Knast befürchtet Befreiungsversuche

Nachdem ich seit dem 08. Juli 2013 in der JVA Freiburg in Sicherungsverwahrung (SV) sitze (vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/91068) wurde mir am 07.08.2013 der „Vollzugsplan“ ausgehändigt.

 

 

Vollzugsplan – was ist das?

 

Das Strafvollzugsgesetz, bzw. die Vollzugsgesetze der Länder sehen vor, dass die Anstalt in einem Plan für jede(n) Gefangene(n) und Verwahrte(n) einen Plan aufstellt, der beschreibt, was die Anstalt für Behandlungsmaßnahmen plant, welche Knastarbeit in Frage kommt, wie es um Sozialkontakte bestellt ist und manches mehr (für die Details verweise ich auf das pdf-Dokument, welches eine Kopie des aktuellen Vollzugsplans meiner Person enthält und u.a. auf https://linksunten.indymedia.org/de/node/92252 zu finden ist).

 

 

mein eigener „Vollzugsplan“

 

Am 29.07.2013 fand augenscheinlich eine Konferenz in der JVA Freiburg statt, an der zwei Psychologen, ein Wärter, eine Sozialarbeiterin und eine Praktikantin teilnahmen; ich selbst hatte auf die Teilnahme verzichtet. Auf dann neuen Seiten führt die Anstalt aus, was sie mit mir vor habe. Im wesentlichen nichts, denn da ich mich einer Kooperation verweigere, seien „Empfehlungen derzeit nicht möglich“.

 

Abgelehnt werden ausdrücklich Ausführungen (hier verlässt man von Wärtern bewacht den Knast) in das Stadtgebiet hinein, da „Fluchtgefahr“ bestehe. So heißt es auf Seite 7 des „Vollzugsplans“: Es gebe „einen anonymen, nicht einschätzbaren Unterstützerkreis (…), bei dem im Falle einer nicht ausreichend gesicherten Ausführung Befreiungsversuche zu besorgen“ seien. Deshalb dürfe ich allenfalls gefesselt und unter scharfer Bewachung z.b. meinen Vater in dessen Wohnung besuchen.

Ansonsten erschöpft sich der Vollzugsplan in der Wiedergabe der Überschriften einzelner Unterpunkte ohne konkrete Angaben, da angesichts meiner ablehnenden Haltung Empfehlungen nicht getroffen werden könnten.

 

 

Resümee

 

Prinzipiell ist es zu begrüßen, dass die Anstalt die Entscheidung nicht zu kooperieren respektiert; hinsichtlich der jedem Verwahrten zustehenden vier Ausführungen im Jahr ist jedoch eine gewisse paranoide, ggf. auch feindselige Grundhaltung gegenüber Genossinnen und Genossen und mir gegenüber zu erkennen. Deshalb habe ich mich auch entschlossen, gegen die Weigerung, mir Ausführungen ins Stadtgebiet zu gewähren, vor Gericht zu klagen.

Zwar ist das Landgericht Freiburg berüchtigt dafür, die Klagen der Verwahrten viele Monate liegen zu lassen, ggf. auch erst Jahre später zu bescheiden, aber wenn ich hier etwas im Übermaß habe, dann ist es Zeit.

 

Aktuell beschäftigt sich schon das Oberlandesgericht Karlsruhe mit den Haftbedingungen in der Freiburger Sicherungsverwahrung, denn nicht nur nach Ansicht der Verwahrten, sondern auch vieler ihrer Rechtsanwälte (u.a. Prof. Behnke, http://www.bernd-behnke.de) entsprechen diese nicht den Mindestanforderungen, die an den Vollzug der SV zu stellen sind.

 

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburger

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Aus einem Totenhaus …..

Wie kürzlich berichtet (https://linksunten.indymedia.org/de/node/90393) befinde ich mich seit kurzem in der JVA Freiburg (http://www.jva-freiburg.de/) in Sicherungsverwahrung und berichte im Folgenden von den ersten Eindrücken.

Station 2

Schon am ersten Tag wurde ich auf die sogenannte „Orientierungsstation“, auch „Individualabteilung“ eingewiesen; die dort Lebenden, maximal 15 Bewohner, bezeichnen sie selbst als die „Querulanten- und Therapieverweigerer-Abteilung“. Während auf den anderen drei Stationen rege Therapieangebote erfolgen, überlässt man uns von „Station 2“ – wunschgemäß – uns selbst. Auffällig ist, dass ein Großteil der Mitverwahrten auf dieser Station in ihrem Haftleben lange Zeit in Isolationstrakten verbracht hat; es scheint also, bei allen Unterschieden im Einzelfall, ein spezieller Typ Mensch zu sein, der sich dem Therapiediktat verweigert.

Die Haftbedingungen

Die Zellen (das Gesetz spricht euphemistisch von Zimmern) sind knapp 15 m2 groß, das Klosett ist baulich abgetrennt. Letzteres ist nur bedingt originell, denn die Lüftung in dem WC-Raum funktioniert nicht, so dass man gezwungen ist die Türe zur Zelle geöffnet zu lassen, womit man wieder im auch für den Strafvollzug typischen „Wohnklo“ lebt. Sich auf der Station frei bewegen kann man werktags ab 7 Uhr und wochenends ab 8 Uhr. In den Zellen eingeschlossen wird man kurz nach 22 Uhr. Das ist zur vorangehenden Strafhaftzeit in Bruchsal schon eine Verbesserung, da dort die Zellen die meiste Zeit des Tages verschlossen waren.
Auf jeder der Stationen gibt es einen weitestgehend identisch eingerichteten Gruppenraum: eine riesige Ledercouch (eine Tageszeitung schrieb gar von einer „Sofalandschaft“, vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/84689), dazu einen Fernseher, einen Tisch mit 6 Stühlen. Je nach Station stehen Billardtisch, Tischfußball oder eine Dart-Scheibe zur Verfügung. Hier in der „Station 2“, in der ich lebe, gibt es zwei Aquarien mit Fischen.
Eine kleine Küche mit sechs Herdplatten und Backofen ermöglicht sich selbst zu verköstigen. Dazu noch eine Gemeinschaftsdusche für maximal vier Personen (also vier Duschköpfe in der Duschzelle).
In den Gefängnishof kann man drei Mal am Tag für jeweils zwei Stunden. Jedoch wirkt der Hof erdrückend, da er von einer hohen Mauer und auch dem umgebenden Haftgebäude eingeengt wird. Da helfen dann auch ein paar Blumen, die winzige Wiese und einige Pflanzenbeete nicht viel weiter. Über das angeblich malerische Bächlein, welches laut Presseberichten durch den Hof fließen soll, vermag ich nichts zu berichten, denn fließen tut da nichts. Mitverwahrte sagten aus, nur anlässlich hohen Ministerbesuchs und Presse würde die Pumpe für das installierte Bächlein eingeschaltet; die JVA, in Gestalt des juristischen Leiters der SV, Herrn Oberregierungsrat R. betont, die Pumpe sei defekt, zumindest jetzt – nach dem Ministerbesuch.

