Lautstarke Debatte im Bundestag um Indymediaverbot

Am 25. Februar 2021 debattierte der Deutsche Bundestag auf Antrag der AfD über die Frage, ob der Bundestag die Regierung auffordern solle, umgehend die Plattform de.indymedia.org zu verbieten. Der Antrag der AfD stieß einhellig auf Ablehnung. An der etablierten Presse ging die Debatte offenbar vollständig vorbei.

Vorgeschichte und AfD-Antrag

Nachdem am 14.08.2017 der Bundesinnenminister Linksunten.indymedia verboten hat und eine Klage gegen das Verbot vor dem Bundesverwaltungsgericht im Januar 2020 scheiterte, schoss sich neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz insbesondere die AfD auf de.indymedia.org ein. Im Juni 2020 forderte neben Beatrix von Storch, Dr. Curio, Dr. Gauland, Alice Weigel, die gesamte AfD-Fraktion ein Verbot der Plattform (vgl. Bundestagsdrucksache 19/20682). Auf sieben Seiten führten die AfD Abgeordneten einige ihnen missliebige Zitate von auf indymedia gefundenen Erklärungen auf, beklagten „Hetzaufrufe (gegen) Polizeibeamte“ (S.4), und unterstellten der Plattform eine Unterstützung, ja Förderung „linksextremen Terrors“ (S.5).

Gefordert werden von der AfD ein Verbot des Vereins „Indymedia“, ein Verbot der entsprechenden Internetseite, sowie ein Verwendungsverbot für das Logo von indymedia (S.2).

Der mit dem Antrag befasste Bundestags-Ausschuss für Inneres und Heimat empfahl mehrheitlich, gegen die Stimmen der AfD, eine Ablehnung des Antrages (vgl. Bundestagsdrucksache 19/24123).

Die Debatte im Bundestag am 25. Februar 2021

Am sehr späten Nachmittag des 25.02.2021 fand eine 30 Minuten dauernde Debatte im Plenum des Deutschen Bundestages über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat statt. Um es vorweg zu nehmen, es ging sehr turbulent zu. Der erste Redner, Christoph Bernstiel (CDU/CSU) beklagte ein Erstarken des Linksextremismus, plädierte aber dafür nicht groß über ein etwaiges Verbot zu diskutieren, es gewissermaßen anzukündigen, sondern zu handeln! Im übrigen gehe die Annahme der AfD fehl, dass es sich bei der Plattform um einen verbotsfähigen Verein handele. Und „wo es keinen Verein gibt, kann man auch keinen Verein verbieten.“
Bei ihm habe der AfD-Antrag den Eindruck hinterlassen, dass ein Mitarbeiter der AfD in seiner „Mittagspause sein Brötchenpapier genommen“ habe auf das er ein Best-of von Indymedia-Zitaten „gekritzelt“ habe.

Auf Bernstiel erwiderte dann unmittelbar Beatrix von Storch (AfD), die sogleich betonte, indymedia gehe es „nicht um Menschheit, Gerechtigkeit oder die Umwelt. Die wollen schlagen, treten und plündern. Sie wollen demütigen, einschüchtern und bedrohen, anzünden, abfackeln und zerstören. Die wollen Terror, und sie wollen töten.“ Im weiteren Verlauf ihres Redebeitrags attestierte von Storch den Redaktionsstuben, Universitäten, Umweltverbänden, Gewerkschaften, NGOs, aber auch Mitgliedern des Bundestages und der Regierung „Sympathisanten dieser linken Gewalt“ zu sein.

Die Abgeordnete Susann Rüthrich (SPD) beklagte im Anschluss an von Storchs Rede, eine eklatante Senkung des Niveaus. Offenbar nerve die AfD die Recherchearbeit von indymedia, da diese rechtsextreme Netzwerke aufdecke, insbesondere die Verbindungen und Verstrickungen von AfD Abgeordneten in die rechte Szene. Immer wieder unterbrachen Abgeordnete der AfD die Rednerin durch Zwischenrufe.

Anschließend sprach von der FDP der Abgeordnete Konstantin Kuhle. Er attackierte die Plattform scharf, ebenso seine Vorrednerin der SPD, deren Auftritt er als „erbärmlich“ bezeichnete. Dessen ungeachtet, so Kuhle weiter, lehne die FDP ein Verbot ab und führte u.a. die Meinungsfreiheit ins Feld.

