Bayrische Justiz suspendiert Gefängnisbedienstete und stellt JVA-Leiterin vom Dienst frei

Im Zusammenhang mit den binnen weniger Tage als „Folterskandal von Augsburg“ bekannt gewordenen mutmaßlichen Misshandlungen von Gefangenen in der JVA Augsburg-Gablingen hat sich der bayrische Justizminister Georg Eisenreich am 31.10.2024 vor der Presse geäußert.

Die Vorwürfe

Gegen die stellvertretende Leiterin der JVA Augsburg-Gablingen, sowie weitere Bedienstete wird u.a. wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt. Gefangene seien in Dunkelhaft gehalten worden, hätten in der Isolationszelle zu wenig zu Essen und Trinken bekommen, keine Matratze, seien splitternackt über Tage dort eingesperrt gewesen. Ein Ex-Gefangener berichtet von Schlägen und Tritten ins Gesicht, obwohl er gefesselt gewesen sei. Eine ehemalige Gefängnisärztin bestätigte schon in Teilen die Vorwürfe, sie selbst hatte diese schon vor längerer Zeit erhoben und nachdem keine Abhilfe erfolgte, die Arbeit in der Haftanstalt aufgegeben.

Diesen Maßnahmenkatalog verkündete der Staatsminister

Am 31.10.2024 hat nun Staatsminister Eisenreich zur Pressekonferenz geladen, um dort einen Maßnahmenkatalog zu verkünden. So sei „eine abteilungsübergreifende Task Force im Justizministerium eingesetzt (worden), die derzeit die interne Aufarbeitung im Ministerium und der JVA Augsburg-Gablingen mit Hochdruck voranbring(en)“ soll. Man habe „ein Betretungsverbot für alle Beschuldigten und ein vorläufiges Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen sowie ein Disziplinarverfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft München eingeleitet“.

Die beschuldigte stellvertretende Anstaltsleiterin wie auch weitere beschuldigte Bedienstete sei vom Dienst suspendiert, ihre Vorgesetzte, die Leiterin der Anstalt, zumindest vom Dienst freigestellt worden. Den Beschuldigten sei das Betreten der Anstalt untersagt worden.

Für die JVA Augsburg-Gablingen habe man zudem angeordnet, dass „bis auf weiteres jede Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ab dem ersten Tag der Anordnung berichtspflichtig (ist). Den Berichten ist die Anordnung der Unterbringung und eine ärztliche Stellungnahme beizufügen.“

Der Staatsminister beabsichtigt eine „rückhaltlose Aufklärung“, die „Menschenwürde ist unantastbar“. Es dürfe „gewalttätige Übergriffe auf Gefangene und die rechtswidrige Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum (…) in einem Rechtsstaat nicht geben“.

Reaktion der beschuldigten stellvertretenden Anstaltsleiterin

Die suspendierte stellvertretende Anstaltsleiterin keilt schon massiv zurück. So lässt sie sich von Rechtsanwalt Dr. Alexander Stevens vertreten, auf dessen Kanzleiseite mit hoher Kompetenz in Sachen Litigation-PR geworben wird: „proaktiver Zugang auf die Medien“ und Vermeidungsstrategien „negativer Presse“. Mit im Anwaltsteam der an der Passauer Universität lehrende Professor Dr. Holm Putzke, der als Hochschullehrer die Vertretung von Einzelpersonen und auch Unternehmen in Strafverfahren übernimmt. Unter „Litigation-PR“ dürfte wohl nun auch deren Schreiben an Ministerpräsident Söder fallen. Darin fordern sie Söder auf, dem Staatsministerium der Justiz „die Befugnis zu entziehen, sich weiterhin als Aufsichtsbehörde mit der Prüfung von Vorwürfen im Zusammenhang mit der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen zu befassen“.