Die Bewohner

Nicht zu Unrecht leben wir hier auf der „Individualstation“, denn „individuell“ sind ihre Bewohner. Da ist H., muskulös, der ungefragt und detailliert über das von ihm begangene Sexualdelikt spricht („…ich habe nur den Finger rein gesteckt…“). Er führt an, schon seit Jahren den Großteil seines von der Anstalt gewährten Taschengeldes in den „Täter-Opfer-Ausgleich“ zu investieren, außerdem auch Gelder an die Kindernothilfe zu spenden. Oder F., sein wildes rotes Haar ist sein Markenzeichen, genauso wie nachts laute Musik und ebensolche Selbstgespräche. Seinen Nachbarn bringt der Lärm fast um den Verstand und nachts durchzuschlafen ist für diesen unmöglich. Auf den ersten Blick fragt man sich, was F. in der SV zu suchen hat, da er oft einen eher verwirrten Eindruck macht. Da steht er dann auf dem Flur, stößt unartikulierte Laute aus, starrt vor sich hin, bevor er wieder in seine Zelle zurück schlurft.
Mit Lilo, einem Vollzugsveteranen, von mehreren Jahrzehnten Haft geprägt, und S. sitze ich meist schon um 7.30 Uhr am Tisch im Gruppen-/Freizeitraum beim morgendlichen Kaffee. Vor bald dreißig Jahren machte Lilo Schlagzeilen, da er anlässlich der Urteilsverkündung, er wurde u.a. wegen Drogenhandels im Strafvollzug zum zweiten Mal zur SV verurteilt, von der anwesenden Polizei angeschossen wurde, als er aufsprang und schrie: „Schießt doch, schießt doch!“ Der Vorfall wird heute noch auch in der Fachliteratur zur SV zitiert, um zu dokumentieren, zu welcher Verzweiflung die Anordnung der SV führt.
Spannend auch die zwei unmittelbaren Zellennachbarn. Zu linker Hand M., ehemaliges Mitglied eines Rockerclubs, der als einer der Wenigen in Baden-Württemberg zur nachträglichen SV verurteilt wurde. Vor über 15 Jahren hatte er versucht seinen Arbeitgeber und dessen Partnerin zu töten. Wie er erzählt, habe er mit dem „Leben draußen“ abgeschlossen; und so sitzt er in seiner wirklich kärglich eingerichteten Zelle, kein Bild an den Wänden, vor seinem Fernseher und einem kleinen Radio. Tag um Tag.
Zu rechter Hand, auch ideologisch gesehen, hat Jakob seinen Haftraum, ein sich offensiv als „deutscher Nationalist“ gebender Langzeitverwahrter, der in Kürze die ersten 10 Jahre SV erreichen wird. Von der Justiz fühlt er sich zutiefst benachteiligt und schikaniert, da man ihm zahlreiche CDs und MCs mit „Rechtsrock“ und „nationaler Musik“ aus dem Haftraum weggenommen habe.

Das Personal

Angestellte PsychologInnen und SozialarbeiterInnen sind hier ebenso tätig wie Ergotherapeuten. Zu sehen bekommt man sie jedoch in der Regel nur, wenn man sich aktiv an Therapien beteiligt. Die für die „Station 2“ zuständige Diplomsozialarbeiterin B. ist werktags meist kurz mal auf der Station zu sehen und jeden Mittwoch etwas länger, um im Gruppenraum über Belange des Stationsalltages zu sprechen (wie z.B. die Beschaffung notwendiger Utensilien für die Gemeinschaftsküche). Ein wöchentliches Treffen, welches auf Initiative der Verwahrten eingerichtet wurde, denn da sich die Betroffenen hier der Kooperation mit TherapeutInnen weitestgehend entziehen, ist das willkommener Anlass für die Anstalt, den Betreuungsschlüssel abzusenken.
Das Dienstzimmer, wo eigentlich stets ein Beamter des uniformierten Dienstes sitzen sollte, ist regelmäßig über lange Phasen unbesetzt.
Juristischer Leiter ist der Oberregierungsrat R., in früheren Jahren Abteilungsleiter in der JVA Bruchsal.

Erster Ausblick

In Dantes „Göttliche Komödie“ stand über dem Eingang zur Hölle geschrieben: „Lasst, die ihr hier eintretet, alle Hoffnung fahren“, ein Leitsatz, der auch hier über das Eingangstor gemeißelt werden könnte, denn die Hoffnungslosigkeit, Wut und Hilflosigkeit vieler der Bewohner hier fällt einen geradezu an. Nur Wenige verfügen über soziale Kontakte in die Freiheit oder zur Familie. Die Meisten sitzen schon seit vielen Jahren, wenn nicht gar seit Jahrzehnten hinter Gefängnismauern und erleben, dass sich in ihrem Leben nichts wirklich vorwärts bewegt. Hinzu kommt erhebliches Misstrauen gegenüber dem Personal, wie auch Mitverwahrten gegenüber. Die pure Ereignislosigkeit auf der Station hat einen lähmenden Effekt auf Körper und Geist. Und auch gestorben wird hier, ich bewohne Zelle 135, dort starb vor wenigen Monaten ein Sicherungsverwahrter.
Weder die gegenwärtige Situation, die im Ländervergleich schäbig zu nennen ist, so gibt es im niedersächsischen Rosdorf für jeden Verwahrten eine eigene Dusche und Kochzeile in der Zelle, dazu Telefon und Computer, man darf Bargeld besitzen, jederzeit in einen Hof oder auch einen Sportraum mit Kraftsportgerätschaften, mehrmals pro Woche kann man einkaufen, alles Gegebenheiten, die man uns in Freiburg verwehrt, noch der Ausblick sind allzu erbaulich. Aber es liegt auch an jedem Einzelnen, was er aus einer Situation macht.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abteilung), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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Meyer-Falk in SV „angekommen“

Nachdem ich nun seit 1998 in der JVA Bruchsal einsaß, wurde ich am 08. Juli 2013 in die JVA Freiburg verlegt, um dort die Sicherungsverwahrung zu verbüßen.

Ob es schwarzer Humor des Anstaltsleiters der JVA Freiburg, Thomas Rösch ist, dass der Aufmacher der Internetseite (http://www.jva-freiburg.de/) ein Zitat von Leo Tolstoi („Um einen Staat zu beurteilen, muss man seine Gefängnisse von innen sehen“) ist, nur um dann wenige Absätze weiter auch noch Immanuel Kant („Was kann ich wissen? Was kann ich tun? Was darf ich hoffen?“) zu bemühen, wer kann das schon wissen!? Jedenfalls war es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der am 13.01.2011 (http://www.coe.int/t/d/menschenrechtsgerichtshof/) feststellte, dass auch die Haftbedingungen in der SV-Abteilung der JVA Freiburg inakzeptabel seien (Aktenzeichen: 27360/04 und 42225/07).
Der profunde Kenner der Verhältnisse in der Haftanstalt, der ehemalige Sozialarbeiter der JVA, Peter Asprion und heute als Bewährungshelfer tätig, kam am 18. März 2013 in einer ARD-Dokumentation unter dem Titel „Knast auf ewig?“ zu Wort. Dort stellte er nüchtern fest, dass alle Urteile aus Strasbourg und Karlsruhe (dort brandmarkte am 04. Mai 2011 das Bundesverfassungsgericht die Haftbedingungen in der Sicherungsverwahrung), wie auch die nun neu beschlossenen Gesetze nichts substantielles ändern werden.

Ob dem so ist oder nicht, darüber werde ich dann künftig aus der JVA Freiburg berichten können.

