Tod und Siechtum in Sicherungsverwahrung

Aus der Freiburger Sicherungsverwahrung gibt es selten Gutes zu berichten – so auch heute nicht.

Herr M. verliert ein Bein

Der heute 55-jährige Herr M. wurde mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 25.08.1999 wegen versuchten Mordes und versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Mit Urteil vom 6.02.2013 wurde nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet, da er an einer chronifizierten Psychose leide und deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen werde (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. vom 7. Mai 2014, Az. 2 Ws 32/14).

Seit Juli 2013 war Herr M. mein direkter Zellennachbar und immer mal wieder unterhielten wir uns über seine Situation, denn er hatte – nach eigenem Bekunden – mit dem Leben in Freiheit abgeschlossen. Briefe von Gerichten oder seinem Pflichtverteidiger zerriss er, ohne sie zu lesen, meist sofort nach Erhalt. In den Gesprächen wirkte er wach, voll orientiert, war aber auch ein Einzelgänger, der einfach nur seine Ruhe wollte.

Vor einiger Zeit entwickelte sich ein Abszess in der Leistengegend und Herr M. suchte den Anstaltsarzt auf. Erst bekam er eine Salbe, später, so Herr M. habe ein Sanitär der JVA versucht, mit einer Nadel in den Abszess zu stechen, um Eiterflüssigkeit abzulassen. Diese „Maßnahme“ verweigerte Herr M. und konnte stattdessen eine Verlegung in das nahe gelegene St.-Josephs-Krankenhaus durchsetzen. Dort schätzte man die Situation dann so kritisch ein, dass nicht irgendein Krankenpfleger mit einer Nadel herum stochern sollte, sondern M. kam umgehend „auf den Tisch“, sprich, es musste eine Not-OP durchgeführt werden.

Es folgten weitere Operationen und wir sahen dann nur noch einmal kurz Herrn M., bevor er zur „Nachsorge“ in das Gefängniskrankenhaus Asperg (bei Stuttgart) verlegt wurde. Dort schien es dann mit der „Nachsorge“ nicht so ganz funktioniert zu haben, denn nun wurde ihm ein Bein amputiert.

Sein Haftraum 136 in der Freiburger Sicherungsverwahr-Anstalt räumte am 13.11.2014 ein Vollzugsbeamter.

Herr K. verliert sein Leben

Wie Herr M., so lebte auch Herr K. auf der Station 2 der SV-Anstalt in Freiburg, er war 64 Jahre alt und jeder Verwahrte hatte schon von ihm gehört. Denn regelmäßig schrie er aus dem Zellenfenster seiner kahlen Zelle: „Sucka!Nachui!“ (russische Schimpfworte). In der UdSSR aufgewachsen, kam er später nach Deutschland. Ich lernte ihn als sehr zurück gezogen lebenden, eigenbrödlerischen Menschen 2013 kennen. Seine Zelle war meist ziemlich verdreckt, er verstopfte auch schon mal sein WC und verrichtete dann so lange die Notdurft weiterhin in das WC und das Waschbecken, bis nach Tagen das Personal mal nachschaute, aber erst nach dem der Gestank schier unerträglich wurde.

Bekam er mal eine Tafel Schokolade oder auch ein Stück Kuchen geschenkt, reagierte er mit einem mürrisch-brummelnden „Danke“, drehte sich um und legte sich auf sein Bett.

Zuletzt sah man ihn auf dem Flur nur noch im Unterhemd bekleidet, denn sein Hoden war abnorm vergrößert; außerdem waren die Beine dick geschwollen und sichtlich sehr entzündet. Nicht wenige frugen sich, wie man einen Menschen derart sich selbst überlassen konnte. Die Anstalt verteidigt sich mit dem Hinweis, das Justizvollzugsgesetzbuch-5 (dieses regelt den Vollzug der Sicherungsverwahrung) sehe – im Gegensatz zu dem Gesetz für den Strafvollzug – gerade keine Zwangsbehandlung bei Eigengefährdung vor, deshalb habe man über das Vormundschafts-/Familiengericht des AG Freiburg erst einen zivilrechtlichen Betreuer bestellen lassen müssen.

Als dieser dann bestellt gewesen war, kam er auf die Station und ihm genügte ein kurzes Gespräch mit Herrn K., um die Zustimmung zur Verlegung ins Gefängniskrankenhaus Asperg zu erteilen.