Ausblick

Eine vergleichbare mediale Aufmerksamkeit erfuhr 2014 der Hungertod von Rasmane Koala, der in der JVA Bruchsal verhungerte: er war dort von der Anstalt in strengster Einzelhaft gehalten worden, nachdem er zuvor in der JVA Offenburg einen Beamten geschlagen hatte. Unter den Augen der Anstaltsbediensteten magerte er völlig ab und eines morgens war er tot. Der Anstaltsleiter geriet in den Fokus, wurde vom Dienst freigestellt, die Anstaltsärztin der fahrlässigen Tötung beschuldigt. Am Ende wurden alle Strafverfahren eingestellt.

Ob es im aktuellen Fall ähnlich laufen wird, ist noch offen.

Foltervorwürfe in Bayern lassen Verband um „Image“ fürchten!

Wie berichtet, erheben (ehemalige) Gefangene aus der bayrischen JVA Augsburg-Gablingen, Foltervorwürfe gegen Vollzugsbedienstete. Nun hat sich auch der Verband der Justizvollzugsbediensteten geäußert- sie fürchtet um ihr Image!

Das besorgt den Verband

Der Landesverband der Bayerischen Justizvollzugsbediensteten zeigt sich nicht etwa besorgt darüber, dass Kolleg*innen von ihnen, Gefangene womöglich gefoltert haben, sie fordern auch nicht, Kolleg*innen denen derartiges vorgeworfen wird, vorläufig vom Dienst zu suspendieren, sie fordern auch keine harten Strafen für prügelnde Kolleg*innen, oder deren endgültige Entfernung aus dem Dienst. Nein, was den Verband zuvörderst besorgt, das ist das Image! Laut dpa halte der Verband einen „generelle(n) Image-Schaden für Justizvollzugsbeamte in Bayern durchaus vorstellbar“.  Aber erstmal gelte ja, so der Verband, die Unschuldsvermutung für die Kolleg*innen.

Zwar fordert der Verband eine lückenlose und transparente Aufklärung, wenn da nur das Image nicht wäre.

Markige Worte des Verbandes gegen Gewalt

Wenn es um angebliche Vorfälle geht, in welchen Vollzugsbedienstete attackiert werden, zeigt sich der Verband durchaus dazu in der Lage deutliche Worte zu finden, und plötzlich ist auch keine Rede von der Unschuldsvermutung. Da wird dann „mindestens ein Gewaltvorfall jeden Tag gegen JVA-Bedienstete in Bayern“ behauptet, wobei es lediglich um entsprechende Anzeigen geht, ob es die jeweiligen Fälle wirklich gegeben hat, ist gerade nicht erwiesen. Vergeblich sucht die Leser*innenschaft einen Hinweis auf die Unschuldsvermutung.

Dafür hat der Verband, unter dem Schlagwort „NE!N zu Gewalt im Justizvollzug!“ Animationsfilmchen verlinkt, welche die Vollzugsbeamt*innen als arme, wehrlose Opfer durch Gewalt seitens Gefangener präsentieren.

Ausblick

Sicherlich darf von einem Berufsverband, zumal einem bayrischen und dazu noch einem aus dem Bereich der Justiz, nicht zuviel Engagement erwartet werden, wenn es um Foltervorwürfe zum Nachteil von Inhaftierten geht, aber wenn dann erstmal die Sorge um das Image im Mittelpunkt zu stehen scheint, bezeugt das, vermutlich unbeabsichtigt, die moralische Grundhaltung vieler der im Justizvollzug beschäftigten Menschen und illustriert das Klima hinter den Gefängnismauern.

Foltervorwürfe aus bayrischer Haftanstalt Augsburg-Gablingen

Seit vergangener Woche wird über Foltervorwürfe gegen Bedienstete der bayrischen Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen berichtet. Dunkelhaft, kein warmes Essen, nur ein Glas Wasser am Tag, Tritte und Schläge ins Gesicht. Eine ehemalige Gefängnisärztin bestätigt zumindest Teile der Vorwürfe.