Ulla Jelpke (Die Linke) arbeitete heraus, dass durch das Konzept von indymedia, nämlich der Möglichkeit anonym zu schreiben, „dort leider auch viel Müll“ zu finden sei, um sich dann aber klar und deutlich an die Seite der Plattform zu stellen. Bei indymedia finden nämlich „berichte über Polizeigewalt und Gewalt von Rechten, die man ansonsten totgeschwiegen hat.“ Als „wichtige Plattform für Enthüllung antifaschistischer Recherche über die rechtsextreme Szene“ sei indymedia unerlässlich und sie danke ausdrücklich dafür! Was für reichlich Unruhe in der AfD-Fraktion sorgte.

Die Abgeordnete Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) führte aus, auf der Plattform werde „zu Gewalt und zum Systemsturz“ aufgerufen, es „sogar Solidarisierung mit Terrorismus.“ Dies müsse konsequent verfolgt werden, jedoch sei ein Verbot der Seite nicht der richtige Weg. Im weiteren Verlauf ihrer Rede macht Mihalic darauf aufmerksam, dass es doch die AfD selbst sei, die von „Hetze und Aufrufen zur Gewalt“ lebe, der AfD Antrag sei „so scheinheilig“. Dieser Diagnose schlossen sich weitere RednerInnen an. So Helga Lindg (SPD), der der AfD vorhielt, ihr Antrag „ist an Heuchelei, Scheinheiligkeit, Bigotterie nicht zu überbieten.“ Man habe „in Deutschland kein Antifa-Problem (sondern) ein manifestes Neonazismus- und Faschismusproblem.“

Beatrix von Storch tat sich laut Debattenprotokoll kurz vor Ende der Debatte noch mit dem Zwischenruf „Wir werden Sie jagen!“ hervor.

Das Debattenprotokoll kann online auf der Website des Deutschen Bundestages nachgelesen werden (19. Wahlperiode, 212. Sitzung, den 25.02.2021, Seite 26782-26793).

In der von der AfD geforderten namentlichen Abstimmung stimmte alle Fraktionen, außer der AfD, für die Ablehnung.

Ausblick

Folgt man den in der Regel gut informierten RednerInnen von CDU/CSU wird seitens Seehofers und dessen Bundesinnenministerium ernsthaft ein Verbot geprüft, so dass es niemanden überraschen sollte, wenn eines morgens Breaking News vermelden, dass bundesweit Polizei ausrückt um euin etwaiges Verbot umzusetzen. Dass AfD und weite Teile von FDP und CDU/CSU das Konzept von einer Plattform wie indymedia nicht verstanden haben, oder nicht verstehen wollen, zumindest in ihrer Außendarstellung, verwundert nicht. Würde es ihnen inhaltlich ernstlich um die Gewaltfrage gehen, hätte es ausreichend Gelegenheit gegeben, beispielsweise in Redaktionsstuben von FAZ oder Süddeutscher Zeitung einzurücken, wenn dort Mitarbeitende in Kommentaren völkerrechtswidrige Überfälle auf Drittstaaten, und damit die vielen Toten rechtfertigen. Oder in die Büros eines damaligen Regierenden Bürgermeisters Scholz in Hamburg, als er die brutalen Übergriffe der Polizei vollständig negierte, obwohl das Bildmaterial eindeutig schwere Misshandlungen von Demonstrantinnen und Demonstranten belegte.

Indymedia ist nicht nur aus dem politischen Raum, sondern auch technisch Opfer von heftigen Angriffen; so war in den letzten Tagen und Monaten die Seite vielfach nicht erreichbar. Dies stellt eine Attacke auf die Möglichkeit von Menschen in prekären Lebensverhältnissen dar, sich frei zu informieren und zu äußern. Denn wie zu Recht viele Rednerinnen und Redner, allen voran Ulla Jelpke, betonten, auf indymedia finden sich Informationen die ansonsten totgeschwiegen werden von den etablierten Medien! Indymedia gibt den ansonsten unsichtbaren, stummen Menschen eine Möglichkeit die Stimme zu erheben!

Thomas Meyer-Falk

z.Zt. JVA (SV)

Herman-Herder-Str. 8

D-79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

Prozessbeginn im April gegen zwei Sicherungsverwahrte in Freiburg

Am 13.04.2021 beginnt vor dem Schwurgericht des Landgerichts Freiburg der Strafprozess gegen zwei Sicherungsverwahrte, welche im vergangenen Jahr zwei Mitinsassen verprügelt und zudem geplant haben sollen einen Insassen zu vergiften.

