Carmen F. aus SV entlassen

Die heute 47 jährige Carmen saß seit rund 14 Jahren in Haft; davon die letzten vier in (nachträglicher) Sicherungsverwahrung. Diese Woche kam sie frei.

Was ist SV

Vor genau 80 Jahren, mit Gesetz vom 24.11.1933, führten die Nazis den SV-Paragrafen ein. Seitdem kann der Staat Menschen auch dann weiterhin im Gefängnis festhalten, wenn die Strafe längst abgesessen ist. In Freiburg sitzt „Lilo“ seit 15 Jahren in SV, sein Kollege J. seit über 10 – um nur zwei Beispiele zu nennen. An Frauen wird SV nur selten vollstreckt; aktuell sitzen noch zwei in Frankfurt/a.M. im Gefängnis.

Der Fall Carmen F.

An ihrem Fall lässt sich gut erkennen, wie wichtig gute anwaltliche Vertretung sein kann. 2009 hätte sie ihre Strafen verbüßt gehabt, aber schon 2008 ordnete ein Gericht nachträglich die SV an. – Etwas das gegen die Menschenrechte verstößt, wie 2009 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied.
Ihr Fall kam bislang nicht vor dieses Gericht, denn ihr damaliger Pflichtverteidiger riet von einer Klage ab, da sowas aussichtslos sei. Im SPIEGEL ließ er sich sogar, wie Carmen mir berichtete, ohne ihre Zustimmung einzuholen, dahingehend zitieren, seine Mandantin wolle nicht raus, habe sich „auf ein Leben hinter Gittern eingerichtet“.

Nach einem empfohlenen Anwaltswechsel dauerte es rund ein Jahr, bis nun Carmen F. auf erfolgreiche Intervention des auf SV spezialisierten Münchner Verteidigers Dr. Ahmed (http://www.kanzlei-ahmed.de) hin frei kam.

Die SV im Fall Carmen F.

Verurteilt wegen Brandstiftung an Firmengebäuden und Raubes, kam Carmen in die baden-württembergische JVA Schwäbisch-Gmünd. Dort fügte sie sich weder dem Personal, noch Mitgefangenen. Die Südwest Presse schrieb zugespitzt „Furie in Einzelhaft“ (http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Sicherungsverwahrung-Furie-in-Einzelhaft;art4306,2255546), denn Carmen soll andere gebissen und gekratzt haben.
Das unangepasste Verhalten in Verbindung mit einer unengagierten anwaltlichen Vertretung reichte aus, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung der nachträglichen SV Erfolg hatte.

Die Isolationshaft

Erst in einer üblichen engen Knastzelle, seit Sommer 2013 in einer extra für sie erbauten 20m²-Zelle (mit Dusche, Herd und zwei Fenster), die das Land sich über 100.000 Euro kosten ließ, fristete sie seit Jahren alleine ihr Leben. Als 2010 das Anti-Folter-Komitee des Europarates die JVA Schwäbisch-Gmünd besuchte, gab die Anstaltsleitung an, dass Carmen als „besondere Vergünstigung“ trotz Isolationshaft Papier und Stifte erhalte, um malen zu können.
Glücklicherweise verfügt Carmen über eine stabile Psyche; in unserem Schriftwechsel wirkte sie stets voll orientiert, humorvoll und kritikfähig.
Etwas was ihr psychiatrische Gutachter rundweg absprachen; einige vom Gericht in den letzten Jahren beauftragte „Sachverständige“ plädierten dafür, sie in die Psychiatrie zu stecken und ihren Widerstand gegen jegliche Psychotherapie zu brechen, nämlich durch zwangsweise Vergabe von Psychopharmaka. Ausschließlich „zum Wohle von Frau F.“.
Dieser Plan scheiterte, weil das Bundesverfassungsgericht peu a peu die Landesregelungen in Deutschland zur Zwangsmedikation für verfassungswidrig erklärte (http://www.freedom-for-thomas.de/thomas/texte/inpol/dGLGS9MLuP.shtml) Aber das OLG Stuttgart stellte noch vor Monaten in den Raum, dass sobald neue Gesetze die Zwangsvergabe erlaubten, Carmen F. damit rechnen müsse, verlegt zu werden – vom Knast in die Psychiatrie.

Die Entlassung

Ende November 2013, es war frostig kalt, traf die Entscheidung in Schwäbisch-Gmünd ein. Keine Psychiatrie, keine weitere Isolationshaft, erst recht keine Folter durch Zwangsmedikation – sondern sofortige Freilassung. Von jetzt auf gleich, ohne irgendeine Vorbereitung, setzte man Carmen F. auf die Straße.
Allerdings mit umfangreichen Auflagen: elektronische Fußfessel, nachts muss sie zuhause (sie wohnt bei einem Verwandten) bleiben, Feuerzeug oder Streichhölzer darf sie nicht bei sich führen.
Land- wie Oberlandesgericht kamen – endlich – zu der Einsicht, dass von Carmen F. gerade keine hochgradige Gefahr zur Begehung schwerster Gewalttaten ausgehe.
Es darf vermutet werden: ohne den kompetenten und engagierten Beistand ihres neuen Anwaltes dürfte sie sich nun nicht in Freiheit neu orientieren, sondern säße, vollgepumpt mit Psychopharmaka, in der Psychiatrie. Denn das Land Baden-Württemberg hat, unter Führung der GRÜNEN, zwischenzeitlich eilig die Zwangsvergabe von Psychopharmaka gesetzlich neu geregelt.
Fast auf den Tag genau 80 Jahre nach Verabschiedung des SV-Gesetzes durch die Nationalsozialisten, wurde Carmen F. aus der SV in die Freiheit entlassen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtl.)
Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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Anti-Folterkomitee besucht Knast

Am 26.11.2013 und 27.11.2013 besuchte eine Abordnung des Anti-Folterkomitees des Europarates die JVA Freiburg.

