor der regierende Bürgermeister von Berlin zuständige Gnaden-Instanz.

Wer möchte, kann also an

Der Regierende Bürgermeister von Berlin
- Senatskanzlei –
Jüdenstraße 1
10178 Berlin

Telefon (030) 9026-0
Telefax (030) 9026-2013
Persönliches Büro
Telefon (030) 9026-3015
Telefax (030) 9026-3021
e-mail: der-regierende-buergermeister@senatskanzlei.Berlin.de

schreiben und dort die Begnadigung von Hans-Georg NEUMANN, wie Icke mit bürgerlichem Namen heißt, geboren am 14.09.1936 (verurteilt am 30.05.1963 vom Landgericht Berlin) fordern.

Thomas Meyer-Falk, c/o. JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
http://www.freedomforthomas.wordpress.com

Knastarzt stellt Ferndiagnosen

Wer in einem Gefängnis sitzt und krank wird, kann sich nicht aussuchen, zu welchem Arzt er/sie geht, sondern ist auf Gedeih und Verderben auf den/die jeweilige Anstaltsarzt/-ärztin angewiesen. Und so sind die Arzt-Patienten-Beziehungen in den Haftanstalten ein ständiger Quell von Klagen.

Gefängnisarzt der JVA Bruchsal

Seit wenigen Jahren ist in der im schönen Baden gelegenen Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal der ehemalige Hausarzt Dr. med. Peter MAIER Anstaltsarzt, d.h. er ist hauptamtlich zuständig für die medizinische Versorgung der circa 400 Insassen. Schon in den zurückliegenden Jahren bot sein Vorgehen Stoff für Beiträge (so 2010,
vgl. http://de.indymedia.org/2010/07/285797.shtml und 2011, vgl.
http://de.indymedia.org/2011/09/316069.shtml) über dessen zumindest „eigenwillig“ zu charakterisierende Kommunikationskultur und sein Verständnis des ärztlichen Ethos.

Vorfall vom 30. März 2011

Am Freitag, dem 30. März begab sich morgens gegen 7 Uhr, so wie es inder JVA Bruchsal üblich ist, Herr D. in den Wartebereich des sogenannten „Krankenreviers“, gewissermaßen ins Wartezimmer, auch wenn sich ein Vergleich mit einem solchen in Freiheit angesichts der kärglichen Umgebung verbietet.

Dort wurde er nach geraumer Zeit von einem der Mitarbeiter der Medizinischen Abteilung befragt, weshalb er denn den Arzt, Dr. Maier, sehen wolle. Unstreitig gab Herr D. an, er leide an Rückenschmerzen und habe einen geschwollenen Zeh. Von Dr. Maier bestritten wird, dass – wie Herr D. nun vorbringt – auch von einem Taubheitsgefühl im Bein die Rede
gewesen sei. Die Beschwerden notierte der Mitarbeiter in einem Formular, das dann Dr. Maier vorgelegt wurde.
Vorgelassen zum Arzt wurde Herr D. – gleichfalls unstreitig – nicht, sondern der Arzt ließ „Voltaren-Tabletten“ zur Entzündungshemmung und Stillung der Schmerzen durch sein Personal aushändigen. Eine Untersuchung fand nicht statt, auch nicht durch das
Krankenpflegehilfspersonal des Arztes.

Klage vor Gericht

Noch am 30. März schrieb der sichtlich empörte Herr. D. an das Gericht, denn er wollte vom Landgericht (Strafvollstreckungskammer) festgestellt wissen, dass die Weigerung ihn zu untersuchen rechtswidrig gewesen sei. Hierzu muss man wissen, dass Gefangene sich gegen sie belastende Maßnahmen der jeweiligen JVA, bzw. ihres Personals, gerichtlich zur Wehr setzen können (vgl. §§ 109 ff Strafvollzugsgesetz).

Und so bemängelte Herr D., der Anstaltsarzt habe durch das Unterlassen einer Untersuchung die (Grund)Rechte seines Patienten verletzt.

Erwiderung von Dr. Peter Maier

Vom Gericht zur Stellungnahme aufgefordert, legte die JVA Bruchsal eine Einlassung des Dr. Maier vom 27. April 2012 vor. Auf knapp drei Seiten verteidigt Dr. Maier sein Vorgehen. Bei „sehr hohem (…) Aufkommen an Patienten“ behalte er sich eine Selektion nach „akut
behandlungsbedürftigen und weniger akut behandlungsbedürftigen Patienten“ vor. Er entscheide „objektiv“; hingegen irrelevant sei der „subjektive Eindruck des Patienten“.
Sollte er „keine akute Notwendigkeit einer Untersuchung oder Behandlung“ sehen, finde eine solche nicht statt und er lasse die Patienten „zurück in den Flügen (…) schicken“. So habe er es auch im Falle des Herrn D. gehalten. Die ihm – dem Arzt – von dessen Hilfskraft übermittelten
Angaben des Herrn D. hätten dazu geführt, dass er eine „Lumbalgie“ (Hexenschuss) angenommen und deshalb die Gabe von Voltaren-Tabletten angeordnet habe, welche „entzündungshemmend und schmerstillend wirken“, so der Arzt.
Ausdrücklich bestreitet Maier, dass sein Patient bei der Befragung durch das Hilfspersonal ein Taubheitsgefühl im Bein angegeben hätte. Die diesbezügliche Behauptung sei ein leicht durchschaubarer „Versuch (…) unberechtigte Ansprüche durchzusetzen und den tatsächlichen Sachverhalt zu dramatisieren“.
Vielmehr habe es sich bei der Erkrankung um eine „Befindungsstörung“ gehandelt, die er – der Arzt – so erfolgreich behandelt habe, dass Herr D. „gleich in solch guter gesundheitlicher Verfassung (gewesen sei), dass er sich trotz zuvor bestehender Rückenschmerzen am selben Tag hinsetzen und seitenlange Briefe (habe) verfassen“ können. Gemeint von Dr. Maier ist damit der Antrag an das Gericht, in welchem D. das
Vorgehen des Arztes beklagte.

