Landgericht Freiburg ändert einen kleinen Teil der Weisungen in meinem Fall

Am 29.08.2023 wurde ich nach fast 27 Jahren aus der Haft entlassen. Jedoch hat das Gericht sogenannte „Führungsaufsichtsauflagen“ angeordnet. So darf ich nicht ohne Erlaubnis die BRD verlassen, muss mich monatlich bei der Bewährungshilfe melden. Aber ich hätte mich auch bei der FAB regelmäßig melden müssen. Diesbezüglich gab es eine Änderung, ebenso bei der Nutzung von Messern.

Die FAB-Weisung

Die Forensischen Ambulanzen (bios/FAB) überwachen auch Ex-Gefangene, bieten zugleich jedoch ein therapeutisches Angebot, im Wissen darum, dass nach (oftmals langer) Haft, der Wiedereinstieg in die Freiheit mit Hürden verbunden ist, die auch psychisch bewältigt werden müssen. In meinem Fall hat die Geschäftsführung der FAB in Karlsruhe entschieden, mich als Klienten abzulehnen, nachdem ich deren Datenschutzkonzept nachdrücklich in Frage gestellt hatte (Erfahrungsbericht)

Das Landgericht Freiburg hatte angeordnet, dass ich mich dort melden müsse, käme ich dem nicht nach, würde ich mich strafbar machen (§ 145 a StGB). Die FAB jedoch lehnte den Kontakt zu mir ab. Was nun? Das Gericht änderte seine Weisung dahingehend, dass ich mich nunmehr selbst „ernstlich um die Aufnahme ambulanter psychologischer/psychotherapeutischer Gespräche/Behandlungsstunden“ zu bemühen und dies der Bewährungshelferin quartalsweise nachzuweisen hätte.

Wer weiß, wie schwer es mitunter sein kann eine therapeutische Behandlung zu erhalten, mag ahnen, dass das eine längere suche werden kann.

Messer und Gehstöcke erlaubt- zumindest gelegentlich!

So ein Weisungskatalog kann sehr kleinteilig sein: ich darf weder Schuss-,Hieb-, oder Stichwaffen führen oder besitzen, mit Ausnahme von Messern Zuhause und an der Arbeitsstelle. Aber was mache ich in einem Lokal beim Essen? Da mir zudem auch der Besitz, oder das Führen von dingen verboten ist, die sich als Hiebwaffen eignen und die Rechtsprechung solch ein Verbot sehr „großzügig“ auslegt, zum Nachteil der Angeklagten, hatte ich beantragt dies zu klären.

Nunmehr darf ich, mit dem Segen des Gerichts, „einfache Besteckmesser in einem Speiselokal“ gerne „bestimmungsgemäß“ gebrauchen, und angesichts einer Knieerkrankung bei Einholung eines ärztlichen Attest, „bestimmungsgemäß Gebrauch (…) von Gehhilfen“ machen- ja, das schreiben die so wörtlich.

Warum darf (endlich) auch im Speiselokal ein Besteckmesser nutzen!? Weil, wieder ein Zitat, „einerseits von derartigen Messern ein lediglich sehr geringes Gefahrenpotential ausgeht und andererseits das Speisen in einem Restaurant für den Lebensalltag und die gelingende  Wiedereingliederung in die Gesellschaft wesentliche Bedeutung hat“. Selbiges gelte „im Ergebnis für den Gebrauch medizinisch/orthopädisch indizierter Gehhilfen (Gehstöcke, etc.)“.

Thomas Meyer-Falk

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Strafsache Dubravko Mandic: Landgericht Freiburg spricht Mandic frei- hier der ausführliche Prozessbericht!

Wie schon am 25.10.2023 kurz berichtet, fand am selben Tag eine mehrstündige Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Freiburg statt. Verhandelt wurde über eine Strafsache von 2016. Ihm waren fünf Fälle der Beleidung zur Last gelegt worden. Unter Vorsitz von Richter Dr. Bleckmann, kam das Schöffengericht jedoch zu dem Ergebnis, dass Mandic freizusprechen sei und die Staatskasse die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. 

