Keine Abschiebung aus der Sicherungsverwahrung!

In der Sicherungsverwahrung sitzen vereinzelt auch migrantische Gefangene. Heute berichte ich über Herrn K., der sich seit Jahren bemüht in sein Heimatland abgeschoben zu werden.

Wer ist Herr K.?

In einem südeuropäischen Land leben seine Frau, Kinder und übrigen Angehörige. Geboren 1962 befindet er sich seit den 1990’er Jahren in Deutschland. Mehrfach wurde er in der Vergangenheit in sein Geburtsland abgeschoben, kehrte allerdings mehrfach in die Bundesrepublik Deutschland zurück, nicht nur um hier zu leben, sondern er beging auch mehrfach schwere Straftaten.

Die Haftsituation

Schon 2005 bemühte Herr K. sich um die Aufnahme in die Sozialtherapeutische Anstalt Baden-Württembergs, um an sich und seinen Problemen zu arbeiten, aber auch um die Sozialprognose, die entscheidend ist für eine Haftentlassung, zu verbessern. Mit Verfügung vom 04.01.2006 lehnte die Justizvollzugsanstalt Freiburg, vertreten durch Oberregierungsrat Herr R. eine solche Therapie ab, unter anderem mit dem Hinweis, bei Herrn K. sei eine Abschiebung in dessen Heimatland zu erwarten, weshalb „ausländische Bewerber (…) zu recht“ keine Aufnahme in dieser Einrichtung fänden.

Jahre später in der Sicherungsverwahrung angelangt, wurde ihm vorgeworfen, sich keine Therapie unterzogen zu haben, einer Therapie die ihm schon 2006 mit explizitem Hinweis auf sein „Nicht-Deutsch-Sein“, verweigert wurde.

Die Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft

Mit Verfügung vom 16.08.2017 (Az.2Zs 402/17) lehnte die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken es ab, von § 456 a Strafprozessordnung Gebrauch zu machen, d.h. von der weiteren Vollstreckung der SV abzusehen, im Falle der rechtskräftigen Ausweisung.
Herr K. leide an mangelnder Impulskontrolle und verfüge keineswegs über tragfähige Beziehungen zu seiner Familie (Besuche und Telefonate würden nicht ins Gewicht fallen). Zudem drohten von Herrn K. „Eigentumsdelikte wie Wohnungseinbrüche“, es handele sich bei ihm um einen „hochgefährlichen (…) Straftäter“, zu schützen sei nicht nur die bundesdeutsche, sondern auch die Bevölkerung in dessen Heimatland . Da er 1994, 1995 und 1998 jeweils in der BRD „illegal“ zurückgereist sei, wäre zu erwarten, er würde dies auch künftig so handhaben, so die Prognose der Behörde.

Das OLG Bamberg

In einem vergleichbaren Fall urteilte das OLG Bamberg (Az 1 VAs 8/15) mit Beschluss vom 16.03.2016, für einen ausländischen Gefangenen bestehe geradezu ein Anspruch auf Absehen von der weiteren Vollstreckung; der Schutz der Bevölkerung in dem Heimatstaat sei rechtlich irrelevant.  Das Gericht räumt ein, dass die von ihm vertretene Rechtsauffassung dazu führen könnte, dass bei ausländischen Gefangenen die SV faktisch nicht mehr werde vollstreckt werden können.
Der von der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg angerufene Bundesgerichtshof wies die Beschwerde der Behörde gegen den Beschluss zurück (Az. 5 AR (Vs) 38/15, Beschluss vom 16.03.2016).

Ausblick für Herrn K.

Seit Herr K. von den Entscheidungen des BGH und des OLG Bamberg hörte, schöpfte er neue Hoffnung, denn sein vordringlichster Wunsch ist es, zurück in seine Heimat zu gelangen, zu seiner Familie und vor allem in Freiheit. Der Haftalltag ist ansonsten von Perspektivlosigkeit geprägt, wie bei so vielen Freiburger Sicherungsverwahrten, von welchen ich in den letzten Jahren berichtet habe. Mit viel Ausdauer und Können widmet Herr K. sich der Bepflanzung der Gartenfelder im Gefängnishof der SV-Anstalt, züchtet Tomaten, Beeren und sonstiges Gemüse, mit großem Erfolg.

Sein anwaltlicher Vertreter, der Löffinger RA Prof.Dr.Behnke hat nun am 16.August 2017 beim OLG Zweibrücken beantragt die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken aufzuheben und von der weiteren Vollstreckung der SV abzusehen.

Es mutet skurril an, in Zeiten in denen sich PolitikerInnen sich in ihren Forderungen nach Abschiebung von „kriminellen“ MigrantInnen gegenseitig  zu überbieten suchen, kämpft seit Jahren Herr K. vergeblich darum, endlich gehen zu dürfen. Er ist rechtskräftig ausgewiesen, er hat kein Aufenthaltsrecht, er möchte auch nicht aus sonstigen Gründen in Deutschland bleiben.