Die Anklage

Die Staatsanwaltschaft Freiburg wirft den beiden erst 36 und 37 Jahre alten Sicherungsverwahrten vor, in die Zelle eines Verwahrten eingedrungen und auf ihn eingeschlagen zu haben. Ein zweiter Insasse soll von einem der beiden Angeklagten anschließend angegriffen worden sein, als die Sicherheitsbeamten schon vor Ort waren.

Gravierender freilich ist der Anklagevorwurf der geplanten Ermordung eines Verwahrten. Hierzu soll in eine Tüte mit Tiefkühlgemüse Rattengift eingebracht worden sein, welches einer der Rattenfallen, die im Gefängnishof gestanden haben, entnommen worden sein soll. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen sagte darüber hinaus ein langjähriger Sicherungsverwahrter aus, ihm gegenüber habe zumindest einer der beiden nun angeklagten jungen Männer angekündigt,die Vergiftung zu planen. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe des versuchten Mordes nachdrücklich.

Einer der Angeklagten wird vertreten von Rechtsanwalt Michael Volz (Karlsruhe).

Prozesstermine

Am 13. April 2021 beginnt vor dem Landgericht Freiburg nunmehr der Strafprozess. Fortsetzungstermine sind für den 14.04., 20.04., 21.04., 27.04. und 28.04. angesetzt. Den Vorsitz führt die Richterin am Landgericht Frau Dr. Kleine-Cosack. Geladen sind neben Kriminalbeamten, Biologen bzw. Chemikern auch einige Sicherungsverwahrte.

Zur Sicherungsverwahrung

Die SV wurde mit Gesetz vom 24.11.1933 von den Nationalsozialisten in das damalige Reichsstrafgesetzbuch aufgenommen und gestattet seitdem dem Staat, Menschen auch nach Verbüßung ihrer eigentlichen Freiheitsstrafe auf unabsehbare Zeit, somit auch bis zum Tod, in Haft zu halten. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar vor genau zehn Jahren (Urteil vom 04.05.2011) die Regelungen zur SV für verfassungswidrig erklärt, jedoch dem Gesetzgeber eine Frist gesetzt, innerhalb derer er die Haftbedingungen verbessern könne. Aus Sicht von Politik und Gerichten sind die Gesetzgeber des Bundes und der 16 Bundesländer den verfassungsgerichtlichen Vorgaben im Jahr 2013 ausreichend nachgekommen; hingegen aus Sicht vieler Betroffener, wie auch deren anwaltlicher Vertreterinnen und Vertreter ist der Haftalltag nach wie vor von tiefer Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit gekennzeichnet. In vielen Fällen laufe die SV auf ein bloßes Warten auf das Sterben in Haft hinaus.

Thomas Meyer-Falk,
z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),
Hermann-Herder-Str.8
79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com

Grußwort zum 18. März

Solidarische und herzliche Grüße hier von Hinter den Mauern der JVA Freiburg!
Seit dem 18. März des letzten Jahres sind wieder viele Menschen in den Gefängnissen gestorben, es nimmt einfach kein Ende.
Auch nicht die Verhaftungen. Soviele Genossinnen und Genossen sind eingeknastet worden in den letzten Monaten.
In Schwäbisch-Gmünd sitzt Nicole, in Ostdeutschland Lina, in Stammheim Martin, um nur einige ganz wenige zu nennen.
Die staatlichen Angriffe auch auf die Infrastrukturen deuten auf eine Zuspitzung der Auseinandersetzungen hin.
Erst vor wenigen Tagen, am 25. Februar debattierte der Deutsche Bundestag über die freche Forderung der AfD, indymedia zu verbieten und die webseite komplett abzuschalten.
Auch wenn die übrigen Fraktionen den AfD-Antrag ablehnten, die CDU/CSU machte sehr deutlich, man arbeitet genau an solch einem Vorhaben.
Oder wie meinte AfD-Frontfrau Beatrix von Storch im Rahmen der Debatte – in der für sie eigenen Klarheit – als sie in den Saal schrie: „wir werden sie jagen!“.
So wie es die Justizbehörden letztlich ja schon tun, denn der Versuch, Menschen durch die Inhaftierung handlungsunfähig und mundtot zu machen, ist offensichtlich.
Und setzt sich beispielhaft fort, in Angriffen gegen Solistrukturen, wobei auch wie immer der § 129a und 129 b StGB. eine wichtige Rolle spielt, nämlich um die Szene auszuforschen.
Umso wichtiger sind die Rote Hilfe und der 18. März, um Zusammenhalt zu stiften, um sich zu begegnen, auch in Zeiten einer Pandemie. Um neue Verbindungen zu knüpfen, um Menschen in den Gefängnissen durch die körperliche Präsenz vor Ort zu zeigen, dass sie nicht vergessen sind. Um den Freundinnen und Freunden, sowie den Genossinnen und Genossen, die politisch aktiv sind und dabei sehr viel riskieren, ein Zeichen zu senden: Ihr werdet niemals vergessen werden, falls die Justiz euch doch eines Tages einknasten sollte!
Nicht zu unterschätzen ist aber auch das Signal an die Repressionsbehörden, ob an die Polizei, an die Verfassungsschutzbehörden, die Gerichte oder die Gefängnisse und deren Bediensteten: Dass wir uns nämlich nicht einschüchtern lassen werden, niemals, egal ob vor den Mauern und erst recht nicht hinter den Mauern!
Lasst uns die versteinerten Verhältnisse zusammen zum tanzen zwingen, für eine gerechte Welt streiten und für eine solche Welt auch kämpfen – für eine Welt, in der es eines Tages den 18. März hoffentlich nicht mehr geben braucht, er an vergangene Kämpfe erinnern mag, es aber keine Knäste mehr geben wird.
Freiheit für die Gefangenen!  