Der Strafbefehl von 2017

Schon 2017 erging auf Antrag der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen Mandic Strafbefehl durch das Amtsgericht Freiburg. Er habe auf seinem Facebook Account ein Foto verbreitet, welches eines der bekannntesten Fotos aus dem NS-Hauptkriegsverbrecherprozess zeigt, nur, dass in der Aufnahme auf der Facebook Seite von Mandic, rund 17 der Originalgesichter ausgetauscht waren: nun sah man dort Frau Merkel, Cem Özdemir, Claudia Roth, Ralf Stegner und weitere Politprominenz auf der Anklagebank. Zudem habe Mandic von „Türken-Özi“ geschrieben, gemünzt auf Cem Özdemir. Dies sei strafbar nach § 185 StGB in fünf Fällen; fünf der Betroffenen hätten fristgerecht Strafantrag gestellt.

Einspruch und weiterer Verfahrensgang

Gegen den Strafbefehl hatte Mandic Einspruch eingelegt, so dass das AG Freiburg mündlich darüber verhandelte und ihm am 27.04.2018 entsprechend verurteilte; auf seine Berufung hin stellte das Landgericht im Jahr 2022 das Verfahren ein, denn die Geschädigten hätten nicht fristgerecht ihre Strafanträge eingereicht. Die 3-Monatsfrist innerhalb derer Strafantrag hätte gestellt werden müssen, hätte schon im Jahr 2015 zu laufen begonnen, denn sonst würde bei Äußerungen im Internet die Strafantragsfrist unzulässig ausgedehnt. Hier seien die Strafanträge nunmehr zu spät gestellt worden, dies stelle ein nicht behebbares Verfahrenshindernis dar.

Hiergegen erhob die Staatsanwaltschaft Revision zum Oberlandesgericht Karlsruhe, der mit Urteil vom 18.Januar 2023 stattgegeben und an das Landgericht Freiburg zurück verwiesen wurde (Az.: 2 Rv 34 Ss 589/22). Danach sei zu unterscheiden zwischen der Tatvollendung und der Tatbeendigung- beide Zeitpunkte fielen oftmals in eins, aber eben nicht immer. Bei Publikationen wie hier, sei die Tat erst beendet, wenn das Bild gelöscht worden sei.

Im selben Urteil hat das OLG Karlsruhe, dies nur der Vollständigkeit halber, das Rechtsmittel des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgericht Freiburg wegen gefährlicher Körperverletzung verworfen. Mandic war zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war.

Der Berufungsprozess am 25.10.2023

An einem verregneten Mittwochmorgen trafen die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, vertreten durch Staatsanwalt Röber, zwei Verteidiger*innen von Dubravko Mandic, nämlich der Kölner Rechtsanwalt Jochen Lober (bekannt als Verteidiger von Ralf Wohlleben im NSU Prozess https://www.nsu-watch.info/2015/08/neue-anwaelte-fuer-wohlleben-in-vertretung/) und Rechtsanwältin Dr. Sylvia Schwaben im Saal II des Landgericht Freiburg aufeinander. Unter Vorsitz von Richter Dr. Bleckmann und zwei Schöffinnen wurde bis den ganzen Vormittag und dann auch am Nachmittag um die Deutung des Bildes sowie der schriftliche Zusatz „Türken-Özi“ gerungen.

Und war der um den es ging, Dubravko Mandic? Er ließ sich von seinem Rechtsanwalt vertreten, was in einer Konstellation wie der hier verhandelten möglich ist. Der aus dem Norden angereiste Verteidiger Lober stellte im Verlauf der Verhandlung 11 Beweisanträge. Unter anderem wollte er, dass ein Sachverständigengutachten eingeholt werde zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei der Fotomontage um Kunst handele. Einem anderen Beweisantrag legte er ein Lineal bei. Damit sollte der Abstand der Gesichter auf der Fotomontage vermessen werde, um so zu verdeutlichen, dass keines der (Politker*innen)Gesichter irgendwie besonders hervorgehoben sei.