Allerdings kam die Behandlung letztlich zu spät, denn am 11.11.2014 ist Herr K., wie es heißt, „eines natürlichen Todes“ gestorben.

Reaktion der Mitverwahrten und Ausblick

Als am 12. November die Nachricht über den Tod von Herrn K. und die Beinamputation des Herrn M. die Runde machten, waren gleich die ersten Schreie aus den Zellenfenstern zu hören: „Die bringen uns alle um! Wir werden hier alle sterben!“. Auch am Morgen des 13. November durften sich die uniformierten Beamten entsprechende Vorhaltungen anhören: „Bringt uns doch am besten alle gleich um“, so Herr J.

Die „Station 2“ wird jetzt schon nur noch die „Todesstation“ genannt, denn im Frühjahr 2013 starb in Zelle 135 Herr L.M., Anfang 2014 Herr H. (http://community.beck.de/gruppen/forum/2-tote-in-2-tagen-in-jva). Zuvor wurde von dieser Station kürzlich erst ein Mitverwahrter entlassen, aber erst nachdem er schwer an Diabetes erkrankte, ihm Zehen und zuletzt der Unterschenkel amputiert wurden. Jetzt der Tod von Herrn K., der auch die ganze Zeit auf Station 2 lebte, wie auch die Beinamputation von Herrn M.

Aktuell gibt es weitere Verwahrte, die eigentlich nur noch auf ihren Tod warten: Alten Männern von über 70 Jahren wird angesonnen, sie mögen sich doch auf ein mehrjähriges Therapieprogramm einlassen, andernfalls käme eine Freilassung nicht in Betracht.

Andere Verwahrte werden gänzlich sich selbst überlassen, verwahrlosen in ihren Zellen: Ein Untergebrachter nässt und kotet sich regelmäßig ein. Sammelt Lebensmittel, bis sie verschimmeln. Ein anderer Betroffener, den auch das Anti-Folter-Komitee des Europarats in seinem Bericht explizit erwähnt (http://de.indymedia.org/node/1681), da die Mitglieder der Kommission ihn selbst in dessen Zelle besucht hatten, der an einer Psychose leidet, bekommt von einem Mitverwahrten wöchentlich die Zelle gereinigt, sonst würde er dort völlig vermüllen.

Ohne Zweifel, auch vor den Mauern wird gestorben, erkranken Menschen schwer, dies ist nichts gefängnisspezifisches, jedoch trifft aus Sicht vieler Verwahrter die Anstalt und den Staat eine besondere Fürsorgepflicht, da man ihnen die Freiheit einzig auf Grund von Spekulationen und Mutmaßungen entzieht. Sicherungsverwahrung bedeutet, dass zuerst die Freiheitsstrafe zu verbüßen ist und danach wird man auf unabsehbare Zeit weg gesperrt – so lange, bis Psychiater und Gerichte der Ansicht sind, jetzt sei man „ungefährlich“.

Wenn aber 2014 nach wie vor weitgehend unkritisch ein NS-Gesetz (die SV wurde mit Gesetz vom 24.11.1933 eingeführt) vollstreckt werde, so denken viele der davon Betroffenen, dann müsse auch ganz besonders auf Leib und Leben der Gefangenen geachtet werden. Die meisten hier konnten ihre Freiheitsstrafe akzeptieren, stehen zu dem, was sie vielfach an schwersten Strafen angerichtet haben – dafür jedoch haben sie ihre Strafen verbüßt, so ihre Ansicht.

Jetzt damit rechnen zu müssen, zum „Krüppel zu werden“, oder gar zu sterben, lässt viele verzweifeln.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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Hungerstreik in JVA Freiburg beendet

Wie vor wenigen Tagen berichtet, war ein Sicherungsverwahrter der JVA Freiburg aus Protest gegen die Haftbedingungen in der Sicherungsverwahrung in den Hungerstreik getreten (https://linksunten.indymedia.org/de/node/126747).

