Zwei Meldungen aus dem Knast

Vor einiger Zeit hatte ich darüber berichtet wie in der JVA Nürnberg ein 23.jähriger Gefangener verblutete und der alarmierte Knastarzt sich weigerte in die JVA zu kommen um ihn zu untersuchen (http://www.de.indymedia.org/2009/06/252662.shtml). Mittlerweile liegt das Urteil in dieser Sache vor. Darüber, wie über einen Gesetzesentwurf das Drogenschmuggel in Gefängnissen härter bestraft wissen möchte, wird im Folgenden berichtet.

Tod von David Sargarian

Am 16.Juli 2008 hatte sich der 23.jährige Untersuchungsgefangene David Schnittwunden zugefügt und wurde von einem Wärter blutüberströmt aufgefunden. Der sofort alarmierte Gefängnis-Sanitäter traf gemütliche 30 Minuten später in der Zelle ein und alarmierte seinerseits den Rufdienst habenden Gefängnisarzt Kurt P.. Dieser weigerte sich in die Anstalt zu kommen, empfahl eine „Klammerung“ der klaffenden Wunden und eine Unterbringung von David in der B-Zelle (das ist eine kahle Zelle, ein Loch im Boden dient als WC und der Gefangene trägt außer einem reißfesten Nachthemd nichts und kann sich so auch nicht verletzen) bis zum morgen. Eigenmächtig alarmierte dann der Gefängnis-Sanitäter den Notarzt; wobei dieser nur noch den Tod David Sargarians feststellen konnte. Eineinhalb Jahre später fand vor dem Amtsgericht ein Strafprozess gegen den Knastarzt (, der zwischenzeitlich, aber erst nach massiven Protesten beurlaubt wurde) und den Gefängnis-Sanitäter statt. Beiden wurde fahrlässige Tötung vorgeworfen. Wie nun die Süddeutsche Zeitung (12.Dezember 2009) berichtet, wurden beide Beamte frei gesprochen. Amtsrichterin Heidi Dünisch kam zu dem Schluss, dass selbst bei sofortiger Alarmierung des Notarztes David nicht zu retten gewesen wäre. Die im Gerichtssaal, laut SZ, anwesenden Eltern von David hatten schon beim Plädoyer der Staatsanwältin den Saal verlassen müssen, nachdem diese Freispruch forderte und die ebenso geschockten wie empörten Eltern David die Staatanwältin beschimpft hatten. Die Eltern Davids werden den Freispruch mit Rechtsmitteln angreifen.

Straferhöhung für Drogenschmuggel geplant

Nordrhein-Westfalen brachte schon am 24.09.2009 (Bundesrats-Drucksache 734/09) einen Gesetzesentwurf in den Bundesrat ein, mit dem Ziel Drogenschmuggel/-handel hinter Gitter künftig noch härter zu bestrafen. Da der Drogenkonsum in den Gefängnissen eine erhebliche Gefahr für Sicherheit und Ordnung darstelle, aber auch die Gesundheit der Gefangenen gefährde, sei eine Erhöhung des Strafrahmens notwendig. Künftig soll, wer unerlaubt Betäubungsmittel in eine Vollzugsanstalt „einbringt, dort mit ihnen Handel treibt, sie dort, ohne Handel zu treiben, veräußert oder abgibt“ gemäß §29 Abs. 3 Betäubungsmittelgesetz mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe belangt werden können (Obergrenze sind 15 Jahre). Bislang beginnt der Strafrahmen bei der Geldstrafe und endet bei 5 Jahren Freiheitsentzug. Der Gesetzentwurf wurde vom Bundesrat zwischenzeitlich dem Bundestag zugeleitet, so dass das Gesetzgebungsverfahren voll im Gange ist.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas.de http://www.freedomforthomas.wordpress.com

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Repressionspläne von CDU/FDP

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP finden sich einige Verschärfungspläne, die im folgenden kurz dargestellt werden sollen.

Zuvörderst ist die Absicht zu nennen, künftig eine „Erscheinenspflicht von Zeugen vor der Polizei“ (Koalitionsvertrag S. 108, Punkt IV Nr. 4) einzuführen. Bislang kann eine Ladung von Zeugen nur zwangsweise durchgesetzt werden, wenn Staatsanwaltschaft oder ein Gericht die Ladung anordnet; dieses Recht soll auf die Polizei ausgeweitet werden.

Da angeblich „Polizeibeamte (…) immer häufiger Ziel brutaler gewalttätiger Angriffe“ werden, wollen die Koalitionspartner die Strafvorschriften für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verschärfen (bislang gilt gem. § 113 Abs. 2 StGB für besonders schwere Fälle ein Strafrahmen von 6 Monaten bis 5 Jahren Freiheitsstrafe; dieser Strafrahmen soll ausgeweitet werden; vgl. a.a.O., S. 108).

Für Bedürftige soll möglicherweise das Recht auf Prozesskosten- und Beratungshilfe eingeschränkt werden, da man – laut Koalitionsvertrag – die „missbräuchliche Inanspruchnahme“ (a.a.O., S. 110) eindämmen wolle. Auch angeblich vorhandene „Schutzlücken“ bei der Sicherungsverwahrung sollen geschlossen werden (a.a.O., S. 107). All das unter der Überschrift: „Freiheit und Sicherheit – durch Bürgerrechte und starken Staat“.

CDU/FDP setzen zudem die politische Linie fort, den Rechtsextremismus auf eine Stufe zu stellen mit dem „Linksextremismus“. Insbesondere beabsichtigen sie, die „Aufgabenfelder des Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt sowie des Bündnisses für Demokratie und Toleranz (…) auf jede Form extremistischer Gewalt“ auszudehnen (vgl. a.a.O., S. 100).

