Todesermittlungen in Sicherungsverwahrung

Wie an anderer Stelle schon beschrieben (http://community.beck.de/gruppen/forum/erneut-toter-gefangener-in-bruchsal) verstarb am 11.11.2014 der Sicherungsverwahrte Karl K. im Gefängniskrankenhaus Asperg (bei Stuttgart). In einem mehrmonatigen Ermittlungsverfahren prüfte die Staatsanwaltschaft Stuttgart (Az.: 114 Js 109229/14), ob sich im Zusammenhang mit dem Tod von Herrn K. Anstaltspersonal strafbar gemacht haben könnte.

Wer war Karl?

Der aus der Sowjetunion stammende Karl befand sich seit dem 29. November 1997 in Haft und wurde vom Landgericht Stuttgart zu einer langjährigen Freiheitsstrafe mit anschließender Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt, welche seit Juni 2005 in der JVA Freiburg vollstreckt wurde. Einigen Mitverwahrten war Karl noch aus dem vorangegangenen Strafvollzug, denn bis Mai 2005 befand er sich in der JVA Bruchsal, um die Freiheitsstrafe zu verbüßen, bekannt, als sehr gesprächig, durchaus auch mal „illegal“ angesetztem Most zugetan.

Als ich ihn nach meiner eigenen Verlegung in die JVA Freiburg im Juli 2013 persönlich kennen lernte, traf ich auf einen sich selbst sehr isolierenden Menschen, der kaum noch mit anderen sprach, meist nur vor sich hin brummelte und laut aus dem Fenster schrie, wenn ihn irgendetwas zu stören schien. Gerade das Schreien blieb vielen nachdrücklich in Erinnerung, hatte es doch irgendwie auch etwas verzweifeltes, wenn er russische Flüche und Schimpfworte in den Gefängnishof brüllte. Untergebracht war er auf der „Sicherheitsstation“ der SV-Anstalt; wenn sich Beamte von seiner Art bedroht fühlten, konnte es passieren, dass er für Tage oder Wochen weggeschlossen wurde.

Medizinische Situation aus Sicht der Mitverwahrten

Den Mitverwahrten fiel lange vor Karls Tod dessen zunehmender körperlicher, wie geistig-seelischer Verfall auf. Regelmäßig wurden Verwahrte beim Anstaltspersonal vorstellig, schilderten, wie Karl in seiner Zelle vermülle, mitunter die Notdurft neben das WC verrichtete, sich mit Sanitärreiniger wusch und immer auffälligere Ausschläge, mit Wasser gefüllte Beine und zuletzt mit abnorm vergrößertem Hoden über den Flur schlurfte. Auf persönliche Ansprache reagierte er zunehmend einsilbig, oder auch gar nicht.

Ermittlungsverfahren der STA Stuttgart

Gegenstand des Ermittlungsverfahrens war der Verdacht, Verantwortliche der JVA Freiburg und des Justizvollzugskrankenhauses könnten sich der fahrlässigen Tötung strafbar gemacht haben.

Nach umfangreichen Ermittlungen, u.a. wurde am 13.11.2014 eine Obduktion vorgenommen, sowie am 21.11.2014 die Sachverständige Frau Dr. S. der Tübinger rechtsmedizinischen Firma GRUS mbH (www.grus-tuebingen.de) mit einem Gutachten zu dem Todesfall beauftragt. Der Auftrag lautete, zu untersuchen, ob der Tod mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können, wenn früher eingegriffen worden wäre.

Gleichzeitig beauftragte die STA Stuttgart die Polizei, Pfleger und Ärzte des Gefängniskrankenhauses zu vernehmen.

Mit Verfügung vom 09.04.2015 stellte Erster Staatsanwalt E. das Verfahren ein, denn es könne ein „fremdes Verschulden (…) nicht mit einer zur Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden“.

Insbesondere habe Herr K. jegliche Behandlung schon weit im Vorfeld der zum Tode führenden Erkrankung (Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, welche zu einer Durchsetzung der Magen-Darm-Wand und schließlich zu einem Durchbruch in die freie Bauchhöhle geführt hatten) verweigert; diese Verweigerungshaltung habe er auch nach der am 05.09.2014 erfolgten, von seinem Betreuer veranlassten Verlegung in das Gefängniskrankenhaus nicht aufgegeben. Laut Pflegebericht habe er Medikamenteneinnahme und Wundbehandlung verweigert.

