Bericht des Anti-Folterkomitees liegt vor

Wie im November 2013 berichtet (http://community.beck.de/gruppen/forum/anti-folterkomitee-besucht-knast) führte der Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder ernidrigender Behandlung oder Strafe (kurz: CPT) des Europarats einen Besuch in deutschen Gefängnissen durch. Nun liegt ein offizieller Bericht vor.

Hauptziel des Besuches

Vom 25. November bis 2. Dezember 2013 besuchte eine fünfköpfige Delegation, darunter auch ein Arzt und eine Psychaterin vier Haftanstalten (Diez, Frankfurt/ a.M., Freiburg und Hohenasperg bei Stuttgart) um die Behandlung und die Bedingungen im Bereich der Sicherungsverwahrung zu prüfen. Darüber hinaus wurde die Verhängung besonderer Sicherungsmaßnahmen, aber auch Fragen der chirugischen Kastration untersucht.

JVA Diez (Rheinland-Pfalz)

Die zum Zeitpunkt des Besuchs mit 40 Verwahrten (max. 64) belegte Anstalt „beeindruckte“ (Zitat) die Delegation, da es sich um einen Neubau handelte, der speziell auf die Bedürfnisse der Verwahrten zugeschnitten sei, inklusive freier Bewegung innerhalb des Hauses und des Hofareals, Sporträume, Duschen und Küchenzeilen in den Zellen. Bemängelt wurde jedoch zum einen, daß weder ein Arzt ganztägig vor Ort sei, sondern nur an zwei Tagen in der Woche. Zum anderen seien die therapeutischen Maßnahmen unzureichend. Auch würden viel zu viele der Verwahrten sich selbst überlassen und von Seiten der Anstalt nicht motiviert oder unterstützt. Auch sei das Lockerungsprogramm, um eine baldige Gewöhnung an die Freiheit zu ermöglichen, noch ausbaufähig.

JVA Freiburg

Zum Besuchs-Zeitpunkt saßen 58 Verwahrte in den maximal zur Verfügung stehenden 63 Zellen. Nach Ansicht des CPT sei der „ziemlich gefängnisartige“ Bau bedauerlich, auch sei zu bemängeln, daß die gesetzlich vorgesehene Bewegungsfreiheit und Möglichkeit sich im Hof aufzuhalten nur unzureichend gewährt würden. Daß man vertrauliche Gespräche am Telefon nur auf dem Flur führen dürfe, sei gleichfalls betrüblich. Auf Befragen habe im übrigen die Leitung der JVA Freiburg selbst zugeben müssen, daß die Ausstattung mit Fachpersonal unzureichend sei, weshalb auch hier zahlreiche Verwahrte sich selbst überlassen bleiben müssten. Beanstandet wurde auch, daß nur der zu einem Anstaltsarzt vorgelassen werde, der zurvor einen schriftlichen Antrag, unter der Angabe der Gründe offen dem Stationsbeamten übergeben habe.

Zuletzt forderte das CPT die Bundesrepublik auf, sich dazu zu äußern, wie mit einem an einer Lernbehinderung, sowie akuten psychotischen Störung und Persönlichkeitsstörung leidende Insasse, der sich in Einzelhaft befand, weiter verfahren worden sei.

JVA Frankfurt/ a.M.

Hier besuchte die Delegation die zur Zeit einzige Sicherheitsverwahrte in der BRD. Faktisch werde an der Frau zur Zeit Einzelhaft vollzogen, da sie die einzige weibliche Verwahrte sei. Diese beschwerte sich darüber, daß das Personal ihre Briefe lese und vertrauliche Telefonate nicht möglich seien.

Die materiellen Haftbedingungen lobte das CPT als „sehr gut“, da die Zellen aus jeweils zwei Räumen, inklusive Nassbereich bestünden, es eine Stationsküche und auch einen Fernsehraum gebe.

Sozialtherapeutische Anstalt Hohenasperg

Die Einrichtung war mit 52 Inhaftierten voll belegt, darunter sieben in Sicherungsverwahrung und weitere elf Gefangene die auf den Antritt der Sicherungsverwahrung warteten, bzw. bei denen durch die Therapie dieser Antritt vermieden werden soll.

Das CPT teilt die von den Verwahrten geäußerte Kritik über die sehr beengten räumlichen Verhältnisse (Doppelbelegung der Zellen oder auch 3-Mann-Zellen), sowie den Umstand, daß die Verwahrten auf die eigentlich ihnen gesetzlich zustehenden Privilegien als Verwahrte verzichten müssten, um an der Behandlung dort teilnehmen zu dürfen.