Nach eigenem Bekunden wollen die Koalitionspartner „den Mut zur Zukunft der Verzagtheit entgegen“ stellen, so die Präambel des Koalitionsvertrages (a.a.O., S. 5). Deshalb plant man auch „Wohlstand für alle“ (a.a.O., S. 6) zu verwirklichen, aber auch „Kriminalität wirksam (zu) bekämpfen und so für mehr Sicherheit (zu) sorgen.“ (a.a.O., S. 7).

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Über 20 Jahre in Sicherungsverwahrung!

Sexualtaten sind in besonderem Maße geeignet, Emotionen zu schüren, denn sie berühren Urängste des Menschen und dessen intimste Sphäre. Wie geht eine Gesellschaft mit Sexualtätern um, lautet eine der zentralen Fragen. An folgendem Einzelfall möchte ich dies näher beleuchten.

Zur Vorgeschichte

Nennen wir ihn Frank S. (Name verändert), geboren Anfang der 60’er Jahre, wurde erst 1976 wegen versuchter Vergewaltigung zu Jugendstrafe von acht Monaten auf Bewährung und 1979 zur Unterbringung in der forensischen Psychiatrie wegen einer Vergewaltigung verurteilt. Am 06. März 1985 schließlich erfolgte die letzte Verurteilung; S. hatte jeweils Anhalterinnen mitgenommen und sie vergewaltigt, bzw. er versuchte es zumindest. Hierfür bekam er fünf Jahre Freiheitsstrafe, die anschließende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wurde abgeordnet.

Zur Sicherungsverwahrung

Die Sicherungsverwahrung (SV), geregelt in den §§ 66 ff Strafgesetzbuch geht zurück auf das „Gewohnheitsverbrechergesetz“ von 1933. Wegen dieses Zusammenhangs mit der Diktatur des Nationalsozialismus kam 1952 das Oberste Gericht der DDR zum Schluss, die SV sei – Zitat – als „inhaltlich faschistisch“ anzusehen und hob sie auf. Ähnliche Bedenken hegten westdeutsche Richter bislang nicht. Vielmehr wurden die Regelungen zur SV (auch unter tatkräftiger Mithilfe der GRÜNEN und der SPD) immer mehr ausgeweitet, so dass heute auch schon Jugendliche davon betroffen sein können. Die SV gestattet es dem Staat, Menschen bis zu ihrem Tode zu verwahren, wenn von ihnen eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Der oder die Betroffene verbüßt erst die Freiheitsstrafe und im Anschluss die SV. Saß er/sie zuvor zur „Sühne“ für begangene Straftaten, wird anschließend aus präventiven Gründen die Freiheit entzogen – für das, was jemand tun könnte. Der Vollzug der SV unterscheidet sich nur marginal von dem der Strafhaft, die angeblichen „Privilegien“, die man in der SV gewährt bekommt, sind der Rede nicht wert und ändern nichts an dem Freiheitsentzug. Auch wenn in der Literatur die SV immer wieder Angriffen ausgesetzt ist (vgl. zuletzt die Dissertation von Tobias Mushoff, „Strafe-Maßregel-Sicherungsverwahrung“, erschienen 2008 im Peter Lang Verlag, Preis 105 Euro), sind Ausweitungen zu erwarten und die CDU/FDP-Koalition im Bund strebt eine Vereinheitlichung der eher unübersichtlichen Regelungen an.

Zurück zu Frank S.

Nachdem S. seine Freiheitsstrafe 1989 verbüßt hatte, wechselte er in die SV – wo er noch heute sitzt. Ohne je einen Tag, oder nur eine Stunde in Freiheit gewesen zu sein. Mittlerweile ist er über 50 und ein echter Schimmer am Horizont ist nicht wirklich erkennbar. Nun fordert die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts ab dem 10. Jahr in der Sicherungsverwahrung eine Umkehr der Gefahrenprognose. Für die ersten zehn Jahre SV reicht es aus, jemanden in Haft zu halten, wenn nicht eindeutig eine positive Sozialprognose gestellt werden kann, also sichergestellt ist, dass keine Straftaten mehr begangen werden. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, so das höchste deutsche Gericht, müsse ab dem 10. Jahr in SV jedoch dem/der Verwahrten positiv nachgewiesen werden, weiterhin akut „gefährlich“ zu sein. Dieser Nachweis erfordere dann auch sorgfältige Begutachtung durch psychiatrische Sachverständige. So die Theorie.

Skandalöses Verhalten des Landgerichts Freiburg

Vor dem Hintergrund der nun wirklich lang dauernden Unterbringung in der SV sollte man erwarten, dass die drei Richter des LG Freiburg sich besondere Mühe mit der Prüfung der Fortdauerentscheidung im Fall Frank S. machten. Mit Beschluss vom 31.07.2009, der knapp mehr als drei Seiten umfasste, lehnte das Gericht eine Freilassung ab und stützte sich dabei auf ein „Gutachten“ eines Sachverständigen, der Frank S. weder gesehen, noch gesprochen hatte. Dafür zeichneten Landgericht und Staatsanwaltschaft sich für zahlreiche Verfahrensverzögerungen verantwortlich, denn eigentlich hätte aus rechtlichen Gründen die Entscheidung schon bis zum 11.07.2008 (also ein Jahr zuvor) fallen müssen. Die zwangsweise beigeordnete Verteidigerin machte ihre Arbeit auch nicht sonderlich gut, riet dann – nach Mitteilung von Frank S. – sogar ausdrücklich davon ab, gegen den die Freilassung ablehnenden Beschluss Beschwerde einzulegen. Bei soviel „Engagement“ der Anwältin nahm S. die Sache selbst in die Hand und erhob am 17.08.2009 sofortige Beschwerde.