Denn das war seine Verhandlungsstrategie: unter Hinweis auf die „ACAB“-Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, das 2016 entschieden hatte, dass die Verwendung „ACAB“ nicht per se strafbar sei, denn bei „Kollektivbeleidigungen“ müssen sich sie Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe beziehen. Hier, so Rechtsanwalt Lober, stünden die Gesichter der Politiker*innen jedoch für die Politikerklasse als solche, die nämlich AfD Politiker in die Nähe des Nazismus rücken würden. Weshalb neben der Fotomontage auch der Hinweis „Hautptanklagevorwurf Üble Nachrede“ gestanden habe.

Das Gericht lehnte die meisten Beweisanträge ab, so zum Beispiel den Antrag auf Vernehmung der Verlegerin Friede Springer: sie sollte dazu vernommen werden um zu beweisen, dass es sich bei der Fotomontage um reine Satire handele.

Die Verteidigung bemängelte zudem, dass die Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen einen linken Blog, der ein vergleichbares Foto verwendet habe, keine Ermittlungen führte, sondern nur gegen ihren Mandanten. Die Verfahrensbeteiligten und drei Zuschauer bekam dann noch ein Video zu sehen, welches Mandic im Gespräch mit einer Frau des Kanals „News Front“ zeigt, und in welchem er erklärte das Bild gepostet zu haben, sich dem „Patriotischen Lager“ zurechne und politische Korrektheit für ihn weniger eine Rolle spiele.

Fast durchgehend bezeichnete der Verteidiger Mandic als „meinen Kollegen“, also als Rechtsanwaltskollegen, der dieser ja tatsächlich ist. Rechtsanwalt Lober gefiel sich augenscheinlich darin, das Verfahren auch ins Lächerliche zu ziehen, wenn der den Begriff „Türken-Özi“ in eine Reihe stellte mit DJ Özi, der ja aus Österreich komme. Dann müsse man ja auch den „feschen Franzosen“ und die „rassige Italienerin“ offenbar unter Strafe stellen, im übrigen sei es Özdemir selbst, der seine türkischen Hintergrund auf seiner Internetseite thematisiere. Man sei zudem im politischen Sektor oft sehr robust unterwegs.

Er forderte wenig überraschend Freispruch für seinen Mandanten.

Staatsanwalt Röber betonte, dass es sich bei der Aussage „Türken Özi“ um eine strafbare rassistische Beleidigung handele und die Fotomontage sei kein Beitrag zur Meinungsbildung, sie die Verteidigung meine, sondern ebenfalls strafbare Beleidigung, da si ehrverletzenden Charakter habe, bzw. dieser im Vordergrund stünde. Die Staatsanwaltschat forderte eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 100 €.

Das Urteil des Landgerichts Freiburg

Es wurde dann 16:30 Uhr als das Landgericht verkündete, dass Mandic freigesprochen werde, die Kosten des Verfahrens trage die Staatskasse. Nach den Worten des Vorsitzenden Richters Dr. Bleckmann seien zwar fristgerecht Strafanträge gestellt worden, jedoch liege hier keine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB vor. Es lasse sich eben nicht sicher ausschließen, dass Mandic einen Beitrag zur politischen Diskussion habe leisten wollen. Hier gälten dann andere Maßstäbe, so wie ja auch in „bayrischen Bierzelten“ die GRÜNEN verballhornt würden. Nicht beweisen lasse sich, dass Mandic durch die Verwendung der Fotomontage die dort Gezeigten mit den Nationalsozialisten habe gleichsetzen wollen, und so gelte „in dubio pro reo“ (Im Zweifel für den Angeklagten). Und zudem sei nicht alles was rassistisch ist auch strafbar. In einer Schlussbemerkung in Richtung des Verteidigers, dessen Kollegin erschien nach der Mittagspause nicht mehr, wies der Vorsitzende noch darauf hin, dass Mandic offenbar einen Wandlungsprozess durchgemache und sich nicht mehr entsprechend äußere.