Wunsch nach Unterstützung

Auf diesem Weg möchte ich heute auch um etwas finanzielle Unterstützung bitten. In der SV dürfen sich die Verwahrten auf Wunsch selbst ernähren; dafür zahlt die Anstalt dann täglich einen Betrag von circa 2,40 Euro aus. Ein aus Sicht der Verwahrten eher bescheidener Betrag (um das Wort schäbig zu vermeiden), wobei pikant ist, dass dieser Betrag unter einer GRÜN/Roten-Landesregierung festgesetzt wurde, während in Niedersachsen, noch zu Zeiten der CDU-Regierung, man den Verwahrten einen dreimal so hohen Betrag im Gesetz zugestand (vgl. Niedersächsischer Landtag, Drucksache 16/4873, dort Seite 71, wonach der tägliche Betrag für die Verpflegung 7,20 Euro sei).

Hier wäre ich also wirklich sehr erfreut und dankbar, wenn sich Menschen bereit erklären, z.B. per Dauerauftrag (z.B. 5 Euro oder 10 Euro im Monat) etwas zu überweisen. Das Konto der Haftanstalt lautet wie folgt:

Empfänger: Zentrale Zahlstelle Justizvollzug
Konto: 4552107
BLZ: 600 501 01 (BW-Bank)
IBAN: DE25600501010004552107
BIC-/SWIFT-Code: SOLADEST600
Verwendungszweck: „Meyer-Falk, Thomas, 15.5.1971, SG1-AK10“
(der Verwendungszweck ist wichtig, da der Knast sonst Gelder nicht zuordnen kann, wie auch der Zusatz „AK10“, da das die Kennung der Freiburger JVA ist.)

Meine neue Postanschrift lautet zudem ab sofort:

Thomas Meyer-Falk
c/o JVA (Sicherungsverwahrung)
Hermann-Herder-Str. 8
D-79104 Freiburg

Ich danke allen LeserInnen und UnterstützerInnen für die Begleitung über nun schon so viele Jahre und wünsche mir sehr, auch künftig auf offene Ohren und Herzen für die Belange gefangener Menschen zu stoßen!

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (Sicherungsverw.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www.freedom-for-thomas.de

18 Jahre Isohaft beendet

Seit nunmehr 18 Jahren saß Peter Wegener in Isolationshaft. Jetzt wurde sie aufgehoben.

Zur Vorgeschichte

Es war im Frühsommer 1995, als Peter und Günter Finneisen in der JVA Celle (http://www.jva-celle.de/) sich entschlossen angesichts der ungewissen Aussichten, einen Beamten als Geisel zu nehmen. So erkämpften sie sich ein Fluchtauto, Geld und zumindest für einige Stunden ihre Freiheit. Jedoch wurden beide kurze Zeit später von Spezialeinsatzkräften festgenommen und wieder inhaftiert.

Isolation ohne Ende

Nach diversen Verlegungen von Gefängnis zu Gefängnis, stets mit maximalen Isolationsbedingungen, landete Peter vor Jahren in der niedersächsischen JVA Sehnde (http://www.justizvollzugsanstalt-sehnde.niedersachsen.de/), im Volksmund auch „Alcatraz des Nordens“ genannt, aufgrund der extremen Sicherheitsstandards.

Peter saß all die Jahre in Isolationstrakten, durfte anfangs die Zelle nur gefesselt verlassen; erst nach vielen Jahren wurde diese Maßnahme dahingehend „abgemildert“, dass er „nur“ bei Verlassen des Isotraktes gefesselt wurde. Die Zellenausstattung spartanisch zu nennen, wäre noch geschmeichelt.

Dazu das entwürdigende Prozedere sich vor Verlassen der Zelle nackt ausziehen zu müssen, um andere Kleidung anzuziehen; wie dann auch vor Rückkehr in die Zelle: das Ganze nochmal. Wenn er also mal in den Hof wollte für seine Stunde Spaziergang im Käfig oder er Besuch bekam, hieß das stets: mehrfach nackt ausziehen.

Erst 2012 beendete dieses unwürdige Theater des Nackt-Ausziehens die zuständige Strafvollstreckungskammer. Außerdem erstritt sich Peter das Recht zumindest in seiner Zelle ein privates T-Shirt tragen zu dürfen, anstatt Gefängniskleidung.

Über all die Jahre versuchte er sich trotz der HIV-Infektion körperlich fit zu halten und Kontakt in die Freiheit, aber auch brieflich zu anderen Gefangenen zu halten, was zumindest ein wenig die Isolationshaft erträglicher machte.

Ein harter Schlag für ihn war der Tod seiner Frau vor einigen Jahren.

Ende der Isolation

Nachdem Peter Anfang 2012 seine Strafen abgesessen hatte und nunmehr in Sicherungsverwahrung gelangte, nahm der Druck auf die Justizverwaltung, die langdauernde Isolationshaft auf absehbare Zeit zu beenden, zu. Schon vor wenigen Jahren, Anfang 2011, hatte die taz (http://www.taz.de/!66422/) die damals 15 Jahre dauernde Isolation seines Kompagnons Günter Finneisen zum Anlass für einen großen Artikel genommen, in dessen Folge die niedersächsische Justiz bei Günter die Isolation aufhob und ihn in den Normalvollzug verlegen musste.

Bei Peter sollte es noch bis zum 20. Juni 2013 dauern. An diesem Tag wurde er von der JVA Sehnde in die JVA Rosdorf (http://www.justizvollzugsanstalt-rosdorf.niedersachsen.de/) verlegt, da dort zentral die niedersächsischen Sicherungsverwahrten untergebracht sind. Zwar brachte man ihn in einem „besonders gesicherten Bereich“ unter, jedoch hat er nun endlich uneingeschränkt Kontakt zu Mitverwahrten, einen TV mit Computer in der Zelle, dazu ein Telefon. Er darf Bargeld besitzen und im von REWE betriebenen Gefängnissupermarkt einkaufen.

Im ersten Augenblick fühlte er sich, als wäre er „im Hotel Waldorf Astoria“ angekommen, denn nach 18 Jahren kärglichstem Leben in Isolationstrakten, erschien es ihm fast wie in einem Märchen, wie er berichtet, war es ein „Kulturschock“ für ihn.

Schon 2010, in Folge des oben erwähnten taz-Artikels, hatte die renommierte Kriminologin Prof. Frommel die langdauernde Isolation schlicht als Folter bezeichnet.

Ausblick für Peter

Ob Peter mittelfristig dann aus der Haft entlassen wird, bleibt abzuwarten, zumindest sind nun die Aussichten für ihn jetzt wesentlich besser als noch vor wenigen Wochen.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA Bruchsal
(ab dem 08. Juli 2013: c/o JVA (SV-Abtl.), Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg)
http://www.freedom-for-thomas.de
https://freedomforthomas.wordpress.com

Wer sich über die Biografie von Peter Wegener näher informieren möchte, unter seinem früheren Namen Strüdinger gibt es auf wikipedia einen Eintrag:
http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Strüdinger

17 Jahre Knast – Eine Bilanz

Nachdem ich nun fast 17 Jahre ununterbrochen in Haft sitze, soll ich ab dem 08. Juli 2013 in Sicherungsverwahrung („SV verboten?“, vgl. http://de.indymedia.org/2011/05/307207.shtml) untergebracht werden. Das bevorstehende Ende der Strafhaftzeit möchte ich für eine Art Bilanz nutzen.