 

Was ist das Anti-Folterkomitee?

 

Das Committee for the Prevention of Torture (CPT; vgl. http://www.cpt.coe.int) ist eine Einrichtung des Europarates, dem nicht nur die Staaten der EU angehören, sondern auch viele der osteuropäischen Länder, wie Russland, die Ukraine und weitere Staaten. Diese CPT soll durch Besuche in Gefängnissen, Polizeistationen und anderen der Freiheitsentziehung dienenden Einrichtungen prüfen, ob dort Inhaftierte gefoltert, oder unmenschlich oder erniedrigend behandelt werden.

 

Wer ist Mitglied des CPT?

 

Die Mitglieder des CPT, die am 26.11. und 27.11.2013 die JVA Freiburg besuchten, sind Frauen und Männer aus verschiedenen Staaten des Europarates, u.a. kamen sie aus Norwegen, darunter Rechtsanwälte und Ärzte.

 

Der Besuch in der JVA Freiburg

 

Mit wohl ein Grund für den Besuch in der JVA Freiburg dürften die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte seit 2009 zu den Haftbedingungen im Bereich der Sicherungsverwahrung gewesen sein. Die Mitglieder des CPT versuchten sich einen Einblick in das Leben der Freiburger Sicherungsverwahrten zu verschaffen.

 

Sie besuchten die Verwahrten in ihren Hafträumen und führten mit vielen von ihnen Einzelgespräche, aber auch Gruppengespräche. So wurde auf der „Station 2“ (zum Charakter dieser SV-Station vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/91068) im Gruppenraum mit mehreren Verwahrten ein gemeinsames Gespräch geführt. Anwesend waren ein Psychiater aus Norwegen und dessen Übersetzerin, sowie mehrere Verwahrte.

 

Diese schilderten die absolute Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit ihres Haftalltages.

 

Sehr interessiert hörte der Arzt sich auch die Schilderungen über zwei Mitverwahrte, Herrn K. und Herrn F. an, die aus Verwahrtensicht vollständig sich selbst überlassen werden, in ihren Zellen verwahrlosen und so verzweifelt sind, dass sie stundenlange Selbstgespräche führen. Auch Herrn H.s Bericht, wonach er vor einiger Zeit für rund vier Monate in Isolationshaft gelandet sei, weil er nach dem Tod eines Mitverwahrten Anstaltsmitarbeiter beschuldigt habe, durch die Vollziehung der SV faktisch eine Todesstrafe auf Raten zu vollstrecken, wurde mit Besorgnis zur Kenntnis genommen.

 

Informiert wurde das CPT auch über die unzureichende personelle Ausstattung und das Fehlen jeglicher „Außenorientierung“, so dass ein Großteil der Verwahrten faktisch auf den eigenen Tod hinter Gittern warte.

 

Wer wollte, hatte zuvor oder danach die Möglichkeit, auch alleine mit den VertreterInnen des CPT zu sprechen.

 

Wie geht es nun weiter?

 

Die Wirkmacht des CPT darf nicht überschätzt werden, primär ist es ein politisches Instrument ohne echte Befugnisse. Das CPT wirkt mehr durch seine Worte und Berichte. D.h., das CPT wird einen Besuchsbericht abgeben. Danach bekommt die Bundesregierung in Berlin Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Hierzu wird die Regierung eine Stellungnahme des Landes Baden-Württemberg einholen. Im Verlaufe des Jahres 2015, also in über einem Jahr, kann man dann den Besuchsbericht und die Erwiderung Deutschlands nachlesen. Möglicherweise wird sich in einigen angesprochenen Punkten ein klein wenig etwas verändern, ein großer Schnitt ist freilich nicht zu erwarten. Jedoch dürfte sich die Freiburger Anstalt einige für das Personal unangenehme Fragen gefallen lassen. Und es gibt wenig, was Knastbeamte mehr scheuen, als das Licht der Öffentlichkeit. Nur so lange sie selbst die Meinungshoheit haben und Besuchergruppen oder Journalisten zügig durchs Haus schleusen können, allenfalls mit Vorzeigeverwahrten sprechen lassen, fühlen sie sich sicher.

 

An diesen zwei Tagen mussten sie darauf verzichten, potemkinsche Fassaden zu präsentieren, denn die Mitglieder des CPT achteten darauf, mit den Betroffenen alleine, d.h. ohne Bewachung durch das Personal zu sprechen.

 

Allerdings brachte es schon am 26.11.2013 ein Beamter des uniformierten Dienstes die wohl bei nicht wenigen Beamten verbreitete Auffassung auf den Punkt: “Was soll denn dieser Scheiß!?“, hier werde ein unglaublicher „Aufwand“ für die Sicherungsverwahrten betrieben, dass sei doch „ein Scheiß“.

 

So kann man den Besuch einer internationalen Kommission auch „würdigen“; aber der Beamte brachte ganz gut auf den Punkt, wie er und seine KollegInnen zu den Verwahrten stehen.

 

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

 

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Isolations-Haft in Bayern

In den letzten Wochen machte der Fall des Raimund M. Schlagzeilen, da er seit 2012 in bayrischen Gefängnissen in strenger Isolationshaft gehalten wurde.

 

Was ist Isolationshaft?

 

Hier sitzt man nicht nur in einer Einzelzelle, etwas, das viele Inhaftierte schätzen, da sie nicht auf 7 m² mit offener Klo-Schüssel im Zelleneck mit einem Mitgefangenen eingepfercht werden, sondern sie verbringen Tag und Nacht alleine. Einziger Kontakt besteht zu Wärtern, die das Essen bringen oder einen in den Hof eskortieren, um dort die einem zustehende Hofrunde (alleine) zu verbringen. Man ist also ganz auf sich alleine zurück geworfen, ohne menschliche Ansprache. Dazu kommt, dass im Rahmen der dann meist umfangreichen Sonderhaftbedingungen die Zellen besonders kärglich ausgestaltet sind. Der Besitz eigener Sachen ist vollständig oder zumindest weitestgehend verboten: Bspw. Nur ein, zwei Bücher, kein Fernseher, kein Radio (es sei denn, in der Zellenwand ist ein Zellenradio eingelassen, so wie z.b. im Isotrakt der JVA Straubing).