Das Oberlandesgericht greift ein

Wie gravierend das OLG Karlsruhe (Az. 2 Ws 309/09) die Fehler einschätzte, beweist der Umstand, dass schon 14 Tage später, nämlich am 31.08.2009 mit einem 18 Seiten umfassenden Beschluss die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben wurde. In aller Breite befasste sich das OLG mit den Fehlern der Vollzugsanstalt, die den Betroffenen lediglich verwahre, der Staatsanwaltschaft, die nicht mal in der Lage war, die Akten pünktlich vorzulegen und vor allem den gravierenden Fehlgriffen des Landgerichts, das Fehler bei der Beauftragung des Gutachters, der Bewertung des Gutachtens, der Durchführung der Anhörung des Gutachters, der Begründung der die Entlassung ablehnenden Entscheidung und der Beschleunigung des Verfahrens zu verantworten hatte. Erst nach den deutlichen Worten und Vorgaben des OLG bequemte sich das Landgericht Freiburg, den renommierten Münchner Sachverständigen Professor Dr. Nedopil mit der Exploration und Begutachtung zu beauftragen, sowie dem Sicherungsverwahrten die von ihm gewünschte Vertrauensanwältin beizuordnen.

Frank S. – ein Opfer der Justiz?

In ihm ein Opfer zu sehen, wäre wohl verfehlt, denn er war es, der, wenn auch vor über 25 Jahren (!) den Anlass setzte für die Verurteilung. Aber was ihm seitdem widerfahren ist, lässt deutlich die Diskrepanz erkennen zwischen harter Realität und der gesetzlichen Fiktion, was die Behandlungspflicht seitens der Justizvollzugsanstalt angeht und den minimalsten Verfahrensvorschriften, an die sich eigentlich LG und Staatsanwaltschaft zu halten hätten. Förderlich für Frank S. war sicherlich auch nicht, dass er 1993 von einem Mitverwahrten fälschlich der Planung einer Geiselnahme beschuldigt wurde und in Folge dieser Anschuldigung in Isolationshaft landete (1994 erfolgte der Freispruch). Zum Erschrecken nicht nur für Frank S. schaffte die GRÜNE/SPD-Koalition 1998 zudem die 10-Jahres-Grenze für erstmalig in SV Untergebrachte ab: Bis 1998 musste man nach 10 Jahren SV frei gelassen werden. Ohne jeden konkreten Anlass, wie etwa schwere Straftaten durch aus SV Entlassene, wurde diese Bestimmung gestrichen, so dass alle Verwahrten von heute auf morgen mit „lebenslänglich“ da saßen. Wie um die Sicherungsverwahrten auch im wörtlichen Sinne „einzusargen“ werden nun, wie Frank S. berichtete, alle Zellen in der JVA Freiburg mit neuen Fenstern ausgestattet: Ein Fensterflügel mit Panzerglas fest montiert und vor jenen Flügel, der sich in der Zelle noch öffnen lässt, kommt zusätzlich ein Lochgitter, was Lichteinfall und Luftaustausch erschwert.

Ausblick – wo bleibt Hoffnung?

Trotz der langen Haftzeit hat sich Frank S, nicht unterkriegen lassen, hat nicht resigniert; auch wenn typische Folgen, als Hospitalismus bezeichnet, nicht ausgeblieben sind. Nun setzt er seine Hoffnung in die 2010 erfolgende Begutachtung durch den oben erwähnten Professor Nedopil, die ihm dann entweder eine Perspektive für eine schrittweise erfolgende Entlassung eröffnet, oder aber auf eine weitere, dauerhafte Verwahrung hinaus läuft. 25 Jahre sind eine lange Zeit ….

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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Rollback im Strafvollzug 2009

Anhand der Vollzugspraxis der Justizvollzugsanstalt (= JVA) Bruchsal kann exemplarisch verfolgt werden, wie im Verlauf der letzten 15-20 Jahre erreichte Standarts beschnitten werden – eine Bereitschaft der Inhaftierten sich zu wehren ist kaum zu bemerken. Einschnitte im Alltag sind oft scheinbar nur marginal, so wie Anfang des neuen Jahrtausends, als in der JVA Bruchsal urplötzlich der Kauf von Pepperoni und Mohnstreuselkuchen verboten wurden.

Gefangene deren Warensortiment sowieso Restriktionen erheblichen Ausmaßes unterliegt, erlebten dieses Kaufverbot als schikanös, dabei brachte die JVA vermeindlich „gute Gründe“ in Anschlag. Nach zig Jahren und ohne konkreten Anlass fiel der Anstaltsleitung plötzlich auf, daß Pepperoni getrocknet und pulverisiert eine potenzielle Waffe darstellen könnte. Und der Mohnstreusel könnte als Ausrede für Drogenkonsumenten dienen (denn die Urintests zur Bestimmung des Drogenkonsums sprechen auf Abbauprodukte des Speisemohns ebenso an, wie auf „echte“ Opiatabbauprodukte).

Vor knapp 20 Jahren waren in Bruchsals Zellen Computer erlaubt – aber je weiter die PCs in der freien Welt um sich griffen, um so stärker wurden die Besitzrechte in der JVA eingeschränkt, bis am Ende kein Gefangener mehr einen Computer genehmigt erhielt und langjährig in Besitz befindliche (und auch privat finanzierte Rechner) aus den Zellen entfernt wurden. Alles unter dem Label „Sicherheit und Ordnung“. Auf den Computern könnten sicherheitsrelevante Informationen gespeichert werden, und das Vollzugspersonal besitze weder die Kenntnisse, noch die Fähigkeiten die Rechner adäquat zu kontrollieren.

