Zu den Protesten gegen den AFD-Aufmarsch vom 27.Mai 2018 in Berlin

Die menschenfeindliche Haltung, die besonders die  AFD kennzeichnet, ist auch in den Knästen Thema. Sei es, dass Insassen Aufkleber der AFD platzieren oder dass Beamte auf Dienstrechnern AFD-Logos als Bildschirmschoner einsetzen. So weiß auch der dümmste Knacki, wess‘ Geistes Kind auf dem Bürostuhl sitzt.

Protest und Widerstand gegen eine Ideologie, die auf Ausgrenzung, Hetze gegen Geflüchtete und gegen jede und jeden setzt, die oder der vom nationalistischen Weltbild abweicht, ist nicht nur unser Recht. Es ist unsere verdammte Pflicht!

In einem Zeitalter, in welchem es angeblich keine Gewissheiten mehr gibt ( so es diese denn überhaupt jemals gegeben haben sollte ), stellt sich um so schärfer die Frage nach eigener Verantwortung. Wir haben stets die Wahl zu treffen, ob wir uns engagieren oder nicht. Auch wer sich nicht engagiert, hat eine Wahl getroffen, die sie/er zu verantworten hat. 

Es ist unsere Leidenschaft für ein buntes, offenes, menschliches und freies Leben, die wir den Menschenfeinden entgegensetzen. Deshalb haben wir uns zu engagieren; deshalb haben wir uns zu dem, für das die AFD exemplarisch steht, zu verhalten; deshalb dürfen wir nicht feige schweigen! 

Thomas Meyer-Falk

z.Zt JVA Freiburg

freedomforthomas.wordpress.com

-Mai 2018- 

„Grill-Affaire“ in der Freiburger Sicherungsverwahrung

Das Leben in der Freiburger Sicherungsverwahrung (SV) ist nicht immer leicht, aber das Anstaltspersonal ist zumindest gelegentlich bemüht, durch lustige Taten die Stimmung aufzulockern. Hier wird nun endlich nicht mehr nur gestorben, hier wird nämlich jetzt gegrillt – und dann erst gestorben.

Sicherungsverwahrung in Freiburg

Seit 2013 berichtete ich über den Vollzugsalltag in der SV, der aus Sicht nicht weniger Insassen von Verwahrung und Warten auf den Tod gekennzeichnet ist. Es gibt ein kleines eigenes Hofareal für die Verwahrten und so kam einige von ihnen die Idee auf, dort während der milden und warmen Jahreszeit zu grillen.

Allerdings lehnte dies die Anstalt ab. Sie erklärte sich nur bereit, im Rahmen des jährlichen Sommerfests, das unter Beteiligung der Anstaltsleitung, der SozialarbeiterInnen, der PsychologInnen und der uniformierten Bediensteten stattfindet, einen Grill aufzustellen. Der erste Fortschritt war dann, dass 2016/17 den einzelnen Wohngruppen, derer gibt es vier, die Möglichkeit eingeräumt wurde auch außerhalb dieses ‚Events‘, jedoch nur unter Beteiligung von Bediensteten des uniformierten Dienstes, zu grillen. Was aber in der Praxis nicht von vielen Verwahrten in Anspruch genommen wurde, denn es gibt diverse Insassen die keine Lust haben sich zusammen mit Knastpersonal zu vergnügen.

Die Verfügung vom 25.April 2018

Vermittels eines eineinhalb Seitens umfassenden Aushangs in kleiner Schriftgröße wurde verfügt, dass nunmehr endlich auch ohne Aufsicht von Bediensteten gegrillt werden dürfe. Yeah, endlich!! Wären da nur nicht die Haken, Ösen und Fallstricke. Klar, erstens man muss seinen Grillwunsch im Vorfeld anmelden. Danach muss dieser Wunsch vom „Stationsteam genehmigt werden“ (alles Orginalzitate).

Wer darf denn aber nun grillen?! Nicht jedermann. Nur jene dürfen den Wunsch äußern, die zum einen über den sogenannten „Sonderausführungsstatus“ verfügen, „keinen Sicherungsmaßnahmen“ unterliegen, sich durch „hausordnungsgemäßes Verhalten“ auszeichnen und sich zudem als „absprachefähig“ erweisen. Dieses Anforderungsprofil ist kumulativ zu erfüllen.

Sodann, also nach der Genehmigung durch das Stationsteam, muss zuvörderst der genaue Grilltermin mit dem „Team abgeklärt werden, denn die Beamten haben einen „Grillkalender“ zu führen. So solle verhindert werden, dass es zu terminlichen Kollisionen komme. Der Grill und die benötigten Utensilien, so wird angeordnet, erhalte man dann zu gegebener Zeit vom „Fachdienst“ ausgehändigt.

