Aus einem Totenhaus …..

Wie kürzlich berichtet (https://linksunten.indymedia.org/de/node/90393) befinde ich mich seit kurzem in der JVA Freiburg (http://www.jva-freiburg.de/) in Sicherungsverwahrung und berichte im Folgenden von den ersten Eindrücken.

Station 2

Schon am ersten Tag wurde ich auf die sogenannte „Orientierungsstation“, auch „Individualabteilung“ eingewiesen; die dort Lebenden, maximal 15 Bewohner, bezeichnen sie selbst als die „Querulanten- und Therapieverweigerer-Abteilung“. Während auf den anderen drei Stationen rege Therapieangebote erfolgen, überlässt man uns von „Station 2“ – wunschgemäß – uns selbst. Auffällig ist, dass ein Großteil der Mitverwahrten auf dieser Station in ihrem Haftleben lange Zeit in Isolationstrakten verbracht hat; es scheint also, bei allen Unterschieden im Einzelfall, ein spezieller Typ Mensch zu sein, der sich dem Therapiediktat verweigert.

Die Haftbedingungen

Die Zellen (das Gesetz spricht euphemistisch von Zimmern) sind knapp 15 m2 groß, das Klosett ist baulich abgetrennt. Letzteres ist nur bedingt originell, denn die Lüftung in dem WC-Raum funktioniert nicht, so dass man gezwungen ist die Türe zur Zelle geöffnet zu lassen, womit man wieder im auch für den Strafvollzug typischen „Wohnklo“ lebt. Sich auf der Station frei bewegen kann man werktags ab 7 Uhr und wochenends ab 8 Uhr. In den Zellen eingeschlossen wird man kurz nach 22 Uhr. Das ist zur vorangehenden Strafhaftzeit in Bruchsal schon eine Verbesserung, da dort die Zellen die meiste Zeit des Tages verschlossen waren.
Auf jeder der Stationen gibt es einen weitestgehend identisch eingerichteten Gruppenraum: eine riesige Ledercouch (eine Tageszeitung schrieb gar von einer „Sofalandschaft“, vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/84689), dazu einen Fernseher, einen Tisch mit 6 Stühlen. Je nach Station stehen Billardtisch, Tischfußball oder eine Dart-Scheibe zur Verfügung. Hier in der „Station 2“, in der ich lebe, gibt es zwei Aquarien mit Fischen.
Eine kleine Küche mit sechs Herdplatten und Backofen ermöglicht sich selbst zu verköstigen. Dazu noch eine Gemeinschaftsdusche für maximal vier Personen (also vier Duschköpfe in der Duschzelle).
In den Gefängnishof kann man drei Mal am Tag für jeweils zwei Stunden. Jedoch wirkt der Hof erdrückend, da er von einer hohen Mauer und auch dem umgebenden Haftgebäude eingeengt wird. Da helfen dann auch ein paar Blumen, die winzige Wiese und einige Pflanzenbeete nicht viel weiter. Über das angeblich malerische Bächlein, welches laut Presseberichten durch den Hof fließen soll, vermag ich nichts zu berichten, denn fließen tut da nichts. Mitverwahrte sagten aus, nur anlässlich hohen Ministerbesuchs und Presse würde die Pumpe für das installierte Bächlein eingeschaltet; die JVA, in Gestalt des juristischen Leiters der SV, Herrn Oberregierungsrat R. betont, die Pumpe sei defekt, zumindest jetzt – nach dem Ministerbesuch.

