Demo vor dem Knast in Bruchsal

Demo vor dem Knast in Bruchsal

Am Sonntag, den 19. Juni 2011 fand vor den Mauern der im Revolutionsjahr 1848 erbauten JVA Bruchsal eine lautstarke und kämpferische Demonstration statt, veranstaltet von der Gruppe 76 Rastatt/Murgtal (http://linksunten.indymedia.org/de/node/41944) anlässlich des Tags der revolutionären Gefangenen (vgl. http://archiv.no129.info/pdf/19juni_aufruf.pdf).

Zu meinem Bedauern konnte ich selbst nur die Böller hören, denn Zelle 3113 liegt äußerst ungünstig in dem Knastkomplex. Nur wenige Zellen weiter (3116/3117) saß früher Christian Klar und es dürften hier jene Zellen sein, in welchem man am weitesten weg ist von der Straße. Steige ich auf den Stuhl in meiner Zelle und schaue aus dem in etwas 2 m Höhe befindlichen Fenster, sehe ich die Rückseite der Gefängnis-Sporthalle und die Mauer. Außerdem sehe ich einen der Käfige, in welchen Gefangene, die in Einzelhaft sitzen, ihren Hofgang alleine (gelegentlich zu zweit) absolvieren müssen.

Dafür hörten andere Gefangene umso mehr von der Demo und sprachen mich am Montag (20.06.) begeistert an; jedoch auch ein bisschen überrascht davon, dass es doch tatsächlich Menschen gibt, die sich für die Abschaffung von Gefängnissen und die Freilassung von Inhaftierten einsetzen. Denn in der Regel hört mensch nur davon, dass Gefangene möglichst noch länger in Haft gehalten werden sollen (nur nebenbei: In Bruchsals Gefängnis dürfte der zur Zeit am längsten in der BRD, vielleicht auch Europa und darüber hinaus, eingesperrte Gefangene sitzen. Herr N. befindet sich annähernd 50 Jahre ununterbrochen in Haft. Die taz – http://www.taz.de – arbeitet momentan an einem Artikel über ihn.

Knast bedeutet stets auch Isolation: Abschottung von der Familie, PartnerIn, von FreundInnen, von der Gesellschaft im allgemeinen. Isolation ist also dem System Gefängnis zwangsläufig immanent. Dennoch bedeutet der Begriff „Isolationshaft“ etwas mehr und anderes und da in dem Grußwort und Flugblatt zu der Demo am 19.06. geschrieben wurde, ich säße nunmehr „seit über 13 Jahren in der JVA Bruchsal in Isolationshaft“ nutze ich die Chance an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass ich seit 2007 im „Normalvollzug“ sitze, wie ich auch schon 2007 berichtete. Ich finde es unfair Menschen gegenüber, die nach wie vor in Isolationshaft sitzen, würde man meine Haftsituation damit gleich setzen. So sitzt, um nur ein Beispiel zu nennen, Peter Wegener (JVA Sehnde) mittlerweile seit 1995 in Einzelhaft, nach dem er seinerzeit aus der JVA Celle (gemeinsam mit Günter Finneisen) ausgebrochen und kurz danach wieder verhaftet wurde. Herr Finneisen (von ihm finden sich auf meiner homepage zahlreiche Karikaturen) verlegte die niedersächsische Justiz erst vor wenigen Wochen von der Isolationsabteilung der JVA Celle (wo früher RAF-Gefangene isoliert wurden) in den Normalvollzug.

Das vollständige Zurückgeworfensein auf sich selbst, 24 Stunden am Tag, Woche um Woche, Jahr um Jahr; Besuche von FreundInnen, GenossInnen nur hinter einer dicken Panzerglasscheibe und bewacht von Beamten der JVA, verlassen der Zelle nur nach vorherigem nackt ausziehen und umkleiden in andere Knastkleidung und vieles mehr – all das gehört mit zum „Programm“ in Isolationshaft. Im Vergleich dazu ist der Normalvollzug zwar kein Kinderspiel, aber nicht ganz so kontrolliert, überwacht, bespitzelt und reduziert.