Verboten wurden Torten mit Styroporring, Spielzeuge für Kanarienvögel/Wellensittiche, sogenannte „Bastelgenehmigungen“ (früher durften Gefangene in ihren Zellen umfangreiche Bastelmaterialien besitzen) werden nicht mehr bewilligt, die Einkaufsmöglichkeiten wurden beschnitten: konnte man früher „Stadteinkauf“ machen, d.h. man bestellte Artikel die dann durch Dritte in der Stadt besorgt wurden. Verboten.

Der Sichteinkauf (dabei ging man in einem Verkaufsraum im Keller der JVA an einem supermarktähnlichen Regal vorbei und suchte aus, was man kaufen wollte), wurde ersetzt durch „Listeneinkauf“ (eine Woche vor dem Einkaufstag muss man eine Bestellliste abgeben und erhält die Bestellung fertig in einem Korb gepackt). Die Möglichkeit sich bei Versandhändlern Kleidung zu kaufen oder Sportschuhe bei einem Vollzugsbeamten der für den Sport zuständig ist wurde eingeschränkt, bzw. letzteres ganz verboten.

Ab November 2009 wird den Gefangenen verboten sich in andere Abteilungen der Anstalt zu begeben als ihres eigenen Unterkunftsbereichs (die JVA besteht aus 4 sogenannten Flügeln, sprich Trakten und bislang durfte man andere Gefangene in deren Trakten besuchen, dies wurde jetzt untersagt und Verstöße werden mit Disziplinarmaßnahmen geahndet). Einschränkungen und Kürzungen bei den Vollzugslockerungen gab es ebenfalls (und werde angesichts drohender Mittelkürzungen für 2010 und 2011 ausgeweitet werden).

Diese Aufzählung ist nicht abschließend, sondern ließe sich um diverse weitere Punkte ergänzen. Durch die Verteilung der Maßnahmen über die Jahre verhindert die JVA recht wirksam, daß es zu einem Gefangenenaufstand kommt, denn jede Verfügung für sich genommen erscheint mehr oder weniger marginal (von Ausnahmen abgesehen), aber in der Summe ist die Verschärfung des Klimas und der Haftbedingung unübersehbar.

Nicht zu vergessen die effizientere Nutzung der Gefangenen und ihrer Arbeitskraft; wobei dies kein Bruchsaler Spezifikum darstellt. Systematisch werden Arbeitsposten in der Lohngruppe herabgestuft, Prozente für gute Leistungen gestrichen oder gekürzt, ohne daß etwa die Leistungen schlechter geworden wären – aber es herrscht der Rotstift. Konnten früher die Betriebsleiter recht freihändig Leistungszulagen verteilen, so darf heute im Durchschnitt nicht mehr als 7,5% (statt der 30% vorgesehenen!) ausgeschüttet werden.

Sprich der Wettbewerbsdruck unter den Gefangenen wird erhöht, denn wenn jemand 10% Zulage möchte, muss jemand anderes 2,5% Punkte gekürzt erhalten, um auf den Durchschnitt von 7,5% zu kommen. Als wäre dies nicht genug, müssen die nun weniger verdienenden Gefangenen ab 2010 auch für ihre Besuche beim Anstaltsarzt zuzahlen, ebenso für Medikamente (freie Arztwahl gesteht man ihnen nicht zu). Konnten Freunde oder Angehörige den Inhaftierten drei Mal im Jahr eine kleine Freude machen durch ein persönliches Lebensmittelpaket, entfällt diese Geste ab 01.01.2010 völlig!

Angeblich sei der Aufwand für die Kontrolle der Pakete zu hoch. Angesichts der reduzierten Lebenswelt von gefangenen Menschen, werden diese durch jeden Einschnitt ungleich härter getroffen als Menschen in Freiheit. Trotzalledem gibt es jedoch – bedauerlicherweise – kaum Bereitschaft gegen die Verschärfungen zu protestieren; selbst legalistische Möglichkeiten wie Beschwerde und Klage vor Gericht werden kaum ergriffen; von weitergehenden Protestaktionen ganz zu schweigen. Resignation und Einschüchterung sind die beherrschenden Affekte. Der eine will sich nicht die vorzeitige Freilassung durch Abschiebung in sein Heimatland „versauen“, der andere nicht eine mögliche Unterbringung im Offenen Vollzug (die er erhofft und oftmals dann dennoch nicht gewährt bekommt) gefährden.

bt es gar keine „Fortschritte“? Ja, heute darf jeder Gefangene einen eigenen Fernseher besitzen und in Bruchsal auch eine Playstation I oder II, einen DVD-Player und CDs. Das war es dann auch schon an „Errungenschaften“ (die zudem gerichtlich erstritten werden mussten). Letztlich führen diese modernen Unterhaltungsmedien tendenziell eher zur Vereinzelung und Entsolidarisierung; ungezählt die Inhaftierten die vor dem Fernseher sitzen und abgekoppelt von der Realität in Filmen und Spielewelten leben, sich so vielleicht auch betäuben um den Alltag hinter Gittern auszuhalten.

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Gefängniswärter auf Motorrädern …

LOGOS: unter www.jailriders.de

Wer sich mit den Aktivitäten der Gefängniswärter und Bediensteten beschäftigt, der stößt auf die sonderbarsten Blüten.
So gibt es schon seit Jahren Zusammenschlüsse von Wärtern und anderen Gefängnisbediensteten, die Motorradfans sind. In Rockermanier organisieren sie sich mit hierarchischer Struktur (Präsident, Vize-Präsident etc.) und entsprechenden Namen, Logos und Aufnähern für ihre Kutten (= Motorradjacken).
Wer sich gerade die Logos näher ansieht, kommt nicht umhin, Bezüge zu (neo)nazistischen Hintergründen zumindest nicht für unmöglich zu halten.