Wann werden Gefangene gegen Corona geimpft?

Längere Zeit herrschte Unsicherheit darüber, wann Gefangene geimpft werden.
Auf eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz legte das zuständige Ministerium nun offen, Inhaftierte seien erst in Gruppe 3 und dort an allerletzter Stelle zu finden.

Die Anfrage

Mit Schreiben vom 01.02.2021 beantragte ich nach dem IFG-Bund eine kostenlose Auskunft darüber, in welcher Prioritätengruppe inhaftierte Menschen zu finden seien.

Die Antwort vom 25.02.2021

Mit Schreiben vom 25. Februar antwortete mir das Bundesministerium für Gesundheit (AZ.: 53-01/007 538), dass Inhaftierte (nur) mit erhöhter Priorität zu impfen seien.
Sie würden § 4 Nr. 9 der Impfverordnung vom 08.02.2021 unterfallen, also zu den dort genannten „Personen mit prekären Arbeits- und Lebensbedingungen“ zählen.

Bewertung

Kurz gesagt, Inhaftierte sind in Gruppe 3 einsortiert, so sie nicht auf Grund von Vorerkrankungen oder Alter in die erste oder zweite Gruppe fallen.
Und dort sind sie dann, gemeinsam mit all den anderen, die unter „prekären“ Bedingungen ihr Leben fristen, auf Wunsch zu impfen.

Es geht gar nicht darum, nun zu lamentieren, es versteht sich von selbst, dass Menschen, die schon sehr alt sind und damit im Infektionsfalle ein besonders hohes Sterberisiko tragen, als Erste geimpft werden.

Aber die besondere Situation in den Gefängnissen und anderen Gemeinschaftsunterkünften wie überhaupt von Menschen in „prekären Arbeits- und Lebensbedingungen“ bedeutet in der Regel zwangsläufig ein überdurchschnittliches Erkrankungsrisiko.
Schon durch die Klassenlage determiniert.

Interessanterweise hat die JVA Freiburg, wie es in anderen Haftanstalten aussieht, kann ich nicht beurteilen, noch nicht begonnen mit den verpflichtend vorgesehenen Aufklärungen und Impfberatungen (§ 1 Abs. 1 der genannten Verordnung).

Wie dann rund 600 Menschen ausführlich aufgeklärt werden sollen, wenn in einigen Monaten die Impfung erfolgen soll, erscheint nicht nachvollziehbar, weshalb nun der Landtag prüft, ob hier die Justizverwaltung dazu aufgefordert werden sollte, endlich tätig zu werden.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV)
Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com

Justizministerium Dresden lehnt Verlegung nach Sachsen ab

Im November 2019 hatte ich bei der JVA Freiburg meine Verlegung nach
Sachsen beantragt. Nach rund einem Jahr der Prüfung lehnte eine
Übernahme meiner Person der zuständige Ministerialrat E. im
Staatsministerium ab.