Rechtsanwältin erhebt Foltervorwürfe

Für zwei ihrer Mandanten erhebt eine Rechtsanwältin massive Vorwürfe gegen Mitarbeitende der bayrischen Haftanstalt Augsburg-Gablingen.

Ihre Mandanten seien in sogenannten „Besonders gesicherten Hafträumen“ (bgH) eingesperrt worden. Eigentlich werden in solchen Räumen nur akut suizidale Inhaftierte untergebracht oder nach Angriffen auf Bedienstete oder Mitgefangene. Nichts davon, so die Verteidigerin, treffe auf ihre Mandanten zu. Dennoch seien diese nackt und in Einzelhaft in diesen Zellen untergebracht worden. Nicht einmal die sonst üblichen Papierunterhosen hätten sie bekommen. Auch eine Matratze, die es normalerweise in den Einzelzellen gebe, hätten sie nicht erhalten. Stattdessen hätten sie auf dem Betonboden liegen müssen. Einer ihrer zwei Mandanten hätte erst auf mehrmaliges Bitten hin eine dünne Matratze ohne Bettzeug bekommen. Die beiden Gefangenen hätten keine warmen Mahlzeiten erhalten, sondern lediglich eine Scheibe Brot und ein paar Scheiben Wurst dazu. Das Licht sei in den Zellen 24 Stunden aus gewesen, so dass es sich letztlich um Dunkelhaft gehandelt habe.

Einer der beiden Männer habe nur ein einziges Glas Wasser am Tag bekommen.

Eine ehemalige Gefängnisärztin bestätigt Teile der Vorwürfe

Was diesen Fall von anderen unterscheidet: eine ehemalige Gefängnisärztin der Haftanstalt bestätigt zumindest in Teilen die Vorwürfe der Rechtsanwältin und der Gefangenen.

Katharina Baur sprach mit dem bayrischen Rundfunk über ihre Zeit als Ärztin in der JVA Augsburg-Gablingen, wie sie selbst Gefangene in den besonders gesicherten Hafträumen erlebt habe, die ihrer und der Einschätzung anderer Ärzt*innen nach dort nicht hätten eingesperrt sein dürfen, aber sie hätte sich gegenüber der Anstalt nicht durchsetzen können. Kein Waschmöglichkeit, kein WC-Papier, ein Loch im Boden als Klo, keine Matratze, kein Bettzeug, ständige Dunkelheit. Ein Insasse sei aus Verzweiflung mit voller Wucht mit seinem Kopf gegen die Zellenwände gerannt. Sie selbst habe dann auch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter informiert. Diese sei auch in die Anstalt gekommen, jedoch würde dieser an der Torwache solange aufgehalten, so dass noch kurzerhand Missstände (wie beispielsweise, dass im bgH keine Matratze sei) behoben würden, bevor die Kommissionsmitglieder die Räume betreten. Sie selbst hat zwischenzeitlich gekündigt und arbeitet als angestellte Ärztin in Landau.

Erste Reaktion der Justiz

Vor wenigen Tagen kam es zu einem Polizeieinsatz in der JVA Augsburg-Gablingen, wie auch der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Dr. Andreas Dobler auf Anfrage bestätigte. Er teilte mit, es gehe „um die Überprüfung interner Vorgänge auf ihre strafrechtliche Relevanz hin im Hinblick auf Körperverletzung im Amt. Es besteht der Anfangsverdacht, dass einzelne Gefangene möglicherweise unbekleidet in einen „besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände“ untergebracht worden sein sollen, ohne dass die besonderen Voraussetzungen für diese Maßnahme vorlagen. Zudem geht die Staatsanwaltschaft Vorwürfen nach, wonach es zu tätlichen Übergriffen einzelner Beschäftigter auf einzelne Gefangene gekommen sein soll.“ Abschließend verweist Dr. Dobler auf die Unschuldsvermutung hin, die „bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens“ gelte. Entsprechend lässt auch die u.a. beschuldigte stellvertretende Anstaltsleiterin über ihre Rechtsanwälte alle Vorwürfe bestreiten.