 

Selbst nach der eher restriktiven Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kann eine länger dauernde Isolationshaft Folter darstellen, und damit Artikel 3 der Menschenrechtskonvention verletzen.

 

Der Fall Raimund M.

 

Herr M. und dessen Bruder Rudi R. werden beschuldigt, im Oktober 2011 in Augsburg einen Polizisten erschossen zu haben. Nach der Festnahme Ende 2011 gerieten Rudi R. und Raimund M. in den Verdacht, im Wege einer Geiselnahme fliehen zu wollen, denn ein Insasse behauptete, von solchen Plänen erfahren zu haben.

 

Darauf hin wurden die schon bestehenden scharfen Haftbedingungen weiter verschärft und strengste Isolationshaft angeordnet.

 

Für Herrn M. besonders belastend, da er schwer an Parkinson erkrankt ist.

 

Die Haftbedingungen für ihn waren zu brutal, dass er mittlerweile als verhandlungsunfähig beurteilt und das Verfahren vorläufig eingestellt wurde. Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 14.11.2013 („Krank durch Einzelhaft“), Raimund M. habe „optische und akustische Halluzinationen“, er durchleide eine „schwergradige depressive Episode mit psychotischen Phänomenen“. M. leide an permanenter Ermüdung und massiven Schlafstörungen.

 

Alles Symptome, die seit spätestens den 70’er Jahren als Folgen von Isolationshaft bekannt sind. Im Falle von Raimund M. wurden sie vom Sachverständigen Ralph-Michael Schulte dem Gericht vorgetragen. Der Sachverständige bemängelte, dass der schon im September vorgelegte „10-Punkte-Plan“ zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage des Angeklagten nur teilweise umgesetzt worden sei.

 

Symptomatisch für die Renitenz der Justizverwaltung: Anstatt der ärztlich vorgeschlagenen kognitiven Therapie wurde dem an Demenz, Depressionen und Parkinson leidenden Angeklagten von der Haftanstalt ein Buch „Gehirn-Jogging“ übergeben. Die erforderliche Ergänzung der Ernährung durch eine angepasste Gefängniskost, insbesondere was Proteine anbelangt, besteht laut Süddeutscher Zeitung vom 16.11.2013 in einem zusätzlichen Apfel und einem halben Liter Milch pro Tag; was nach fachlicher Ansicht des Neurologen Schulte nicht ausreichend sei.

 

Deshalb wurde am 19.11.2013 das Verfahren gegen Raimund M. abgetrennt und vorläufig eingestellt. Jedoch kam er nicht auf freien Fuß, da man nun in der JVA Stadelheim (München) mit therapeutischen Maßnahmen versuchen will, Herrn M. wieder soweit zu stabilisieren, dass er verhandlungsfähig wird.

 

Selbst der anwaltliche Vertreter der Witwe des toten Polizisten hält den Vorgang und die Isolationshaft für einen „Skandal“, wenn auch aus anderen Gründen als die Verteidigung des Angeklagten.

 

Weitere Fälle

 

Aktuell sitzt in Straubing im Isolationstrakt Herr D.; ihn lernte ich vor einiger Zeit in der JVA Bruchsal persönlich kennen. Ihm wird zur Last gelegt, zu den führenden Köpfen der „russischen Subkultur“ in den Gefängnissen zu gehören und wird alle paar Monate von JVA zu JVA verlegt. Erst nach Kempten, nun nach Straubing. Er verbringt nun Tag und Nacht alleine im Sicherheitstrakt der JVA Straubing.

 

In der bayrischen JVA gibt es mehrere solcher Trakte, extra einmal erbaut für RAF-Gefangene. Bestehend aus zwei Zellen, dazwischen eine Dusch-Zelle und jeweils zwei Räume für die persönlichen Dinge der Iso-Gefangenen. Neben der Zellentüre gibt es noch eine Schallschutztüre, die verhindern soll, sollten zwei Gefangene den Trakt belegen, sie sich durch Rufen durch den Spalt an der Zellentüre zu verständigen. Hermetische Isolierung. Ein Holzbrett an der Wand als Tischersatz und zwei Bretter als Sitzgelegenheit, dazu ein an die Wand festgeschraubtes Bett. Als Regal für die wenigen Habseligkeiten dienen in die Wand geschlagene Ablageflächen.

 

Ich hatte 1998 selbst das zweifelhafte Vergnügen, diesen Trakt persönlich kennen zu lernen.

 

Wie Herr D. berichtet, werden ihm eigentlich ärztlich erforderliche und in den vorherigen Anstalten auch gewährte Maßnahmen verweigert, eben weil er in Isolation sitze und man dort „sowas“ nicht umsetzen könne.

 

D. beruft sich auf eine Entscheidung des LG Gießen von 2007, als man ihm bescheinigte, es gebe gerade keine Anhaltspunkte dafür, dass er in die „Subkultur“ verwickelt sei. Nur neigen Haftanstalten nicht dazu, gerichtliche Feststellungen, zumal wenn sie günstig sind für Gefangene, zu beachten. Außerdem gibt es – leider – immer genügend „Zuträger“, alias Spitzel unter der Insassenschaft, die jederzeit bereit sind, alles und jedes zu behaupten, in der Hoffnung, dadurch Privilegien zu erhalten.

 

Aber Isohaft ist kein original bayrisches Phänomen; auch in anderen Bundesländern sitzen Menschen in Isolation; so im baden-württembergischen Schwäbisch-Gmünd. In der dortigen Frauen-Haftanstalt sitzt seit mehreren Jahren Carmen F. in Einzelhaft (http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Sicherungsverwahrung-Furie-in-Einzelhaft;art4306,2255546).