Harmlos noch das Logo der Heimsheimer (Baden-Württemberg) Motorradfreunde: „Jail Riders“, dazu ein stilisiertes Bild eines Motorradfahrers, der durch eine Gefängnismauer bricht. Dann gibt es die „Jail House Heroes Celle“ (Niedersachsen), die „Motorradgruppe Wolfenbüttel“ aus Niedersachsen, letztere führen ein Wolfsgesicht im Logo.
Gewagter schon das „Jail Riders Rollkommando Wiesbaden“; hierzu muss man wissen, dass in der Gefängnissprache ein „Rollkommando“ einen Trupp prügelnder Wärter darstellt, die Gefangene misshandeln. Insofern ist der Begriff durchaus zweideutig.
Eher etwas naiv das Logo der „Jail-Riders Hamburg“; ein Gesicht hinter einem Gefängnisgitter, das weit gespreizt ist ( http://www.jailridershh.de).
Die Kasseler Wärter mit Motorrad haben sich zusammengeschlossen im Motorradclub „Key Warrior Kassel“ (Key Warrior offenbar in Anspielung auf den Umstand, dass Wärter die Schlüsselgewalt inne haben in den Knästen).

„Haft-Kraft Kiel“ lässt Assoziationen an „Kraft durch Arbeit“ zu. Relativ unzweideutig jedoch sind Motorradclubs von Vollzugsbeamten, die sich „Odins Vasallen“ nennen oder jenes Chapter namens „Dungeonkeepers Germany“, die in ihr Wappen nicht nur die szenetypische Flagge aus den Farben schwarz, weiß und rot integrierten, sondern zusätzlich zwei indisch-nordische Symbole, die durchaus stilisierte Hakenkreuze darstellen können.

Dresdner Beamte firmieren unter der „Jailhouse Crew Dresden“, ebenfalls in den typischen Farben schwarz-weiß-rot und Frakturschrift.

Laut der webseite der Heimsheimer Jailriders ( http://www.jailriders.de) ist für den 02. – 04. Juli 2010 ein bundesweites Treffen in Düsseldorf geplant.
Die „Kerkermeister NRW“ ( http://www.kerkermeister-nrw.de) absolvieren auch mal Treffen mit anderen Motorradclubs und führen dann einen „Germanischen Fünfkampf“ (u.a. offenbar bestehend aus Tauziehen und „Häuptling tragen“) und anschließendem Strip-Club-Besuch auf St. Pauli durch.

Es dürften kaum Zweifel an der Gesinnung von Beamten im Justizvollzug bestehen, die sich unter Flaggen mit den Farben des deutschen Reichs „schwarz-weiß-rot“ oder stilisierten Sonnenrädern (alias Hakenkreuz) zusammen finden.

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Neoliberalismus im Knastsystem

Dieses Jahr erschien in deutscher Übersetzung das erstmals 2004 in Frankreich publizierte Buch „Bestrafen der Armen – Zur neoliberalen Regierung der sozialen Unsicherheit“ des in Paris und in den USA lehrenden Professors Loic Wacquant.

Die knapp 360 Seiten starke Analyse der straffixierten Wende in der Strafrechtspolitik gehört in jeden Bücherschrank eines an kritischer Auseinandersetzung mit Strafvollzug, Knastpolitik und Strafrechtsverschärfungen interessierten Menschen.

Schon im Vorwort bringt der Autor es auf den Punkt, wenn er das „Law-and-Order-Karussell“ anklagt, für die Kriminalität das zu sein, was die Pornografie für die Liebesbeziehung sei, nämlich „ein die Realität bis zur Groteske entstellender Zerrspiegel, der das delinquente Verhalten aus dem Geflecht der sozialen Beziehungen (…) künstlich herauszupft, seine Ursachen und Bedeutungen bewusst ignoriert“ um dabei der Kriminalitätsfurcht ebenso Nahrung zu geben, wie von ihr zu leben (a.a.O., S.13-15).

In 10 Kapiteln unterzieht Wacquant im Speziellen die Politik in den USA und Frankreich einer ebenso scharfen wie treffenden Analyse, was „Elend des Wohlfahrtstaats“ und „Größe des Strafrechtsstaats“, wie zwei Teil-Überschriften lauten, angehen. Das Elend und Ende des Wohlfahrtstaats ist nach Ansicht des Buchautors eng verknüpft mit der Hyperinflation der Anzahl der Gefängnisinsassen und der Strafrechtshysterie. Auf S. 117 weist Wacquant exemplarisch nach, wie im Rahmen einer Wohlfahrts-„Reform“ 1996 in den USA im vorhergehenden politischen Diskurs, wie auch im Gesetzestext selbst, beispielsweise „allein erziehende arme Mütter in aggressiver Form nicht als bedürftig, sondern als deviant charakterisiert, als eine Problemgruppe, deren Integrität (…) suspekt ist und deren angebliches Arbeitsvermeidungsverhalten dringend der Korrektur durch Ausschluss, Zwang und moralischen Druck bedarf“ diffamiert wurden. Also mit Techniken unter Druck gesetzt wurden, die „typisch für die Verbrechensbekämpfung sind.“

Erklärte Absicht des Autors ist es (a.a.O., S.18f) die „veränderten Aktivitäten der Polizei, der Gerichte und insbesondere der Gefängnisse“ aufzudecken, die „speziell auf das Management der `Problemgruppen` ausgerichtet sind, die in den unteren Regionen des sozialen und städtischen Raums hausen“.