Am 06.November beendete er seinen Protest, nachdem Sozialarbeiter, Psychologin und zuletzt auch Anstaltsleiter Egerer persönlich mit ihm gesprochen hatten. Zuvor hatte noch seine Rechtsanwältin Gröbmayr per Telefax an Justizminister Stickelberger (Stuttgart), seine Vertreterin, aber auch an den CDU-Landtagsabgeordneten Lasotta auf die gesundheitliche bedenkliche Situation und die Forderungen ihres Mandanten hingewiesen.

Wie Herr H., der Verwahrte, berichtete, habe ihn der Aufmarsch all dieser Mitarbeiter beeindruckt; zum ersten Mal habe er sich wahrgenommen und ernst genommen gefühlt.

Der Anstaltsleiter habe in seinem 90-minütigen Gespräch viele der Forderungen als im Kern berechtigt anerkannt, jedoch keinerlei Zusagen machen wollen,vielmehr darauf aufmerksam gemacht, der Hungerstreik könne sogar kontraproduktiv wirken, da es dann so aussehen könne, als hätte man sich erpressen lassen.

Zu einer Zwangsernährung wäre es, so Herr H., nicht gekommen, denn der Anstaltsleiter habe darauf hingewiesen, erst im Zuge dieses Hungerstreiks sei aufgefallen, dass man im Justizvollzugsgesetzbuch-5, das für die SV gilt, hierfür gar keine Regelung getroffen habe (für den Bereich des Strafvollzuges, § 80 JVollzGB-3, vgl. auch § 101 Strafvollzugsgesetzbuch, ist Zwangsernährung vorgeschrieben).

Da eine wirkliche Veränderung im Vollzugsregime nicht eintreten wird, dürfte der Protest des Herrn H. nicht der letzte gewesen sein. Insbesondere wenn jene, die aktuell noch hoffen, nach ein, zwei, drei Jahren „ganz sicher“ frei zu kommen, merken, dass dem nicht so ist, nachdem dann vielleicht weitere Verwahrte auch gestorben sein werden, dann dürfte die Bereitschaft sich zu wehren höher sein als aktuell.

(verfasst: auf den Monat genau, 81 Jahre nach Einführung der Sicherungsverwahrung durch die Nationalsozialisten)

Thomas Meyer Falk, c/o JVA (SV-Abt), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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Hungerstreik in Freiburgs Gefängnis

Seit dem 30. Oktober 2014 befindet sich in der JVA Freiburg der Sicherungsverwahrte H. in einem unbefristeten Hungerstreik, bzw. Todesfasten.

Forderungen von Herrn H.

Der 51-jährige Untergebrachte protestiert nach eigenen Angaben gegen die Haftbedingungen in der Sicherungsverwahrungsanstalt.

So sei der Vollzugsalltag, entgegen den Vorgaben des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes und auch des Bundesverfassungsgerichts, weder “freiheits- noch aussenorientiert.“ Dies fange schon bei der Kleingruppenisolation an; noch 2012 sei “fest versprochen“ worden, dass nach Installation eines Kameraüberwachungssystems die Anstalt nach innen geöffnet werde, man sich also auf den vier Stationen und dem Hof frei bewegen könne.

Nichts davon sei eingetroffen. So sei der Hof für nur ein paar Stunden am Tag (wochenends bspw. nur 3 Stunden 30 Min. zugänglich, ansonsten sei man gezwungen, sich auf der nur 15 Zellen umfassenden kleinen Station aufzuhalten, der man zugewiesen ist.

Ferner kritisiert H. die zahlreichen Streichungen bei “Ausführungen“ (bei einer Ausführung verlässt der Betroffene, von Beamten bewacht, für ein paar Stunden die Anstalt). Immer öfters würden seitens der JVA diese Lockerungen abgesagt, weil es, so die offizielle Darstellung, an Personal mangele.

Laut Gesetz sind mindestens 4 Ausführungen pro Jahr zu gewähren; teilweise reisten Freunde und Angehörige von weit her an, um mit dem jeweiligen Verwahrten und den Beamten die Stunden vor den Mauern zu genießen. Nur um dann einen Tag vorher, oder Stunden vor dem Treffen zu erfahren, die JVA habe – mal wieder – die Maßnahme gestrichen.

„ So zerstört man die wenigen Sozialkontakte“ , sagt H.

Niemand könne sich darauf verlassen, an einem eigentlich fest vereinbarten Tag die Ausführung tatsächlich gewährt zu bekommen.