 

Jedoch kann sie nun mit Entlassung, nicht nur aus der Isolation, sondern sogar aus der Haft rechnen. Denn sie sitzt seit 2009 in Sicherungsverwahrung, und zwar wurde diese nachträglich angeordnet. Etwas, das eigentlich nach der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unzulässig ist. Nach einem Anwaltswechsel, mittlerweile vertritt sie der renommierte Münchner Anwalt Ahmed (www.kanzlei-ahmed.de), u.a. spezialisiert auf das Recht der Sicherungsverwahrung, ordnete das Landgericht Ellwangen ihre Freilassung an. Die die Staatsanwaltschaft jedoch in Beschwerde ging, liegt die Sache nun beim Oberlandesgericht Stuttgart zur weiteren Prüfung.

 

Über den rund 18 Jahre in Isohaft gehaltenen Peter W. (http://de.indymedia.org/2013/06/346415.shtml) hatte ich mehrfach berichtet; zwischenzeitlich befindet er sich seit einigen Monaten nicht mehr in strenger Isolierung, sondern im Sicherheitstrakt der JVA Rosdorf, wo er Sicherungsverwahrung verbüßt und zumindest die Gelegenheit hat, andere Sicherungsverwahrte zu sprechen.

 

Auch in Freiburg, wo ich zur Zeit einsitze, gibt es immer Gefangene und Verwahrte, die in Einzelhaft gehalten werden. Für den Isolationstrakt im 3. Flügel fand man den treffenden Spitznamen „Gaza-Streifen“. Es gibt einen etwas „gelockerten“ Bereich, dieser ist am Eingang des Flügels, und den hochgesicherten Trakt, hinter einer Panzerglasscheibe. Dort wird dann besonders streng, teilweise über Jahre die Isolationshaft vollstreckt. Selbst die wenigen Meter zur Knastdusche legt man dort gefesselt zurück.

 

Ausblick und Bewertung

 

Offizielle Stellen weisen stets und ausnahmslos jegliche Kritik zurück, so auch im Falle von Raimund M. Die Justizverwaltung habe stets alles richtig gemacht.

 

Selbstkritik ist diesen Personen wesensfremd. Es gab immer Isolationshaft und es wird sie, trotz aller Kritik aus der Fachwelt und auch politischer Kritik daran, immer geben. Ist sie doch ein recht praktisches Machtinstrument; wie ein Damoklesschwert hängt das Wissen um die Isotrakte über den Köpfen der Inhaftierten. Sie können sich nie sicher sein, nicht doch vielleicht dort eines Tages auf Jahre in einem der Trakte zu verschwinden. Genügend „Gründe“ wird die jeweilige Anstalt immer finden, denn dort sind kreative Köpfe tätig.

 

So haben diese Trakte also eine disziplinierende Funktion im Haftalltag. Menschen über viele Jahre, im Fall von Peter W. sogar 18 Jahre zu isolieren, spricht für sich, für die Einstellung des Personals gegenüber den Gefangenen und auch der Gesellschaft gegenüber diesen Menschen. Denn breite Proteste, wie noch in den 70’er oder 80’er Jahren gibt es heute nicht mehr.

 

Selbst schuld“ heißt es heute; „er/sie wird es schon verdient haben“. Außerdem sind es doch „eh alles VerbrecherInnen“.

 

Das ist die vorherrschende Einstellung, die es den Knastleitungen dann noch leichter macht, Menschen über Jahre zu isolieren, denn sie können sich sicher und geborgen fühlen vor gesellschaftlicher Kritik.

 

Links zum Fall von Raimund M.:

 

http://www.sueddeutsche.de/bayern/augsburger-polizistenmord-angeklagter-kommt-in-neurologische-klinik-1.1824421

 

http://www.sueddeutsche.de/bayern/augsburger-polizistenmord-parkinson-verhindert-urteil-1.1822544

 

http://www.sueddeutsche.de/bayern/augsburger-polizistenmord-zu-krank-fuer-den-prozess-1.1819963

 

http://www.sueddeutsche.de/bayern/augsburger-polizistenmord-krank-durch-einzelhaft-1.1818013

 

http://www.sueddeutsche.de/bayern/augsburger-polizistenmord-sprachstoerungen-und-depression-1.1783594

 

 

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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Freiburgs Knast vor Gericht

Sicherlich ist es nicht widerspruchsfrei, als Anarchist die Gerichte eines Staates zu bemühen, um so gegen Maßnahmen einer Knastleitung vorzugehen. Trotzdem greife ich seit dem 08. Juli 2013 zu diesem Mittel und möchte einige der zurzeit knapp 30 Gerichtsverfahren vorstellen.

Kurze Einführung in „Strafvollzugsrecht“

 

Im Gegensatz zu anderen Staaten ist – zumindest in der Theorie – der Rechtsschutz in Deutschland für Gefangene recht ausgefeilt. Sie können alle Maßnahmen der Vollzugsanstalten (für die forensischen Psychiatrien gilt das gleichermaßen) vor den bei den Landgerichten gebildeten Strafvollstreckungskammern anfechten. Bescheidet das Gericht den Antrag abschlägig, kann Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt werden; wobei dort nur eine Prüfung auf Rechtsfehler stattfindet (vergleichbar mit der Revision in Strafsachen). Anschließend kann mensch auch das Bundesverfassungsgericht anrufen. Die Erfolgsquoten allerdings, und hier kommen wir zur Praxis, der klagenden Gefangenen, Sicherungsverwahrten und InsassInnen der Psychiatrien sind denkbar gering, was sicherlich nicht daran liegt, dass ihre Klagen unberechtigt wären. Allerdings gelten bei Gerichten die Strafvollstreckungskammern oftmals als „Abschiebebahnhof“ für sonst nicht einsetzbare RichterInnen oder als Durchgangsstation für BerufsanfängerInnen. Zudem sind die dort tätigen RichterInnen meist noch in „normalen“ Strafkammern tätig. Beispielsweise ist Richterin M. vom LG Freiburg nur mit einem Stellenanteil von 0,25 ihrer Arbeitskraft in der StVK tätig und ansonsten in einer Strafkammer, die Strafprozesse verhandelt. Das führt dann dazu, dass Gefangene, die sich vor Gericht wehren, Monate oder Jahre auf Antwort warten (müssen) und deshalb oft vorher aufgeben. Kürzlich obsiegte der Mitverwahrte K. in einem Verfahren, welches er 2010 anstrengte: die JVA Freiburg hatte ihm seinerzeit aus seiner Sicht unberechtigt Taschengeld verweigert. Fast auf den Tag genau drei Jahre, nachdem er deswegen an das Gericht schrieb, kam der Beschluss, mit welchem das Taschengeld-Verbot für rechtswidrig erklärt wurde.