Die Leiterin der Einrichtung habe eingeräumt, daß die Inhaftierten eigentlich auch aus therapeutischer Sicht besser einzeln unterzubringen seien und man „mittelfristig“ plane, die Anstalt auf das Gelände der (berüchtigten) JVA Stuttgart-Stammheim zu verlegen.

Besondere Sicherungsmaßnahmen

Hier widmete sich das CPT insbesondere der Fixierung und der Unterbringung in einem bgH (besonders gesicherter Haftraum ohne gefährliche Gegenstände). Das CPT hob (positiv) hervor, daß die Zahl der Fixierungen in den letzten Jahren erheblich abgenommen habe, „ermutigt“ jedoch alle Anstalten gänzlich auf solche Maßnahmen zu verzichten.

In der JVA Freiburg sei zu bemängeln, daß der Betroffene keine schriftliche Verfügung erhalte. Für die JVA Berlin-Tegel findet sich in dem Bericht die Empfehlung auf die Fixierung mit Metallhandschellen wegen der Verletzungsgefahr zu verzichten.

Soweit bei der Unterbringung im bgH die gesetzlich vorgesehen Hofstunde entzogen würde, findet es das CPT bedenklich, daß die seit Jahren ausgesprochene Empfehlung dieses Hofgangverbot abzuschaffen, noch immer nicht beachtet werde.

Kastration von Sexualstraftätern

Zum wiederholten Male empfahl das CPT diese Maßnahme abzuschaffen. Es handle sich möglicherweise um eine erniedrigende Behandlung.

Die deutschen Behörden hätten (jedoch) angegeben, daß die Zahlen der Kastrationen erheblich im Rückgang befindlich sei: von 1970-1980 habe es bei 770 Anträgen 430 Bewilligungen gegeben, seit 2000 seien 29 Anträge gestellt und in 11 Fällen genehmigt worden.

Ausblick

Erst vor ein paar Tagen berichtete ich über die hoffnungslose Situation vieler Verwahrter, speziell in der JVA Freiburg (http://community.beck.de/gruppen/forum/ein-jahr-sicherungsverwahrung)

So hatten sich manche mehr versprochen vom Besuch der CPT; wenn man jedoch berücksichtigt, daß es sich letztlich um ein politisches Instrument der Staaten die dem Europarat angehören handelt, war nie eine ernsthafte Kritik an hiesigen Zuständen zu erwarten.

Herr A., ein Langzeitinsasse und Verwahrter, forderte kürzlich vom Gefängnisarzt der JVA Freiburg eine Todesspritze, damit er endlich sein Leid beenden könne. Dieses Ansinnen wurde abgelehnt.

Sein Wunsch verdeutlicht jedoch die hoffnungslose Situation der Gruppe der Sicherungsverwahrten; und daran hat das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 04.05.2011 (http://linsunten.indymedia.org/de/node/68014) letzlich garnichts geändert.

Thomas Meyer-Falk c/o JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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Antijüdische Attacken auf Restaurant

Nachdem die Süddeutsche Zeitung am 12. Juli 2012 prominent auf Seite 3 ausführlich über den Umzug des einzig koscheren Restaurants in Sachsen, das „Schalom“ (Chemnitz) berichtete, frug ich beim Petitionsausschusses des Landtages an, ob man sich nicht in der Lage sehe, den Betreiber vor rechtsextremistischen Angriffen zu schützen.

Vorgeschichte

Wie die Süddeutsche Zeitung informierte, leide der jüdische Betreiber seit Jahren unter antisemitischen Über- und Angriffen. Zerstochene Autoreifen, ein vor dem Restaurant deponierter Schweinekopf und vieles mehr. Als der Betreiber den Schweinekopf zur Anzeige brachte, habe die Polizei sich geweigert, einen Streifenwagen vorbei zu schicken, denn an jenem Morgen hätte es geschneit und in Folge des Schnees seien Verkehrsunfälle vorrangig zu bearbeiten. Als sich dann doch eine Streife vor Ort bequemt hatte, habe der Restaurantbetreiber mit einem Müllsack und seinem eigenen Fotoapparat aushelfen müssen. Bezeichnend sei dann auch, dass der Schweinekopf nicht zur Spurensicherung gelangte, sondern von der Polizei kurzerhand der städtischen Tierkörperverwertung zugeführt worden sei.

Letztlich habe der systematische Psychoterror, die antisemitischen Angriffe, dazu geführt, dass der Betreiber das Restaurant schloss, um es an anderer Stelle neu zu eröffnen.

Die Reaktion des Landtages

Rund zwei Jahre benötigte der Petitionsausschuss des Landtages, um in der 100. Sitzung des Plenums (http://www.landtag.sachsen.de/de/aktuelles/sitzungskalender/beschluesse.do/nd10195) zu beschließen, dass der Petition nicht abgeholfen werden könne (Drucksache 5/14756, Petition 05/03098/8).