Zornig macht H. auch der Umgang mit ihm und anderen Verwahrten; man werde wie ein Gegenstand behandelt. So wurden kürzlich zwei Verwahrte von der “Therapieverweigerer-Station“ (zu dieser Station vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/91068) gegen deren Willen auf eine andere Station zwangsverlegt. Laut H. rechtfertigte Anstaltspsychologin W. dies sinngemäß in einer Stationsversammlung mit der lapidaren Bemerkung, manche Verwahrte müssten eben zu ihrem Glück gezwungen werden.

Besagte Psychologin sei es auch, die ihm vorwerfe, dass er es wage, gegen die Anstalt oder das Land vor Gericht zu klagen. So vertritt die Freiburger Rechtsanwältin Gröbmayr den Hungerstreikenden unter anderem in einer Zivilsache gegen das Land, weil das zuständige Gericht über die Notwendigkeit des Vollzugs der Sicherungsverwahrung viel zu langsam entschieden hatte. In einem weiteren Verfahren rügte sie, dass in der Freiburger Sicherungsverwahrung auf Grund Personalmangels unzumutbare Zustände herrschen würden.

Eine Therapiesitzung habe Frau Diplom-Psychologin W. schriftlich mit dem Hinweis abgesagt, sie habe keine Zeit für Herrn H., da sie schließlich wegen dieser Klage nun eine Stellungsnahme schreiben müsse.

Medizinische Situation von Herrn H.

Der 51-jährige Sicherungsverwahrte wiegt zur Zeit weniger als 60 kg, bei einer Körpergröße von 1,78 m. Am 31. Oktober wurde er dem Gefängnisarzt Dr. med T. vorgeführt, von welchem er sich „von oben herab“ behandelt fühlte. Dieser habe nur darauf verwiesen, dass für finanzielle Aufwendungen die in Folge des Hungerstreiks entstünden (z.B. Zwangsernähung), der Verwahrte herangezogen werde. Im übrigen sei ein Hungerstreik ein aussichtsloses Unterfangen, so Dr. T.

Seitens des psychologischen Dienstes u.a. von Frau Dr. S., sei ihm signalisiert worden, für (therapeutische) Gespräche stünde man jederzeit bereit. Aber er möchte das jetzt „durchziehen“ – bis zum Ende!

Bewertung

Erst im August 2014 verhungerte ein Gefangener in Baden-Württemberg (vgl. http://community.beck.de/gruppen/forum/neuigkeiten-ber-hungertod-eines-gefangenen) .

Die Kritik, die Herr H. am Freiburger Gefängnis äußert, wurde schon im vergangenen Jahr thematisiert (https://linksunten.indymedia.org/de/node/97554), wie auch ein Todesfall (http://de.indymedia.org/2014/01/351781.shtml). Allerdings gab es hierauf keinerlei Resonanz, geschweige denn Verbesserungen.

Hierher passt auch eine Beobachtung, die Herr H. gemacht haben will: Das uniformierte Personal ist nach den einschlägigen Vorschriften verpflichtet, den Hungerstreik zu dokumentieren. Hierzu muss der Stationsbeamte notieren, wann Herr H. Anstaltsessen angeboten und von diesem abgelehnt wurde. Nach seiner Beobachtung gebe es Beamte, die die Liste manipulierten, in dem sie es unterließen, die Verweigerung der Annahme des Essens zu notieren; wobei es jedoch andere Bedienstete gebe, die ihre Dienstpflicht ernst nehmen.

Ob diese Wahrnehmung zutrifft. kann nicht überprüft werden. Jedoch wurde im Zusammenhang mit oben erwähntem Todesfall im August 2014, als in der JVA Bruchsal ein Insasse verhungerte, vergleichbares berichtet und dürfte die These des „todesstrafähnlichen Verwahrvollzug“ (http://de.indymedia.org/2014/04/353944.shtml) eher stützen, als sie widerlegen.

Der durch den Hungerstreik manifest werdende Protest ist Ausdruck einer Selbstermächtigung; der eigene Körper wird zur Waffe in einer als hoffnungslos und aussichtslos empfundenen Gesamtsituation, wobei ein Großteil der hiesigen Sicherungsverwahrten dies ähnlich empfinden dürfte, wie Herr H.