Reaktionen der Beteiligten

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe teilte RDL auf Anfrage mit, man habe das Urteil zur Kenntnis genommen und werde nun prüfen ob Revision eingelegt werde. Von Dr. Ralph Stegner kam über sein Büro die Rückmeldung folgende Rückmeldung: „In einem demokratischen Rechtsstaat muß man die Urteile unabhängiger Gerichte akzeptieren. Das gilt für mich auch in diesem Fall. In der Sache bleibt der Vorgang allerdings vollständig inakzeptabel und die Gleichsetzung mit den Nazi-Kriegsverbrechern bleibt eine empörende Diffamierung, gegen die ich mich immer wieder zur Wehr setzen würde.“
Und was macht Dubravko Mandic? Wie sein Verteidiger auf Frage von RDL lachend erklärte, werde der das Urteil nun wohl feiern. Es sei doch „eine Super Sache“, in nur rund 3% der Strafsachen gebe es einen Freispruch.

Bundesverfassungsgericht rügt bayrische Justiz für Razzia bei Erlanger Professor

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die Verfassungsbeschwerde des Erlanger Psychologieprofessors Dr. Stemmler gegen eine angordnete Razzia des LKA vom 30.01.2020 nicht zur Entscheidung angenommen, rügt aber die bayrische Justiz für ihr Vorgehen.

Die Vorgeschichte

Am Lehrstuhl des Erlanger Professors fand ein Forschungsvorhaben über islamistische Radikalisierung in Geföngnissen statt, eiin Projekt das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte. Beteiligten Gefangenen wurde Vertraulichkeit zugesichert. Allerdings geriet ein 26-jähriger irakischer Insasse und Teilnehmer an der Studie in den Fokus der Justizbehörden. Angeblich sei er möglicherweise Mitglied einer terroristischen Vereinigung im Ausland gewesen. Im Zuge der Ermittlungen wurde dann auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft von der Ermittlungsrichterin am OLG München ein Durchsuchungsbeschluss gegen den Professor und bezogen auf dessen Räumlichkeiten. Insbesondere sollten im Zuge des Forschungsvorhaben gewonnene Unterlagen und Gesprächsaufnahmen mit dem Beschludigten irakischen Gefangenen sicher gestellt werden. Um eine Durchsuchung der Räume zu verhindern gab der Professor die Unterlagen heraus, legte danach aber Rechtsmittel ein.

OLG München weist Beschwerde ab

Mit Beschluss vom 28.07.2020 wies das OLG München die Beschwerde des Forschers zurück Die Forschungsfreiheit die grundgesetzlich gerantiert ist ziehe kein irgendwie geartetes Zeugnisverweigerungsrecht nach sich. Ein Vergleich mit der Presse sei nicht angezeigt, diese sei darauf angewiesen die Anonymität ihrer Quellen zu schützen, wohingegen die Wissenschaft mit größtmöglicher Transparenz arbeite um Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit sicher zu stellen. Nach der Strafprozessordung gebe es kein Zeugnisverweigerungsrecht für die Wissenschaft.

Verfassungsbeschwerde des Professors (nicht ganz) erfolglos!

Gegen den Beschluss des OLG München erhob der Wissenschaftler Verfassunsgbechwerde und rügte einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit. Interviewpartner würden ihre Bereitschaft zur Mitwirkung zurücknehmen, wenn sie mit der staatlichen Beschlagnahme der Unterlagen zu rechnen hätten, bzw. würden sich erst garnicht bereit erklären mitzuwirken.