Abschließend lobt sich Dr. Maier nochmals ausdrücklich selbst, denn durch die Verweigerung der Untersuchung und die erfolgte sofortige Rückführung in den Haftraum (mit den Tabletten) hätte sein Patient nunmehr „die Gelegenheit (bekommen), den Rest des Tages mit sinnvollen Dingen zu verbringen“. In Frage stelle er – der Arzt – jedoch, ob es sich beim Verfassen einer Klage ans Gericht um „sinnvolle Dinge“ handele. Seit dem fraglichen 30.03.2012 habe sich Herr D. nicht mehr bei der Arztsprechstunde eingefunden.

Würdigung des Vortrags des Anstaltsarztes

Immer mehr der inhaftierten Patienten klagen über diese Praxis des Dr. Maier, sich die Beschwerden nicht persönlich anzuhören und sie zu untersuchen, sondern sich von seinem Hilfspersonal die Symptome vortragen zu lassen, um hierauf basierend Entscheidungen zu treffen. Damit begibt sich der Arzt auf rechtlich sehr dünnes Eis.
Um nämlich beurteilen zu können, ob nicht doch eine schwerwiegende(re) Erkrankung vorliegt, wird ein Arzt nicht umhin kommen, den Patienten persönlich in Augenschein zu nehmen, erst recht, wenn der Arzt dann verschreibungspflichtige Medikamente verordnet.

Ein Detail am Rande: das Arzneimittelgesetz (§ 11 Abs. 7 AMG) sieht vor,dass dem Patienten zwingend die Packungsbeilage zu übergeben ist.
Hiergegen wurde nicht nur im Falle von D. verstoßen, sondern es ist Alltag, dass die Packungsbeilage vorenthalten wird und auch keine Aufklärung über die Risiken und Nebenwirkungen der verordneten Medikamente erfolgt. Die Nichtaushändigung der Packungsbeilage stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (vgl. § 97 Abs. 1 Nr. 5 a AMG).

Ob die Nichtaufklärung und Verweigerung der Untersuchung zugleich den Tatbestand der Körperverletzung im Amt erfüllt, mag dahin stehen, zumindest erleben es die Patienten des Dr. Maier als wenig patientenfreundlich, ohne jegliche Untersuchung abgefertigt zu werden. Sicherlich, nicht alle werden derart zurückgewiesen, aber es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Klagen zu hören sind, dass wieder Gefangenen die persönliche Vorsprache verwehrt wurde.

Man mag darüber diskutieren, wenn ein Patient sich jeden Tag meldet, um mit dem Arzt zu sprechen, einfach weil ihm ein Gesprächspartner fehlt, oder wenn außerhalb der regulären Sprechstunde eine Erkrankung gemeldet wird, dass dann vorab eine Klärung erfolgt, bevor eine Untersuchung beim Gefängnisarzt stattfindet; um eine solche Konstellation handelt es sich hier jedoch nicht, und auch nicht bei den vielen anderen Gefangenen, die vorgelassen werden.

Da ein Anstaltsarzt nicht der Aufsicht durch die Ärztekammer unterliegt, kann nur spekuliert werden, ob das kreative Vorgehen des Dr. Maier von den Standesrichtlinien gedeckt wäre.

Unabhängig von der rechtlichen Seite stellt sich jedoch ganz offen die Frage nach der menschlich-ethischen Einstellung des Bruchsaler Gefängnisarztes. Nicht nur in den eingangs erwähnten Fällen, über die ich 2010 und 2011 berichtete, sondern auch heute fragen sich nicht wenige Gefangene, welches Verhältnis Dr. Maier zu seinen Patienten hat.

Zugegebenermaßen, jene die Methadon, Psychopharmaka oder Schlafmittel von Dr. Maier erbitten, werden teils üppig versorgt, denn letztlich ist es billiger, Gefangene medikamentös „anzufüllen“, anstatt sich ihnen menschlich zuzuwenden.