Die Bewohner

Nicht zu Unrecht leben wir hier auf der „Individualstation“, denn „individuell“ sind ihre Bewohner. Da ist H., muskulös, der ungefragt und detailliert über das von ihm begangene Sexualdelikt spricht („…ich habe nur den Finger rein gesteckt…“). Er führt an, schon seit Jahren den Großteil seines von der Anstalt gewährten Taschengeldes in den „Täter-Opfer-Ausgleich“ zu investieren, außerdem auch Gelder an die Kindernothilfe zu spenden. Oder F., sein wildes rotes Haar ist sein Markenzeichen, genauso wie nachts laute Musik und ebensolche Selbstgespräche. Seinen Nachbarn bringt der Lärm fast um den Verstand und nachts durchzuschlafen ist für diesen unmöglich. Auf den ersten Blick fragt man sich, was F. in der SV zu suchen hat, da er oft einen eher verwirrten Eindruck macht. Da steht er dann auf dem Flur, stößt unartikulierte Laute aus, starrt vor sich hin, bevor er wieder in seine Zelle zurück schlurft.
Mit Lilo, einem Vollzugsveteranen, von mehreren Jahrzehnten Haft geprägt, und S. sitze ich meist schon um 7.30 Uhr am Tisch im Gruppen-/Freizeitraum beim morgendlichen Kaffee. Vor bald dreißig Jahren machte Lilo Schlagzeilen, da er anlässlich der Urteilsverkündung, er wurde u.a. wegen Drogenhandels im Strafvollzug zum zweiten Mal zur SV verurteilt, von der anwesenden Polizei angeschossen wurde, als er aufsprang und schrie: „Schießt doch, schießt doch!“ Der Vorfall wird heute noch auch in der Fachliteratur zur SV zitiert, um zu dokumentieren, zu welcher Verzweiflung die Anordnung der SV führt.
Spannend auch die zwei unmittelbaren Zellennachbarn. Zu linker Hand M., ehemaliges Mitglied eines Rockerclubs, der als einer der Wenigen in Baden-Württemberg zur nachträglichen SV verurteilt wurde. Vor über 15 Jahren hatte er versucht seinen Arbeitgeber und dessen Partnerin zu töten. Wie er erzählt, habe er mit dem „Leben draußen“ abgeschlossen; und so sitzt er in seiner wirklich kärglich eingerichteten Zelle, kein Bild an den Wänden, vor seinem Fernseher und einem kleinen Radio. Tag um Tag.
Zu rechter Hand, auch ideologisch gesehen, hat Jakob seinen Haftraum, ein sich offensiv als „deutscher Nationalist“ gebender Langzeitverwahrter, der in Kürze die ersten 10 Jahre SV erreichen wird. Von der Justiz fühlt er sich zutiefst benachteiligt und schikaniert, da man ihm zahlreiche CDs und MCs mit „Rechtsrock“ und „nationaler Musik“ aus dem Haftraum weggenommen habe.

Das Personal

Angestellte PsychologInnen und SozialarbeiterInnen sind hier ebenso tätig wie Ergotherapeuten. Zu sehen bekommt man sie jedoch in der Regel nur, wenn man sich aktiv an Therapien beteiligt. Die für die „Station 2“ zuständige Diplomsozialarbeiterin B. ist werktags meist kurz mal auf der Station zu sehen und jeden Mittwoch etwas länger, um im Gruppenraum über Belange des Stationsalltages zu sprechen (wie z.B. die Beschaffung notwendiger Utensilien für die Gemeinschaftsküche). Ein wöchentliches Treffen, welches auf Initiative der Verwahrten eingerichtet wurde, denn da sich die Betroffenen hier der Kooperation mit TherapeutInnen weitestgehend entziehen, ist das willkommener Anlass für die Anstalt, den Betreuungsschlüssel abzusenken.
Das Dienstzimmer, wo eigentlich stets ein Beamter des uniformierten Dienstes sitzen sollte, ist regelmäßig über lange Phasen unbesetzt.
Juristischer Leiter ist der Oberregierungsrat R., in früheren Jahren Abteilungsleiter in der JVA Bruchsal.

Erster Ausblick

In Dantes „Göttliche Komödie“ stand über dem Eingang zur Hölle geschrieben: „Lasst, die ihr hier eintretet, alle Hoffnung fahren“, ein Leitsatz, der auch hier über das Eingangstor gemeißelt werden könnte, denn die Hoffnungslosigkeit, Wut und Hilflosigkeit vieler der Bewohner hier fällt einen geradezu an. Nur Wenige verfügen über soziale Kontakte in die Freiheit oder zur Familie. Die Meisten sitzen schon seit vielen Jahren, wenn nicht gar seit Jahrzehnten hinter Gefängnismauern und erleben, dass sich in ihrem Leben nichts wirklich vorwärts bewegt. Hinzu kommt erhebliches Misstrauen gegenüber dem Personal, wie auch Mitverwahrten gegenüber. Die pure Ereignislosigkeit auf der Station hat einen lähmenden Effekt auf Körper und Geist. Und auch gestorben wird hier, ich bewohne Zelle 135, dort starb vor wenigen Monaten ein Sicherungsverwahrter.
Weder die gegenwärtige Situation, die im Ländervergleich schäbig zu nennen ist, so gibt es im niedersächsischen Rosdorf für jeden Verwahrten eine eigene Dusche und Kochzeile in der Zelle, dazu Telefon und Computer, man darf Bargeld besitzen, jederzeit in einen Hof oder auch einen Sportraum mit Kraftsportgerätschaften, mehrmals pro Woche kann man einkaufen, alles Gegebenheiten, die man uns in Freiburg verwehrt, noch der Ausblick sind allzu erbaulich. Aber es liegt auch an jedem Einzelnen, was er aus einer Situation macht.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abteilung), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
http://www.freedom-for-thomas.de
https://freedomforthomas.wordpress.com

Meyer-Falk in SV „angekommen“

Nachdem ich nun seit 1998 in der JVA Bruchsal einsaß, wurde ich am 08. Juli 2013 in die JVA Freiburg verlegt, um dort die Sicherungsverwahrung zu verbüßen.

