Datenschutzbeauftragte rüffelt JVA Freiburg

In Haftanstalten wird der jeweilige Vollzugsverlauf der inhaftierten Personen in sogenannten Vollzugsplänen vorbereitet. Hier in der Freiburger Sicherungsverwahrung steht in den meinigen stets der Vermerk „Risikoproband KURS: Ja“. Hierüber stand nun ein Streit.

KURS“ in Baden-Württemberg

Mittlerweile gibt es in allen Bundesländern solche oder ähnliche Verwaltungsvorschriften. Das Akronym steht für „Konzept zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“ und regelt deren Übergang von der Haft in die Freiheit und die anschließende besondere Überwachung dieser Täter:innen-Gruppe.

Diskussion innerhalb der JVA Freiburg

Die Nicht-Sexualstraftäter unter den Sicherheitsverwahrten waren schon immer frustriert durch Verwaltungsakt der Haftanstalt der Gruppe der Sexualtäter zugeordnet zu werden, welche rund 80% der Insassen ausmacht. Ein Insasse empörte sich nachdrücklich gegenüber seiner Sozialarbeiterin als er von mir erfuhr wofür das Akronym steht, insbesondere das „S“ für Sexualstraftäter.

Beschwerde bei der Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfDI)

Nachdem sich die JVA Freiburg geweigert hatte in meinem Fall diesen Vermerk nicht nur zu löschen, sondern zudem alle Empfänger:innen auch darüber zu informieren, dass der Vermerk schlicht falsch ist, hatte ich mich an die LfDI in Stuttgart gewandt. Wenn eine Behörde falsche Daten speichert, muss sie diese berichtigen, bzw. löschen und auch alle Empfänger:innen, denen die falschen Daten übermittelt wurden, darüber informieren. Tut dies eine Behörde nicht, steht entweder der Weg zu den Gerichten oder zur LfDI offen.

Bescheid der LfDI vom 15.12.2021

Pandemiebedingt verzögerte sich die Bearbeitung der Eingabe von April 2021, so dass erst Mitte Dezember die LfDI zu einer Entscheidung kam und feststellte, dass es sich, wie von mir vorgetragen, um eine falsche Datenspeicherung handele. Die Anstalt hatte noch abwehrend ihr gegenüber argumentiert, der Vermerk beziehe sich doch lediglich auf den möglichen Einsatz der „Elektronischen Fußfessel“ (=EAÜ). Aber wer, so der Bescheid zusammengefasst, kein Sexualstraftäter sei, dürfe von einer Behörde auch nicht quasi zu einem solchen durch Bezugnahme auf eine für Sexualstraftäter erlassene Verwaltungsvorschrift erklärt werden! Das von der LfDI hieraufhin eingeschaltete Justizministerium zeigte mehr Einsicht als die Bediensteten der JVA und ordnete eine Überarbeitung des Formulars an.

Der Bescheid ist diesem Artikel als PDF zum nachlesen angefügt.

Bewertung

Nicht genug, dass ich hier seit über 8 Jahren gezwungen bin überwiegend mit Männern zusammenzuleben, die kleine Kinder vergewaltigt haben, mitunter hundertfach, oder Frauen sexuell missbraucht, mitunter danach dann auch ermordet haben, ich werde von der Anstalt darüber hinaus verwaltungstechnisch gewissermaßen mit diesen in einen Topf geworfen, defacto als Sexualstraftäter diffamiert, indem man mich, aber auch die wenigen anderen betroffenen Insassen, als einen Risikoprobanden im Sinne der Verwaltungsvorschrift KURS einstufte was die EAÜ betrifft. Selbst als die LfDI der Anstalt erläuterte, dass sie hier falsch liege, zeigte man keinerlei Einsicht, sondern beharrte auf diese Einschätzung. Ein symptomatisches Verhalten das hier an den Tag gelegt wird; selbst wenn Gerichte der Anstalt rechtswidriges Vorgehen attestieren, erfolgt keine Entschuldigung, wie es eigentlich sozial üblich wäre. Stattdessen wird trotzig auf der eigenen Position beharrt.

Das ist der Vollzugsalltag 2021 in der Sicherheitsverwahrung!