Andererseits und deshalb ließ ich Herrn Dr. Maier so ausführlich hier oben zu Wort kommen, scheint ihm ein gewisser Zynismus nicht wesensfremd. Und als zynisch werden solche Äußerungen, wie ich sie weiter oben zitierte, von den betroffenen Gefangenen erlebt.

Ferndiagnosen und Fernheilung verortete man bislang eher im esoterischen Sektor, aber offenbar scheint der JVA-Arzt von Bruchsal über entsprechende Talente zu verfügen, so dass er aus der Ferne Diagnosen treffen, andere ausschließen und hierauf basierend Medikamente verordnen kann.

Wie geht es mit Herrn D. weiter?

Das Vertrauen in die ärztliche Kompetenz des Dr. Maier [e-mail:
poststelle@jvabruchsal.justiz.bwl.de] ist für D. nachhaltig erschüttert, mit ein Grund, weshalb er seit den Vorfällen von Ende März sich nicht mehr zur Arztsprechstunde gemeldet hat. Eine Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe ist noch nicht ergangen. Die zuständige Richterin hätte den Fall am liebsten vom Tisch und frug am 11. Juni 2012 ganz
direkt bei Herrn D. an: „Wird der Feststellungsantrag zurückgenommen?“

Das wird Herr D. nicht tun, er beharrt auf seinem (Menschen)Recht im Falle einer Erkrankung auch ärztlich untersucht zu werden.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, 76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
http://www.freedomforthomas.wordpress.com

Gefangene schuften für den Krieg

In Deutschland sind Gefangene verpflichtet zu arbeiten, sofern die zugewiesene Arbeit von ihnen körperlich geleistet werden kann. Rechtlich handelt es sich hierbei um Zwangsarbeit, wie das Grundgesetz (Artikel 12 Absatz 3) in erfreulicher Klarheit feststellt; manche arbeiten auch für den Krieg.

Schuften für die Rüstung

Die im 19. Jahrhundert erbaute Justizvollzugsanstalt Straubing (Bayern) verpflichtet schon seit langer Zeit Teile der Insassenschaft für die Firma MTU (http://www.mtu.de) zu arbeiten. MTU ist aktiv an der Rüstungsproduktion beteiligt und liefert Triebwerke für – wie es wörtlich heißt – „Luftfahrtgeräte der Bundeswehr“, insbesondere auch den Eurofighter.

Hieran beteiligt sind, wie gesagt, auch Gefangene der JVA Straubing
(http://www.justizvollzug-bayern.de/JV/Anstalten/JVA_Straubing/), wo nötig, müssen die Gefangenen dann auch an Wochenenden „Sonderschichten“ (so Felix Wadewitz, „Recht und billig“ in impulse, März 2012, S. 82) fahren und erhalten pro Arbeitstag einen Lohn „zwischen 8,51 Euro und 14,18 Euro“ (a.a.O., S. 83).

Der Betrieb von MTU in der Haftanstalt ist ganz offiziell als „Luftfahrtbetrieb für Luftgeräte der Bundeswehr“ zugelassen. Durch ihre erzwungene Mitarbeit sind also auch Gefangene eingebunden in kriegerische Konflikte.

Proteste hiergegen?

Wie Betroffene aus der JVA Straubing berichten, sind die Arbeiter dort überwiegend „stolz“ auf ihre „verantwortungsvolle“ Tätigkeit, d.h. es existiert nicht ansatzweise ein Problembewusstsein. Hierzu mag auch beitragen, dass die Anstaltsleitung hart gegen Gefangene vorgeht, die offensiv die Arbeit verweigern: die Palette der Restriktionen reicht hin bis zur zeitweisen Isolierung der Betreffenden (z.B. durch „Arrest“, der bis zu vier Wochen dauern kann).

Aktuelle Diskussion um IKEA

Nach einem schwedischen Fernsehbericht wird nun auch in Deutschland (wieder) über die Rolle des bekannten Möbelhauses IKEA diskutiert; denn IKEA hatte zu DDR-Zeiten Aufträge in die DDR vergeben und dort mussten Gefangene unter unwürdigen Bedingungen IKEA-Produkte herstellen.

Auch wenn es sich verbietet, die materiellen Haftbedingungen, die in der DDR vorherrschten, mit jenen heute in Verbindung zu bringen, so kann dennoch hinterfragt werden, welche systemischen Gemeinsamkeiten bestehen und weshalb heute zwar Kritik an der Ausbeutung der DDR-Gefangenen geübt, jedoch die Praxis in BRD-Gefängnissen nicht ansatzweise kritisch reflektiert und erst recht nicht zur Diskussion gestellt wird.

Wo kann gegen die Beteiligung der Gefangenen an der Rüstungsproduktion Protest eingelegt werden?