Loic Wacquant will die Aufmerksamkeit der LeserInnen seiner Studie „auf den Zusammenschluss von Sanktionen im Strafrechts- und Kontrolle im Sozialhilfebreich zu einem einzigen Apparat der kulturellen Vereinnahmung und Verhaltenskontrolle von marginalen Populationen“ lenken.

Viele Zahlen lassen sich dem Buch entnehmen; auch wenn keine ganz aktuellen Werte vorliegen, so schmälert dies nicht ansatzweise die Kraft der Aussagen Wacquants.

Im Jahr 2000 standen 3% der Gesamtbevölkerung der USA unter staatlicher Überwachung oder Kontrolle (a.a.O.; S.149); immerhin jeder 20. weiße und jeder 10.schwarze männliche Erwachsene saß entweder im Knast, oder stand unter Bewährungsaufsicht. Instruktiv auch die Darstellung der wirtschaftlichen Macht und des Einflusses des Gefängnissystems: der Strafvollzugssektor stellt den drittgrößten Arbeitgeber in den USA, noch vor Ford (371.000 Beschäftigte), vor General Motors (646.000) oder UPS (336.000), mit ca. 708.000 Beschäftigten (a.a.O. S.171).
Wurden 1980 noch 50% mehr Gelder an allein erziehende arme Mütter ausgegeben, als Gelder für Knäste, drehte sich 1993 dieses Verhältnis um; und schon 1995 wurde 2.3 mal soviel Geld für den Strafvollzug ausgegeben als für bedürftige Mütter.
Diese und noch viel mehr Zahlen und Fakten, gut und umfangreich belegt, lassen sich in der Studie finden. Am beklemmensten fand ich die Schilderung seines Besuchs „in der größten Strafkolonie der freien Welt“ (a.a.O., S.161), in Los Angeles, wo 23.000 Gefangene in sieben Anstalten leben (1980 waren es noch 9.000 Menschen hinter Gittern).

Wie weiter oben dargestellt, zielt die Studie jedoch viel weiter als in der bloßen Wiedergabe der Zahlen; vielmehr ordnet sie die Entwicklungen im Bereich Strafvollzug/Strafverfolgung ein in die (zunehmende) Verfolgung der unteren sozialen Schichten. Ausdrücklich lehnte der Autor es jedoch ab, seinem Buch den Mythos eines „von übel wollenden und allmächtigen Staatsmännern verfolgte(n), bewusste(n) Plan zugrunde“ zu legen (a.a.O. S.19). Er betont ausdrücklich, dass nichts von alledem was er beschreibt und aufdeckt „von schicksalhafter Notwendigkeit“ ist, sondern stets „andere historische Wege“ offen stehen, „wie schmal und wie unwahrscheinlich sie auch sein mögen“ (a.a.O. S.19)

Für ihn ist das Gefängnis der heutigen Prägung ein Ersatzghetto, wie auch ein Mittel zur Abschöpfung von Wirtschaftskraft und zur sozialen Ächtung. Scharf geht er mit den völlig überschießenden gesetzlichen Entwicklungen in den USA im Umgang mit entlassenen Sexualtätern um (a.a.O., S.219ff), wohlwissend wie emotional besetzt dieses Thema ist.
Was das Buch bedeutend macht, ist der systemübergreifende Ansatz Wacquants, der aufzeigt, wie der Neoliberalismus nicht nur die sozialen Sicherungssysteme und den „Wohlfahrtstaat“ ergreift, sondern geradezu als integralen Bestandteil das Gefängniswesen benötigt. Deshalb schadet es auch der Studie nicht, wenn dort überwiegend Zahlen aus den USA oder Frankreich referiert werden, denn die zentralen Entwicklungslinien in USA wie Europa sich in zu vielen Punkten.

Alles in allem ist es eine ebenso gelungene wie wichtige Analyse, die auch dazu beitragen kann eigene Argumentationsstrukturen bei der Bekämpfung des Gefängniswesens zu untermauern und zu unterstützen.

Bibliografische Angaben:

Loic Wacquant, „Bestrafen der Armen- Zur neoliberalen Regierung der sozialen Unsicherheit“
erschienen 2009 im Verlag Barbara Budrich, ISBN 978-3-86649-188-5, Preis: 29,90 Euro.

Thomas Meyer Falk, c/o JVA-Z.3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
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Monopole und Hungerstreiks im Knast

Wer im Knast sitzt unterliegt nicht nur der Beschränkung seiner räumlichen Bewegungsfreiheit, sondern beispielsweise auch Einschränkungen wenn er oder sie etwas kaufen möchte. Darum soll es gleich im Anschluss gehen. Danach berichte ich noch kurz über einen Hungerstreik in der JVA Bielefeld von Juni 2009, sowie die „Vorsicht-Steinschlag“-Schilder in Bruchsals Gefängnis.