Thomas Meyer-Falk
z.Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str. 8
D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com

http://www.freedom-for-thomas.de

Jahresendnotizen aus der JVA Freiburg

Heute möchte ich berichten über die angeblich erfolgte Aufklärung des Polizeieinsatzes gegen eine linke Demo in Ingelheim vom 15.08. letzten Jahres (1.), um einen Beschluss zur Suizidhilfe in Gefängnissen (2.) und schließlich um sonderbare Strafverfahren aus Freiburgs Haftanstalt (3.).

  1. Ingelheim im August letzten Jahres – und die ausbleibenden Folgen

    Am 15.08.2020 hatten Rechtsextreme der Partei „Die Rechte“ eine Kundgebung angemeldet. Den rund 20 Rechten wollten sich rund 200 Menschen entgegen stellen und – wie so oft – kam es zu einem robusten und handfesten polizeilichen Einsatz, der sich gegen die Linken richtete.

    Der Einsatz löste bundesweit Schlagzeilen aus, so titelte die taz mehr als deutlich mit „Polizeigewalt bei Demo in Ingelheim- Blut und Panik im Tunnel“ (https://taz.de/Polizeigewalt-bei-Demo-in-Ingelheim/!5708401/). Schlagstöcke seien ebenso gegen die GegendemonstrantInnen eingesetzt worden, wie Pfefferspray, zudem seien die Menschen in einen engen Tunnel am Bahnhof getrieben und dort festgehalten worden.

    Viele Menschen wandten sich nach dem Geschehenen an die Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz. Da es mitunter ganz erheiternd sein kann, mit welch argumentativem Aufwand polizeiliches Handeln gerechtfertigt wird, hatte auch ich an die Bürgerbeauftragte geschrieben.

    Diese teilte am 08.11.2021 auf fünf Seiten mit, dass es aus staatsanwaltschaftlicher Sicht zu keinen Straftaten seitens der Polizeikräfte gekommen sei, auch habe es zu keinem Zeitpunkt eine Einkesselung im Tunnel gegeben. Soweit es zu Pfefferspray und Schlagstockeinsätzen gekommen sei, wären diese gerechtfertigt gewesen durch Widerstandshandlungen aus der Demo heraus.

    Vor einem Monat erreichte mich dann ein Schreiben des Polizeipräsidenten Reiner Hamm aus Mainz. Er lud tatsächlich alle jene Menschen ein, die sich mit Beschwerden an die Bürgerbeauftragte gewandt hatten, so auch mich. Zum 29.11.2021 wolle er mich „herzlich einladen“, um in einem „gemeinsamen Gespräch“ den Polizeieinsatz von August 2020 näher zu erläutern.

    Da ich keine andere Pläne für diesen Tag hatte, beantragte ich bei der Haftanstalt eine Sonderausführung aus besonderem Anlass, um mir anzuhören, was der Polizeipräsident so zu erzählen weiß. In der vorletzten Novemberwoche kam jedoch erneut Post von Reiner Hamm, jetzt war nicht mehr von einer „herzlichen“ Einladung die Rede, sondern er teilte mit, er nehme von seiner Einladung Abstand! Ihm lägen nunmehr „polizeiliche Erkenntnisse“ vor, welche „durchgreifende Sicherheitsbedenken im Falle Ihrer Teilnahme an der Veranstaltung begründen“, so der Polizeipräsident. Welche Erkenntnisse genau, das blieb im Dunkeln.

  2. Suizidhilfe im Gefängnis?

    Mitunter wird die Auffassung vertreten, jede Selbsttötung in Haft sei Mord gleichzusetzen, einzig verantwortlich die Justiz. Meiner Ansicht nach übersieht solch eine zugespitzte Haltung die Entscheidungsfreiheit, die auch und gerade Menschen hinter Gittern zukommt, zukommen muss, die ihnen auch nicht abgesprochen werden darf. Es versteht sich von selbst, dass die Haftbedingungen zu skandalisieren, Missstände aufzudecken sind und für eine Abschaffung von Gefängnissen gestritten und gekämpft werden muss. Auch in Haft können Menschen sich frei dazu entscheiden, dass sie dieses Leben nicht mehr fortführen möchten.