 

 

Die Isohaftphase

 

In den 70’er und 80’er Jahren war der Begriff der Isolationshaft präsenter als er es heutzutage ist, und das obwohl dieses Instrument nach wie vor auch und gerade von der deutschen Justiz angewandt wird. So saß Günther F. rund 15 Jahre am Stück in Isolation in der JVA Celle. Peter Wegener wiederum saß im Mai 2013, es jährte sich seine Inhaftierung, 18 Jahre im Isotrakt (zum „17. Jahrestag“ im vergangenen Jahr vgl. http://de.indymedia.org/2012/05/329684.shtml).

 

Ich selbst verbrachte die erste Zeit nach der Inhaftierung in Stuttgart-Stammheim in Isolation, dann 1998 einige Monate in Straubing (Bayern), und nachdem ich mich erfolgreich gegen die Verlegung nach Straubing vor Gericht gewehrt hatte, bis Mai 2007 in der JVA Bruchsal (Baden-Württemberg). Seit Mai 2007 befinde ich mich, wie es so schön heißt, im „Normalvollzug“, kann also im Hof der Anstalt Mitgefangene treffen, oder sie im Hafthaus in ihren Zellen besuchen, wie sie auch mich.

 

Was heißt nun „Isolationshaft“? Die Betroffenen verbringen ihre Haftzeit mit sich alleine, ihnen begegnen keine Mitgefangenen. Und die Wärter sieht man nur, wenn sie einen zum Gefängnishof bringen oder in die Duschzelle, bzw. wenn sie einem durch eine kleine Luke in der Zellentüre das Essen durchreichen. Je nach örtlichen Verhältnissen gibt es weder Radio noch Fernseher zur Ablenkung, bzw. Information. Besuche von Freunden und Familie werden nur sehr restriktiv bewilligt: Man sieht sie hinter Panzerglas (so wie man es aus US-Filmen kennt), Wärter sitzen mit dabei und hören genau zu. Ein- und ausgehende Briefe werden von den Beamten gelesen, mitunter auch kopiert und zu den Akten gegeben. Die Anschriften der Empfänger und Absender in Listen notiert.

Vor und nach den Besuchen (obwohl man ja gar keinen körperlichen Kontakt haben konnte und durfte) wird man komplett durchsucht, inklusive nackt ausziehen, das wird auch vor und nach dem Spaziergang im vergitterten, winzigen Knasthof so praktiziert.

 

Die Betroffenen sind keine Menschen mehr, sondern ein Gefahrenherd. Mehr ein Stück Fleisch, das hierhin und dorthin transportiert wird, einer vollständigen Überwachung und Kontrolle unterliegend.

 

Die Isozellen sind auch keine Luxus-Suiten, sondern alles ist festgeschraubt, steril, gerne auch aus Metall. Der Besitz von Privatkleidung selbstverständlich verboten, und sonstiger Privatbesitz (wie Kugelschreiber, Papier, Fotos) auf ein absolutes Minimum reduziert.

 

Und so lebt mensch dann nicht über Tage und Wochen, sondern Jahre oder Jahrzehnte. Den oben erwähnten Fall des Günther F. bezeichnet Professor Dr. Feest (http://www.strafvollzugsarchiv.de/) in seinem Kommentar zum Strafvollzugsgesetz als „skandalös“.

 

Die sogenannte Deprivation, d.h. der Entzug von Reizen jeglicher Art, wie auch und gerade des Kontakts zu Menschen, hat unweigerlich schädliche, die körperliche und die seelische Gesundheit beeinträchtigende Folgen.

 

Es gibt jene Betroffenen, die psychisch vollständig zusammenbrechen, bis hin zu Suizidversuchen, schlicht weil sie das Alleinsein nicht ertragen, das völlige Fehlen eines Gegenübers, die dann nur mit Psychopharmaka den Zustand irgendwie zu ertragen vermögen. Andere, die resilienter, sprich widerstandsfähiger gegenüber psychischen Belastungen sind, bleiben jedoch auch nicht verschont von schädlichen Folgen.

 

Ich selbst, obwohl nun seit sechs Jahren im „Normalvollzug“ sitzend, d.h. die Zelle ist jeden Tag circa. 2 ½ Stunden (werktags) bzw. 5 ½ Stunden (wochenends) geöffnet, so dass ich Mitgefangene treffen kann, ziehe es vor, jeweils nur mit ein oder zwei Gefangenen in einer konkreten Situation zu tun zu haben, denn sobald es mehr Menschen sind, ist der Umfang der eintreffenden Signale schlicht zu groß. Wer viel und lange Zeit alleine lebt, leben muss, lernt sich damit zu arrangieren, so dass sich bestimmte Mechanismen auch verselbständigen.

 

Und dazu gehört dann auch eine reduzierte Aufnahmefähigkeit, oder die Fähigkeit, sich in Gesprächen auf ein Gegenüber zu konzentrieren.

Wir lesen oder hören von Menschen, die in Isolationshaft sitzen in der Regel jedoch nur, wenn diese in der Lage sind, sich aktiv mitzuteilen (per Brief, denn eine andere Möglichkeit gibt es nicht). Das traurige ist, es gibt so viele, die noch heute ungehört und ungesehen in Isolation sitzen, einfach weil ihnen die Fähigkeit oder auch der Wille fehlen, sich mitzuteilen, auf ihr Los hinzuweisen.

 

Abu Ghraib, das heute schon weitestgehend vergessene Foltergefängnis der Amerikaner wurde deshalb zum öffentlichen Skandalon, weil es Photos gab. Im Zeitalter des Internets gewinnen Bilder immer mehr an Wirkmacht – und von Orten, von welchen es keine Bilder gibt, wird wenig oder gar nichts berichtet. Das ist die Sicherheit, in der sich die Justizangehörigen wiegen können, dass ihr Tun nicht in die Zeitung kommen, nicht publik werden wird.

 

 

Der Vollzug

 

Es mag auf den ersten Blick fortschrittlich aussehen, wenn Gefangene und Sicherungsverwahrte sich Flachbildfernseher und die Playstation-2 kaufen dürfen. Beides mussten sie sich jedoch gerichtlich erstreiten und es dürfte für die Zeit nach der Haft nicht zwingend hilfreich sein, es dann in verschiedenen Playstation-Spielen zur Meisterschaft gebracht zu haben, jedoch noch nie einen PC gesehen zu haben, oder diesen routiniert bedienen zu können. Denn PC’s (vom Internetzugang gar nicht zu reden) sind in den Hafträumen verboten; mit der Folge, dass kein Gefangener bei der Entlassung eine eigentlich gebotene gefestigte Praxis im Umgang mit dem Computer vorweisen kann.

 

Abgesehen von diesen technischen Neuerungen gibt es wenig erbauliches zu berichten, vielmehr wurde im Laufe der letzten Jahre immer mehr an der Sicherheitsschraube gedreht. Jahr für Jahr gibt es neue Restriktionen: Mal werden alle Glasflaschen verboten, dann folgen Tesafilm, Uhu, Besenstiele und so weiter. Die Möglichkeiten, sich innerhalb eines Gefängnisgebäudes zu bewegen, wurde auch vielerorts teils erheblich eingeschränkt.

Konnten sich noch vor wenigen Jahren in Bruchsal, Mannheim und weiteren Gefängnissen die Bewohner gegenseitig im gesamten Hafthaus besuchen, dürfen sie sich heute in der Regel nur noch auf ihrer eigenen Station aufhalten und werden rigoros bestraft, wenn sie versuchen, jemand auf einer anderen Station zu besuchen.