Neben dieser Klarstellung ist es mir jedoch ebenso wichtig, all jenen zu danken, die am 19. Juni den Weg nach Bruchsal fanden; diese Aktion gibt mir Kraft, aber auch und vor allem anderen Gefangenen, die so sehen konnten, sie sind nicht vergessen, es gibt Menschen, die für eine andere Welt kämpfen, für eine Welt, in der auch Gefängnisse überwunden werden. Der/die einzelne Gefangene steht dem Macht- und Repressionsapparat ziemlich hilflos gegenüber; Proteste, wie jene vom 19. Juni, die auch in anderen Städten Deutschlands und Europas vor Knästen stattfanden, schaffen Solidarität und ein Bewusstsein für die eigene Würde, schaffen die Grundlage für eine Verteidigung dieser Würde, weil mensch sieht: Sie/er ist nicht alleine!

Im Namen der Mitgefangenen und auch in meinem, allen ein herzliches und kämpferisches Danke!

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas
https://freedomforthomas.wordpress.com

Strafgefangene – sind sie Hunde?

Strafgefangene – sind sie Hunde?

Die Sprache hinter Gittern ist nicht immer besonders fein, meist ist sie, nun ja, recht bilderreich, hart, unverblümt. Um so „dankbarer“ könnte man sein, wenn Beamte einer Justizvollzugsanstalt es subtil, also zart und feinsinnig angehen. Und so soll heute von Vollzugsbeamten der JVA Bruchsal die Rede sein.

Das Vorspiel

Schon vor Jahren verordnete das Justizministerium Baden-Württemberg seinen Knastbeamten ein „Leitbild Justizvollzug“; dort heißt es dann unter den auf den Umgang mit den Gefangenen bezogenen „Zielen“:
„Wir (…) behandeln sie menschlich und gerecht“.
An einem Samstag im Juni 2011 befand sich der Gefangene S. im Gefängnishof; er erhält eine spezielle Anstaltskost, leidet er doch an einer Milchzuckerunverträglichkeit. Isst er etwas „falsches“, kann dies zu Magen-Darmproblemen, wie z.B. akutem Durchfall führen. S. spürte an jenem Tag einen unmittelbaren Drang, sofort ein WC aufsuchen zu müssen, nur befindet sich kein solches im Gefängnishof. Er bat folglich einen der im Hof anwesenden Beamten, ihn ins Hafthaus zu lassen, damit er dort das WC in seiner Zelle aufsuchen könne. Nachdem ihm dies verweigert wurde, sah er sich gezwungen, in einem Eck des Hofes seine Notdurft zu verrichten, da er sich andernfalls hätte in die Hose machen müssen.
Beamte brachten ihm einen Eimer, damit er seine Hinterlassenschaft entfernen konnte. Als wäre dies alles nicht schon unangenehm genug gewesen, gab es am darauffolgenden Sonntag eine Fortsetzung.

Das Nachspiel

Wer gegen 9.00 Uhr in den Gefängnishof ging (zur „Freistunde“, also dem Spaziergang im Knasthof), fand in dem dort aufgestellten Zeitungskasten eine Hundekot-Tüte befestigt. Nur die Beamten der Haftanstalt verfügen über einen Schlüssel zu diesem Kasten, weshalb auch Beamte diese Tüte dort mit einem Magneten an der Zeitungswand befestigt haben müssen.

Die Reaktionen der Inhaftierten fielen unterschiedlich aus; es gab jene, die es „lustig“ fanden, aber die Mehrzahl fand es eine „gemeine“, menschlich unangemessene Reaktion. Herr U. sagte, dass dies „doch eine Beleidigung“ sei und man „die“ – er meinte die Beamten – anzeigen müsse. Eine andere Stimme, Herr Y., frug sich, wie wohl die „Muslime reagieren“ würden, die besonders sensibel auf Vergleiche mit den als unrein geltenden Hunden reagieren.

Fortsetzung des Nachspiels

Ein Gefangener sprach schließlich einen der uniformierten Beamten, landläufig auch als Wärter bezeichnet, an. Dieser Beamte vertrat nach Angaben des Gefangenen die Auffassung, es handele sich um einen Scherz und im übrigen habe sich er – der Häftling – nicht aufzuregen, da ihn die Hundekot-Tüte nicht beträfe und auch nichts anginge.