1.) Monopole im Gefängnis

Gefangene dürfen aus einem von der Haftanstalt vermittelten Angebot Nahrungs- und Genussmittel sowie Mittel zur Körperpflege kaufen (vgl. §22 Strafvollzugsgesetz). Die bedeutet, die Anstalt beauftragt einen Händler mit der Bereitstellung des Angebots, ggf. Belieferung der Gefangenen via Listeneinkauf. Im ersteren Fall befindet sich in den Räumen der JVA ein kleiner Laden und Gefangene können vor Ort die Waren die sie gerne kaufen möchten aussuchen, im zweiten Fall erhalten sie nur eine Waren- und Preisliste, sie bestellen was sie benötigen und erhalten einige Tage später fertig kommissioniert einen Korb mit den Artikeln. Bei alledem ist ein Problem in nahezu jeder Haftanstalt zu beobachten: die Preise, die den Gefangenen abverlangt werden, tendieren dazu sich von den Preisen in Freiheit abzuheben. Verkauft beispielsweise EDEKA in seinen Geschäften Kaffee der Marke Dallmayr Prodomo für 2,89 Euro, bezahlen wir in der JVA Bruchsal bei der uns beliefernden Firma Massak (http://www.massak.de) stolze 4,79 Euro. Ein von der Bruchsaler Anstalt höchstselbst im Frühjahr durchgeführter Preisvergleich von 141 Produkten (verglichen wurden die Preise der Firma Massak Logistik GmbH mit zwei Supermärkten) ergab, dass 42 Produkte im Gefängnis ein paar Cent billiger waren als „draußen“, aber 89 Produkte, teilweise erheblich, teurer (bei 10 Produkten fanden sich identische Preise). Wenn knapp 60% der Artikel teurer sind, dann kann etwas nicht stimmen, zumal wenn keine unabhängige Stelle den Vergleich durchführte, sondern sogar die Justiz selbst. Wie der Preisvergleich ausgefallen wäre, wenn eine unabhängige Instanz diesen gemacht hätte, mag man sich selbst ausmalen. Wie sehen nun die Handlungsmöglichkeiten der Gefangenen aus? Eine Alternative besteht in völligem Konsumverzicht. Eine andere darin, die Justiz im Wege von Amtshaftungsklagen in Anspruch zu nehmen. Ich selbst erstritt vor einigen Jahren einmal vor dem Zivilgericht Schadenersatz, da der damalige Anstaltskaufmann nur viel zu teure Schreibwaren anbot; da mir die JVA keine preisgünstigere Bezugsquelle genehmigen wollte, musste das Land die Differenz zwischen Anstaltskaufmann und günstigerer Bezugsquelle ersetzen. Der Rechtsstreit dauerte Jahre und beinhaltete auch Versuche der Anwaltskanzlei die das Land vertrat, den Kläger (mich) schlicht zu diffamieren. Wer daran denkt über das Wettbewerbsrecht (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) dem Kaufmann beikommen zu wollen, der stößt auch auf Schwierigkeiten. So teilte das Bundesministerium für Wirtschaft (Anschrift: 11019 Berlin; Az.: IB1-999 813) am 14.07.2009 mit, dass Monopole nicht per se verboten seien, jedoch dürfe ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung nicht missbrauchen. Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg (Postfach 10 34 51; 70029 Stuttgart; Az.:1-4453.89/23) ließ am 8.09.2009 wissen, dass es nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht davon ausgehe, dass ein Anstaltskaufmann in einer JVA eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von §19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen inne habe. Dieses Gesetz knüpfe an das Vorhandensein eines Marktes an; dieser liege dann nicht vor, wenn die Wirtschaftssubjekte nicht grundsätzlich autonom seien. Das heißt, verständlich formuliert, zwar dürfen Gefangene einkaufen, jedoch nur unter den wesentlichen Einschränkungen des Strafvollzugsgesetzes. Dies schließt dann aus, dass es sich dabei um einen Markt im Sinne von §19 GWB handele. Und wo kein Markt, dort auch keine marktbeherrschende Stellung. In einem Buch des in den USA seit 22 Jahren in Haft sitzenden deutschen Diplomatensohns Jens Söhring, beschreibt dieser die dortige Situation: auch dort gibt es Gefängnisse in denen Firmen ein Monopol inne haben. Und genau die selben Firmen, so berichtet er, die in anderen Bundesstaaten kein Monopol haben, sondern wo Gefangene sich aussuchen können bei wem sie etwas bestellen, bieten ihre Waren dort bis zu 40% billiger an, als in Anstalten, in welchen sie das Monopol haben. Nichts anderes passiert in Deutschland und die Firma Massak ist nur ein Beispiel von mehreren.

2.) Hungerstreik in Bielefeld

Die junge Welt berichtete am 04.Juli 2009 von einem Hungerstreik in der JVA Bielefeld aus Protest gegen eine ausgefallene Sportstunde. Eine Anfrage beim Justizministerium Nordrhein-Westfalen vom 27.07.2009 brachte nicht wirklich erhellendes zu Tage, denn das Ministerium verweigert den Zugang zu einem Vorlagebericht der JVA Bielefeld. Lediglich auszugsweise übermittelte am 29.09.2009 das JM einen Vermerk der zuständigen Referatsleiterin im JM vom 03.07.2009 wo es heißt, der Hungerstreik habe von Montag, dem 29.Juni bis Mittwoch, 01.Juli angedauert. Teilgenommen hätten sechs Gefangene das Haus 6, einem besonders gesicherten Haftbereich mit 14 Haftplätzen, der über einen eigenen Hof verfüge.

3.)„Vorsicht Steinschlag“

Offenbar um sich vor Schadenersatzklagen von Gefangenen zu schützen, hängte die Bruchsaler Haftanstalt im Hof an die Außenmauer Schilder „Vorsicht Steinschlag“. Die Mauerkrone ist schon etwas brüchig und bevor von Steinen getroffene Gefangene das Land in Regress nehmen, hängte man die Schilder auf. Nun haben die Gefangenen die Wahl: nehmen Sie den Steinschlag in Kauf und spazieren ihre Runde auch an der Mauer vorbei, oder halten sie sich von der Mauer fern. Ein völliger und plötzlicher Zusammenbruch der Mauer ist -leider- nicht zu erwarten.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76647 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas.de

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Wahlrecht für Gefangene

Auch Gefangene dürfen in Deutschland wählen; ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht ist die absolute Ausnahme (von 1990 bis 2009 wurde gegen 77 Verurteilte als Nebenfolge ein solcher Ausschluss verhängt; vgl. Bundestags-Drucksache 16/12622 vom 08.04.2009). Was viele – auch Inhaftierte – nicht wissen, ein Ausschluss vom passiven Wahlrecht, also dem Recht, gewählt zu werden, findet sich im Alltag viel häufiger. Denn jede und jeder, die/der zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr wegen eines Verbrechens verurteilt wurde, verliert automatisch (§ 45 StGB) die Amtsfähigkeit und auch das Recht, gewählt zu werden für die Dauer von 5 Jahren, wobei die Zeit im Gefängnis nicht auf diese Frist angerechnet wird.