 

Wohin man sieht: Kameras! Hier findet also eine Angleichung an die Lebensverhältnisse in Freiheit tatsächlich statt. Kein Schritt außerhalb der Zelle, der nicht überwacht und kontrolliert wird.

 

Ganz besonders „kontrolliert“ wird in den Gefängnissen zudem die Gruppe der „Russland-Deutschen“/Aussiedler aus den GUS-Staaten. Auch wenn sonst wenig von Solidarität zwischen und unter den Gefangenen zu spüren ist, jene Gefangenen mit Bezug zu den ehemaligen Sowjetstaaten solidarisieren sich untereinander, schotten sich teilweise auch ab, kooperieren nicht mit den Anstalten und helfen sich auch gegenseitig, z.B. mit Tabak und Kaffee. Eine Vorgehensweise und Bildung einer „Subkultur“, die der Justiz ein so massiver Dorn im Auge ist, dass mit strikten Sicherungs-, Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen versucht wird, die gruppeninterne Solidarität zu brechen. Selbst wer sich jener „Subkultur“ nicht anschließt, aber laut Geburtsurkunde in einem ehemaligen GUS-Staat geboren ist, wird automatisch mit Sicherungsmaßnahmen belegt und ist dann angehalten, erstmal gegenüber der Anstalt zu beweisen, dass er/sie sich von den entsprechenden Mitgefangenen distanziert.

 

Nicht wenige haben im Laufe der Jahre mir gegenüber bekundet, dass sie in ihrer Kindheit in der Sowjetunion als die „Scheiß-Nazi-Deutschen“ galten, nur um dann nach der Auswanderung nach Deutschland hier nun in den Gefängnissen als die „Scheiß-Russen“ bezeichnet und als solche behandelt zu werden.

 

Zu den besonders bedrückenden Erfahrungen der Bilanz zählt für mich auch das Sterben im Gefängnis. Immer mal wieder habe ich über den Tod von Gefangenen berichtet. Hier wäre dann besonders an Willi zu denken (http://de.indymedia.org/2012/11/337976.shtml), einem HIV-positiven Mitgefangenen, den die Justiz hat im Gefängnis sterben lassen – und das trotz aller seiner verzweifelten Versuche, die absehbar kurze Zeitspanne bis zu seinem Tod in Freiheit zubringen zu dürfen.

Sein Tod dürfte symptomatisch sein für die Entwicklung im (deutschen) Strafvollzug: Gnadenlose Härte, bis zum Ende.

 

 

Die Gutachter

 

Eine Bilanz wäre unvollständig, würde die Rolle und Macht von (psychiatrischen) GutachterInnen unerwähnt bleiben.

Wer vor Ende der Haftzeit, „auf Bewährung“ frei kommen möchte, wird in der Regel begutachtet. Oftmals durch Anstaltspsychologen, in vielen Fällen jedoch auch durch externe Sachverständige.

 

Der Auftrag des Gerichts, welches über eine Haftentlassung zu entscheiden hat, lautet dann meist, der/die Sachverständige möge sich dazu äußern, ob „bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fort besteht“ (vgl. § 454 Abs. 2 Strafprozessordnung).

Faktisch entscheiden dann diese GutachterInnen über Freiheit oder (weiterhin) Knast, denn fällt das Urteil des Sachverständigen positiv aus, wird der/die Betroffene entlassen, andernfalls weiter verwahrt.

 

Im Mai 2013 berichtete das ZDF Polit-Magazin Frontal 21 (http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/sendung-a-bis-z#/beitrag/video/1910436/Pflegestufe:-Kassen-gegen-Patienten) über die Begutachtungen im Bereich der Pflege. Die Kranken- und Pflegeversicherer beauftragen den MDK (Medizinischen Dienst der Krankenkassen) mit der Begutachtung von Pflegebedürftigen, um festzustellen, ob eine Pflegestufe (1, 2 oder 3) zu gewähren ist und wenn ja, welche. Dabei kommt es in zig-tausenden von Fällen – das ZDF dokumentierte die Arbeit einer unabhängigen Beraterin, und diese alleine hatte schon mehrere tausend Gutachten als falsch entlarvt – zu Falschbegutachtungen. Den ersichtlich pflegebedürftigen Menschen wird die ihnen zustehende Leistung erstmal verweigert und das in einem Großteil der Fälle, obwohl die Notwendigkeit evident ist.

 

Wenn es also schon, deshalb dieser kleine Exkurs, in einem Bereich, in welchem es primär um die Gutachtenerstattung im Hinblick auf körperliche Gebrechen und Einschränkungen geht, zu einem hohen Maß an schlicht falschen Gutachten kommt, weshalb sollte es im Bereich der (forensischen) Psychiatrie besser laufen? Auf einem Gebiet, auf welchem die Kriterien noch unschärfer sind, noch mehr der persönlichen Weltanschauung des Gutachters unterliegen!

 

Gerade weil letztlich die psychiatrischen Sachverständigen über eine Entlassung aus der Haft zu entscheiden haben, neigen sie nicht zu übermäßigem Optimismus in ihren Expertisen, denn niemand möchte, sollte die positive Prognose sich als falsch erweisen, am nächsten Tag in der BILD-Zeitung stehen mit der Schlagzeile: „DIESER Gutachter ließ den IRREN frei!“.

 

Im Unterschied zu der Situation für Pflegebedürftige gibt es jedoch für Inhaftierte weder eine entsprechende Lobby, noch unabhängige Stellen, die die Gutachten prüfen. Die Gerichte übernehmen in der Praxis die Stellungnahmen der Sachverständigen sogar wörtlich in die eigenen Entscheidungen, ohne diese kritisch zu hinterfragen (was hingegen vorkommt, wie ganz aktuell in der JVA Bruchsal: Ein durchweg für den Gefangenen X. positives Gutachten wurde vom zuständigen Richter so lange zerpflückt, bis dieser die eigentlich mögliche Haftentlassung des wegen eines Drogendeliktes inhaftierten Gefangenen ablehnen konnte). So reiht sich dann, insbesondere bei Gefangenen mit langen Strafen, ein ungünstiges Gutachten an das nächste.

 

In meinem eigenen Fall, gerade wegen der bevorstehenden Sicherungsverwahrung (bzw. in solchen Fällen prinzipiell), müsste, damit mich das Gericht auf freien Fuß setzt, der Sachverständige zu dem Ergebnis kommen, dass erneute Straffälligkeit faktisch ausgeschlossen ist. Eine Beurteilung, die selbst bei Menschen, die noch nie mit dem Strafgesetz in Berührung gekommen sind, so kaum zu treffen ist, denn es soll prognostiziert werden, dass ich etwas nicht tun werde. Dabei erwarten die Gerichte von den GutachterInnen, dass sich deren Prognose auf die nächsten Jahre erstreckt.

 

Aber wie soll ein Psychiater ernsthaft und seriös prognostizieren können, was ein Mensch in einem Monat, in einem halben Jahr oder in zwei Jahren tun oder auch nicht tun wird?

 

Ich habe für mich aus diesen und anderen Gründen entschieden, mit Psychologen und Psychiatern nicht zu sprechen.