Herr K. möchte lediglich – endlich – nach 12 Jahren Freiheitsstrafe und vielen Jahren SV in seine Heimat zurück!

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

Radio-Interview zu 21 Jahren Haft

in der September-Ausgabe von radio Flora gibt es ein Radio-Interview mit Thomas:

„Seit rund 21 Jahren befindet sich Thomas in Haft, davon elf Jahre in Isolation und vier Jahre in der Sicherungsverwahrung. Wir versuchen eine Bilanz dieser Zeit zu ziehen. Ebenso wird ein Text von Thomas zum Verbot von „linksunten“ verlesen“.

http://www.radioflora.de/contao/index.php/Beitrag/items/radio-interview-mit-dem-gefangenen-thomas-meyer-falk.html

Sicherungsverwahrung auf Österreichisch – Buchrezension aus dem GI 409, September 2017

Thomas Meyer-Falk, 2. Juli 2017

Knast ist ein gesellschaftliches Randthema. Allerdings ist es für zehntausende Inhaftierte und deren hunderttausende Angehörige, FreundInnen, sowie Bekannte deren bestimmter Lebensinhalt, mitunter für Jahre, für Jahrzehnte, nicht selten bis zum Tod. Innerhalb dieses Randthemas ist die Sicherungsverwahrung(SV) ein eigener Nischenbereich. So sitzen in Deutschland rund 500 Männer in der SV; dem Freiheitsentzug nach der Strafe. Wer als „gefährlich“ für die Allgemeinheit eingestuft wird, kann – potentiell – bis zum Tod hinter Gefängnisgittern gehalten werden. vergleichbare Regelungen gibt es ebenfalls in anderen europäischen Staaten, so auch in Österreich. Dort ist es der berüchtigte § 21 Absatz 2 österr.-Strafgesetzbuch, der es erlaubt Menschen die straffällig geworden sind und sich durch eine „geistige oder seelische Abartigkeit“ auszeichnen, jedoch voll schuldfähig sind, in eine „Anstalt für abnorme Rechtsbrecher“, sprich: Gefängnisse, einzuweisen. Für mindestens Jahre, wenn nicht Jahrzehnte- und nicht nur in Einzelfällen bis zum Tod. Der Sprachgebrauch spricht für sich. „Abnorm“ und „geistige und seelische Abartigkeit“, Begriffe deren Ursprung wir zurückverfolgen können bis in die NS-Zeit. Der österreichische Verlag Mandelbaum (www.mandelbaum.at) legte im Frühjahr eine in Buchform publizierte Projektarbeit, unter dem Titel „das Volk will es so – über das Leben als ‚geistig abnormer Rechtsbrecher‘“ der Fotografin Julia Dragosits und des Grafikers Tobias Batik vor. Auf 120 Seiten lassen die beiden HerausgeberInnen neben (Ex)Gefangenen auch Fachleute zu Wort kommen, darunter aus den Bereichen Rechtswissenschaft, Journalismus sowie der Psychiatrie. Aktuell werden in Österreich rund 400 Menschen nach dem zitierten Paragrafen verwahrt; umgerechnet auf Deutschland, müssten hier also 5.000 Menschen in SV sitzen, da wir über eine zehnmal so große Bevölkerung verfügen. Das als Vergleich, um ein Gefühl für Relationen der Situation in Österreich zu bekommen. In unserem Nachbarland werden selbst Jugendliche dauerhaft in „Anstalten für abnorme Rechtsbrecher“, wie schon gesagt: Gefängnissen, weg gesperrt. Beispielsweise eine 16-jährige, die im Alter von acht Monaten aus Afrika adoptiert wurde und in ihrer Kindheit, bzw. Jugend dann durch Sachbeschädigung und Bedrohung „auffällig“ wurde. Die zu Wort kommenden (Ex-)Gefangenen beschreiben durchgängig die völlige Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, welche ihren Haftalltag durchziehe. „Man wird herumkommandiert, angeschnauzt, vielleicht noch beschimpft“, so Markus Drechsler (S.36). Ein anderer Betroffener berichtet, wie sich in den für die Fortdauer der Unterbringung so essentiellen psychiatrischen Gutachten regelmäßig gravierende Falschinformationen finden (S.61), was dann von den sogenannten „ExpertInnen“ verharmlost werde. Dr. Frottier, ein Psychiater, kritisiert dann auch, es würden Gutachten von fachlich dafür nicht ausgebildeten KollegInnen erstattet, hier müsse dringend durch Fortbildungen der fachliche Standard abgehoben werden (S. 27 ff.). Aus juristischer Sicht kommentiert Rechtsanwalt Dr. Graupner, das Unterbringungssystem sei in allen seinen Facetten mangelhaft: die Gutachten, die Haftbedingungen, die gerichtlichen (Schein-)Anhörungen.