Das Bundesverfassungsgericht wies die Beschwerde ab, da der Prozessbevollmächtigte diese offenbar zu spät eingereicht hatte (Entscheidung).

Allerdings nutzte das Karlsruher Gericht die Gelegenheit, den bayrischen Richterkolleg*innen Nachhilfe in der Auslegung des Grundgesetzes zu erteilen: danach bestünden „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“ geegen das Vorgehen. So formuliert das Gericht: „Die Forschungsfreiheit (…) umfasst auch die Erhebung und Vertraulichkeit von Daten im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte als Bestandteil der Prozesse und Verhaltensweisen bei der Suche nach Erkenntnissen.“ Um dann abschließend festzustellen, dass „eine rationale Kriminalprävention in hohem Maße auf Erkenntnisse über Dunkelfelder und kriminalitätsfördernde Dynamiken angewiesen (ist). Eine effektive Verhinderung von Straftaten setzt deshalb genau jene Forschung voraus, die durch den Zugriff auf ihre Daten zum Zwecke der konkreten Strafverfolgung erheblich erschwert oder verunmöglicht wird.“

Bewertung und Ausblick

Der Beschluss zeigt zum einen, wie fristenfixiert die Justiz ist, auch wenn vorliegend der Rechtsprofessor der die Verfassungsbeschwerde formuliert hatte, eigentlich die Fristen kennen dürfte, zum andere ist der Fall ein weiteres Beispiel dafür, wie sich die (gerne immer wieder die bayrische) Justiz ihr eigenes Recht versucht zu etablieren- und es ist kaum fraglich, daß bei nächster Gelegenheit die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Instanzengericht nicht genauso handeln werden.
Und Inhaftierte sollten bedenken, daß alles was sie gegenüber staatlichen Vertreter*innen, und seien es Forscher*innen die ihnen „Vertraulichkeit“ zusichern, gegen sie verwendet werden kann.

Anna und Arthur halten’s Maul“ ist eine zeitlos aktuelle und gute Devise!

Radiointerview zum Urteil gegen Iraker wegen angeblichen „Einschleusens mehrerer Ausländer“

Wie vor ein paar Tagen berichtet, verurteilte das Amtsgericht Freiburg einen jungen Iraker wegen angeblichen „Einschleusens von mehreren Ausländern“ zu einer Geldstrafe.

Hierzu findet ihr hier ein Interview das auf Radio Dreyeckland geführt wurde
Schöffengericht Freiburg verurteilt 28-Jährigen wegen „Einschleusens mehrerer Ausländer“ zu Geldstrafe | Radio Dreyeckland (rdl.de)

Der Beitrag ist ebenfalls zu finden auf der Seite von www.freie-radios.net.

Dort, wie auch in der Mediathek von RDL, sind viele, viele weitere spannende Berichte zu finden, meist über Themen und Menschen die sonst in den „großen“ Medienhäusern nicht vorkommen, die aber dennoch gehört werden sollten:

FRN: Schöffengericht Freiburg verurteilt 28-Jährigen wegen „Einschleusens mehrerer Ausländer“ zu Geldstrafe (freie-radios.net)

Freiburger Landgericht spricht den ehemaligen AfD Funktionär und Freiburger Rechtsanwalt Dubravko Mandic frei

Am Mittwoch, den 25.10.2023 fand vor dem Landgericht Freiburg eine Berufungsverhandlung gegen den ehemaligen AfD Funktionär und Freiburger Rechtsanwalt Dubravko Mandic statt. Er war in einer Vorinstanz im Zusammenhang mit einem facebook-Post von 2015 wegen Beleidigung in fünf Fällen, u.a. zum Nachteil von Claudia Roth, Joschka Fischer und Cem Özdemir, zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Nach mehreren weiteren Instanzen, bis hin zum Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil des 2. Strafsenats vom 18.1.2023 – 2 Rv 34 Ss 589/22 – (juris.de), wurde er nun vom Landgericht freigesprochen. Ein ausführlicherer Prozessbericht folgt am 27.10.2023 im Morgendradio bei Radio Dreyeckland (https://www.rdl.de/) und dann auch in Schriftform.