 

Es gibt schon aus den 60’er Jahren Untersuchungen, die belegen, wie maßlos die „Gefährlichkeit“ von Inhaftierten überschätzt wird – aus welchen Motiven heraus auch immer. Aus dem Jahr 2010 datiert die Dissertation von Michael Alex („Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel“). Dr. Alex wies in seiner Untersuchung von 77 als extrem „gefährlich“ und in höchstem Maße als Rückfall gefährdet eingestuften Ex-Gefangenen nach, dass 50 der 77 Betroffenen gar nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten waren. Jene 27, die doch wieder Straftaten begingen, wurden in 10 Fällen zu Geldstrafen und in 5 Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Nur 12 Ex-Gefangene erhielten eine Strafe ohne Bewährung, in der Regel wegen Diebstahl, Betrug oder Drogendelikten. In drei Fällen wurde die Sicherungsverwahrung verhängt. Mithin in lediglich drei von 77 Fällen realisierte sich die zu Anfang prognostizierte „extreme Gefahr“, also in weniger als 4 % der Fälle. Und dies, obwohl zuvor alle 77 Personen von Justiz und Gutachtern als so extrem gefährlich beurteilt wurden, dass man sie nachträglich in die Sicherungsverwahrung stecken wollte.

 

Freilich dürfte sich auf absehbare Zeit an der Gutachter-Problematik nichts ändern, so dass hier aus Gefangenensicht der Ausblick mehr als pessimistisch ist.

 

 

Die Sicherungsverwahrung

 

Im Grunde war es für mich eine Erleichterung zu wissen, ich habe die SV schon. So konnte mich zu keinem Zeitpunkt die Justiz mit der Drohung, man werde die nachträgliche Anordnung prüfen oder gar beantragen (was rechtlich nach wie vor möglich ist; vgl. http://de.indymedia.org/2013/03/342812.shtml) unter Druck setzen.

 

Heute vielfach nicht (mehr) bekannt ist, es waren vornehmlich die Vertreter kommunistischer und sozialdemokratischer Parteien, die während der Weimarer Zeit die damals angedachte Einführung der SV verhinderten. Und kein geringerer als Kurt Tucholsky, dessen Satz von „Soldaten sind Mörder“ zum Kampfruf für Millionen von Menschen wurde, positionierte sich schon 1928 eindeutig gegen die SV („Nieder mit der Sicherungsverwahrung“ in: Die Weltbühne 1928, S. 838-840, vgl.

http://www.textlog.de/tucholsky-verwahrung.html). Es waren dann die Nationalsozialisten, die am 23.11.1933 die SV einführten.

 

In der Zeit nach 1949 durften Vertreter der unbarmherzigen NS-Justiz, wie ein Eduard Dreher (1943 in Innsbruck an Todesurteilen beteiligt) in der westdeutschen Justiz Karriere machen (vgl. http://www.taz.de/!116047/) und, wie erwähnter Dreher, maßgeblich die Kommentierung und damit auch Anwendung der Paragrafen zur Sicherungsverwahrung verantworten.

 

Die DDR-Justiz entschied schon 1952, dass die SV „inhaltlich faschistisch“ (Urteil Oberstes Gericht der DDR vom 23.12.1952) und deshalb, auf dem Gebiet der DDR, verboten sei.

 

Heute sind die Haftbedingungen in der SV, im Vergleich zum übrigen Strafvollzug, sicherlich ein bisschen erfreulicher und auch entspannter (zur medialen Rezeption vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/84689), jedoch bleibt selbst ein golden angestrichener Käfig immer noch ein Käfig!

 

 

Ausblick in eigener Sache

 

Da ich damit rechnen muss, die nächsten zehn Jahre in der Sicherungsverwahrung zuzubringen, mag der Ausblick wenig erfreulich anmuten. Jedoch bin ich in der außerordentlich glücklichen Situation, Menschen zu kennen, Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen, die mich begleiten, mir schreiben und auch zu Besuch kommen, sowie tatkräftig unterstützen.

Es gibt zudem Gruppen, die stets solidarisch sind, wie ABC (http://www.abc-berlin.net), die Rote Hilfe e.V. (http://www.rote-hilfe.de) oder das gefangenen info (http://www.gefangenen.info).

Zu erwähnen ist auch der Berliner Verein Freiabonnements für Gefangene e.V., der vielen hundert Gefangenen, darunter auch mir, regelmäßig Abonnements von Zeitungen und Zeitschriften vermittelt (http://www.freiabos.de).

 

Und so bin ich guten Mutes, auch die vor mir liegende Zeit, in der ich dann nicht mehr „Strafgefangener“, sondern „Sicherungsverwahrter“ sein soll, einigermaßen unbeschadet zu überstehen.

 

Zumindest jedoch besser, als jene, die nicht das Glück haben, auf so breite Unterstützung bauen zu können. Die vergessen von der Welt in ihren Zellen ein Leben leben, das mit Würde wenig und mit Freiheit nichts zu tun hat.

 

 

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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Knast 2013 – Der Irrsinn geht weiter

„Von Loch bis Luxus“, so titelte am 19.04.2013 die BILD-Zeitung, um unter Hinweis auf eine Internetseite ( https://www.knast.net) die Bewertungen für einige Knäste zu skandalisieren, da es dort sogar Pay-TV gebe. Der Alltag hinter den Mauern der Haftanstalten und forensischen Psychiatrien ist meist differenzierter, wenn auch nicht weniger skandalös.

a.) Ausbeutung von Patienten?

Wie die Süddeutsche Zeitung am 13.05.2013 unter der Überschrift „Modellphase“ berichtete (ähnlicher Artikel auch online: „Geschäft mit Modellautos aus der Psychiatrie“  http://www.sueddeutsche.de/bayern/haderthauers-ehemann-geschaeft-mit-modellautos-1.1670704), ließ der Landgerichtsarzt Haderthauer, er ist Ehemann der CSU-Sozialministerin Christine Haderthauer in München, bis 2008 Patienten einer forensischen Klinik, in welcher sie eigentlich therapiert werden sollten, Modellautos bauen.
Was ist daran skandalös? Die exklusiven Modelle der Firma SAPOR Modelltechnik( http://www.sapormodelltechnik.de/) im Maßstab 1:8 werden laut SZ für einen Preis von circa. 15.000 Euro an Liebhaber verkauft. Die Patienten, die werktäglich 6 Stunden die Modelle aus Holz, Leder und Chrom fertigen, speist man mit circa 200 Euro Monatslohn, effektiv also knapp 1,70 Euro Stundenlohn ab. Vor sechs Jahren wurde eines der Modelle sogar für mehr als 30.000 Dollar bei Christie’s versteigert.
Der Mediziner war nach eigenem Bekunden von den künstlerischen Fertigkeiten insbesondere eines seiner Patienten so begeistert, dass er bei besagter Firma SAPOR Modelltechnik einstieg. Kennengelernt hatte Haderthauer den Patienten Roland S. im Rahmen der eigenen dienstlichen Tätigkeit als Stationsarzt. Erst 2008, als seine Gattin zur Sozialministerin aufstieg, habe er seine Firmenanteile veräußert. Hierzu muss man wissen, dass die Ministerin die Dienst- und Fachaufsicht über die forensischen Psychiatrien in Bayern ausübt.
Noch heute lässt die Firma, so die SZ, in der Straubinger Psychiatrie ihre Modelle fertigen, jedoch ohne damit auf der Firmenwebsite zu werben.