Sein gesetzlicher Betreuer habe in der polizeilichen Vernehmung angegeben, „für längere Zeit nichts mehr über den Gesundheitszustand des Patienten gehört“ zu haben, auch habe ihn das Gefängniskrankenhaus nicht über die akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes kurz vor dem Tod Karls informiert.

Zwar seien von den behandelnden Ärzten noch am Tag vor Karls Tod umfangreiche Maßnahmen, darunter die sofortige Verlegung in ein externes Krankenhaus vorgeschlagen worden, jedoch sei dies von dem Patienten abgelehnt worden.

Kritische Würdigung

Zwangsmaßnahmen sind stets bedenklich und auch kritisch zu hinterfragen, denn zu einem menschenwürdigen Dasein gehört, sich gegen eine (ärztliche) Behandlung entscheiden zu können, die dann auch, insbesondere staatlicherseits, zu respektieren ist.

Dem steht jedoch die besondere Fürsorgepflicht des Staates gegenüber, wenn einem Patienten die Freiheit entzogen ist. Im konkreten Fall gab es einen Beschluss des Amtsgerichts, mit welchem Karl unter die Betreuung eines Berufsbetreuers gestellt wurde.

Zudem konnte man die laufende Verschlechterung des Zustandes von Karl, er wohnte nur wenige Meter von meiner eigenen Zelle entfernt, Tag um Tag, über Wochen und Monate, verfolgen, ohne dass ihm geholfen worden wäre seitens der Anstalt. Zumindest nahmen die Mitverwahrten es so wahr. Und gerade weil Gutachter und Amtsgericht zu dem Ergebnis kamen, dass Karl K. nicht mehr in der Lage war, sein Handeln zu überblicken, weshalb er dann unter Betreuung gestellt wurde, ist zumindest eine moralische Mitverantwortung staatlicher Behörden und MitarbeiterInnen zu bejahen. Denn hätte man nicht erst am 02.09.2014 eine Betreuung beantragt, sondern schon ein halbes oder ein ganzes Jahr früher, vielleicht wäre dann mit entsprechender Betreuung und Motivation Karls Leben nicht schon am 11.11.2014 zu Ende gegangen.

Thomas Meyer-Falk, C/o JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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Erneut toter Gefangener in Bruchsal

Seit im Herbst 2014 in der JVA Bruchsal ein Gefangener verhungerte http://community.beck.de/gruppen/forum/neuigkeiten-ber-hungertod-eines-gefangenen, berichtet die Presse, auch überregional, wenn dort erneut ein Insasse stirbt.

Wie steht es um die gesundheitliche Situation von Inhaftierten? Darum, wie um den weiteren Todesfall soll es im Folgenden gehen:

Erneuter Todesfall in der JVA Bruchsal

Wie die FAZ am 10.04.2015 (a.a.O., Seite 6) berichtete, sei am 08.04.2015 morgens um 6.05 Uhr ein 22 Jahre alter Gefangener in der JVA Bruchsal tot aufgefunden worden. Nach einem Bericht der Badischen Zeitung (BZ) aus Freiburg (10.04.2015) habe der Gefangene Methadon im Blut gehabt, obwohl er nicht an einem entsprechenden Methadonprogramm teilgenommen habe. FDP-Landtagsfraktionschef Rülke wird mit den Worten zitiert, der Justizminister (SPD) schaffe es offensichtlich nicht, die Missstände im Bruchsaler Gefängnis in den Griff zu bekommen.

Ein Insasse der JVA Bruchsal behauptet, der nun verstorbene Gefangene habe sich kurz vor seinem Tod an ihn gewandt, um ein Testament aufzusetzen; des weiteren sei der Verstorbene von anderen Häftlingen, wie auch vom Personal gemobbt und drangsaliert worden. Die BZ berichtete in ihrem oben erwähnten Artikel davon, der Verstorbene habe 2012 in der Jugendstrafanstalt Adelsheim eine Beamtin schwer verletzt, weshalb er in eine andere Haftanstalt verlegt worden sei.

Gesundheitsfürsorge in Gefängnissen

Von Gefangenen gibt es immer wieder Kritik an der ärztlichen und/oder psychologischen Betreuung innerhalb der Haftanstalten. Exemplarisch kann auf den Besuchsbericht des ‚Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher Behandlung oder Strafe‘ (CPT) vom 24.07.2014 verwiesen werde. Der CPT hatte sich speziell der Situation in der Sicherungsverwahrung angenommen und „eine Reihe von Mängeln aufgezeigt, die Anlass zu besonderer Besorgnis geben“ (a.a.O., AZ. CPT/Inf (2014) 23, Seite 16). Gerügt wurde u.a. eine unzureichende personelle Ausstattung mit Ärzten, die fehlende Möglichkeit, sich vertraulich an einen Anstaltsarzt wenden zu können, sowie ein Fehlen von ausreichend qualifizierten PsychologInnen.