Richtige Ansprechpartner sind sicherlich der Vorstandsvorsitzende von MTU Herr Egon W. Behle Adressse von MTU: Dachauer Straße 665 D-80995 München, E-Mail:
info@mtu.de; Kontaktformular für E-Anfragen:
http://www.mtu.de/de/globals/contact/index.html),

auch der Leiter der JVA Straubing
Herr Matthias Konopka (poststelle@jva-sr.bayern.de;
matthias.konopka@jva-sr.bayern.de)
der, dies nur am Rande, wenn er sich mal vor Ort in den Produktionsstätten von MTU ein Bild verschaffen möchte, nach Aussagen von Augenzeugen von einem Kordon Sicherheitsbeamter umgeben ist und Anweisung erteilen lässt, dass sich „kein Inhaftierter näher als auf 10 Meter“ nähern dürfe.
Aber auch die politisch verantwortliche Justizministerin
Frau Beate Merk (e-mail: beate.merk@stmjv.bayern.de)
ist richtige Adressatin von Protesten.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
http://www.freedomforthomas.wordpress.com

17 Jahre Isohaft – und kein Ende!?

Wirklich gute Nachrichten gibt es selten aus Haftanstalten zu berichten; und auch heute verhält es sich nicht anders. Seit mittlerweile fast genau 17 Jahren sitzt ein Gefangener in Einzelhaft, sprich in Isolation. Über die Situation von Peter Wegener (z. Zt. JVA Sehnde,

http://www.jva-se.niedersachsen.de) soll an dieser Stelle die Rede sein.

 

Was heißt hier Einzelhaft / Isolation?

 

Wenn von Einzelhaft gesprochen wird, ist damit nicht etwa lediglich die Unterbringung in einem Einzelhaftraum gemeint, bei zeitgleich erhaltenem Kontakt zu Mitgefangenen während der Arbeit und Freizeit, sondern die „unausgesetzte Absonderung eines Gefangenen“ (§ 82 Nds-Justizvollzugsgesetz) von anderen Gefangenen und dem regulären Haftalltag. Das bedeutet: keinerlei Kontakt zu Mitgefangenen, sieht man vom Briefwechsel ab, keine gemeinschaftlichen Freizeitveranstaltungen, kein gemeinsamer Sport, keine gemeinsame Arbeit. Die einem zustehende tägliche Stunde Aufenthalt im Gefängnishof ist auch alleine zu absolvieren.

Hinzu kommen noch erhebliche Restriktionen, was den persönlichen Besitz anbetrifft: keinerlei private Kleidungsstücke, vor Verlassen der Zelle, bzw. der Sicherheitsstation nackt ausziehen und dann zuvor durchsuchte andere Knastwäsche anziehen. Das selbe Prozedere vor Rückkehr in die Zelle: nackt ausziehen und wieder andere Knastkleidung anziehen. Wenn es also sein muss, mehrfach am Tag. Private Gegenstände in der Zelle sind auf ein absolutes Minimum reduziert; in Sehnde geben sich die Sicherheitsbeamten sogar die Mühe festzulegen, dass keine Kugelschreiber mit Mechanik, also lediglich Einwegkulis genutzt werden dürfen und Bücher nur in einem „Umfang“ von ½ Meter zugelassen sind (d.h. die Buchrücken dürfen addiert nicht mehr als 50 cm breit sein). Selbstverständlich wird jeder ein- und ausgehende Brief genau gelesen; Besuche finden in einem Trennscheibenraum statt, d.h. die Besuchsperson sitzt, wie man es aus US-Filmen kennt, hinter Panzerglas und es sitzt ein Wärter dabei.

 

Peter Wegeners Situation

 

Unter diesem strengst möglichen Haftregime sitzt Peter nun seit 1995 in einem deutschen Gefängnis. Berichtet wurde über ihn schon 2010 in einem Buch von Kai Schlieter („Knastreport – Das Leben der Weggesperrten“), der bei der taz arbeitet. Im Internet kann, wer möchte, etwas über die Vorgeschichte dieser Isolationshaft erfahren (http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Strüdinger), dort wird unter seinem Namen Peter Strüdinger ausführlich der Lebenslauf, geprägt von Heim- und Knastaufenthalten, dargestellt. Auch in der Psychiatrie saß er schon. Zu einer Zeit, als es dort noch wesentlich brutaler zuging als heutzutage.

 

Die JVA Sehnde weigert sich beharrlich, die lang dauernde Isolationshaft zu beenden; vielmehr verlangt der für Peter zuständige Abteilungsleiter Farbowski, zuletzt mit Schreiben vom 16. April 2012, er – Wegener – möge doch endlich „einer Ergänzungsbegutachtung durch Herrn Prof. Dr. Kröber“ zustimmen,

 

Was heißt „Begutachtung“?

 

Strafprozesse und Strafvollzug sind in weiten Teilen von psychiatrischen Gutachten geprägt, denn wo immer eine Prognose über künftiges Verhalten zu treffen ist, ziehen Gerichte und Anstalten Psychiater, bzw. Psychologen hinzu. Im Zentrum steht meist die Frage, ob ein/eine Gefangene/r eine bestimmte Vollzugslockerung (z.B. Hafturlaub), oder die Haftentlassung dazu nutzen wird, erneut Straftaten zu begehen. Im Falle Wegeners setzt die niedersächsische Justizverwaltung darauf, durch einen Psychiater heraus finden zu lassen, ob eine Aufhebung der Isolationshaft und Integrierung in den „Normalvollzug“ ohne Sicherheitsrisiken möglich ist.