Daneben bieten die einschlägigen Gesetze (Bundes-Strafvollzugsgesetz, die entsprechenden Ländergesetze, wie auch die Gesetze zur Sicherungsverwahrung) den Anstalten so viele Spielräume, denn in der Regel sind nur die Pflichten der InsassInnen verbindlich ausgestaltet, deren Rechte jedoch weitestgehend in das Ermessen der Bediensteten gestellt, dass schon hieran viele der Anträge vor Gericht scheitern (müssen). Im Zweifelsfall wird die Kammer des Gerichts zu Gunsten der Haftanstalt oder psychiatrischen Anstalt entscheiden.

In der Literatur wird von einer „Erfolgsquote“ der Gefangenen vor Gericht von unter 10% ausgegangen.

Einzelfälle am Beispiel der JVA Freiburg (Sicherungsverwahrung)

a.) Hofgang

Das (baden-württembergische) Justizvollzugsgesetzbuch-5, welches den Vollzug der Sicherungsverwahrung regelt, schreibt vor, dass die Verwahrten sich tagsüber frei bewegen dürfen innerhalb der SV-Anstalt, inklusive des Hofes. Einzige Ausnahmen: wenn es die Sicherheit erfordert, oder schädlicher Einfluss auf andere Verwahrte zu besorgen ist, kann dieses Recht beschränkt werden. In der Praxis der JVA wird aus der Ausnahme die Regel. Wochenends kann man nur 3 ½ Stunden in den Hof (und das auch nur zu speziell festgesetzten Zeiten) und werktags weniger als 6 Stunden; wobei man in den Abendstunden gar nicht raus gelassen wird, in den Hochsicherheits-Hof.

Wer möchte, kann die Argumentation der Anstalt im Original nachlesen (PDF-Datei auf im Anhang).

In anderen SV-Anstalten Deutschlands ist die freie Bewegungsmöglichkeit überhaupt kein Problem; hier in Freiburg wehrt sich die Anstalt mit Verve dagegen. Sie behauptet, bei freier Bewegung innerhalb der JVA und des Hofes könnten andere Verwahrte „drangsaliert“ oder geschädigt werden. Und in den Abendstunden sei gar eine Flucht möglich, da man nicht mehr zweifelsfrei erkennen könne, wer zu fliehen versuche. Hier mag es interessant sein, die Originalverfügung von Oberregierungsrat R. selbst nachzulesen (in o.g. PDF-Datei, dort S. 18), der noch erwähnenswert findet, dass „in der Nacht alle Katzen grau“ wären.

Aus Verwahrtensicht ist besonders ärgerlich, dass die Anstalt mit der Wahrheit zumindest kreativ umgeht, das Wort „Lüge“ will ich mal vermeiden. Denn zum einen ist in der Nacht (und die beginnt hier schon um 18 Uhr) der Hof taghell erleuchtet von zig Scheinwerfern; das ist in jeder JVA üblich. Zum anderen sind es gerade die SV-Stationen in einer Haftanstalt, wo im Vergleich zu anderen Haftarten am wenigsten passiert.

In den Schriftsätzen der JVA ist im Übrigen die Kameraüberwachung prominent erwähnt: das gesamte Gelände, mit Ausnahme der Zellen, ist vollständig kameraüberwacht, keinen Millimeter lässt man unbeobachtet. Vor Einbau dieses Orwell’schen Überwachungssystems hieß es, sobald es eingebaut sei, werde man die vier SV-Stationen und den Hof öffnen, um so die gesetzlich vorgesehene freie Bewegungsmöglichkeit einzuführen. Das erwähnen noch heute die Beamten, wenn man sie darauf anspricht – aber daraus wurde dann nichts.

Es blieb bei der Kleingruppen-Isolation von jeweils maximal 15-16 Verwahrten.

b.) Ausführung in die Innenstadt

Verwahrten stehen pro Jahr (mindestens) vier Ausführungen zu; d.h. man verlässt, meist gefesselt, mit zwei Wärtern die Anstalt für einige Stunden. Manche besuchen ihre Familienangehörigen, so sie noch Kontakt haben, oder fahren in einen Streichel-Zoo oder zu sonstigen Ausflugszielen in der Umgebung. Ich wollte jedoch in die Innenstadt, um z.B. einkaufen zu gehen oder einfach nur zu schauen, was sich dort verändert hat, da ich hier einige Jahre gelebt habe.

Gegenüber der StVK lehnte Oberregierungsrat R. mit Stellungnahme vom 23.08.2013 Derartiges strikt ab und trug im Wesentlichen vor: der Antragsteller „hat derzeit keine Entlassungsperspektive. Er hat sich auch nicht von seinen Straftaten vor oder während des laufenden Vollzugs distanziert. Bis heute lehnte er therapeutische Behandlungsangebote ab.“

Ferner würde ich „jede Kooperation ab(lehnen)“ und im Übrigen „verfügt (er) über keine tragfähigen sozialen Bindungen, die geeignet wären ihn von einer Flucht bzw. von weiteren Straftaten abzuhalten“. Zudem bestehe ein „Unterstützerumfeld“. Als Beispiel führt man an, ich würde „mit Hilfe von unbekannten Dritten die Homepage „www.freedom-for-thomas.de“ als Sprachrohr nutzen“, auf der ich meine „tendenziösen Berichte über den Vollzugsalltag usw. einem anonymen Publikum zur Lektüre“ anböte.