Schlusswort

Lassen wir das Justizministerium Baden-Württemberg sprechen. Im Kapitel „Unsere Grundlagen“ des schon zitierten „Leitbild Justizvollzug“ steht zu lesen: „Unser Handeln wird bestimmt durch die Menschenrechte und die Achtung der Menschenwürde aller.“

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas.de
https://freedomforthomas.wordpress.com

Knastbeamten-Fest in Bruchsal


Sportliche Betätigung hat hinter wie vor den Gefängnismauern einen hohen Stellenwert; heute soll einmal von den Knastbeamten die Rede sein, von Gefangenen allenfalls mittelbar. Denn am 01. Juli 2011 findet in Bruchsal und Umgebung das „52. Landessportfest“ der Vollzugsbediensteten aus ganz Baden-Württemberg statt.
In einer knapp 80-seitigen Broschüre (in den diversen Grußworten recht mutig sogar „Festschrift“ genannt) feiert man sich selbst und informiert die TeilnehmerInnen über das sportliche Programm.

Die Grußworte

Nicht weniger als sieben Grußwort-SchreiberInnen fanden sich; vom Justizminister über die Oberbürgermeisterin und einen Ortsbürgermeister bis hin zu Gewerkschaftsvertretern von ver.di und BSBD (Bund der Strafvollzugsbediensteten). Der Minister grüßt alle TeilnehmerInnen und meint, der „sportliche Wettkampf stärkt (…) mental“. Auch Anstaltsleiter Thomas Müller (manchen noch aus der Affäre um die Rezitation eines
Boehse-Onkelz Liedtextes bekannt  http://de.indymedia.org/2010/01/270866.shtml) darf sich äußern, sichert allen Gästen eine „herzliche Atmosphäre“ sowie gute „badische Gastfreundschaft“ zu. Das Landessportfest biete, so Müller, „Gelegenheit, für einen Tag den Belastungen des beruflichen Alltags zu entrinnen“.

Sportliches Programm

Insgesamt in 12 Disziplinen üben sich die teilnehmenden Vollzugsbediensteten. Von Fußball bis Volleyball, von Tennis bis Kegeln, aber auch im Tauziehen und Schwimmen will man sich messen. Für die Geistesgrößen wird Schach und Schießen geboten; für die finanzielle Elite ein 18-Loch Golfturnier.
Wer am Schießwettbewerb teilnehmen möchte (hier sind bislang 170 TeilnehmerInnen gemeldet), darf mit einer „Heckler und Koch P10“ Pistole auf ein „statisches Ziel“ feuern; freilich ist ihm gem. Ziffer 11 der in der Broschüre abgedruckten Vorschriften für das Schießen „der Konsum von Alkohol oder sonstigen berauschenden Mitteln vor und während des Schießens“ untersagt und würde widrigenfalls „automatisch zur Disqualifikation“ führen. In welchem Zustand würden wohl die Schützinnen und Schützen erscheinen, gäbe es diese Anweisung nicht!?

Rahmenprogramm

Neben einem gemeinsamen Frühstück ab 7.30 Uhr und den von 8.00 Uhr bis circa 17.00 Uhr dauernden Wettbewerben soll dann ab 18.00 Uhr in der Waldseehalle in Forst (bei Bruchsal) die „Abendveranstaltung“ stattfinden, einschließlich Verlesung der Grußworte, Siegerehrung und des gewiss fulminanten musikalischen Programms der „Südtiroler Alpenamigos“.

Wie wurde die Festschrift finanziert

Offenkundig konnten die Veranstalter zahlreiche Vertreter der Wirtschaft dazu bewegen, halb- oder ganzseitige Werbeanzeigen zu schalten in besagter „Festschrift“. Neben Firmen wie Enforcer (http://www.enforcer.de), die Beamte mit, laut Inserat, „Tactical Handschellen – in hochwertiger Qualität und Verarbeitung“ zu 49,00 Euro, „Schnitthemmenden Handschuhen“ (39,90 Euro) und anderem mehr ausstatten, inserieren Firmen wie Geggus GmbH (http://www.geggus.de), die zahlreiche Arbeiten in die Anstalt vergeben, welche dort dann von den Gefangenen zu verrichten sind, oder Apotheken, die den Gefängnisarzt und die Inhaftierten beliefern, z.B. die Stern-Apotheke (http://www.sternapo.de
– eine kritische Würdigung dieser Apotheke findet sich unter
http://de.indymedia.org/2011/02/301534.shtml). Auch der unter Inhaftierten berüchtigte Knastkaufmann, die Firma Massak Logistik GmbH (http://www.massak.de – kritisch zu Massak vgl. http://de.indymedia.org/2010/05/280395.shtml) schaltete eine Werbeanzeige. Nicht fehlen durfte die Firma Telio (http://www.telio.de), auch sie genießt innerhalb der Gefangenenschaft, wie Massak, einen ganz „speziellen“ Ruf, denn sie versorgt tausende Gefangene mit Telefonie und lässt sich dies teuer, sehr teuer von diesen bezahlen
(http://de.indymedia.org/2010/09/290259.shtml).
Daneben gab es 14 Sponsoren, u.a. die örtliche Sparkasse, eine Metzgerei, eine Buchhandlung, die die Festivität direkt unterstützen und dafür einen besonderen Dank erfuhren.