Peter soll also vor einem Psychiater sein Seelenleben ausbreiten, nur um die Chance zu erhalten, vielleicht aus der Einzelhaft heraus zu kommen, um dann in den normalen Knasttrakt überstellt zu werden.

 

Gutachter Professor Kröber

 

Kröber ist Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie an der Charite in Berlin und gilt zwar einerseits als Koryphäe auf seinem Gebiet, jedoch auch als sehr „justiznah“. Entsprechend weigerte Peter sich, sich von Kröber untersuchen zu lassen und schlug andere Sachverständige vor.

Darauf hin beauftragte die niedersächsische Justiz dennoch Kröber, einfach auf Grund des Akteninhalts eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben. In seinem über 60 Seiten umfassenden „Gutachten“ kam Kröber zu dem Ergebnis, eine Alternative zur Unterbringung in Isolationshaft sei nicht erkennbar. Die Weigerung, mit ihm, dem Sachverständigen zu sprechen oder auch mit dem Anstaltspsychologen, sei negativ zu werten, da Wegener so vereitle, das „noch bestehende Risikopotential“ auszuleuchten. Zwingende „Mindestvoraussetzung für eine Veränderung der aktuellen Situation“ sei, dass Peter sich bereit erkläre, „an einer Sachaufklärung (…) aber auch den subjektiven Erwartungen mitzuwirken“.

 

Gutachter Wentzel

 

Da für Anfang 2012 bei Peter der Antritt der Sicherungsverwahrung anstand, beauftragte das Landgericht einen Gutachter zu prüfen, ob eine Freilassung denkbar sei. Mit dem vom Gericht ausgewählten Gutachter Dr. Wentzel, einem Facharzt für Psychiatrie, erklärte sich Wegener bereit zu sprechen. Dieser kam zu einem ganz erstaunlichen Ergebnis, was die Isolationshaft betrifft. Denn deren Fortdauer hält der Facharzt für nicht angebracht und empfiehlt eine sofortige Verlegung in den Normalvollzug. Danach und nach einer Therapie könne man durchaus eine bedingte Entlassung, sprich eine Freilassung auf Bewährung erwägen.

 

Reaktion der JVA vom 16.04.2012

 

Durch dieses Gutachten des Dr. Wentzel von Ende 2011 schien die JVA in Zugzwang zu kommen, musste sie nun doch die Fortdauer der nun bald 17 Jahre dauernden Isolationshaft rechtfertigen. Juristen sind findig, wie man weiß; und so greinte der zuständige Abteilungsleiter der JVA Sehnde, der Gutachter Wentzel habe sich „ohne den Auftrag erhalten zu haben“ zu einem Thema (der Isohaft) geäußert, zu dem man schließlich die kompetente Äußerung des renommierten Professors aus Berlin vorliegen habe, deshalb bleibe es bei der Isolationshaft.

Seinen Brief an Peter Wegener vom 16.04.2012 schloss der Abteilungsleiter mit den Worten: „Ich bedauere, Ihnen gegenwärtig keinen günstigeren Bescheid erteilen zu können“.

 

Wie geht es weiter?

 

Vor 17 Jahren hat Peter eine Geiselnahme in der JVA Celle begangen – vor 17 Jahren, und noch heute wird er daran fest gekettet, darauf reduziert und einbetoniert in seiner Isolationszelle. Mittlerweile weigert er sich zu arbeiten (bislang hatte er die Möglichkeit der „Zellenarbeit“ genutzt) und in den Knasthof zu gehen, denn wie er schreibt, es verletze seine Würde und demütige ihn, wenn er sich jedes mal nackt ausziehen müsse, er fühle sich wie ein Tier behandelt.

Im Fall seines Kompagnons Günter Finneisen, mit welchem er 1995 die Geiselnahme beging, stellte die Kriminologin Frommel fest, nach dem auch dieser 15 Jahre in Isolation gehalten wurde, dass es sich hier um Folter handele.

Es steht zu hoffen, dass im Falle Peter Wegeners, der zudem mit einer HIV-Infektion zu kämpfen hat, eine kritische Öffentlichkeit die Justiz dazu wird bewegen können, die Isolationshaft endlich zu beenden: 17 Jahre, nach dem sie angeordnet wurde.

 

 

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

– selbst von 1996 bis 2007 in Isolationshaft gehalten worden –

http://www.freedom-for-thomas.de

https://freedomforthomas.wordpress.com

Knastarbeit in den Medien

In deutschen Gefängnissen herrscht Arbeitszwang, sprich die Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten sind verpflichtet eine ihnen zugewiesene Arbeit auszuüben, sofern sie „zu deren Verrichtung (… auf Grund ihres…) körperlichen Zustandes in der Lage“ sind (§ 41 Strafvollzugsgesetz).

Mediale Rezeption

Immer mal wieder finden sich in Zeitungen und Zeitschriften Berichte über Gefängnisarbeit; exemplarisch soll im Folgenden über je einen Artikel im „Staatsanzeiger“ ( http://www.staatsanzeiger.de), sowie im sehr wirtschaftsnahen Monatsmagazin „impulse“ ( http://www.impulse.de) berichtet werden.