Gefangenengewerkschaft GG/BO äußert sich zu den Foltervorwürfen

Radio Dreyeckland sprach mit Manuel Matzke von der Gefangenengewerkschaft GG/BO über die Fälle in Augsburg, aber auch die Situation in anderen Haftanstalten, was Gewalt von Bediensteten gegenüber Inhaftierten angeht. Danach handelt es sich nicht um singuläre Vorkommnisse, solche Zustände gebe es auch in anderen Anstalten, mur seien diese für die Gefangenen oft schwer beweisbar. Vielmehr bekämen Gefangene die Vorwürfe erheben, umgehend eine Strafanzeige wegen Verleumdung und würden entsprechend auch verurteilt werden.

Freiburg Amt für Migration in der Kritik – Migrant_innen-Beirat fordert runden Tisch!

Wie „Willkommen“ fühlen sich Menschen mit Migrationsgeschichte in Freiburg?

Im Dezember letzten Jahres berichtete RDL aus dem Ausschuss für Migration und Integration hier in Freiburg. Dort wurde unter anderem von 14 Neueinstellungen beim Amt für Migration und Integration (AMI) berichtet und die Hoffnung geäußert, dass sich in den kommenden Monaten die Situation verbessern werde.

Wie sieht es zehn Monate später aus? RDL sprach mit Ariam und Tekle, zwei Betroffenen. Aber auch mit drei Menschen aus dem Migrant_innen-Beirat der Stadt Freiburg. Über die ganz konkreten Konflikte im Umgang mit dem AMI, aber auch die strukturellen Defizite.

Zu Gast bei RDL waren neben Ariam und Tekle, Frau Fedoua Haman, Herr Ali Sari und Herr Jascha Andrew Hilkowitz.

Radiobeitrag

Interview mit Ariam und Tekle

Interview mit den Personen aus dem Migrant_innen-Beirat

BGH hebt Verurteilung eines Mannheimer Polizisten auf

Am 01.03.2024 hatte das Landgericht Mannheim einen Mannheimer Polizisten zu einer Geldstrafe verurteilt, weil dieser Ante P., der sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden hat, mehrfach gegen den Kopf geschlagen hatte. Kurze Zeit später starb der Mann. Der BGH hob nunmehr die Verurteilung auf.

Der Hintergrund des Falls

Im Mai 2022 kam es am Mannheimer Marktplatz zu einem tödlichen Polizeieinsatz. Ein Mensch befand sich in einer psychischen Ausnahmesituation. Daraufhin ruft ein Arzt des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim die Polizei weil er befürchtete, der 47-jährige Psychiatrie-Patient könne sich selbst gefährden. Am Ende des Polizeieinsatzes war, wie so oft in vergleichbaren Fällen, der Patient tot.

Weit über die Stadtgrenzen hinaus erregte der Fall Aufmerksamkeit und führte zu massiven Protesten wegen Polizeigewalt.

Das Urteil des LG Mannheim

Das Landgericht sprach einen der beteiligten Polizisten frei, was der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich bestätigte. Ein weiterer Polizist wurde wegen Körperverletzung im Amt zu einer geringen Geldstrafe, von 6.000 € verurteilt.

Revision zum Bundesgerichtshof (BGH)

Gegen Urteil des Landgerichts hatte die Schwester des Toten, als Nebenklägerin, Revision zum BGH eingelegt. Nach der mündlichen Verhandlung hob der BGH nun am 17.10.2024 die Verurteilung auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung an das Landgericht Mannheim zurück. Die Schwester wollte eine Verurteilung zumindest wegen Körperverletzung mit Todesfolge erreichen. Damit drang sie nicht durch, und nicht nur das. Der BGH stellte sich nun auf den Standpunkt, dass das Urteil Rechtsfehler zu Lasten (!) des Polizisten aufweise, weshalb das Urteil aufgehoben und an das Landgericht zur neuen Verhandlung zurückverweisen wurde. Die genauen Urteilsgründe sind jedoch noch nicht bekannt.