Weshalb zähle ich dies alles so detailliert auf? Die genannten und weitere Firmen erzielen (zumindest teilweise) hohe Umsätze mit der Arbeit, Arbeitsleistung oder dem Geld von Gefangenen! Zugespitzt kann also festgestellt werden, dass die Inhaftierten mit ihrem Geld, ihrer Arbeitsleistung diese sogenannte „Festschrift“ mittelbar mitfinanzierten, letztlich sogar das Beamtensportfest. Betroffene Gefangene sehen darin einen gewissen Zynismus.
Schließlich bezahlen sie Broschüre, Rahmenprogramm und vergnügliche sportliche Aktivitäten derjenigen, die sie einsperren, auf diese Weise teilweise mit. Und es geht noch „besser“!

Wer produzierte die „Festschrift“

Ausweislich des Impressums wurden „Gestaltung, Layout, Satz, Druck“ von der Druckerei der JVA Bruchsal, die Bindung der Broschüre von der Buchbinderei der Anstalt erledigt; um es verständlicher zu formulieren: die Inhaftierten, die in den Bereichen Mediengestaltung (zuständig für Gestaltung, Layout und Satz, also bis zur Fertigung der Druckplatten), Druckerei (Druck der Seiten) und Buchbinderei (alles schön zusammenkleben) tätig sind, mussten die Broschüre produzieren. Nicht Wenige sind nach eigenem Bekunden richtig stolz darauf (über ethische Bedenken in diesem Zusammenhang schrieb ich an anderer Stelle http://de.indymedia.org/2010/10/291636.shtml).

Zwischenergebnis

Gefangene produzierten die von ihnen indirekt mitfinanzierte Broschüre für ein Beamtenfest, welches die Inhaftierten gleichfalls teilweise finanzieren, wenn auch nicht unmittelbar, sondern über ihre Arbeitsleistung und den Gewinn bzw. Umsatz der Sponsoren und Werbepartner generieren.

Der 1. Juli 2011

Während sich die aus dem ganzen „Ländle“ anreisenden Bediensteten nebst deren Familien an jenem Freitag sportlich betätigen, den „Alpenamigos“ versonnen lauschen (auch auf Kosten der Gefangenen), dürfen die Inhaftierten der JVA Bruchsal keine Besuche empfangen, wie sonst an Werktagen üblich, denn die Besuchsabteilung hat an diesem Tag, so informiert ein Aushang „aus organisatorischen Gründen“ geschlossen;
gleichfalls die gesamten Arbeitsbetriebe. Wer also auf das Einkommen aus Knastarbeit angewiesen ist, verliert einen Arbeitstag und das entsprechende Einkommen. Freizeitveranstaltungen fallen genauso aus.

Alles zum Wohle der JVA-Beschäftigten, die an diesem Tag die „Gelegenheit zur geselligen Begegnung und interessanten Gesprächen mit Kollegen und deren Familien aus dem ganzen Land“ (Grußwort von Ministerialdirigent Ulrich F.) nutzen möchten, einem „tollen Tag“ entgegen fiebern, „geprägt von sportlichen Leistungen und einer
freundschaftlichen Atmosphäre“ (Grußwort BSBD-Gewerkschafter Alexander S.). Wobei die „sportliche Betätigung verbunden mit Kameradschaft“, so das Grußwort von Thomas F. (ver.di-Landesbezirksfachgruppe Justiz und Justizvollzug), ein geeignetes Mittel sei, „um den Anforderungen des schweren Dienstes gewachsen zu sein“, welchen die
Strafvollzugsbediensteten zu verrichten hätten.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA-Z. 3113, Schönbornstraße 32, D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
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Solidarität mit Werner Braeuner!