Die Projektarbeit von Dragosits/Batik erhebt Anspruch, die innerösterreichische Diskussion um Sinn und Unsinn, zumindest jedoch die Mängel im Bereich des Maßnahmevollzugs, wie auch die dort innenpolitisch schwelende Diskussion, ausgelöst auch von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), zu bereichern. Diesem Anspruch wird das Buch vollumfänglich gerecht, auch wenn der LeserInnenschaft zu wünschen gewesen wäre eingehendere Informationen zur „Zuverlässigkeit“ der psychiatrischen Gutachten zu erhalten. In Folge eines Urteils des EGMR wurden nämlich in Deutschland 2010/2011 dutzende von renommierten PsychiaterInnen als „hochgefährlich“ beurteilte Verwahrte aus rein formalen Gründen frei gelassen. Nur in den wenigsten Fällen realisierte sich die attestierte „Gefährlichkeit“, die Mehrheit der Freigelassenen verhielt sich in strafrechtlicher Hinsicht völlig unauffällig. Wer nun ein ungewöhnlich textlastiges Buch erwartet, wird von den einfühlsamen Fotografien Julia Dragosits berührt, die die oben erwähnte Hoffnungslosigkeit, die Tristesse des Haftalltags durch ihre Fotografien der Gefängnisse, Zellen, Flure und Betroffenen verbildlicht. Auch die grafische Gestaltung des Buches durch Tobias Batik unterstreicht die Düsternis, wie auch die Gebrochenheit der Menschen, sowie des Themas Dem Buch ist eine Verbreitung im gesamten deutschsprachigen Raum zu wünschen, da die Denkmuster der ForensikerInnen, aber auch der Bevölkerung sich nicht substantiell voneinander unterscheiden, ob nun in Österreich, Deutschland oder der Schweiz. Stets ist die Rede davon, man möge die Insassen „wegsperren- am besten für immer“, nur formulieren dies die PsychiaterInnen, RichterInnen und StaatsanwältInnen in der Regel nicht so direkt, sondern verpacken diese Botschaft in akademischen Schriftsätzen. Die Projektarbeit der beiden HerausgeberInnen bietet einen aktuellen, ungeschminkten Einblick in eine dunkle Ecke des Strafrechtssystems, zumal sich die gesetzlichen Normen auch eignen, jegliches systemabweichendes, politisch missliebiges Verhalten, sofern es mit dem Strafgesetzbuch kollidiert, mit Freiheitsentziehung bis zum Tod zu beantworten.

Julia Dragosits/Tobias Batik (Hrsg.)

Das Volk will es so – über das Leben als ‚geistig abnormer Rechtsbrecher‘

Mandelbaum Verlag (Österreich),

120 Seiten ISBN: 978-385-476-528-8

14,00 €

Solidarische Grüße an die linksunten-BetreiberInnen!

Auch hier aus dem Freiburger Knast herzliche und solidarische Grüße an die von der Verfolgung durch den Staatsschutz Betroffenen im Zusammenhang mit dem indymedia.linksunten-Verbot.

Schon vor einer Woche wollte ich mich zur Wort melden, der Brief ist aus unerfindlichen Gründen „verschwunden“, deshalb heute ein neuer Versuch. Linksunten war ein Ort in den Weiten des Internets für freie Geister, wo aus Träumen und Träumereien Taten wurden, wo wir in guter Gesellschaft mit uns selbst und als Genossinnen und Genossen eines emanzipatorischen Entwurfs, unser „anders-leben“, unser „anders-denken“, als man schon gedacht hat, entfalten konnten.

Auch Gefangene kamen dort zu Wort, wurden nicht wegzensiert, konnten so die Verhältnisse in den Kerkern dieses Landes zur kritisierenden Kenntnis der Öffentlichkeit bringen.

Neben den nun obligatorischen Analysen als Wahlkampfmanöver, als Revanche der Reaktion, tritt aus meiner Sicht eine weitere Ebene: sie wollen uns unsere Orte rauben, nicht um sie sich einzuverleiben, sondern um diese zu vernichten. Das betrifft die virtuellen Orte im Netz, aber auch jene aus Stein (vgl. die Attacken auf die „Rote Flora“). Letzlich zielen diese Angriffe auf unser Da-Sein. Ihnen passt unser So-Sein nicht, linksunten hat es aus der Ventil-Provinz (Günter Anders) hinaus geschafft, wurde wirkmächtiger. Insofern ist das Verbotsdekret nun auch nicht sonderlich überraschend.

Dennoch gilt immer,

Keinen Fußbreit den Zensoren!

Für freie Information!

Für eine freie Gesellschaft!

Thomas Meyer-Falk, 0/0 JVA (SV)

Hermann-Herder-Str. 8,D-79104 Freiburg