Alles nur Einzelfälle?

An dieser Stelle sei auf das Schicksal zweier Freiburger Sicherungsverwahrter etwas ausführlicher eingegangen.

Franz, wie er an dieser Stelle heißen soll, leidet an einer Lernbehinderung, sowie einer psychotischen Störung (vgl. Besuchsbericht des CPT, a.a.O., Seite 16). Seinen Haftraum lässt er konsequent vermüllen und würde nicht der Mitverwahrte G. ihm wöchentlich die Zelle grundreinigen, aber auch die Wäsche zu- und einteilen, er wäre gänzlich sich selbst überlassen.

Gelegentlich sieht man ihn auf dem Flur oder Freizeitraum, wie er vor sich hin lacht und spricht, Atemübungen macht, um dann zurück in die Zelle zu gehen. Dort redet er, oft über Stunden lautstark mit sich selbst, macht Tiergeräusche nach oder singt. Sozialarbeiterin A. behauptet, man kümmere sich nach Kräften um Franz; aus Sicht der Verwahrten jedoch überlässt man hier einen seelisch Kranken sich selbst, denn besondere Betreuungsanstrengungen können im Stationsalltag nicht beobachtet werden. Vielmehr ist es der klassische Fall schlichter Verwahrung eines hilflosen Menschen.

Tragisch verlief der Fall von Otto: ähnlich wie Franz lebte er in seiner ganz eigenen Welt, schrie oft aus seinem Zellenfenster russische Flüche, da in der Sowjetunion geboren, bevor er nach Deutschland kam. Einem normalen Gespräch war er kaum zugänglich, er schlurfte morgens in die Stationsdusche, danach ging er in den Gruppenraum und klopfte energisch an die beiden Fisch-Aquarien, stellte sich auf die Körperwaage und ging zurück in die Zelle. Tag um Tag, Monat um Monat, Jahr um Jahr. Zuletzt lief er mit abnorm vergrößertem Hoden ohne Unterkleidung über den Flur, hatte geschwollene Beine und erkennbare Entzündungen.

Auch in Ottos Fall konnten die Stationsbewohner keine sonderlichen Betreuungsbemühungen erkennen, obwohl für jedermann ersichtlich war, dass er körperlich wie seelisch schwer erkrankt war. Erst nachdem in Bruchsal Rasmane verhungerte, schien ein Ruck durch den Justizapparat zu gehen. Denn am 02.09.2014 beantragte man, im Wege der einstweiligen Anordnung eine rechtliche Betreuung zu errichten. Mit Telefax vom 04.09.2014 machte Obermedizinalrat T. von der JVA Freiburg auf die Dringlichkeit erneut aufmerksam. Noch am gleichen Tag erließ das Amtsgericht Freiburg (140 XVII 808/14) eine einstweilige Anordnung, mit welcher Herr F. – als Berufsbetreuer – für die Bereiche Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung als Betreuer eingesetzt wurde. Herr F. kam kurz danach auf die Station und erkannte nach einem kurzen Gespräch mit Otto und Inaugenscheinnahme dessen verwahrloster Zelle, dass ärztliche Hilfe unumgänglich sei.

Letztlich kam diese zu spät, denn am 11.11.2014 verstarb Otto im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg bei Stuttgart.

Was zählt das Leben von Gefangenen?

Auffällig an den Todesfällen in letzter Zeit, ob in Bruchsal oder andernorts, es trifft vielfach jene Insassen, die als besonders ’schwierig‘ gelten, die oft nicht in der Lage sind, für sich selbst einzustehen. Auch wenn Mitgefangene versuchen sich zu engagieren, in den Fällen von Otto und Franz haben die Stationsbewohner oftmals täglich bei der Anstalt ein Handeln angemahnt, ohne auf Gehör zu stoßen, hilft das im Regelfall herzlich wenig. Der Staat nimmt den Betroffenen die Freiheit, aber anstatt dann seiner Fürsorgepflicht nachzukommen, überlässt das Personal die Inhaftierten sich selbst.