b.) Arbeitslosengeld für Ex-Gefangene

Inhaftierte sind von fast allen Sozialversicherungen ausgeschlossen! Lediglich für Unfallversicherung und Arbeitslosenversicherung werden – pauschalisierte – Beträge entrichtet. Für vorerwähnte Patienten der Psychiatrie, dies nur als Ergänzung, wird, selbst wenn sie, wie dargestellt, hochqualifizierte Tätigkeiten verrichten, nicht einmal in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt, mithin haben sie nach Entlassung auch keinen Anspruch auf AlG-1.
Seit einiger Zeit hat sich nun die Situation für ehemalige Gefangene verschlechtert.
Bis Mitte 2012 konnten aus der Haft entlassene Gefangene davon ausgehen, ALG-1 zu erhalten, wenn sie die letzten 12 Monate vor ihrer Freilassung der Arbeitspflicht Genüge getan hatten. Ihnen wurde durch die jeweilige Haftanstalt bescheinigt, von wann bis wann sie gearbeitet haben, sobald das mehr als ein Jahr war, gab es ALG-1. Die Bundesagentur für Arbeit ging bis 2010 davon aus, dass auch die im Strafvollzug nicht vergüteten Wochenendtage und Feiertage in die Ermittlung der Versicherungszeiten einzubeziehen sind.
Nach einer Neuinterpretation der gesetzlichen Regelungen und einem internen Diskussionsprozess wurde mit Weisung von Juli 2012 seitens der Bundesagentur für Arbeit festgelegt, dass ab 20.07.2012 „künftig nur noch die Tage anwartschaftsbegründend sind, die mit Entgelt belegt sind“, was zur Folge hat, dass ehemalige Gefangene nur noch dann ALG-1 (und die mit der Zahlung einhergehende besondere Förderung und Betreuung) erhalten, wenn sie real 360 Tage bezahlte Arbeit geleistet haben, faktisch, so das Justizministerium Baden-Württemberg in einer Mitteilung, also ca. 17,5 Monate. Nur wer also in den zwei Jahren vor der Entlassung 17,5 Monate gearbeitet hat, bekommt sein ALG-1.
Für viele ehemalige Gefangene, insbesondere jene mit Strafen von einem bis zu 3 Jahren bedeutet das, sie werden durch das soziale Netz fallen und auf ALG-2 angewiesen sein.
Hintergrund für die Benachteiligung der Gefangenen ist, dass nach dem Strafvollzugsgesetz nur für jene Tage Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abgeführt werden, an denen diese tatsächlich arbeiten: so fallen alle Wochenenden, Feiertage, aus sonstigen Gründen arbeitsfreie Tage (z.B. die Beamten machen ihre Ausflüge, dann sind die Betriebe geschlossen, mithin wird auch nicht gearbeitet und werden keine Beiträge abgeführt) aus der Berechnung heraus. Gleiches gilt für Tage der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verteidigt diese Neuregelung mit Nachdruck, bestreitet jede Form der Benachteiligung der Gefangenen, zumal diesen ja in jedem Falle Hartz-4 im Falle der Freilassung zur Verfügung stünde.

c.) JVA Bruchsal

Das Bruchsaler Gefängnis ist immer gut für eine kritische Berichterstattung.

Duschräume: bis vor einigen Jahren verfügten die Gemeinschaftsduschen in der Justizvollzugsanstalt über Trennwände zwischen den einzelnen Duschen. Im Zuge der Sanierung der Sanitäranlagen wurden alle Trennwände entfernt. Der Petitionsausschuss des Landtages ( http://www.landtag bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP15/Drucksachen/3000/15_3265_D.pdf Drucksache 15/3265) hat am 11.04.2013 entschieden, dass dies nicht zu beanstanden sei (vgl. Drucksache S.9, dort Nr. 7 zur Petition 15/2090), da die Entfernung der Trennwände aus „Sicherheitsgründen“ notwendig gewesen sei, damit die Wärter stichprobenartig kontrollieren könnten, um so Übergriffe zu verringern.
Unbeachtet gelassen hat der Landtag, dass die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter (eingerichtet auf Grundlage eines UN-Übereinkommens, vgl.  http://de.indymedia.org/2012/08/333296.shtml) in Wiesbaden regelmäßig das Fehlen von Trennwänden in den Knastduschen beanstandet ( http://www.antifolterstelle.de).

Freizeit: zu der schon letztes Jahr gerügten Verkürzung der abendlichen „Freizeit“ ( http://de.indymedia.org/2012/12/339062.shtml , dort unter Punkt F. ganz am Ende), man schließt die Gefangenen werktags mittlerweile um 18:30 Uhr weg, anstatt wie zuvor erst um 19:20 Uhr, liegt nun auch eine Einschätzung des Landtages vor ( http://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP15/Drucksachen/3000/15_3264_D.pdf Drucksache 15/3264), wonach die Neuregelung vertretbar sei (vgl. Drucksache S.5, dort Nr. 4 zu Petition 15/2089), da eine „Verkürzung der täglichen Freizeitangebote (…) um zehn Minuten (…) zumutbar“ erscheine.
Woher man auf die „zehn Minuten“ kommt, erschließt sich den Betroffenen nicht, denn selbst nach den in der Drucksache mitgeteilten Zeiten ergibt sich eine Verkürzung um mindestens eine halbe Stunde! Soweit der Landtag im Übrigen auf Wünsche der Gefangenenvertretung verweist, bestreitet die Mitglieder der Gefangenenvertretung nachdrücklich irgendetwas mit der Neuregelung zu tun zu haben.
Deren 1. Sprecher John S. teilte mir mit, man habe zwischenzeitlich in einem Protestbrief gegen die „Falschdarstellungen“ protestiert.

d.) Computernutzung in der Sicherungsverwahrung

Im Strafvollzug ist es den Betroffenen prinzipiell verwehrt, Computer zu besitzen, lediglich im Rahmen von EDV-Kursen oder in den Betrieben der Gefängnisse besteht die Möglichkeit in den Klassenräumen oder den Werkstätten am PC zu sitzen.
Für den Bereich der Sicherungsverwahrung plant das Land Baden-Württemberg nichts anderes, denn der Landtag hält, zusammen mit der Justizverwaltung, Computer in den Händen von Inhaftierten für Teufelszeug ( http://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP15/Drucksachen/3000/15_3086_D.pdf Drucksache 15/3086), wie man nun auf eine Petition hin feststellte (vgl. Drucksache S.2, dort Nr. 2 zur Petition 15/1603).
Angeblich wären die Sicherheitsrisiken unabsehbar.
Verblüfft stellt man fest, dass nur ein paar hundert Kilometer weiter nördlich, nämlich in Niedersachsen, es problemlos möglich ist, den dortigen Verwahrten ein Mediensystem inklusive Telefon, e-mail und Internet im Haftraum zu installieren. Sogar angerufen werden können dort die Verwahrten.

e.) Hinweis zum Schluss

In der PDF- Datei zu dem heutigen Artikel finden sich das offizielle Merkblatt der niedersächsischen JVA Rosdorf, aber auch die Antworten des Landtages, die weiter oben zitiert werden, und Unterlagen zu der Thematik des Arbeitslosengeldes.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
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Der große Bluff – Neonazis im Knast

In den letzten Tagen machten neonazistische Netzwerke, die in den Knästen aktiv sind, bundesweit Schlagzeilen. Aus antifaschistischer Sicht handelt es sich hier um einen großen Bluff.

 

Neonazis im Knast

 

Selbstverständlich gibt es auch in den Gefängnissen Neonazis, sind doch Knäste Abbild der Gesellschaft. Und kein Nazi gibt seine Gesinnung am Knasttor ab. Da gibt es jene, die ganz offen mit dem Hakenkreuz auf dem Rücken über den Flur spazieren, eine Kette tragen mit einer Münze aus dem Dritten Reich (inklusive Hakenkreuz), Bildern von Hitler an der Zellenwand.