Bewertung

Unterschiedliche Fälle zu vergleichen ist immer etwas problematisch, aber sobald Polizist*innen als (angebliche) Geschädigte involviert sind, kennt die Justiz keinerlei Hemmungen. Ich erinnere exemplarisch an die Verurteilung von jungen Antifaschist*innen die von der bayrischen Justiz zu 18, bzw. 15 Monaten Gefängnis verurteilt wurden, weil sie vor vier Jahren Polizist*innen angeschrien (!) haben sollen.

Im Fall in Mannheim war es evident, dass ein Mensch in einer Ausnahmesituation, der eigentlich Hilfe brauchte, von der Polizei zu Boden gerungen, gefesselt und malätriert wurde und anschließend verstarb. Den Freispruch eines des beteiligten Polizisten bestätigte der BGH schon, ob auch der zweite Polizist völlig ungeschoren davon kommen wird, bleibt abzuwarten.

Wie die Wochenzeitung kontext vor wenigen Wochen berichtete, sind Polizisten die im Zusammenhang stehen mit dem Geschehen am 02. Mai 2023, aber auch mit einem weiteren Todesfall vom 23. Dezember 2023, anwaltlich gegen die „Initiative 2. Mai“ vorgegangen, da sie sich „verleumdet“ fühlen. Ertekin Ö. starb im Dezember 2023 in Folge von Polizeischüssen in Herz und Lunge.

Die Polizeigewerkschaft GdP beabsichtigt gegen Mitglieder der Interventionistischen Linke (IL) vorzugehen, weil Polizist*innen im Zusammenhang mit Protesten gegen tödliche Polizeiaktionen beleidigt worden seien. Wer Polizist*innen anschreit, der/dem droht schnell mal eine Verurteilung zu einer Haftstrafe. Wer darauf hinweist, dass Polizist*innen andere Menschen getötet haben, dem werden Anwält*innen und die Staatsanwaltschaft auf den Hals gehetzt. „Tief betroffen“ zeigt sich die GdP nicht etwa nach dem Tod von Ante P. und Ertekin Ö., sondern erst, als ein Polizist starb.

Das sind die Maßstäbe von Staat, Justiz und Polizei.

Bundesgerichtshof verhandelt über Antifa-Ost Verfahren

Nachdem am 31. Mai 2023 das Oberlandesgericht Dresden im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren, mehrere Antifaschist*innen zu mehrjährige Haftstrafen verurteilte hatte, legten diese, wie auch der Generalbundesanwalt Revision zum Bundesgerichtshof ein (BGH). Für dem 06.02.2025 hat der BGH nunmehr eine mündliche Verhandlung angekündigt.

Das Verfahren vor dem OLG Dresden

Von September 2021 bis Mai 2023 verhandelte der Staatsschutzsenat des OLG Dresden gegen vier Antifaschist*innen, denen der Generalbundesanwalt (GBA) unter anderem vorwarf, an einer eine kriminelle Vereinigung (§ 129 StGB) als Mitglied beteiligt oder diese unterstützt zu haben. Das Gericht verurteilte sie schließlich zu Haftstrafen zwischen 2 Jahren und 5 Monaten sowie 5 Jahren und 3 Monaten. Sie sollen Teil einer Vereinigung gewesen sein, welche zum Ziel hatte, Neonazis anzugreifen.