Angesichts der „jahrelangen Medienarbeit“ (des Antragstellers) habe er „ein gläubiges Publikum gefunden. Die Antragsgegnerin muß daher befürchten, daß sich aus dem Kreis dieser Leser Personen berufen fühlen, anläßlich einer Ausführung in die Innenstadt vollzugsfeindliche Handlungen bis hin zu einer Befreiungsaktion vorzunehmen.“

c.) Diverses

Neben solchen, doch besonders wichtigen Punkten gibt es auch Verfahren, die eher Randbereiche betreffen.

Zu nennen wäre der Kauf von Mehl: die Anstalt schreibt vor, man dürfe nur 2 kg Mehl pro Monat bestellen. Als ich das Gericht einschaltete, erhöhte man die zulässige Menge auf 4 kg im Monat. Der Schriftsatz der JVA vom 06.09.2013 ist als Teil der PDF-Datei abrufbar und zeigt die Argumentations- und Denkweise des Anstaltsvertreters auf. Soweit ich geltend machte, ich würde u.a. deshalb mehr Mehl benötigen, weil ich für meine BesucherInnen Brote backe, qualifizierte Oberregierungsrat R. dies als mein „Privatvergnügen“ ab.

Des Weiteren beschäftigt sich das Gericht mit der Frage, ob mir eine Bekannte Vorhänge zusenden darf, wie es um das Sportangebot für die SV bestellt ist, ob einem Verwahrten Wannenbäder zustehen (in der Anstaltsbadewanne). Aber auch, ob auf die TV-Bedürfnisse der Verwahrten Rücksicht zu nehmen ist: lobenswerterweise engagiert sich die Anstalt, glaubt man den offiziellen Beteuerungen (es gibt Verwahrte, die jedoch behaupten, es gebe genügend Vollzugsbeamte mit „rechter“ Gesinnung), im Kampf gegen Rassismus und Nationalismus, weshalb in der Strafanstalt rund 20 Sender aus aller Welt, insbesondere der Türkei, Kosovo, Arabien eingespeist werden, aber genauso im SV-Bereich, wo der Anteil dieser Verwahrten entweder bei Null liegt, oder allenfalls mal ein oder zwei Migranten einsitzen (während der Migrantenanteil im Strafbau bei 50% und höher liegt).

Jedoch auf die andere Struktur in der SV Rücksicht zu nehmen und hier andere Sender einzuspeisen (z.B. Bildungskanäle wie Bayern-Alpha oder öffentlich-rechtliche Sender wie ARD-tagesschau), dies verweigert die Anstalt.

Auch hier sei auf die PDF-Datei verwiesen (ab S. 19 Unterlagen zu „c.) Divereses“).

Und so reiht sich ein Antrag an den Nächsten.

Bewertung und Einordnung

Wie eingangs erwähnt, ist es ein Widerspruch in sich, einerseits diesen Staat und seine Organe abzulehnen, andererseits jedoch vor dessen Gerichte zu ziehen und damit zumindest implizit dessen Existenzberechtigung anzuerkennen. Mit diesem Widerspruch muss man wohl leben, auch wenn er Bauchgrimmen verursacht, denn aktuell gibt es keinen anderen Weg die Lebensbedingungen zu verändern. Zumindest besteht eine kleine Chance, dass Gerichte die Kritik teilen und damit dann nicht nur meine Haftbedingungen sich ändern, sondern auch die der mitbetroffenen, knapp 60 Verwahrten hier in Freiburg.

Vielleicht kann so auch geholfen werden, Inhaftierten Geld zu sparen; denn erst nachdem ich bei Gericht Klage einreichte gegen die aus meiner Sicht zu hohen Beteiligungen der Verwahrten an den Stromkosten, kam ans Licht, dass die Anstalt, und dies offenbar seit Jahren, unrechtmäßig den Inhaftierten Gelder für Spielekonsolen abbucht, so dass diese nun Anspruch auf Rückerstattung haben (was in der JVA Bruchsal schon vor längerem praktiziert wurde).

Von diesen Einzelbeispielen abgesehen, geht es doch darum, zu verdeutlichen, Gefängnisse sind nekrophile Orte, Orte, an welchen seelisch deformierte Menschen leben und arbeiten. Erich Fromm, ein großer Sozialphilosoph und Psychoanalytiker, definierte die Nekrophilie als die Liebe zu allem, was tot ist und nicht wächst, zu allem Unorganischen, Dinghaften und Mechanischen. Er setzte ihr die Biophilie entgegen, die Liebe zu allem Lebendigen und zum Leben.
Zur Nekrophilie zählte Fromm auch, wenn auf bürokratische Weise Menschen behandelt werden, als ob es sich um tote Gegenstände handelt.

Liest man sich die Schreiben der Vollzugsanstalt Freiburg durch, stößt man auf Hinweise der Nekrophilie im Fromm‘schen Sinne, auf Einstellungen von Vollzugsbeamten, die lieber Altes bestätigen, anstatt Neues aufzubauen, denen die Sicherheit lieber ist als das Abenteuer, die mehr die Teile im Auge haben als das Ganze, die Menschen auf bürokratische Weise behandeln, als ob es sich um tote Gegenstände handelte (vgl. Erich Fromm, „Anatomie der menschlichen Destruktivität“, S. 331).

Dass Sicherungsverwahrte oder Gefangene überhaupt, an Orten wie diesen eine leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem Lebendigen entwickeln können sollen, das erscheint kaum möglich. Knäste sind Orte des Verfalls, daran können auch Anträge an ein Gericht nichts ändern.