Staatsanzeiger

Diese Wochenzeitung berichtet überwiegend über die politischen Entwicklungen in Baden-Württemberg, insbesondere die Tätigkeit der Landesregierung und des Landesparlaments in Stuttgart, ist zugleich amtliches Veröffentlichungsorgan für Bekanntmachungen.
Am 30.03.2012 wurde in der Rubrik „Service für den Mittelstand“ über die „Produktion in Gefängnissen“ informiert. Die Schlagzeile deutet schon die Richtung an: „Mittelständler profitieren von guter Arbeit der Häftlinge“. Dargestellt wird, wie sich Haftanstalten im Land „als Alternative zu Osteuropa und Asien“ positionieren würden. Informiert wird über die äußerst günstigen Arbeitskosten, weshalb Gefängnisse auch als „China in Deutschland“ gelten würden.
Bei Gefangenenlöhnen zwischen 8,51 Euro und 14,13 Euro (pro Tag!) würden sich nicht nur „Produktionsspitzen ausgesprochen günstig abfedern“ lassen, sondern laut des Unternehmensberaters Roland Kölsch (MSO Consulting) seien die Produkte „oft besser als im Billigausland“. Und der Werksleiter der Firma MTU (diese stellt u.a. für den Eurofighter in der JVA Straubing Triebwerksteile her) darf sich in dem Artikel davon beeindruckt zeigen, „mit welcher Begeisterung hier (im Gefängnis) für 1,80 Euro die Stunde gearbeitet“ werde.

impulse

Nach eigenen Worten ist die Monatszeitschrift ein Blatt, das sich insbesondere an den Mittelstand und Unternehmenslenker wendet.
In der März-Ausgabe (03/2012) wird auf acht Seiten und unter der Überschrift „Recht und billig“ über Gefangenenarbeit berichtet. Sinnigerweise vom selben Autor des schon oben erwähnten Artikels, Felix Wadewitz. Erneut wird die Firma MTU in den Mittelpunkt gerückt; so sei der Standort in der JVA Straubing sogar als „Luftfahrtbetrieb für Luftfahrtgeräte der Bundeswehr“ zugelassen und „an der Eurofighter-Produktion beteiligt“.
Amtsrat Zettl (JVA Straubing) darf verkünden, dass man sich nicht mehr „hinter unseren hohen Mauern verstecke“, sondern in die Offensive gehe, um die JVA zur „Topadresse für die Wirtschaft“ zu machen.
Alleine in dessen Anstalt werden, laut dem impulse-Beitrag, 7 Millionen Euro Umsatz im Jahr geschafft, in ganz Bayern waren es 45 Millionen Euro.

Berichtet wird auch aus anderen Gefängnissen, so von einer Stieber GmbH, die in der JVA Schwalmstadt Pokale (Wochenproduktion 10 000 Stück) zusammenschrauben lasse. Der Geschäftsführer Axel Stieber zeigt sich enthusiastisch.
Oder in der JVA Freiburg: die Firma Faller, die Modellmotoren zuvor im Ausland hatte bauen lassen, holte die Produktion zurück nach Deutschland und vergibt Aufträge nun in die JVA. Firmengesellschafter Horst Neidhard äußert sich sehr zufrieden über die Zusammenarbeit mit dem Gefängnis.
Aber auch BMW findet sich hinter Gefängnismauern, oder die Firma Foeldeak, ein Hersteller von Sportmatten.

Bewertung der Berichterstattung

Die beiden Artikel von Wadewitz im Staatsanzeiger und in impulse sind insofern exemplarisch oder auch symptomatisch für die überwiegende Mehrzahl der Berichte, weil sie vollkommen unreflektiert das Loblied auf die Zwangsarbeit singen. Ich verwende hier diesen Begriff der Zwangsarbeit ganz bewusst, da er sich so auch in Artikel 12 Grundgesetz findet. Nicht einmal ansatzweise wird thematisiert, was es heißt, wenn die Arbeitskraft der Inhaftierten ebenso scham- wie bedenkenlos selbst von Firmen in Anspruch genommen wird, die eine bedenkliche Geschichte in Bezug auf Zwangsarbeit aufzuweisen haben (wie BMW).

Die Niedriglöhne werden in den Mittelpunkt gerückt, ohne kritisch zu hinterfragen, wie es sein kann, dass hier der Staat sich faktisch als Sklavenhalter betätigt, auch für die Rüstungsindustrie!

Anekdotisch und wohl auch zur Belustigung der LeserInnenschaft wird jedesmal auch auf Projekte wie aus der JVA Hamburg (Santa Fu) hingewiesen, die mit eigenen Marken aufwarten, z.B. Kochbüchern („Huhn in Handschellen“) und Spielen („Memory Santa Fu“), oder Berlin (eingetragene Marke: „Haeftling“, Produkte u.a. Knasthemden und –hosen, die dann in Geschäften in Berlin gekauft werden kann), und auch Sachsen, welches sich mit schwarz-weiß gestreiften „Räuchermännchen; Modell „Gefangener“, in den Wettbewerb stürzt.