Einer der Grillwütigen muss verständlicherweise „die Gesamtverantwortung“ übernehmen und erhält deshalb vom Personal eine „Einweisung in die Anleitung zum Grillen“,sowie die entsprechenden „Brandschutzbestimmungen“. All dies habe der Insasse durch Unterschrift zu bestätigen. Kann man nun endlich grillen?

Nein, jetzt kann noch nicht gegrillt werden, denn nun erläutert die Verfügung detailverliebt wie am Grilltag vorzugehen sei: der Grillanzünder, der wird ausschließlich durch „Bedienstete hinzugegeben“. Erst jetzt dürfe angezündet werden. Danach habe man zu warten. Denn erst wenn die Kohle „gleichmäßig glüht und mit einer feinen, weißen Ascheschicht bedeckt ist“ dürfe mit dem Grillen begonnen werden. Unabdingbar, so die Verfügung der Anstalt, sei jetzt ein „regelmäßiges Kontrollieren und Wenden des Grillguts“.
Selbstverständlich müsse zur „Sicherheit immer eine Löschdecke bereitliegen“.

Auch das Grillende und Säubern des Grills ist weitschweifig geregelt, aber ich erspare der verehrten LeserInnenschaft die Bestimmungen hierzu.

Die Reaktion der Verwahrten

Gerüchteweise hatte sich der Inhalt der Verfügung schon herumgesprochen, bevor er ausgehängt wurde; erst herrschte ungläubiges Staunen, mittlerweile Empörung. Empörung selbst bei jenen mit dem Sonderausführungs-Status. Dieser Status berechtigt die an den Therapieangeboten umfänglich teilnehmenden und sich in den Gruppenprozess einbringende Verwahrten, mehr als die obligatorischen vier Ausführungen im Jahr in Anspruch zu nehmen. Bei einer „Sonderausführung“ verlässt der Insasse, bewacht von den Vollzugsbeamten, für rund zwei Stunden die Anstalt, geht einkaufen, spazieren oder einen Kaffee trinken.

Dumm nur, dass bis auf weiteres keine solche Sonderausführungen stattfinden werden, denn es fehle schlicht an Personal, so die Anstaltsleitung. Nun wird eben das Grillen im Hof als eine recht magere „Ersatzveranstaltung“ erlebt. Statt also vor den Mauern das Leben zu erfahren, durch die Freiburger Gassen zu flanieren, sitzt man in dem kleinen Gefängnishof und grillt sich ne Wurst. Der Jubel hielt sich folglich in Grenzen.

Und jene Insassen die die Zugangsvoraussetzungen, das umfangreiche Anforderungsprofil nicht erfüllen, auf der Station auf der ich wohne ist das die Mehrzahl, werden niemals in den Genuss des autonomen Grillens kommen. Ein langjähriger Bediensteter, dem gegenüber ich sarkastisch die ‚Poesie‘ des Verfügungstextes lobte, meinte nur, er halte diese Verfügung für-Zitat-einen „Kindergarten“.

Ob für das zu erwartende künftige Sterben von Untergebrachten ähnlich detaillierte Regelungen erdacht wurden oder in Planung sind, bspw. dass das Sterben im Vorfeld anzumelden und dann erst genehmigt werden müsse, nur ein bestimmter Teil der Insassen sterbeberechtigt ist, der exakte Termin dann noch mit dem Team abzuklären wäre und – ganz wichtig!!- eine ‚Anleitung zum Sterben‘ und damit korrespondierender ‚Schutzbestimmungen‘ zur Kenntnis zu nehmen sein wird, das bleibt im Dunkeln. In diesem Sinne: fröhliches Grillen!

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV)
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
Archiv: http://www.freedom-for-thomas.de

Wieviel Mitgefühl mit jemanden, der mal im Knast gearbeitet hat?

Kürzlich berichtete ich über den Tod einer ehemaligen Gefängnispsychologin https://freedomforthomas.wordpress.com/2018/04/19/susanne-preusker-hat-sich-das-leben-genommen/ . Da es zu kritischen Rückmeldungen kam, diese Ergänzung zu meinem Beitrag vom April 2018. Der Text sei missverständlich für Menschen die mich nicht kennen würden, hieß es; insbesondere könne man ihn so lesen, als würde ich klammheimliche Freude über die Vergewaltigung oder den Suizid der ehemaligen Gefängnispsychologin empfinden.