Wohl eher unabsichtlich legen jedoch gerade solche Verfügungen und Schriftsätze der Haftanstalten, ob nun in Freiburg oder andernorts, den nekrophilen Charakter ihrer Institutionen offen (und bestätigen damit die These, dass ein großer Teil der Sicherungsverwahrten damit zu rechnen haben wird, hinter Gittern sterben zu müssen, vgl. „80 Jahre Sicherungsverwahrung“ https://linksunten.indymedia.org/de/node/98982).

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtl.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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80 Jahre Sicherungsverwahrung

Am 24.11.1933 führten die Nazis die Sicherungsverwahrung in das deutsche Strafrecht ein: Schon Kurt Tucholsky kämpfte in den 20’er Jahren gegen diese Maßregel („Die Weltbühne“ 1928, S. 839) erfolgreich. Aber die Nazis nahmen die SV ins Strafgesetzbuch auf.

 

 

Das ist nun 80 Jahre her. Und so wie nach 1945 Juristen, Diplomaten, Wirtschaftsführer, Politiker und viele Nazis mehr, in Amt und Würden blieben (oder nach kurzer Zeit wieder kamen) überdauerte auch die SV alle Zeitläufe.

 

 

Ich selbst sitze hier in der JVA Freiburg (http://www.jva-freiburg.de), wo schon in den 30’er Jahren auch Sicherungsverwahrte einsaßen. Solch ein historischer Rückblick oder Rückgriff soll nicht das Leid der damaligen Inhaftierten relativieren, denn damals war die SV ganz offen und unverblümt darauf angelegt, die Betroffenen „auszumerzen“, wie es Goebbels formulierte, sie physisch zu vernichten.

 

 

Der vormalige Richter am Reichsgericht Hartung war es, der noch 1951 die von den Alliierten nach 1945 veranlasste Freilassung tausender Sicherungsverwahrter als „Geißel der Menschheit“ bezeichnete; in einer Doktorarbeit von 1963 (Wetterich, „Erscheinungsformen gefährlicher Gewohnheitsverbrecher“) wird von der „Ausmerzung der Täter“ gesprochen. Und bis heute finden sich in führenden Strafrechtskommentaren lobende Worte zu NS-Schriften zur Sicherungsverwahrung.

 

 

Diese Geisteshaltung ist es, die bis heute, aus Sicht der Betroffenen, aber auch derer, die gegen die SV kämpfen, vorherrscht, auch wenn sich die heutige Generation von JuristInnen und AnstaltsmitarbeiterInnen zumindest öffentlich in solch einer Weise niemals äußern würde.

 

 

Heute wird auch nicht mehr die unmittelbare physische Vernichtung der ca. 500 männlichen und 3 weiblichen Sicherungsverwahrten angestrebt. Die Haftbedingungen sind, im Vergleich zur NS-Zeit mehr als komfortabel.

 

Aber in der Verzweiflung dürften sich die heutigen Untergebrachten Seit‘ an Seit‘ mit jenen von damals fühlen, denn auch wenn viele akzeptieren, dass sie für das, was sie im Leben verbrochen haben, eine Strafe verbüßen müssen und bis zum letzten Tag verbüßt haben, danach weiter eingesperrt zu sein in einem Gefängnis (dessen Vollzug dem Strafvollzug nahezu gleicht, vgl. http://de.indymedia.org/2013/09/348487.shtml), das zermürbt.

 

 

Die Ungewissheit vor Augen, zu sehen, dass Jahr um Jahr die Dauer der Verwahrung steigt, immer weniger Verwahrte vor ihrem Tod entlassen werden – und all das, obwohl die Strafe längst verbüßt ist. Es gibt Verwahrte, die sitzen 5, 10, 15 und mehr Jahre in SV, ohne jeglichen Hoffnungsschimmer, jemals wieder frei zu kommen. Sie unternehmen Suizidversuche, setzen lebensnotwendige Medikamente aus Protest ab, treten in Hungerstreik, begehren aggressiv auf – oder sie resignieren, ziehen sich zurück in ihre eigene Welt, der Haftraum vermüllt. Sie sehen zwei Mal am Tag den Schließer, nämlich morgens zum Zellenauf- und abends zum Zellenzuschluß.

 

Ansonsten sitzen sie lethargisch vor ihrem Fernseher, in der meist abgedunkelten Zelle, ohne Außenkontakte, ohne Ansprache.

 

 

Nicht umsonst gelten bis heute die SV-Stationen als die „Totenabteilungen“ der Gefängnisse.

 

 

Die bürgerliche Presse meint (https://linksunten.indymedia.org/de/node/84689), nur weil irgendwo eine Ledercouch steht oder eine Dartscheibe an der Wand hängt, dass die Verwahrten in einem „Hotel hinter Gittern“ (a.a.O.) leben würden, ohne den Hauch von Verständnis oder Erkennen-Wollens für die Lebenslage der Inhaftierten. Mit ihrer Stimmungsmache bestimmt die Presse freilich die Wahrnehmung eines Großteils der Bevölkerung.

 

 

Heute bedeutet Sicherungsverwahrung für Viele schlicht ein Warten auf den Tod. Denn eine realistische Chance auf Freilassung haben nur ganz, ganz wenige der Betroffenen.

 

Hinter vorgehaltener Hand und in Fachartikeln verklausuliert geben das auch die JustizmitarbeiterInnen zu, schreiben oder sprechen davon, man müsse für ein „menschenwürdiges Sterben“ hinter Gittern Planungen treffen, künftig vielleicht auch Schließer mit Altenpflegeausbildung einstellen und ähnliches mehr.

 

 

Vor rund 55 Jahren frug Dr. Dreher polemisch „Liegt die Sicherungsverwahrung im Sterben?“ (DriZ 1957, S. 51-55). Dreher war im NS-Reich ein fanatischer Staatsanwalt und in Wien an Todesurteilen beteiligt, was seiner späteren Karriere im Bundesjustizministerium und als führender Strafgesetzbuch-Kommentator keinen Abbruch tat.