Die Revision

Der GBA, wie auch die Angeklagten legten gegen das Urteil Revision ein. Dabei wehrt sich der GBA unter anderem gegen einen Teilfreispruch, wie auch die Strafhöhe, denn der GBA hatte beantragt, Lina E. zu einer Strafe von 8 Jahren zu verurteilen. Die Verteidigung wiederum hatte ursprünglich einen weitgehenden Freispruch beantragt. Wie die Pressestelle des BGH nun mitteilt, wird In Karlsruhe am Donnerstag, den 6. Februar 2025, 9.30 Uhr der BGH mündlich über die Revisionen des GBA und von Lina E. öffentlich mündlich verhandeln.

Der Alltag vor dem Amtsgericht – auch eine Klassenfrage!

Der Gerichtsalltag vor den Strafgerichten wird immer wieder mal beschrieben. Auch in der südbadischen Provinz lässt sich der Klassenaspekt der Strafjustiz beobachten. Nur drei Beispiele aus den letzten Tagen.

Sechs Monate Haft ohne Bewährung wegen Ladendiebstahl

Wie kürzlich berichtet, hat das Amtsgericht Freiburg einen Menschen wegen Ladendiebstahl und Hehlerei zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Der alkoholabhängige und drogensüchtige Angeklagte saß deswegen schon seit über einem Monat in Untersuchungshaft. Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt, d.h. der Angeklagte wurde nach der Urteilsverkündung wieder gefesselt und zurück in die JVA Freiburg verbracht. Rechtsanwalt M. aus Freiburg, der dem dortigen Angeklagten zur Seite stand, begnügte sich im Plädoyer damit, statt der acht Monate Haft, die die Staatsanwaltschaft forderte, auf sechs Monate zu plädieren. Zur Frage, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, äußerte sich der Verteidiger nicht. In der Urteilsbegründung gesteht der verurteilende Richter selbst zu, dass die Haftanstalt in Fällen wie jenen des Angeklagten wohl nicht viel tun könne, wie überhaupt die ganze Strafjustiz nicht.

Für 75 € Bußgeld kommen ein Professor Dr. und eine Großkanzlei zum Einsatz

Ein Tag später, selber Ort: Amtsgericht Freiburg. Eine junge Frau, unweit von Freiburg wohnend, hatte Einspruch gegen ein Bußgeld eingelegt. Sie soll auf der Autobahn nur rund 20m Abstand zum vorderen Fahrzeug gehalten haben, obwohl mindestens 38,7m Abstand erforderlich gewesen wären. Vertreten wird sie, laut Terminaushang vor dem Saal, von einem Herrn Professor Dr. Rechtsanwalt aus Köln. Weil der Herr Professor verhindert ist, kommt kurzerhand ein Vertreter aus einer renommierten Großkanzlei aus Freiburg. Mit viel Verve verteidigt er die dichte Auffahrt seiner Mandantin auf das vor ihr fahrende Auto. Ihr sei nicht zumutbar gewesen auf die rechte Spur, die frei gewesen war, auszuweichen. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass seine Mandantin aus der Kolonne auf die freie rechte Spur ausschert, nur um den Mindestabstand einhalten zu können. Es half nichts, die Richterin verurteilte sie die 75 € Bußgeld zu bezahlen.

Acht Monate Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung

Und wieder ein Tag später: ein Gefangener steht vor dem Freiburger Amtsgericht, weil er zwei Jahre zuvor einen Mitgefangenen geschlagen haben soll. Das räumt er unumwunden ein. Vertreten wird er von Rechtsanwalt Till-Alexander Hoppe aus Kiel. Der einschlägig wegen Körperverletzung und auch schweren Raubes verurteilte Angeklagte scheint deshalb denkbar schlechte Karten zu haben. Aber ein einsatzfreudiger Anwalt und sicherlich auch günstige Umstände, veranlassten nach fast sechs Stunden Prozess die Richterin, die Strafe von acht Monaten zu der sie ihn verurteilte, zur Bewährung auszusetzen. Nur weil der Angeklagte in Haft sitze, so die Richterin, dürfe man ihm die Bewährung nicht verwehren. Radio Dreyeckland berichtete über den Fall und sprach auch mit Rechtsanwalt Hoppe.