Denn auch wenn die physischen Haftbedingungen heutzutage gerade zu komfortabel sind, im Vergleich zu 1933 (seinerzeit wurde die SV eingeführt (https://linksunten.indymedia.org/de/node/98982), so wirkt doch die unbefristete, potenziell lebenslange Internierung einzig auf Grund der Spekulation, man könnte vielleicht, eventuell, möglicherweise, irgendwann erneut eine Straftat begehen, seelisch zerstörerisch.

Thomas Meyer Falk, c/o JVA (SV-Abt), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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Knast im Herbst 2014

Strafvollzug, wie Sicherungsverwahrung sind mediale Randbereiche, machen meist erst dann Schlagzeilen, wenn es zu Todesfällen, Ausbrüchen und ähnlichem kommt. Heute ein weiterer Blick in den baden-württembergischen Vollzugsalltag.

1.) JVA Bruchsal

Die Anstalt kommt aktuell nicht aus den Schlagzeilen. Nachdem dort im August 2014 ein Migrant verhungerte (http://community.beck.de/gruppen/forum/neuigkeiten-ber-hungertod-eines-gefangenen) und der Anstaltsleiter suspendiert wurde, meldete am 28. Oktober 2014 die Lokalpresse, dass im vergangenen Jahr ein Beamter sich habe von einem Kollegen an einen Heizkörper der JVA ketten lassen. Ihm sei der Mund zugeklebt und schwarze Schuhcreme auf Stirn und Kopfhaut geschmiert worden. Zudem habe der Beamte ein gestreiftes Häftlingskostüm getragen. Hiervon seien Photos gemacht und in Umlauf gebracht worden.

Beide Beamte wurden deshalb, so die Badische Zeitung (28.10.2014, Seite 8, „Justizminister unter Druck“) mit Geldbußen von jeweils 1.000,– Euro belegt.

Zu dem eingangs erwähnten Hungertod eines in Isolationshaft sitzenden Mannes, der aus Burkina Faso stammte, meldete der SPIEGEL (27.10.2014, Ausgabe 44/2014, Seite 40) ein bedrückendes Detail. Die Wärter sahen ihn durch eine Luke in der Zellentüre regungslos im Bett liegen. Als er auf Zuruf nicht antwortete, stürmten sie mit Knüppeln in den Händen, Pfefferspray, behelmt und mit Schildern versehen die Isolationszelle. Sie fesselten ihn an Händen und Füßen. Erst jetzt, als er sich nach wie vor nicht bewegte, bequemten sich die Vollzugsbeamten, den Sanitätsbeamten hinzu zu rufen. Dieser und eine später hin zugerufene Notärztin konnten nur noch den Tod von Rasmane Koala feststellen. Deshalb hatte er auf den Zuruf nicht reagiert.

Ein solch verrohter Umgang mit einem toten Migranten passt ins Bild von der „Sicherheitsbranche“, wo ja kürzlich aus Flüchtlingsheimen in NRW Fotos um die Welt gingen, von seitens des Sicherheitspersonals gequälten und gefolterten Flüchtlingen.

2.) OLG Karlsruhe

Am 21. Juli 2014 rügte das OLG deutlich die Praxis des Landgerichts (LG) Karlsruhe, Entscheidungen im Bereich Sicherungsverwahrung nur verzögert zu treffen (Az. 2 Ws 217/14).

Wie schon in der Vergangenheit berichtet (http://de.indymedia.org/2013/03/342720.shtml), muss ein LG, bevor ein Inhaftierter die Sicherungsverwahrung (SV) antritt, prüfen, ob die Vollstreckung der SV noch „erforderlich“ ist. Dabei fordert die Rechtsprechung, dass diese Prüfung rechtzeitig vor dem Vollstreckungsbeginn abgeschlossen sein muss (vgl. §67c StGB).

Zumindest das Landgericht Karlsruhe fühlt sich hieran nicht gebunden.

Obwohl für Herrn X. am 18.10.2012 die SV begann, konnte erst am 21.7.2014 das OLG abschließend entscheiden. Deshalb stellte das OLG Karlsruhe fest, dass das LG das Beschleunigungsgebot verletzt habe und die bislang erlittene Freiheitsentziehung, immerhin 21 Monate, rechtswidrig gewesen sei.