Solange hier kein grundlegender Wandel stattfindet, wird weiterhin mit Todesfällen oder Schicksalen wie dem von Franz gerechnet werden müssen.

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV)

Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg

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Freiburgs Gefängnis verliert vor Gericht

Immer wieder gilt es aus dem Gefängnisalltag zu berichten, auch im Zusammenhang mit gerichtlichen Streitigkeiten, denn Inhaftierte verfügen über wenige Handlungsmöglichkeiten, wenn sie auf Missstände hinweisen wollen. Es bleibt ihnen, in existentiellen Fragen, der Hungerstreik, sie können resignieren, wie es all zu viele tun, sie können hoffen, dass durch Unterstützung von FreundInnen oder Familie die jeweilige Haftanstalt (vielleicht) einlenkt – und über all hinaus bleibt ihnen lediglich der Gerichtsweg.

A.) zu hohe Stromtarife

Manchmal handeln Rechtsstreitigkeiten nur von ein paar Cent, die jedoch, angesichts der angespannten ökonomischen Situation von Inhaftierten (qua Gesetz verdienen diese 9 % des Durchschnittslohns) für diese erhebliche Bedeutung haben. Nachdem das baden-württembergische Justizministerium 2014 die Stromkostenbeteiligung erheblich erhöhte, für einen Wasserkocher (500W) fielen nun 2,50 Euro/Monat und für einen Kühlschrank 4,86 Euro/Monat an, stellte ich Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 Strafvollzugsgesetz), denn das Gesetz in Baden-Württemberg (vgl. § 52 BW-JVollzGB-5) gestattet lediglich eine Stromkostenbeteiligung, mit Betonung auf Beteiligung. Nachdem ich im ersten Durchgang verlor, denn das Landgericht Freiburg war der Ansicht, an der Höhe der Beteiligung sei nichts zu beanstanden, hob das Oberlandesgericht Karlsruhe (20.08.2014, Az.: 2 Ws 277/14) den Beschluss auf. Die JVA müsse nachweisen, dass die ihr tatsächlich entstandenen Stromkosten für meine Gerätschaften über den von mir gezahlten Beiträgen liege. Es sei nicht zulässig, von Inhaftierten mehr Gelder zu vereinnahmen, als tatsächlich an Kosten entstanden seien. Vielmehr müsse der von den Gefangenen erhobene Betrag unter den realen Kosten liegen, da das Gesetz eben lediglich eine Kosten-Beteiligung und keine (vollständige) Kostenübernahme vorsehen würde.

Und nunmehr hat das Landgericht Freiburg diese Entscheidung nachvollzogen (30.03.2015, Az.: 13 StVK 47/14) und beanstandete die eingangs erwähnten Beiträge. Im Rahmen des Verfahrens stellte sich heraus, dass die Anstalt keineswegs 0,299 Euro/kwh an den Energieversorger zahlt, sondern lediglich 0,189 Euro/kwh, so dass für den Wasserkocher maximal 1,70 Euro, bzw. für den Kühlschrank 3,06 Euro anzusetzen seien.

Soweit ersichtlich, haben nur sehr wenige Insassen gegen die Neuregelung 2014 Klage erhoben, die Bereitschaft des Landes, zu viel vereinnahmte Beträge an die Gefangenen zurück zu zahlen, dürfte nicht sonderlich ausgeprägt sein. Für das Land handelt es sich lediglich um einige tausend Euro (pro Monat), die es zu viel vereinnahmt. Für Gefangene, insbesondere jene, die lediglich die rund 35 Euro Taschengeld erhalten, machen die zu Unrecht erhobenen Beiträge jedoch einen wesentlichen Teil ihrer Ausgaben aus.

B.) Fesselung wie bei „Hannibal Lector“?

Herr Müller, wie er an dieser Stelle heißen soll, verbüßt seit mehreren Jahren in der JVA Freiburg Sicherungsverwahrung; er darf mehrmals im Jahr die Anstalt ungefesselt verlassen, um, bewacht von zwei Beamten in Zivil, die Umgebung zu erkunden und einkaufen zu gehen. Als vergangenes Jahr ein Facharzttermin erforderlich wurde, in Folge einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse, war Herr Müller ebenso erstaunt wie empört, als er in Hand- und Fußketten gelegt, zusätzlich mit einer Kette an einen der Wärter gefesselt, dem Arzt in Freiburgs Innenstadt vorgeführt wurde.

Gegen diese Art und Weise der Fesselung zog Herr Müller vor Gericht.