 

Oder jene, die dann antisemitische und rechtsextreme Parolen an Zellenwände schmieren.

 

Aktuell ist jedoch fast nur von Gefangenen die Rede, die versucht hätten ein Netzwerk zu schaffen, nur en passant werden auch mal Bedienstete erwähnt, die „vielleicht“ Gesinnungskameraden unterstützen. Die Neonazis können doch nur so frei handeln, weil sie sich in weiten Teilen auf zumindest stillschweigende Solidarität durch Beamte verlassen (können).

 

Da dulden Beamte antisemitische Schmierereien an Flurwänden und wenn man sie darauf anspricht, reagieren sie pampig (http://www.freedom-for-thomas.de/thomas/texte/knast/Up43zdPaBD.shtml), Anstaltsjuristen berufen sich zur Rechtfertigung ihrer Ansichten auf Vorgänge des Jahres 1932 (http://www.freedom-for-thomas.de/thomas/texte/knast/vy7X8B9HBJ.shtml), Anstaltsleiter zitieren die „Boehsen Onkelz“ (http://www.freedom-for-thomas.de/thomas/texte/knast/OGaK04fJvU.shtml) oder Wärter schließen sich in Motorrad-Clubs zusammen, deren Embleme und Kutten-Aufnäher zumindest eine gewisse Affinität zur rechten Szene nahelegen (http://www.freedom-for-thomas.de/thomas/texte/knast/OEJWgo8j9q.shtml).

 

Politische Bewertung der aktuellen Berichte

 

Der Verdacht, die FDP, insbesondere Jörg HAHN (hessischer Justizminister) versuche hier mit einem billigen Wahlkampfmanöver im Vorfeld des NSU-Prozesses ein paar positive Schlagzeilen zu erzielen, ist nicht von der Hand zu weisen. Denn worüber nun die bundesweite Presse teilweise sehr aufgeregt berichtet, ist in antifaschistischen Kreisen schon seit langem bekannt, nur interessierte sich weder die überregionale Presse dafür, noch die Politik.

Sicher ist nicht jeder FDP- oder CDU-Politiker ein Neonazi, aber wenn man sich die Historie gerade dieser Parteien ansieht, aufgebaut und durchdrungen auch von Altnazis (noch vor wenigen Jahren verstieg sich der damalige CDU-Ministerpräsident Oettinger in einer Trauerrede auf den verstorbenen Nazi-Marinerichter und ehemaligen Ministerpräsidenten Filbinger dazu, Filbinger in die Nähe der Widerständler gegen das Nazi-Reich zu rücken. Dafür wurde Oettinger dann nicht etwa mit Ächtung bestraft, sondern zum EU-Kommissar „befördert“, wo er noch heute in Brüssel tätig ist), kommt man nicht umhin, Parallelen in der Einstellung zu bestimmten „Werten“ festzustellen. Wer dann noch in den Staatsdienst eintritt, zumal in einen Repressionsapparat, dies belegen sozialwissenschaftliche Untersuchungen über die Werteeinstellung entsprechender Beschäftigter, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit ein – gelinde gesagt – „wertkonservatives“ Weltbild.

 

Insofern ist es nicht überraschend, dass nun ein Neonazi-Netzwerk enttarnt wurde – und wenn die mediale Aufmerksamkeit sich verflüchtigt hat, werden sich diese Netzwerke erneut bilden. Denn die Beschäftigten in den Gefängnissen werden die selben sein!

 

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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in memoriam Willi

Am 10 April jährt sich erstmals der Todestag des Bruchsaler Gefangenen Willi K., Opfer einer gnadenlosen deutschen Justiz.

Vorgeschichte

Der 1966 im Südbadischen geborene Willi starb, nachdem er sich in Haft mit HIV (beim Spritzentausch) infizierte, vor einem Jahr im Bruchsaler (http://www.bruchsal.de/) Krankenhaus, in welches er nur Stunden vor seinem Tod notverlegt wurde.
Über seinen Sterbeprozess und vergeblichen Kampf um ein Sterben in Würde und vor allem Freiheit habe ich verschiedentlich berichtet (zuletzt http://de.indymedia.org/2012/11/337976.shtml).

Willi hatte alles versucht, vom Gnadengesuch an den GRÜNEN Ministerpräsidenten Kretschmann (http://www.stm.baden-wuerttemberg.de), bis hin zu Anträgen auf Haftunterbrechung wegen Vollzugsuntauglichkeit oder auch zumindest reguläre Freilassung auf Bewährung an das Landgericht Karlsruhe (http://www.lgkarlsruhe.de/).
Insbesondere das Landgericht zeichnete sich dadurch aus, dass es die Anträge so lange hatte liegen lassen, bis Willi starb.
Dass die Richterinnen und Richter am Landgericht Karlsruhe weiterhin unwillig sind, beschrieb ich vor wenigen Wochen in einem Beitrag über „Karlsruher Landrecht“ (http://de.indymedia.org/2013/03/342720.shtml); wobei hier die RichterInnen nur exemplarisch für den Gesamtzustand der Justiz stehen.

Erinnerung an Willi

Bei Gefangenen, die Willi noch kannten, kommt nur noch selten das Gespräch auf ihn und seinen Todeskampf, aber immerhin, an ihn erinnert man sich öfter als an manch anderen Gefangenen, der hier schon gestorben ist.

In Erinnerung bleibt seine lebhafte, sehr kommunikative Art, aber auch die erschreckend abgemagerte Gestalt, die er in seinen letzten Lebensmonaten war, als er sich nur noch tastend und unendlich langsam auf dem Flur vorwärts bewegen konnte. Oder wie er dann in den letzten Lebenstagen delirierend in seiner acht Quadratmeter messenden Zelle lag.

Ausblick

Auch weiterhin werden Gefangene in Haft sterben, ob in Bruchsal oder anderswo. Das ist zur Kenntnis zu nehmen, sollte jedoch nicht widerspruchslos hingenommen werden. Willi hatte das besondere Unglück das Kainsmal der „Sicherungsverwahrung“ (SV) auf der Stirn zu tragen, hatte er doch zur Finanzierung seiner Drogensucht Apotheken und auch eine Tankstelle überfallen.

Ein Staat, der von sich behauptet, die Todesstrafe abgeschafft zu haben, dann aber Strafen bis zum Tod vollstreckt, oder Menschen über fünf Jahrzehnte bloß verwahrt (vgl. zum am längsten in Deutschland einsitzenden „Icke“ in Bruchsal, der seit Anfang 1962 in Haft sitzt  http://de.indymedia.org/2012/07/332723.shtml), der praktiziert faktisch sehr wohl die Todesstrafe, auch wenn er sich scheut sie so zu nennen.

Da schieben dann unwillige RichterInnen die Akten von einer Ablage in die nächste, oder berufen sich auf angebliche Gefahren für die Allgemeinheit, selbst wenn die Betroffenen erkennbar und auch ärztlich attestiert moribund sind.

In einer Zeit, in der die Kriminalitätsrate sinkt, in der man historische Tiefstände bei Mord und Totschlag erreicht, steigen die Verwahrdauern von Menschen hinter den Knastmauern, wie auch hinter jenen der forensischen Psychiatrien.

Und so wird auch weiter in den Gefängnissen gestorben werden – und kaum jemanden wird es bewegen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D – 76646 Bruchsal
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