Solidarität mit Werner Braeuner! Der Gefangene Thomas Meyer-Falk aus Bruchsal ruft zur Solidarität mit Werner Braeuner auf, der sich in der JVA Sehnde in einem unbefristeten Hungerstreik (HS) seit dem 8.Mai befindet. Anlaß des HS ist Kot im Essen. Mehr Infos dazu unter www.political-prisoners.net Thomas setzt sich in seinem Text auch mit Kritik an Werner auseinander, fordert aber jetzt alle auf, seinen HS solidarisch zu unterstützen.

Solidarität für und mit Werner Braeuner!

Seit dem 8.Mai befindet sich Werner nun im Hungerstreik; Anlass war das Knastessen, das er als unerträglich findet. Er forderte die Möglichkeit der Selbstverpflegung, das wurde abgelehnt. Von vielen erfährt Werner Unterstützung, so gab es von Magdeburg aus eine Delegation die vor die Knastmauern zog und ein Feuerwerk veranstaltete, Parolen rief.

Peter W. seit 1995 in Isolationstrakt und im S-Trakt sitzend hörte den Lärm und schrieb „das hat gescheppert als ob die Russen kommen, so was hat der Sehnder Knast noch nie erlebt“. Aber es gibt auch Stimmen, die Werner in persönlichen Briefen oder öffentlich auffordern seinen HS zu beenden, die Argumente reichen von: das alles bringe eh nichts, bis hin zu, dass der Anlass zu geringfügig sei.

Auch entzündet sich mancher Wortwahl Werners (wenn er z.B. von manchen Gefangenen als „gestört oder „degeneriert“ spricht) Kritik.

Ich bin der Auffassung, in einer solch existenziellen Lebenslage, wie einem unbefristeten HS sollte Werner Solidarität und Unterstützung erfahren. Es war seine ureigene Entscheidung den HS zu beginnen und er entscheidet ob er ihn beendet, oder nicht. Jedenfalls überzeugen die Argumente derer, die ihn auffordern sofort aufzuhören nicht. Sein HS hat, wie keine Aktion der letzten Jahre sonst, einen Kristallisationspunkt geschaffen und das Thema Knast in den Blickpunkt gerückt.

Der Anlass für den HS, das Knastessen, kann und muss auch als Metapher für den Gesamtvollzug verstanden werden. Nahrung gehört zur menschlichen Existenz, essen zählt zu den Grundbedürfnisses und Essen in akzeptabler Form vorzusetzen stellt somit einen unmittelbaren Angriff auf das Menschsein dar. Zugleich stellt vorliegend die Nahrung auch eine Metapher für den sonstigen Umgang mit den Inhaftierten dar, dieser ist genauso inakzeptabel: Gefängnis an sich ist ein Angriff auf das Menschsein! Und wen Werners Wortwahl stört, der streite mit ihm, aber sich deshalb mit Solidarität zurück zu halten wird weder Werner , noch seinem HS, noch der Bedeutung des Themas Knast gerecht.

Solidarität mit und für Werner!

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA Bruchsal, 09.06.2011 http://www.political-prisoners.net

Freiheit oder Sicherungsverwahrung – Eine persönliche Erklärung

Vor wenigen Wochen wurde in den deutschen Medien breit flächig über ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung berichtet (vgl. auch meine Besprechung http://de.indymedia.org/2011/05/307207.shtml).

Da ich auch selbst von der SV (Antrittstermin Juli 2013) bedroht bin, hatte ich – zugegebenermaßen – kurz die Phantasie, von dem Urteil unmittelbar zu profitieren und frei zu kommen. Nach fast 15 Jahren Knast mag das verständlich, verzeihlich erscheinen – ich beantragte deshalb bei dem zuständigen Gericht (Landgericht Karlsruhe, dort: Strafvollstreckungskammer) Freilassung.

Im Folgenden möchte ich erklären, weshalb ich am 07. Juni 2011 diesen Antrag zurück genommen habe (a.) und wie sich deshalb voraussichtlich die nächste Zeit gestalten wird (b.).

a.) Antragsrücknahme vom 07. Juni 2011

In dem Schreiben an die Richter verwies ich auf die durchaus wesentliche Tatsache, dass die Gefangenen mit den Kosten für Pflichtverteidiger und Gutachter auch dann belastet würden, wenn die Entlassung versagt werde. In einem Nebensatz erwähnte ich die vergleichbare Praxis der Nationalsozialisten bei den zum Tode Verurteilten, bzw. deren Erben, die Kosten für die Exekution einzutreiben.

