Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat Ende September entschieden, dass die (Berliner) Polizei einem Bürger nicht verbieten durfte, einen Polizeieinsatz zu filmen. Im Zusammenhang mit einer Demonstration im Vorfeld der Urteilsverkündung im „Antifa-Ost-Verfahren-1“ gab es in Berlin-Kreuzberg eine Kundgebung. Nach Ende der Versammlung nahm die Polizei einen Teilnehmer ins Visier- als dies eine andere Person filmte, wurde ihr dies untersagt, die Festnahme angedroht und das Handy nach unten gedrückt. Wie das VG feststellte: rechtswidrig!
Die Vorgeschichte
Nach Feststellungen der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts vom 23.09.2025, trug sich Ende Mai 2023 in Kreuzberg folgendes zu:
„Der Kläger nimmt regelmäßig an Versammlungen aus dem linken und ökologischen Spektrum teil, so auch am 31. Mai 2023 an der Versammlung mit dem Thema „Urteilsverkündung im Antifa-Ost-Verfahren. Solidarität mit Lina E. und allen politischen Gefangenen“ im Berliner Ortsteil Kreuzberg. Nach Ende der Versammlung hielten mehrere Beamte der Polizei Berlin, von deren Gesichtern wegen ihrer Schutzausrüstung jeweils nur die Augenpartie erkennbar war, einen früheren Versammlungsteilnehmer auf der Mittelinsel der Gneisenaustraße im Kreuzungsbereich mit dem Mehringdamm an. Während ein Beamter mit dem Betroffenen sprach, bildeten mehrere andere Polizisten um ihn einen Kreis. Der Kläger zeichnete dieses Geschehen mit der Kamerafunktion seines Handys in Bild und Ton von der Seite her auf. Als er seine Position etwas veränderte, kam ein Beamter der Polizei Berlin auf ihn zu und forderte ihn auf, das Aufzeichnen einzustellen. Zur Begründung verwies der Polizist darauf, dass es sich um das nichtöffentlich gesprochene Wort handele, sowie auf datenschutzrechtliche Belange. Anschließend drohte er dem Kläger die Festnahme an und drückte das von diesem gehaltene Handy nach unten, woraufhin er die Aufnahme nach einer Minute und 45 Sekunden beendete.“
Die Klage und das Urteil
Mit Klage vom 26. Juli 2023 beantragte der Betroffene, diese Vorgehen der Polizei für rechtswidrig zu erklären. Es bestehe Wiederholungsgefahr und das polizeiliche Handeln sei vom Gesetz nicht gedeckt.
In vollem Umfang gab das VG Berlin der Klage statt. Mit Urteil vom 23.09.2025 entschied das Gericht, dass „die am 31. Mai 2023 von einem Beamten der Polizei Berlin gegenüber dem Kläger ausgesprochene Aufforderung, das Aufzeichnen einer polizeilichen Maßnahme in Bild und Ton mit seinem Handy zu unterlassen, und das anschließende Herunterdrücken des von ihm gehaltenen Handys durch den Polizeibeamten rechtswidrig waren“.
Begründung des Verwaltungsgerichts
Das VG nimmt in seinem Urteil Bezug auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung. Entscheidend ist, dass das filmen „eines Polizeieinsatzes grundsätzlich zulässig“ sei, sofern von der filmenden Person keine konkrete Beeinträchtigung ausgehe.
Auch das von der Polizei, so auch hier, angeführte Argument, es würde in strafbarer Weise das nicht-öffentlich gesprochene Wort aufgezeichnet, überzeugte das Gericht nicht: bei einem öffentlich sichtbaren Polizeieinsatz auch vorbeigehende Passant:innen die Worte der Polizeikräfte hören, sei keine „Nichtöffentlichkeit“ gegeben; aber nur die Aufzeichnung des nicht-öffentlich gesprochenen Worts sei strafbar.
Schließlich habe der Kläger auch in berechtigtem Interesse Dritter gehandelt, nämlich im Interesse des von dem eigentlich Polizeieinsatz betroffenen Menschen. Dazu die Kammer in deutlichen Worten: „Angesichts des regelmäßig gegebenen Kräfteungleichgewichts zwischen dem Betroffenen einer polizeilichen Maßnahme und den zahlenmäßig überlegenen Polizeibeamten besteht grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an einer objektiven Beweissicherung. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich die vorangegangene Versammlung kritisch mit einem vermeintlich politisch motivierten Strafprozess auseinandergesetzt hatte. Dass die Versammlungsteilnehmer in diesem Kontext ein Bedürfnis nach gesteigerter Transparenz gegenüber der von ihnen kritisierten Staatsgewalt sehen, ist nachvollziehbar.“
Auswirkungen des Urteils
Ob das Urteil rechtskräftig wird bleibt abzuwarten. In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages aus dem Jahre 2022 (hier als PDF) wird auch argumentiert, dass das bloße Anfertigen der Bildaufnahmen nicht strafbar sei und bei Tonaufnahmen dann eine Strafbarkeit vorliegen könnte, wenn „die aufgenommenen Worte des Polizeibeamten nach seinem Willen nichtöffentlich sein sollten und auch faktisch keine Mithörmöglichkeiten für unbeteiligte Dritte bestanden“. Gerade an letzterem wird es oft Fehlen, denn bei in der Öffentlichkeit stattfindenden Einsätzen können immer Passant:innen vorbei laufen und hören was gesagt wird. Damit entfällt die „Nichtöffentlichkeit“.
Ob Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit vorliegt, darüber gehen oftmals die Ansichten auseinander. So urteilte das Oberlandesgericht Zweibrücken im Jahr 2022, dass bei einer nächtlichen Kontrolle, auch wenn 15-20 Personen anwesend seien, keine „faktische Öffentlichkeit“ vorliege.
Es kann also durchaus passieren, dass das Handy von der Polizei ersteinmal „sichergestellt“ wird und dabei seitens der Polizei auch Gewalt angewendet wird, denn wen kümmert, ob Jahre später (im Berliner Fall: über zwei Jahre nach dem bedrohlichen Verhalten der Polizei) ein Verwaltungsgericht feststellt, ein Polizeieinsatz sei rechtswidrig gewesen.
Trotzdem sollte der Beschluss dazu ermuntern, wenn Polizeieinsätze beobachtet werde, zumal wenn es zu Gewalt durch die Polizist:innen kommt, diese Einsätze zu dokumentieren.