Ob es schwarzer Humor des Anstaltsleiters der JVA Freiburg, Thomas Rösch ist, dass der Aufmacher der Internetseite (http://www.jva-freiburg.de/) ein Zitat von Leo Tolstoi („Um einen Staat zu beurteilen, muss man seine Gefängnisse von innen sehen“) ist, nur um dann wenige Absätze weiter auch noch Immanuel Kant („Was kann ich wissen? Was kann ich tun? Was darf ich hoffen?“) zu bemühen, wer kann das schon wissen!? Jedenfalls war es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der am 13.01.2011 (http://www.coe.int/t/d/menschenrechtsgerichtshof/) feststellte, dass auch die Haftbedingungen in der SV-Abteilung der JVA Freiburg inakzeptabel seien (Aktenzeichen: 27360/04 und 42225/07).
Der profunde Kenner der Verhältnisse in der Haftanstalt, der ehemalige Sozialarbeiter der JVA, Peter Asprion und heute als Bewährungshelfer tätig, kam am 18. März 2013 in einer ARD-Dokumentation unter dem Titel „Knast auf ewig?“ zu Wort. Dort stellte er nüchtern fest, dass alle Urteile aus Strasbourg und Karlsruhe (dort brandmarkte am 04. Mai 2011 das Bundesverfassungsgericht die Haftbedingungen in der Sicherungsverwahrung), wie auch die nun neu beschlossenen Gesetze nichts substantielles ändern werden.

Ob dem so ist oder nicht, darüber werde ich dann künftig aus der JVA Freiburg berichten können.

Wunsch nach Unterstützung

Auf diesem Weg möchte ich heute auch um etwas finanzielle Unterstützung bitten. In der SV dürfen sich die Verwahrten auf Wunsch selbst ernähren; dafür zahlt die Anstalt dann täglich einen Betrag von circa 2,40 Euro aus. Ein aus Sicht der Verwahrten eher bescheidener Betrag (um das Wort schäbig zu vermeiden), wobei pikant ist, dass dieser Betrag unter einer GRÜN/Roten-Landesregierung festgesetzt wurde, während in Niedersachsen, noch zu Zeiten der CDU-Regierung, man den Verwahrten einen dreimal so hohen Betrag im Gesetz zugestand (vgl. Niedersächsischer Landtag, Drucksache 16/4873, dort Seite 71, wonach der tägliche Betrag für die Verpflegung 7,20 Euro sei).

Hier wäre ich also wirklich sehr erfreut und dankbar, wenn sich Menschen bereit erklären, z.B. per Dauerauftrag (z.B. 5 Euro oder 10 Euro im Monat) etwas zu überweisen. Das Konto der Haftanstalt lautet wie folgt:

Empfänger: Zentrale Zahlstelle Justizvollzug
Konto: 4552107
BLZ: 600 501 01 (BW-Bank)
IBAN: DE25600501010004552107
BIC-/SWIFT-Code: SOLADEST600
Verwendungszweck: „Meyer-Falk, Thomas, 15.5.1971, SG1-AK10“
(der Verwendungszweck ist wichtig, da der Knast sonst Gelder nicht zuordnen kann, wie auch der Zusatz „AK10“, da das die Kennung der Freiburger JVA ist.)

Meine neue Postanschrift lautet zudem ab sofort:

Thomas Meyer-Falk
c/o JVA (Sicherungsverwahrung)
Hermann-Herder-Str. 8
D-79104 Freiburg

Ich danke allen LeserInnen und UnterstützerInnen für die Begleitung über nun schon so viele Jahre und wünsche mir sehr, auch künftig auf offene Ohren und Herzen für die Belange gefangener Menschen zu stoßen!

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (Sicherungsverw.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www.freedom-for-thomas.de

18 Jahre Isohaft beendet

Seit nunmehr 18 Jahren saß Peter Wegener in Isolationshaft. Jetzt wurde sie aufgehoben.