Der Landtag stellte am 9. Juli 2014 fest, alles habe hier seine rechte Ordnung gehabt. Zwar würden die Taten – Zitat – „den Schluss (zulassen), dass eine rechtsextremistische und/oder antisemitische Motivation anzunehmen“ sei, jedoch gebe es keinerlei Anlass, irgend etwas zu kritisieren oder Maßnahmen zu ergreifen. Zumal, und hier klingt man leicht beleidigt, darüber überhaupt mit dem Vorgang behelligt worden zu sein, liege doch alles mitunter schon Jahre zurück.

Die Berichterstattung der Süddeutschen würde fälschlicherweise den Eindruck erwecken, es handele sich um eine aktuelle Situationsbeschreibung.

Bewertung der Entscheidung

Offenbar ist man beim sächsischen Landtag blind und taub, denn in dem erwähnten Artikel wird ausführlich berichtet, dass nur wenige Tage vor Erscheinen, es (wieder) anonyme Anrufe gegeben habe: „Du Judensau, hau ab aus Chemnitz“.

Systematischer rechtsextremistischer und antisemitischer Psychoterror hat den Betreiber veranlasst, das Restaurant dort zu schließen und an anderer Stelle neu zu eröffnen.

Nicht ein Wort des Bedauerns findet sich in dem Beschluss des Landtages, kein Fingerzeig für Verständnis für die Lage des Restaurantbetreibers; man ist ausschließlich bemüht, die eigenen Polizeikräfte zu loben.

Eingedenk der Mordserie des NSU reiht sich diese Entscheidung des sächsischen Landtages ein, in die Verharmlosungsstrategie der etablierten Parteien.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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Freiburger Knastzeitung online

Bundesweit gibt es ca. 50 bis 60 Gefangenenzeitschriften (vgl. AK-Str.VollzuG, § 67 Rz. 23), d.h. Zeitschriften von Inhaftierten, die sich primär an Mitgefangene richten, jedoch auch darüber hinaus eine interessierte Öffentlichkeit über die Zustände hinter den Gefängnismauern infomieren (möchten).

Meist fungieren jedoch die jeweiligen AnstaltsleiterInnen als „Herausgeber“, so daß diese letzendlich auch darüber entscheiden, welche Artikel erscheinen, oder eben auch nicht. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß einige der Landespressegesetze ausdrücklich vorsehen, daß StraftäterInnen nicht als Herausgeber von Publikationen fungieren dürfen.

Die in der JVA Freiburg erscheinende Publikation „JANUS“ gibt es nun schon seit längerer Zeit auch als Online-Ausgabe, auf einem Rechner der örtlichen Universität.

Vor wenigen Tagen erschien Ausgabe 2/2014, mit einem Umfang von 50 Seiten und einer spannenden Mischung aus Beiträgen rechtlich relevanter Themen (z.B. § 35 BtMG, d.h. unter welchen Voraussetzungen ist eine Zurückstellung der Starfe bei Betäubungsmittelabhängigkeit zulässig und möglich), vor allem in einer Sprache die die Insassen auch verstehen und nicht in Form von abstrakter Gesetzes-Lyrik, aber auch Beiträgen die über die eigene Knastmauer hinaus blicken: Internet hinter Gittern (was nach wie vor faktisch unzugänglich ist), Sexualität im Gefängnis oder auch wichtige Informationen über Beratungsstellen und Stiftungen die Entlassenen einen Weg „zurück in die Gesellschaft“ erleichtern sollen. Besonders erfreulich, das in Berlin seit einiger Zeit aktive Kollektiv „Ratgeber für Gefangene“, welches die Neuauflage eines gleichnamigen Werks plant, kommt auch zu Wort und wirbt für eine aktive Mitarbeit an der Neugestaltung des Ratgebers.

Berücksichtigt man, daß – wie eingangs erwähnt- auch der JANUS formal herausgegeben wird von dem aktuellen Anstaltsleiter, Harald Egerer, erwiesen sich die Beiträge als erfreulich kritisch.

Die Möglichkeit auch online (siehe oben) auf die Ausgaben zugreifen zu können, eröffnet die Chance, daß weiterer Leserinnen und Leser, auch solche die keinen unmittelbaren Bezug zum Thema „Strafvollzug“ haben, einen Blick hinter die Mauern werfen können und selbst erfahren, daß die Klischees vom „Hotel-Vollzug“ eben nicht zutreffen.

Thomas Meyer-Falk c/o JVA (SV), Herman-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg

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