    So hatte nun das Bundesverfassungsgericht am 03.11.2021 über die Verfassungsbeschwerde eines zu lebenslanger Strafe Verurteilten zu entscheiden, der sich seit längerer Zeit darum bemüht, von der Anstaltsleitung die Genehmigung zum Besitz eines tödlich wirkenden Medikaments zu erhalten. Da diese sich dem verweigert, klagte er erst vor dem Landgericht Kleve und dann dem Oberlandesgericht Hamm. Die Gerichte stellten sich auf den Standpunkt, dass es die Gewissensfreiheit des Anstaltsleiters verletze, wenn er dem Antrag des Insassen entspreche. Der Beschwerdeführer sitzt seit 35 Jahren in Haft, er erwartet allenfalls kurz vor dem Lebensende in hohem Alter, wenn überhaupt, einige Wochen oder Monate in Freiheit verbringen zu dürfen. Er sei nicht akut suizidal, wolle aber nicht ohne jegliche Perspektive weiter leben und auf einen natürlichen Tod in Haft warten.

    Das BVerfG hielt es für verfassungsrechtlich nicht haltbar, hier dem Anstaltsleiter eine Gewissensentscheidung zubilligen zu wollen. Zudem müsse der Fall viel gründlicher geprüft werden. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten (die Gewerkschaft des Gefängnispersonals) habe auch schon ein entsprechendes Konzept für Sterbehilfe angefordert, denn es werde nicht ausbleiben, bei einer Legalisierung diese auch Gefangenen zu ermöglichen.

    Nun muss das LG in Kleve über den Fall neu entscheiden, es ist also noch nicht sicher, ob der Gefangene am Ende eine Genehmigung erhalten wird, aber die ersten Schritt ist er gegangen.

  3. Sonderliche Strafverfahren aus der Haftanstalt in Freiburg

    Machte 2020/2021 die Rattengift-Affäre Schlagzeilen, in der zwei Sicherungsverwahrte angeklagt waren, die Ermordung eines Mitinsassen mittels Rattengift geplant zu haben (es erfolgte ein Freispruch in dieser Sache, denn das Gericht wollte nicht ausschließen, dass das angebliche Anschlagsopfer die Sache nur inszeniert hatte, um sich in den Mittelpunkt zu rücken oder den beiden Angeklagten zu schaden), so dreht sich das Rad immer weiter. So wird Fritz (alle Namen geändert), einem pädokriminellen Insassen, vorgeworfen, er habe sich in der Stationsküche einem ebenfalls wegen schwerer Sexualstraftaten einsitzenden Insassen möglicherweise unsittlich genähert. Er habe sich hinter diesen gestellt und mit dem Unterkörper stoßende Bewegungen vollführt. In einem weiteren Verfahren ist Fritz hingegen womöglich Opfer, da er und sein bester Kumpel, Ottokar, auf der Station angeblich von einem wegen Körperverletzung einsitzenden Insassen, Siggi, gedrängt worden sein sollen, Tabak, Lebensmittel und Einrichtungsgegenstände herzugeben, darunter auch ein Aquarium, Holzregale und anderes mehr. Ottokar verwies auch noch auf eine Brandverletzung am Unterarm, diese habe Siggi ihm mittels heißem Wasserdampfs zugefügt. Nachdem Ottokar als erster beim Personal mit entsprechenden Vorwürfen vorstellig wurde und dann Fritz nachzog, wurde Siggis Zelle auf den Kopf gestellt und er selbst auf eine andere Station zwangsverlegt.

    Der Staatsanwaltschaft Freiburg wird die Arbeit also so schnell nicht ausgehen. Dass sich gerade Insassen in der Sicherungsverwahrung gegenseitig mit Strafanzeigen überziehen, ist freilich kein neues Phänomen. Unabhängig davon, ob und inwieweit die Vorwürfe in den aktuellen Fällen zutreffen oder auch nicht, so scheinen sie mir doch Symptom und auch Folge langdauernder Inhaftierung zu sein. Anstatt Konflikte im Gespräch miteinander zu lösen, wird der Streit delegiert an Polizei und Staatsanwaltschaft. Eine Straflust und Strafwut gerade bei jenen, die doch selbst und das oftmals seit frühesten Kindheitstagen an erfahren haben, was Strafe bedeutet – und wie wenig sie bewirkt.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV) Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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