Spontanes Mitfühlen

Wir greifen im Mitfühlen über uns selbst hinaus; bei echtem Mitfühlen nehmen wir An-teil. Geht es um Leid, so nimmt jemand der mitfühlt, das Leid des ursprünglich Betroffenen mit sich auf. Dieses Anteilnehmen beruht auf einem urmenschlichen Phänomen.

Mich hat seinerzeit das Leid das Frau Preusker erfahren musste, berührt, mitfühlen lassen, wie nun auch ihr Suizid. Wie ich schon im April geschrieben hatte, kein Mensch sollte jemals erleben was sie erleben musste.

Die Frage ist nun, verweigern wir uns, verweigere ich mich, diesem Urphänomen des Mitfühlens, weil die Person um die es geht, eine (ehemalige) Vollzugsbedienstete ist?

Über die Menschlichkeit in der politischen Auseinandersetzung

Vor einiger Zeit gab es in der Zeitschrift der Rote Hilfe e.V. eine Debatte über die Verwendung der Zeichenfolge ‚ACAB‘; erörtert wurden die Argumente die für die Verwendung dieser Zeichenkette sprechen, wie auch die Gegenargumente. Diese Diskussion weist auf ein Thema hin, um die es auch in vorliegendem Zusammenhang geht: das nach dem Einfühlen in das Gegenüber, selbst wenn es sich dabei um den/die politischen Gegner/in handelt, für die Repressionsbehörden arbeitet oder gearbeitet hat. Für manche mutet es widersprüchlich an, gerade für Menschen Mitgefühl zu empfinden, die doch unsere Gegner/innen sind.

Widerspruchsfreiheit ist jedoch, auch wenn sich viele darum bemühen, in keinem von uns gegeben; und die Widersprüche sind auch nicht etwa bloße Nebensache, sie sind auch nicht zu vernachlässigen oder gar zu eliminieren, denn ein kreatives und buntes Leben bedeutet zwangsläufig, Widersprüche ernst zu nehmen, sie auch bewusst zu wählen, sich zu ihnen zu bekennen.

Hierzu gehört meines Erachtens dann auch Mitgefühl für eine Frau, die Opfer schwerster sexueller Übergriffe wurde und sich möglicherweise mitursächlich durch diese Übergriffe bedingt, Jahre später das Leben nimmt. Dass sie im Gefängnis Teil der Repressionsmaschinerie war, darf auf dieser menschlichen Ebene keine Rolle mehr spielen.

Wenn wir für eine Veränderung der Verhältnisse kämpfen, von der Idee ausgehend das Gleich-Sein im Anders-Sein anzuerkennen, also die Gleichsetzung in der Gattung Mensch, ist es wichtig sich berühren zu lassen. Das bedeutet nicht, dass wir menschenfeindliche Ideologien und auch ihre VertreterInnen nicht mehr bekämpfen dürfen. Ganz und gar nicht. Aber wir sollten uns die Menschlichkeit bewahren, die Verletzungen eines Menschen zu sehen und berühren zu lassen.

Wenn wir dazu nicht mehr bereit wären, dann hätten wir schon verloren.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str.8, D-79104 Freiburg

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Anna Campbell has died in Afrin

Published 10th April, 2018
Dreams become homeless anywhere people are dying, and this is especially the case when they are giving their lives in a struggle for freedom. I was in touch with Anna for many years via letters; she lived in the UK and was involved with ABC (Anarchist Black Cross), amongst other things. To start with, she wrote to me under a pseudonym, Daisy, and from 2015 onwards as Anna.
I recall a young, lively, critical woman who suffered my poor English with patience. Her letters were illustrated with fun drawings and she always seemed full of humour and warmth.
When I found out a few weeks ago that she had been murdered in a Turkish bombing in Afrin (https://www.theguardian.com/world/2018/ma/19/briton-kurds-anna-campbell-dies-fighting-turkey-syria-afrin), a comrade sent me this news article, my heart was full of grief.
For the person who is dying, death means the end of their time, and for those who are witnessing it, time also stops, at least for a moment.
With the many reports of injuries and deaths in Rojava and Afrin, a personal connection to someone who was fighting there makes the suffering much more tangible.
So many family members, friends, comrades miss Anna; I will not be getting any more letters with fun drawings from her anymore.
Was it a nice life she had, a full existence? This is a question anyone should be asking at the end of their life.
From what I knew of her, and her friends, she certainly had a full life: one embracing it completely.
And she was prepared to put her life on the line for a struggle to make the world a better place.
Anna is not alive anymore, but she lives on as a memory in so many hearts.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – SV-Abtlg., Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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