Wer meint, dies sei ein vielleicht unpassendes Argument, den möchte ich darauf verweisen, dass die Sicherungsverwahrung 1933 von den Nationalsozialisten eingeführt wurde (auch die schon in der Weimarer Zeit erfolgte Vorarbeit ändert an diesem Faktum nicht das Geringste) und noch heute Sicherungsverwahrte im Gefängnisjargon „lebende Tote“ genannt werden, in Anlehnung an die in den USA übliche Praxis, wenn Todeszellengefangene ihre Zelle verlassen, Wärter rufen zu lassen (als Warnung an ihre Kollegen) „Dead man walking“.

Des weiteren schrieb ich an die Strafvollstreckungskammer, es lasse Rückschlüsse auf die Gesinnung von Richtern zu, welche „kritiklos ein Gesetz der Nationalsozialisten vollstrecken“ würden; gerade diese Kammer, fuhr ich fort, zeichnet sich durch besonderes Desinteresse aus, da schon ein vor Jahren mal gestellter Antrag auf Freilassung letztlich über zwei Jahre herum gelegen sei.

Abschließend teilte ich mit, bei der von Amts wegen noch erfolgenden Prüfung 2013 (vgl. § 67 c StGB) würde ich weder mit den Richtern sprechen, noch mit einem Gutachter, man könne sich also diesbezügliche Anhörungen sparen.

b.) Wie sieht der weitere Vollzugsverlauf aus?

Bis Juli 2013 werde ich in der JVA Bruchsal einsitzen müssen, um dann in die JVA Freiburg verlegt zu werden, denn dort werden in Baden-Württemberg zentral alle Sicherungsverwahrten untergebracht.

Um den vielleicht auftauchenden Einwand oder auch Vorwurf, ich wolle eine Märtyrerrolle einnehmen gleich an dieser Stelle aufzugreifen: Ich bin kein Märtyrer und möchte auch keiner sein. Dazu liebe ich das Leben zu sehr. Aber ich sehe sie hier Tag für Tag, all die Inhaftierten, die sich verbiegen, verbeugen, alle Spiele der Vollzugsbeamtinnen und -beamten mitspielen, gehetzt von dem Funken Hoffnung, zu dem geringen Prozentsatz von Gefangenen zu gehören, der dann doch frei gelassen wird (nach Statistiken des Statistischen Bundesamtes werden nur 30 % der Gefangenen „vorzeitig“ entlassen. Das heißt, 70 % verbüßten ihre Strafen bis zum letzten Tag. Und bei den Sicherungsverwahrten sehen die Zahlen noch schlechter aus.).

Diesem Prozedere entziehe und verweigere ich mich. Ich springe nicht über die Stöckchen, die man den Gefangenen hinhält, Jahr um Jahr, bis zur völligen Selbstaufgabe und des Verlustes des letzten Restes von Würde.

Aber ich igele mich andererseits auch nicht ein, sondern ich denke, es ist wichtig, über das zu berichten, was hinter den Mauern passiert, zumindest ein bisschen „Öffentlichkeit“ zu erreichen, abseits von den Hochglanz-Internetauftritten der Knäste, die sich selbst loben (und mitunter im selben Atemzug die Gefangenen verhöhnen: Hierfür bietet der baden-württembergische Strafvollzug ein anschauliches Beispiel. Er bewirbt die von den Inhaftierten zu leistende Zwangsarbeit mit dem Slogan: „Wir lassen Sie nicht sitzen!“. Zu finden auf Plastiktüten, Kalendern, Werbeflyern. Denn schließlich müssen Aufträge an Land gezogen werden).

Knastleben ist weder leicht noch erfreulich, meist ist es ziemlich beschissen, um es mal deutlich zu formulieren; aber es ist auch nicht derart unerträglich, als dass es schon aus Gründen des nackten Überlebens erforderlich wäre, die „Spielchen“ der Anstalt mitzuspielen.

Wer weiß, möglicherweise könnte ich „draußen“ mehr tun oder erreichen, als hier von Zelle 3113 aus, aber das sind Gedankenspiele, denn, und das schreibe ich seit Jahren, es kommt nicht nur darauf an, „raus zu kommen“ aus dem Knast, sondern auch auf den Weg dort hin.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas.de

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