3.) Landgericht Karlsruhe

Kürzlich hat nun die 2. Zivilkammer (Az. 2 O 333/14, Beschluss vom 16.10.2014) des Landgerichts Karlsruhe dem Betroffenen des eben geschilderten Falls Prozesskostenhilfe für eine Zivilklage gegen das Land Baden-Württemberg zuerkannt; eben wegen der sträflichen Verletzung des Beschleunigungsgebots seitens der Strafvollstreckungskammer.
Für die 21 Monate rechtswidrige Freiheitsentziehung könnten ihm, so das Landgericht, bis zu 10.500,– Euro zzgl. Zinsen zustehen. Denn gemäß Artikel 5 Absatz 5 EMRK ist für eine rechtswidrige Freiheitsentziehung eine Geldentschädigung zu gewähren.

Beigeordnet wurde ihm die Freiburger Rechtsanwältin Christina Gröbmayr.

4.) JVA Freiburg

Den Vollzugsalltag in der Sicherungsverwahrung habe ich schon mehrfach beschrieben (http://de.indymedia.org/node/1446). An der hoffnungslosen Situation vieler der in Freiburg einsitzenden Verwahrten ändert sich nichts.

So stehen Untergebrachten pro Jahr mindestens vier Ausführungen zu; d.h. unter Bewachung von Vollzugsbeamten dürfen sie für ein paar Stunden die Anstalt verlassen, um zumindest ein wenig den Bezug zum Leben vor den Mauern zu bewahren.

Nach wie vor, und das seit Monaten, sagt die Anstalt, oft erst wenige Stunden vor Beginn, die Ausführungen ab und macht Personalmangel geltend. Angehörige, Freunde, die extra Urlaub oder weite Anreisen auf sich nehmen, stehen dann vor der Situation, dass der Verwahrte die JVA nicht verlassen darf.

Mittlerweile nehmen die Absagen epidemische Ausmaße an, die Betroffenen sind wütend und verzweifelt, denn auf die oft nur fragilen Bindungen in die Freiheit wirken sich solche Absagen sehr belastend aus.

 

Ein weiterer Konfliktherd ist der Umgang, auch von Fachpersonal, mit Kritik an deren Arbeit.
So musste sich der Betroffene in dem eben beschriebenen Fall, über den LG und OLG Karlsruhe entschieden hatten, nach seiner Aussage von der für ihn zuständigen Gefängnispsychologin Frau W. rügen lassen. Wofür er denn bitteschön das Geld haben wolle? Da er zudem in anderer Sache sich beim Freiburger Landgericht beschwerte, sagte Frau W. ein eigentlich geplantes therapeutisches Gespräch ab. Sie müsse ja nun eine schriftliche Stellungnahme verfassen und deshalb habe sie für die Therapiesitzung mit ihm keine Zeit.

Ihr Kollege, Herr Diplom. Psychologe M. gab auf Befragen an, er hätte sich hier anders verhalten, die therapeutische Sitzung selbstverständlich nicht entfallen lassen.

Für Außenstehende mag sich das vielfach nach Petitessen anhören, jedoch sind Ausführungen, wie auch die Therapiesitzungen vielfach existenziell für die Betroffenen. Von erfolgreich absolvierten Haftlockerungen und erst recht den Therapien hängt nämlich eine mögliche Freilassung ab.

Die aus Sicht vieler Verwahrter zu beobachtende feindselige, zumindest aber unmotiviert und desinteressiert zu bezeichnende Haltung eines wesentlichen Teils des Vollzugpersonals überrascht dann nicht mehr, wenn man den Forschungsergebnissen des Erlanger Strafrechtsprofessors Dr. Franz Streng (http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/studie-punitivitaet-franz-streng-erlangen-jurastudenten-todesstrafe-folter/2/) Glauben schenkt. Seit 1989 untersucht er die Straffreudigkeit seiner Jura-StudentInnen, und Jahr für Jahr konnte er feststellen, dass das Strafbedürfnis ebenso steigt, wie die Befürwortung der Todesstrafe, immerhin rund 31 % befürworten sie, oder von Folter – rund 22 % halten sie für zulässig. Diese Ergebnisse dürften sich auf die Einstellung von Gefängnispersonal gegenüber Inhaftierten übertragen lassen – mit den skizzierten Auswirkungen auf den Umgang mit diesen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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