Was es jedoch heißt, wenn Menschen mitunter viele Jahre zu Niedriglöhnen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, und dann nicht einmal ein Cent in die Rentenkasse geflossen ist, denn in die Rentenversicherung wird nichts eingezahlt, mit ein Grund, weshalb die Arbeitskraft so billig vermarktet werden kann, wird nicht beleuchtet.
Auch was es bedeutet, wenn Gefangene Jahr um Jahr erleben müssen, wie man ihnen verdeutlicht: „Deine Arbeitskraft ist nichts wert“ kommt nicht vor.

Ausblick

Die Ausbeutung der Ressource „Gefangene“ dürfte in Zukunft weiter zunehmen, zumal auch die Haftanstalten mit immer mehr Selbstbewusstsein auftreten und „ihre“ Inhaftierten auf dem Markt präsentieren (so betreibt Bayern mit  http://www.jva.de laut Berichten eine der professionellsten Plattformen zur Präsentation der Knastbetriebe).

Da die Inhaftierten formaljuristisch keine ArbeiterInnen oder „ArbeitnehmerInnen“ sind, dürfen sie auch nicht streiken (ein „wilder Streik“ könnte sogar als Gefangenenmeuterei strafbar sein), die Möglichkeit der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ist fraglich. Und wenn sich Einzelne weigern dem Arbeitszwang nachzukommen, können die Haftanstalten sie mit Repressalien konfrontieren: Disziplinarmaßnahmen und Auferlegung der Haftkosten.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA-Z. 3113
Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
 http://www.freedom-for-thomas.de
 http://www.freedomforthomas.wordpress.com

Presserat rügt Knast-Artikel

Die „Badische Neueste Nachrichten“ (http://www.bnn.de) berichtete am 24. Dezember 2011 in einem großen Artikel über die Situation hinter den Bruchsaler Gefängnismauern. Unter der etwas pointierten Überschrift „Weihnachten kocht auch die härtesten Jungs weich“ wurde über Weihnachten im Knast berichtet.

Hierbei kam es zu unzutreffenden Darstellungen, die mich zu einer Beschwerde beim Deutschen Presserat (http://www.presserat.de) veranlassten, dem Selbstkontrollorgan der deutschen Presse. 

Die Beschwerde 

Nicht jede Ungenauigkeit ist einer Beschwerde wert; hier hatte jedoch die Journalistin in ihrem Rührstück davon geschrieben, der Herr Anstaltsleiter, Thomas Müller, habe ein kleines Geschenk für seine Insassen. Namentlich seien bis Dreikönig die Werkstätten geschlossen und an Weihnachten gebe es statt eines Spazierganges im Hof derer zwei, zudem dürfe man sich mit Mitgefangenen treffen, um z. B. Karten zu spielen.

Ich hatte die BNN gebeten, diese falschen Informationen richtig zu stellen. Nach dem keine Antwort erfolgte, beschwerte ich mich beim Presserat. 

Die Entscheidung 

Mit Beschluss vom 15. März 2012 missbilligte der Presserat die Berichterstattung, da journalistische Sorgfaltspflichten verletzt worden seien (Beschwerde-Nr. 0039/12/2-BA).

Die oben wiedergegebenen Auszüge aus dem Artikel, über angeblich kleine Geschenke des Anstaltsleiters erwiesen sich nämlich als falsch. Hinzu kam noch, dass der Artikel mit einem Foto bebildert war, das bei der Leserschaft den Eindruck erweckte, es zeigte die Räumlichkeiten der JVA Bruchsal, was jedoch nicht der Fall war. 

Reaktion der BNN 

Nach Einreichung der Beschwerde beim Presserat hatte sich am 17.2.2012 die Journalistin, Sibylle Kranich, welche den Artikel geschrieben hatte, bei mir gemeldet. Sie teilte mit, dass sie mein in der Beschwerde erhobener Vorwurf der mangelhaften Recherche getroffen habe, denn sie sei seit fast 20 Jahren Journalistin und wichtig sei ihr immer, akkurat zu informieren. Sie habe jedoch keinen Grund gehabt, den Aussagen des Anstaltsleiters, Thomas Müller, zu misstrauen. 

Was sollte die Beschwerde 

Auch wenn die Beschwerde nichts ändern wird, und sie zudem für die nicht im Knast befindliche LeserInnenschaft kaum von Interesse sein dürfte, sollte doch nicht auf dieses Instrument, sich gegen Falschberichterstattung zu wehren, verzichtet werden.

Zumal der Presserat ausdrücklich im Sinne „fairer Berichterstattung empfiehlt“, dass die BNN die Missbilligung veröffentlichen sollte. 

Gerade marginalisierten Gruppen, wie Gefangenen, bietet sich hier die kostenfreie Möglichkeit, gegen unzutreffende Berichterstattung vorzugehen. 

