Grußwort zur Silvesterkundgebung in Freiburg

(audio-Datei am Ende des Textes)

Wieder geht ein Jahr zu Ende, wieder steht ihr heute hier. Deshalb
erstmal herzliche, solidarische und kämpferische Grüße von hier
drinnen zu euch da draußen. Wie schön, dass ihr trotz allen
Widrigkeiten diesmal sogar einen Tag eher gekommen seid als sonst. Was
fürein verrücktes Jahr. Auch in den Knästen, auch hier in Freiburg. Die
Corona Pandemie, sie führte zu gravierenden Veränderungen, was zum
Beispiel Besuche angeht. Aktuell gibt es hier in Freiburg nur noch
Skype-Termine, wegen des Lockdowns. Keine persönlichen Besuche sind im
Moment zugelassen. Allerdings sind wir aus meiner Sicht in Deutschland
noch ganz gut weggekommen. Das betrifft die Haftbedingungen und ebenso
die Infektionsraten, gerade in den Gefängnissen. Da sieht es zum
Beispiel, wenn wir in die USA schauen, viel schlimmer und dramatischer aus.

Im zu Ende gehenden Jahr gab es im Freiburger Gefängnis Todesfälle, es
gab Schlägereien. In einem Fall nahm die Staatsanwaltschaft Freiburg
sogar Ermittlungen wegen versuchten Mordes gegen zwei
Sicherungsverwahrte auf. Die beiden wurden mittlerweile angeklagt und im
April findet vor dem Landesgericht Freiburg deswegen ihr Prozess statt.
Ein anderer Insasse wurde mit scharfen Sicherungsmaßnahmen überzogen, er
landete in Isohaft. Er war seinem kleinen Spieltrieb gefolgt und
bastelte eine Armbrust. Taktisch sicher nicht seine cleverste Idee, aber
wer ihn genauer kennt weiß, er ist einfach ein begeisterte Bastler.
Immer wieder landeten Insassen auch im Bunker, im Keller der
Justizvollzugsanstalt. Für Stunden, für Tage, sie hämmerten verzweifelt
und wütend gegen die Betonwände und sie schrien sich die Seelen aus
ihrem Leib.

Was soll ich sagen? Alles ziemlich düster dieses Jahr. Ziemlich düster
aber auch die Aussichten, zumindest wenn wir uns rasche und
grundlegende Veränderungen erhoffen.
Umso wichtiger erscheint es mir, dass wir für unsere Utopien streiten,
für unseren Utopien kämpfen, für unsere Utopien bereit sind zu leben.
Utopien entstehen in Krisenmomenten, in Übergangsphasen und wir sind
heute mittendrin. Um nur ein paar Schlagworte aufzuzählen: Klima,
Ökonomie, Gesundheit. Dazu noch die immer aggressiver und offensiver
auftretenden Neonazis, aber auch die staatlicherseits permanent
zunehmende Repression in der letzten Wochen und Monaten, inklusive
zahlreichen
Verhaftungen.

Utopien, sie versprechen uns etwas. Nämlich, dass eine andere Welt
möglich ist. Aber wir sind es, die dafür zu kämpfen und dafür zu
streiten haben, für diese Utopien und auf sie hin leben müssen. Denn
eine Utopie die zu keinen konkreten Aktionen führt, sie ist nicht mehr
als eine Flucht vor der Wirklichkeit.

Ich wünsche euch allen ein gesundes Jahr 2021, ein streitbares 2021, ein
mutiges Jahr 2021.
Denn wir sind es, wir alle gemeinsam vor und hinter der Knastmauern die
die Utopie Wirklichkeit werden lassen.

Herzschlagende Grüße, euer Thomas


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