Klassenaspekte der Strafjustiz

Die geschilderten Verfahren finden in einem schicken Neubau statt, erst für 22 Millionen Euro geplant, werden es am Ende dem Vernehmen nach wohl eher 31 Millionen Euro die das Land Baden-Württemberg für den Bau hinblättern wird. Ganz viele große Fenster, weiße Böden, weiße Tischmöbel, ganz so, als wollte sich die Justiz ein transparentes und unschuldiges Äußeres geben. Weiß, die Farbe der Unschuld!

Der Ladendieb, alkoholabhängig, drogensüchtig. Jack Daniels im Wert von 12,96 €, Whiskey 18,98 € und Parfum im Wert von 799, 94 €. Das war seine Beute. Das Parfum allerdings wurde ihm noch im Ladengeschäft abgenommen und da unbeschädigt, wieder ins Regal zurückgestellt. Realer Schaden also 31,94 €.

Aber er soll nun, bzw. wird sechs Monate in Haft bleiben. Er wurde vertreten von einem nicht sonderlich bemüht wirkenden Anwalt. Für die Frau, die wegen eines 75 € Bußgelds Einspruch eingelegt hatte, wurden ein professoraler Anwalt aus Köln und eine Großkanzlei aus Freiburg in Marsch gesetzt. Der wegen Körperverletzung angeklagte Strafgefangene wiederum hatte das Glück, dass sein Kieler Anwalt auf Strafvollzug spezialisiert ist und entsprechend nachdrücklich auftrat. Wie der Anwalt mir nach dem Prozess erzählte, könne man von dieser Arbeit nur dann leben, wenn entsprechend viele Mandate bearbeitet würden und auch eine Portion Idealismus dabei sei.

Immerhin, alle drei Betroffenen waren anwaltlich vertreten, im Alltagsgeschäft vor den Amtsgerichten ist das in Strafsachen nicht die Regel. Aber dort wo es um Freiheit oder Haftstrafe geht, kann eine gute anwaltliche Vertretung entscheidend sein, ob jemand ins Gefängnis gehen muss oder doch die Chance einer Bewährungsstrafe erhält. Mehr Öffentlichkeit täte den Verfahren auch gut, denn meist sitzen nur einzelne Menschen im Publikum oder niemand, dabei geht es vielfach um existenzielle Entscheidungen. Dann auch noch von der Öffentlichkeit vergessen zu werden, das erscheint mir besonders bedrückend.

Strafprozess vor dem Amtsgericht: Angeklagter Gefangener bekommt Bewährungsstrafe

Gefängnisse sind immer auch gewalttätige Orte und so hatte am 09. Oktober 2024  Strafrichterin Bachmann vom Amtsgericht Freiburg über einen solchen Fall aus der Justizvollzugsanstalt zu verhandeln: ein damals 23-jähriger Insasse soll einen Mitgefangenen unvermittelt angegriffen und geschlagen haben. Eigentlich ein klare Sache, und  nach einer Stunde hätte der Prozess vorbei sein können, aber am Ende dauerte die Verhandlung rund fünf Stunden. Es wurden das Tatopfer, aber auch JVA-Beamte sowie der Stiefvater des Angeklagten als Zeugen vernommen.

Ich habe den Prozesse besucht und dann für RDL darüber berichtet.

Im Anschluss an die Urteilsverkündung  hatte ich zudem Gelegenheit , mit dem Kieler Rechtsanwalt Till-Alexander Hoppe, dem Verteidiger des Angeklagten, zu sprechen. Der Fall zeigt, wie eine engangierte Verteidigung dazu führen kann, dass am Ende ein milderes Urteil steht als vielleicht am Anfang zu erwarten.