Herr Oberregierungsrat R. (der schon an anderer Stelle kreativ ein Pepperoni-Verbot in der Anstalt verteidigte, vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/129385) nahm für die JVA ausführlich Stellung zu der Klage des Herrn Müller und spekulierte, dass man nie wissen könne, wer in einer Arztpraxis anzutreffen sei, es also auch und gerade um die Sicherheit des Herrn Müller gehe, wenn man ihn gefesselt ausführe.

Das Landgericht ließ sich nicht überzeugen, es entschied, die Fesselung sei rechtswidrig gewesen (LG Freiburg, 30.03.2015, Az.: 13 StVK 548/14) und zwar schon aus formalen Grünen, denn Oberregierungsrat R. habe es unterlassen, die Verfügung über die Anordnung der Fesselung substantiell zu begründen.

Im übrigen sei es unzulässig, erst im gerichtlichen Verfahren irgendwelche Gründe nach zu schieben.

C.) Verzögerte Postaushändigung

Das Justizvollzugsgesetzbuch (§ 28 Abs. 2 JVollzGB-5) in Baden-Württemberg, bzw. die bundesgesetzliche Regelung (§ 30 StrVollzG-Bund) sehen vor, dass die Haftanstalten eingehende wie ausgehende Briefe „unverzüglich“ weiter zu leiten haben.

Als ein an einem Freitag, morgens um 9:01 Uhr der Anstalt zugestellter Brief, erst am darauf folgenden Dienstag, morgens um 7:14 Uhr ausgehändigt wurde – es handelte sich um ein zuzustellendes Schriftstück des Verwaltungsgerichts, wandte ich mich an das Landgericht. Denn regelmäßig werden solche Briefe erst nach Tagen ausgehändigt, und das obwohl sie nicht inhaltlich überwacht werden.

Versuche in den letzten Jahren, im Rahmen von Gesprächen dieses Problem zu lösen blieben erfolglos, denn Anstaltsleiter und nachgeordnete Bedienstete vertraten die Ansicht, sie hätten schon immer so diese Art und Weise der (verzögerten) Aushändigung praktiziert und würden keinen Grund sehen, hiervon abzurücken.

Das Landgericht Freiburg (16. März 2015, Az.: 13 StVK 18/15) stellte nunmehr fest, die Aushändigung sei rechtswidrig verzögert erfolgt. Die Anstalt hätte Sorge tragen müssen, dass das morgens eingegangene Schreiben noch am selben Tag ausgehändigt wird.

Es bestehe Wiederholungsgefahr, da konkret absehbar sei, dass die JVA auch künftig eingehende Post derart verzögert weiterleiten werde.

Zusammenfassung

Das Spektrum an Streitigkeiten von Inhaftierten mit der jeweiligen Haftanstalt wurde hier nur ausschnittsweise dargestellt; in der Literatur vgl. Feest/Lesting, „Contempt of court – zur Wiederkehr des Themas der renitenten Strafvollzugsbehörden“ in: Festschrift für Ulrich Eisenberg zum 70. Geburtstag, Seiten 675 – 690) wird schon seit den 60er Jahren von einer Renitenz der Gefängnisverwaltungen gesprochen. Zum einen hinsichtlich der Beachtung der Rechtspositionen der Inhaftierten, zum anderen auch was die Befolgung gerichtlicher Entscheidungen anbetrifft hier heben Feest/Lesting, a.a.O., S. 687 die neue Rolle der Zivilgerichte hervor, da immer öfters diese den Gefangenen Geldentschädigungen zusprechen, wenn – mal wieder – eine Justizvollzugsanstalt Vorgaben der Strafvollstreckungskammer missachtet), denn immer wieder ignorieren Vollzugsanstalten gerichtliche Beschlüsse, oder versuchen sie (mehr oder minder kreativ) zu umgehen.

Die allerwenigsten Inhaftierten verfügen über die Kenntnisse, um vor Gericht zu ziehen, noch über erforderliche finanzielle Mittel, um eine/n Rechtsanwältin/Rechtsanwalt zu beauftragen, so dass im Ergebnis die Vollzugsanstalten weiter machen können wie bisher.

Es bleibt hinsichtlich des eingangs genannten Falles der überhöhten Stromtarife nun abzuwarten, ob oder wann die JVA Freiburg die rechtswidrige Praxis beendet, insbesondere, ob sie auch den hunderten Inhaftierten, die nicht vor Gericht gezogen sind, Gelder erstatten wird.

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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