Zur Vorgeschichte

Es war im Frühsommer 1995, als Peter und Günter Finneisen in der JVA Celle (http://www.jva-celle.de/) sich entschlossen angesichts der ungewissen Aussichten, einen Beamten als Geisel zu nehmen. So erkämpften sie sich ein Fluchtauto, Geld und zumindest für einige Stunden ihre Freiheit. Jedoch wurden beide kurze Zeit später von Spezialeinsatzkräften festgenommen und wieder inhaftiert.

Isolation ohne Ende

Nach diversen Verlegungen von Gefängnis zu Gefängnis, stets mit maximalen Isolationsbedingungen, landete Peter vor Jahren in der niedersächsischen JVA Sehnde (http://www.justizvollzugsanstalt-sehnde.niedersachsen.de/), im Volksmund auch „Alcatraz des Nordens“ genannt, aufgrund der extremen Sicherheitsstandards.

Peter saß all die Jahre in Isolationstrakten, durfte anfangs die Zelle nur gefesselt verlassen; erst nach vielen Jahren wurde diese Maßnahme dahingehend „abgemildert“, dass er „nur“ bei Verlassen des Isotraktes gefesselt wurde. Die Zellenausstattung spartanisch zu nennen, wäre noch geschmeichelt.

Dazu das entwürdigende Prozedere sich vor Verlassen der Zelle nackt ausziehen zu müssen, um andere Kleidung anzuziehen; wie dann auch vor Rückkehr in die Zelle: das Ganze nochmal. Wenn er also mal in den Hof wollte für seine Stunde Spaziergang im Käfig oder er Besuch bekam, hieß das stets: mehrfach nackt ausziehen.

Erst 2012 beendete dieses unwürdige Theater des Nackt-Ausziehens die zuständige Strafvollstreckungskammer. Außerdem erstritt sich Peter das Recht zumindest in seiner Zelle ein privates T-Shirt tragen zu dürfen, anstatt Gefängniskleidung.

Über all die Jahre versuchte er sich trotz der HIV-Infektion körperlich fit zu halten und Kontakt in die Freiheit, aber auch brieflich zu anderen Gefangenen zu halten, was zumindest ein wenig die Isolationshaft erträglicher machte.

Ein harter Schlag für ihn war der Tod seiner Frau vor einigen Jahren.

Ende der Isolation

Nachdem Peter Anfang 2012 seine Strafen abgesessen hatte und nunmehr in Sicherungsverwahrung gelangte, nahm der Druck auf die Justizverwaltung, die langdauernde Isolationshaft auf absehbare Zeit zu beenden, zu. Schon vor wenigen Jahren, Anfang 2011, hatte die taz (http://www.taz.de/!66422/) die damals 15 Jahre dauernde Isolation seines Kompagnons Günter Finneisen zum Anlass für einen großen Artikel genommen, in dessen Folge die niedersächsische Justiz bei Günter die Isolation aufhob und ihn in den Normalvollzug verlegen musste.

Bei Peter sollte es noch bis zum 20. Juni 2013 dauern. An diesem Tag wurde er von der JVA Sehnde in die JVA Rosdorf (http://www.justizvollzugsanstalt-rosdorf.niedersachsen.de/) verlegt, da dort zentral die niedersächsischen Sicherungsverwahrten untergebracht sind. Zwar brachte man ihn in einem „besonders gesicherten Bereich“ unter, jedoch hat er nun endlich uneingeschränkt Kontakt zu Mitverwahrten, einen TV mit Computer in der Zelle, dazu ein Telefon. Er darf Bargeld besitzen und im von REWE betriebenen Gefängnissupermarkt einkaufen.

Im ersten Augenblick fühlte er sich, als wäre er „im Hotel Waldorf Astoria“ angekommen, denn nach 18 Jahren kärglichstem Leben in Isolationstrakten, erschien es ihm fast wie in einem Märchen, wie er berichtet, war es ein „Kulturschock“ für ihn.

Schon 2010, in Folge des oben erwähnten taz-Artikels, hatte die renommierte Kriminologin Prof. Frommel die langdauernde Isolation schlicht als Folter bezeichnet.

Ausblick für Peter

Ob Peter mittelfristig dann aus der Haft entlassen wird, bleibt abzuwarten, zumindest sind nun die Aussichten für ihn jetzt wesentlich besser als noch vor wenigen Wochen.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA Bruchsal
(ab dem 08. Juli 2013: c/o JVA (SV-Abtl.), Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg)
http://www.freedom-for-thomas.de
https://freedomforthomas.wordpress.com

Wer sich über die Biografie von Peter Wegener näher informieren möchte, unter seinem früheren Namen Strüdinger gibt es auf wikipedia einen Eintrag:
http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Strüdinger