 

 

Er forderte als hochrangiger Mitarbeiter des Bundesministeriums der Justiz die Richterschaft ausdrücklich auf, die SV „besser und entschiedener“ anzuwenden, denn die SV sei ein „hervorragendes Mittel“, den „Hangtäter“ unschädlich zu machen.

 

 

So lag also weder 1957 die Sicherungsverwahrung im Sterben, geschweige denn tut sie es heute.

 

 

Die Sicherungsverwahrung ist der Zombie des deutschen Strafrechts, vielfach totgesagt, aber immer wieder aus dem Totenreich zurückgekehrt. Bis heute wird die SV ihren Gestank nicht los, der sie seit 1933 umwittert; sie kann ihn auch nicht los werden, denn damals wie heute wird hier von einem Menschenbild, dem des „Gewohnheitsverbrechers“, des „Volksschädlings“ ausgegangen, dem die Unmenschlichkeit auf der Stirn geschrieben steht.

 

 

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

 

https://freedomforthomas.wordpress.com

 

 

Heroin im Knast!?

In den Gefängnissen finden sich zahlreiche Menschen mit Drogenproblemen. Wohl erstmals in Deutschland sprach nun ein Gericht einem Inhaftierten das Recht auf eine Diamorphin-Substitution zu.

 

Drogenabhängigkeit in Vollzugsanstalten

 

Aktuelle Untersuchungen gehen davon aus, dass der Anteil der drogenabhängigen Gefangenen circa 30 – 40 % beträgt (vgl. Prof. Dr. Stöver, in „Forum Strafvollzug“, 2013, S. 275 ff; http://www.forum-strafvollzug.de). Gegenüber der Allgemeinbevölkerung ist das rund der 70-fache Wert. Damit in Zusammenhang steht dann auch eine erhöhte Rate an Hepatitis- und HIV-Infektionen. Bei Hepatitis wird von einer Infiziertenrate von etwa 14 – 17 % ausgegangen und bei HIV von rund 0,8 – 1,2 %.

 

An anderer Stelle habe ich über das Sterben eines schwerst drogenabhängigen und HIV-infizierten Gefangenen berichtet (http://de.indymedia.org/2012/11/337976.shtml); aber nicht immer endet eine solche „Karriere“ tödlich.

 

Folgen der Drogenabhängigkeit

 

In jedem Gefängnis der Welt dürfte man an fast jede Droge gelangen, auch wenn mantraartig die Gefängnisleitungen beteuern, sie wüssten von keinem Drogenproblem oder es sei zumindest überschaubar. So hat in den letzten Jahren das Substitutionsmittel „Subutex“ eine ungeahnte Belebung des Drogenmarktes in den Gefängnissen bewirkt. Die Tabletten werden pulverisiert und dann zu Höchstpreisen (bis zu 100 Euro pro Tablette) veräußert. Zum einen geraten so viele Betroffene in die Schuldenfalle, zum anderen ist es bezeichnend für einen angeblich „menschenwürdigen“ Vollzug, wenn tausende Gefangene den Alltag nur dann aus- und durchhalten, wenn sie Drogen konsumieren.

 

Legale Substitution

 

Während der subkulturelle Handel mit Subutex, wie mit anderen Drogen, strafbar ist und auch von den Anstalten und Gerichten, so denn Fälle bekannt werden, geahndet werden, gibt es in einigen Bundesländern quasi „Drogen auf Rezept“, wie manche ironisch sagen. D.h. man ermöglicht Drogenabhängigen, bei Vorliegen der Indikation, die Teilnahme an „Methadon-Programmen“.

 

Ein- oder zwei Mal am Tag erhalten sie in flüssiger Form Methadon, um auf diese Weise nicht dazu gezwungen zu sein, sich auf dem Schwarzmarkt der Anstalt mit Betäubungsmitteln zu versorgen.

 

Heroin auf Rezept

 

Seit 2011 sieht eine Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums Baden-Württemberg vor, dass geeignete Gefangene an einer „Diamorphin-Substitution“ teilnehmen können sollen. Bis dato umgesetzt wurde die Vorschrift nicht.

 

Dessen ungeachtet, hat in einem bundesweit wohl bislang einmaligen Beschluss, die mit drei RichterInnen besetzte Große Strafvollstreckungskammer des Landgericht Freiburg (Az.: 12 StVK 402/13 (SV), Entscheidung vom 08.10.2013) die Justizverwaltung verpflichtet, dem Betroffenen, Herrn R. „binnen einer Frist von 6 Monaten (…) die Teilnahme an einer Diamorphin-Substitution anzubieten“.

 

Herr R. sitzt nun seit über 8 Jahren in Sicherungsverwahrung. Zur Finanzierung seiner Sucht hatte er räuberische Diebstähle begangen, deretwegen er am 06.04.2000 zu insgesamt vier Jahren Haft und Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (zur Realität des Vollzugs in der SV Freiburg vgl. http://de.indymedia.org/2013/09/348487.shtml) verurteilt worden war.

Da die ihm bislang angebotene Behandlung und Therapie in der JVA Freiburg ungenügend sei, so das Gericht, mache man von der seit 01.06.2013 geltenden Rechtslage (§ 67 d Abs. 2 Satz 2 StGB) Gebrauch. Das bedeutet: Sollte die Justizverwaltung die Diamorphin-Substitution verweigern, ist Herr R., ungeachtet der ihm weiterhin von einem Gutachter attestierten „Gefährlichkeit“, frei zu lassen.

 

Im Grunde ist es ärgerlich und bezeichnend für die desolate Versorgung schwerst drogenabhängiger Inhaftierter, dass ein Gericht zu solch einem Mittel greifen muss, um eine adäquate Behandlung und Therapie einzufordern.

 

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

http://www.freedom-for-thomas.de

https://freedomforthomas.wordpress.com