Einher mit dem Verlust der Wählbarkeit geht der Verlust des Rechts, Mitglied einer Partei zu sein (vgl. § 10 Abs. 1 Parteien-Gesetz).


Superwahljahr 2009


Im Superwahljahr 2009 stellt sich auch für Gefangene die Frage, ob sie sich an den Wahlen beteiligen. An dieser Stelle soll nicht die Sinnhaftigkeit von Wahlen an sich thematisiert werden, viel mehr beschränke ich mich auf die formalen Aspekte.

§ 8 BWO (Bundeswahlordnung) sieht vor, dass im Regelfall die Behörden in den Gefängnissen einen sogenannten „beweglichen Wahlvorstand“ errichten, sprich es soll für einige Stunden ein Wahllokal eingerichtet werden, damit auch Gefangene ganz normal wählen können. In der Praxis jedoch, so das Ergebnis einer Umfrage eines Doktoranden aus Berlin bei allen Landeswahlleitern und Justizministerien, gibt es heute in keiner einzigen Anstalt mehr eine solche Einrichtung (früher, noch in den 90’ern gab es bspw. in der JVA in Hamburg einen solchen beweglichen Wahlvorstand).


Zwang zur Briefwahl


Somit müssen Inhaftierte den Weg der Briefwahl beschreiten. War es bislang z.B. in der JVA Bruchsal üblich, dass die Anstalt die Anträge auf Erteilung der Briefwahlunterlagen an die Stadt Bruchsal kostenlos weiterleitete, müssen seit 2009 Gefangene, die denn wählen möchten, dafür bezahlen, nämlich Briefmarke und Kuvert kaufen.

Ein Vorgehen, das nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch in der Politik auf Protest trifft. So veröffentlichte Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (http://www.ulla-jelpke.de) am 17.12.2009 eine Pressemitteilung und forderte – Zitat – „die Gefangenen bei der Ausübung ihres Wahlrechts zu unterstützen, anstatt sie zu behindern“. Und Bundestagsabgeordneter Wolfgang Bosbach (CDU) schrieb die Justizministerin von Nordrhein-Westfalen an, nach dem sich Gefangene der JVA Iserlohn bei ihm über eine ähnliche Praxis dort beschwert hatten.

Berücksichtigt man das geringe Einkommen der Gefangenen (monatlich sind zwischen 31 und vielleicht 80/90 Euro verfügbar) und die Tatsache, dass jeder Mensch in Freiheit seinen Antrag kostenlos bei der Stadt abgeben oder am Wahlsonntag in ein Wahllokal gehen kann, um kostenfrei zu wählen, stellt die Kostenpflicht für Gefangene eine unzulässige Beeinträchtigung des Wahlrechts dar. Es bleibt abzuwarten, ob sich auch die OSZE mit der Thematik beschäftigt, nach dem ihrer Unterorganisation ODIHR eine Beschwerde vorliegt und sie dieses Jahr auch Wahlbeobachter nach Deutschland entsandte.

Bei der Briefwahl kann sich zudem kein Gefangener sicher sein, dass die JVA nicht doch die Wahlbriefe zensiert (ein Problem, auf das die LINKE im Bundestag in einer Anfrage an die Bundesregierung hinwies; vgl. oben genannte Drucksache).


Wahleinspruch für alle


Jeder kann, sofern wahlberechtigt, Einspruch gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl einlegen (Bundestag, Platz-der-Republik 1, 11011 Berlin). Die Frist hierzu endet am 26. November 2009, der Einspruch ist kostenfrei. Sollte der Einspruch vom Bundestag zurückgewiesen werden, wird es etwas aufwendiger, denn nun muss man sich 100 UnterstützerInnen suchen und kann Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen.

Der Wahlprüfungsausschuss fordert in der Regel den Bundeswahlleiter zur Stellungnahme auf, die dann der Einspruchsführer zugeleitet erhält, um hierauf erwidern zu können. Selbst eine mündliche Anhörung in Berlin ist möglich.


Probleme bislang unbeachtet


Wie unterbelichtet das Thema „Wahlrecht der Gefangenen“ bislang war, dokumentiert der Umstand, dass erst jetzt eine Doktorarbeit zu diesem Feld in Arbeit ist (der Doktorand promoviert bei Professor Dr. Feest, Universität Bremen) und sich näher mit den Fragestellungen rund um inhaftierte Wählerinnen und Wähler auseinandergesetzt wird.


Kollateralschäden bei Einspruch


Mitunter fühlen sich manche Journalisten bemüßigt, aus einem sachlichen Anliegen ein Schmierenstück zu fabrizieren. So nahm Wieland Schmid von der Stuttgarter Zeitung einen Wahleinspruch gegen die Oberbürgermeister-Wahl in Bruchsal (Wahlgewinnerin war eine ehemalige LKA-Beamtin) zum Anlass, über den inhaftierten Einspruchsführer, dieser war ich, im Stil der Boulevardpresse zu berichten.


Ausblick


Vielleicht ermöglichen Einsprüche gegen die Bundestagswahl vom 27.09.2009 die Situation von Gefangenen in den Medien breiter zu positionieren und so aus dem Schattendasein etwas heraus zu lösen.


Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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