Die Vorgeschichte


Nunmehr bin ich fast 25 Jahre am Stück in Baden-Württemberg inhaftiert
und hatte deshalb eine Verlegung in ein anderes Bundesland beantragt.
Die Wahl fiel auf Sachsen, was familiäre und Beziehungen
freundschaftlicher Natur zum Hintergrund hatte. Da das ein bisschen
„wenig“ sein könnte, verwies ich darauf, nach 25 Jahren nunmehr ziemlich
viel „verbrannte Erde“ im Südwesten produziert zu haben und so einen
„Neuanfang“ starten könne. Eine Vorbereitung auf eine Freilassung sei
zudem in Sachsen ungleich besser möglich.



Die Justizvollzugsanstalt Freiburg stimmt zu


In Folge des Antrags kam es im November 2019 zu einem ersten Gespräch
mit dem Vollzugsleiter der SV-Abteilung und anschließend zu noch einem
weiteren Gespräch mit ihm und dem Gesamtanstaltsleiter. Beide befragten
mich nachdrücklich, ob es mir mit der Verlegung wirklich ernst sei. Als
ich dies bekräftigte, meinten sie, auch aus ihrer Sicht habe der Antrag
eine gute Basis und sie würden ihn unterstützen. Dem folgte dann auch
das Stuttgarter Justizministerium. Da es sich um eine
länderübergreifende Verlegung handeln würde, war die Zustimmung auch des
baden-württembergischen Justizministeriums nötig. Dies legte dann dem
sächsischen Staatsministerium für Justiz und für Demokratie den Vorgang,
mit der Bitte um Übernahme meiner Person in den dortigen Vollzug, vor.



Das sächsische Staatsministerium für Justiz lehnt ab


Mit Bescheid vom 10.02.2021, der mir nun Anfang März eröffnet wurde,
lehnte Ministerialrat E. aus Dresden den Antrag ab. Bei mir handele es
sich um eine narzisstische und dissoziale Persönlichkeit, der sich einer
Therapie widersetze und auch alle anderen Maßnahmen der Resozialisierung
ablehne. Mir mangele es an „basaler sozialer Kompetenz“, ich sei von
„einem hohen Maß an Misstrauen, sogar gegenüber Menschen, die mir helfen
wollen“ geprägt. Ich agiere durch Beschwerden, um „psychologische Macht“
auszuüben. Da man aber in der JVA Bautzen schon drei sehr
beschwerdefreudige Insassen habe, bestünde die Gefahr einer „ungünstigen
Kumulation“ und „gegenseitigen Bestärkung in dem gegen das Justizsystem
als Unrechtssystem gerichteten Meinungsbildes“.

Daneben habe man jedoch auch keinerlei räumliche Kapazitäten für eine
Übernahme meiner Person, denn alleine 2021 stünden sechs sächsische
Insassen zum Antritt der SV an. Von 40 Plätzen für Sicherheitsverwahrung
in der Justizvollzugsanstalt Bautzen seien aktuell schon 38 belegt.



Weitere Schritte und Bewertung


Gegen den Bescheid des Ministeriums werde ich nun vor dem OLG Dresden
gerichtlich vorgehen. Über die Dauer dieses Verfahrens lässt sich
momentan noch nichts sagen.


Bezeichnend ist die einseitige, geradezu diffamierende wirkende
Darstellung meiner Person. Wenn dann das legitime Inanspruchnehmen der
Beschwerdemöglichkeiten umgedeutet wird in eine pathologische „Ausübung
von Macht“ sagt das mehr über diejenigen, die solche Zuschreibungen von
sich geben, als über die so skizzierte Person. Angelehnt an die
Definition von „Macht“ wie sie z.B. Max Weber formuliert hatte („Macht
bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen
Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese
Chance beruht“ zitiert nach J.P.Reemtsma, „Die Gewalt spricht nicht“,
S.11), ist es tatsächlich eine Machtfrage die Gefangene stellen, wenn
sie sich gegen Maßnahmen des Gefängnispersonals wehren, und sei es eben
vor Gericht. Allerdings wird dieses „sich-wehren“ vorliegend
pathologisiert.


Es bleibt abzuwarten, ob das OLG der Argumentation des
Staatsministeriums folgen wird. Auch was die Frage der räumlichen
Kapazitäten angeht, denn der Ministerialrat aus Dresden merkte noch an,
es gebe keinen „Tauschpartner“, also niemanden, den dann Sachsen nach
Freiburg schicken könnte, im Austausch mit mir. Laut dem Freiburger
Leiter der SV sei man davon überrascht, denn eigentlich gebe es sehr
wohl einen solchen „Tauschpartner“ und man habe dessen Übernahme schon
zugesichert.


Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV)
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg

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