Es steht hier also nicht das in dem Artikel transportierte konservative Gedankengut, wonach ein Anstaltsleiter, ähnlich einem kleinen Sonnenkönig, nach Gusto „kleine Geschenke“ verteilen könne, im Mittelpunkt, sondern harte Fakten.

Fakten, die in der in dem Artikel präsentierten Form schlicht unzutreffend waren.

 

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

http://www.freedom-for-thomas.de

https://freedomforthomas.wordpress.com

HIV-Gefangener ringt mit Tod

Schon mehrmals berichtete ich über „Willi aus Bruchsal“, den 45-jährigen, HIV-positiven Gefangenen in der JVA Bruchsal (zuletzt in der Sonderausgabe der Roten Hilfe zum 18.3.2012, vgl. http://www.18maerz.de).

 

Willi hatte sich 1996 beim Drogenkonsum im Gefängnis mit HIV infiziert, da die benutzte Nadel nicht ausreichend desinfiziert worden war. Da sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechterte, kämpfte er seit Anfang 2011 um seine Freilassung, um ein menschenwürdiges Sterben in Freiheit.


Verzögerungstaktik durch Landgericht Karlsruhe

 

Seit Sommer 2011 lag dem Landgericht ein Antrag auf Freilassung wegen Vollzugsuntauglichkeit vor; die zuständige Richterin meldete sich monatelang gar nicht, als dann ein Anwalt eingeschaltet wurde, weigerte sie sich strikt, diesen (auf Staatskosten) zum Pflichtverteidiger zu bestellen, da die Sach- und Rechtslage einfach sei. Als der Anwalt sie erstmals telefonisch erreichen konnte, bestand ihre erste Reaktion darin, sich bei dem Anwalt über ihre überbordende Arbeitslast bei Gericht zu beklagen, als Begründung für das Ausbleiben einer Entscheidung über Willis Gesuch.

 

Der Tod erledigt sein Geschäft

 

Nach dem Willi zwischenzeitlich auch von einem Psychiater begutachtet worden war, denn das Gericht wähnte in Willi eine mögliche Gefahr für die Allgemeinheit, und dieser zu dem Schluss kam, eine Entlassung in eine betreute Einrichtung sei vertretbar, schöpfte Willi Hoffnung. Diese verflog allerdings ebenso rasch mit jeder neu eintreffenden Absage von angeschriebenen Einrichtungen.

 

Seit knapp zwei Wochen ging es ihm zunehmend schlechter, so dass der Arzt der JVA Willis Wunsch unterstützte, des Nachts mit einem Mitgefangenen zusammen geschlossen zu werden. So verbrachte A. nun jede Nacht auf einer Matratze, die auf dem Boden lag, in Willis Zelle.

 

Ostermontag jedoch war Willis Zustand derart schlecht, er war zeitlich und örtlich desorientiert, hatte Halluzinationen, phasenweise reagierte er gar nicht, Wasser in Lunge und Bauch erschwerten die Atmung, dass „Alarm“ ausgelöst wurde, als er bei der Mittagessensausgabe leblos im Bett gefunden wurde. Noch Minuten zuvor hatte ich selbst mit ihm gesprochen, soweit man seine leisen, kaum verständlichen Worte als Gespräch bezeichnen möchte.

 

Und so wurde Willi ins städtische Krankenhaus notverlegt, dort wurde eine akute Lungenentzündung festgestellt. Vorsorglich wurde seine nächste Angehörige (die Mutter) telefonisch informiert; eine Rückkehr in die Anstalt ist wenig wahrscheinlich, da er mutmaßlich diesen letzten Kampf nicht gewinnen wird.

 

Jeder verweigerte Willi ein Sterben in Freiheit

 

Willi hatte den GRÜNEN Ministerpräsidenten Kretschmann um einen Gnadenakt gebeten. Willi hatte die Staatsanwaltschaft Freiburg um Haftentlassung wegen Vollzugsuntauglichkeit gebeten. Willi hatte das Landgericht Karlsruhe um Haftentlassung ersucht. Alles auch unterstützt vom Gefängnisarzt, der die Prognose als „infaust“ bezeichnete, der attestierte, mit einer lebensbedrohlichen Krisis sei jederzeit zu rechnen, die angesichts des desolaten Gesamtzustandes zum Tode führen könne.

Niemand hat ihn erhört.

In den Morgenstunden des 10. April 2012 hat Willis Herz aufgehört zu schlagen. Er ist gestorben!

Trauriger Einzelfall?

 

Nein, es ist kein Einzelfall, von dem hier berichtet wird, sondern es ist der symptomatische Umgang von Staat und Justiz mit einem Marginalisierten. So wie ihm ergeht es unzähligen anderen Menschen – und erst wenn die Marginalisierten, die rechnerisch in der absoluten Mehrheit sind, sich zusammen schließen und bereit sind sich zu wehren, zur Tat zu schreiten, ihre Würde und ihr Mensch-Sein zu verteidigen gegenüber jenen, die ihnen das Mensch-Sein verweigern, auf die Straßen gehen, wie am 31. März weltweit, wird sich etwas ändern.

 

 

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

http://www.freedom-for-thomas.de

https://freedomforthomas.wordpress.com