Schöffengericht Freiburg verurteilt 28-jährigen Iraker wegen “Einschleusens mehrerer Ausländer” zu Geldstrafe von 700 €

Am Vormittag des 23.10.2023 verhandelte das Schöffengericht, unter Vorsitz von Richter Peterson, flankiert von einer Schöffin und einem Schöffen knappe zwei Stunden gegen Herrn M. Ihm wurde von der Staatsanwaltschaft Freiburg zur Last gelegt , im September vor zwei Jahren von Freiburg mit seinem eigenen Auto nach Frankfurt an der Oder gefahren zu sein und dort dann vier Minderjährige aufgenommen zu haben, um diese nach Karlsruhe zu fahren. Sich schon auf der Rückfahrt befindend, wurden sie 100 km entfernt von Berlin von der Polizei kontrolliert und von dieser dann Strafanzeige wegen des Verdachts der Einschleusens Minderjähriger und das auch noch gegen Entgelt erstattet. So lautete dann auch die Anklage.

Ein Vorwurf der Herrn M., wie dann sein Freiburger Verteidiger, Rechtsanwalt Erschig, im Verlauf der Verhandlung schon auch Angst machte, denn eine Anklage zum Schöffengericht läuft oftmals auf eine Freiheitsstrafe hinaus.

Während der Verhandlung stellte sich dann aber heraus, daß Herr M. nicht wirklich wissen konnte, daß es sich um Minderjährige handelte, denn nachdem Gericht, Staatsanwältin Frau Dr. Rohr und der Verteidiger die seinerzeit aufgenommenen Lichtbilder der vier Geflüchteten angeschaut hatten, wollte keiner die Hand dafür ins Feuer legen selbst sagen zu müssen, daß es sich um Menschen unter 18 Jahren gehandelt hat.

Auch der Vorwurf gegen Entlohnung tätig geworden zu sein fiel bald in sich zusammen. Zwar konnte durch Chatverläufe sichergestellter Telefone von der Polizei ermittelt werden, dass ein Betrag von um die 750 Euro thematisiert worden waren, jedoch betrugen die Bezinausgaben für die Fahrt des Herrn M. nach Frankfurt an der Oder und zurück mehr als 500 €, so daß zu seinen Gunsten davon ausgegangen wurde, wie dann der Vorsitzende auch in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich betonen sollte, daß Herr M. aus “alturistischen Motiven” gehandlet habe: nämlich anderen Menschen helfen wollend, so wie ihm geholfen wurde, als er 2014 in die BRD flüchtete. Herr M. war nun selbst in der Lage helfen zu können, als er im September 2021 über einen Hamburger Bekannten seines Vaters, der nach wie vor im Irak lebt, nachts angerufen und um diesen Hilfsdienst für die vier Geflüchteten gebeten worden.

Hier lebt er mit einer (deutschen) Ehefrau, drei Kindern, gerade vor wenigen Wochen ist er nochmal Vater geworden, arbeitet hauptberuflich für eine Logistikfirma, im Nebenjob noch für Lieferando. Seine Frau ist im Mutterschutz und als Angestellte für die Stadt Freiburg tätig.

Im Verlauf der Hauptverhandlung, die gänzlich ohne Zeug*innen auskam, wurde Herrn M. der Hinweis erteilt, er könne auch wegen eines anderen Vorwurfs, als des angeklagten verurteuilt werden, nämlich statt des Einschleusens von Minderjährigen, bzw. Beihilfe hierzu, wegen “Einschleusens mehrerer Ausländer”.

So kam es dann auch. Die Staatsanwältin forderte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 15 €, wobei sie es für schulderschwerend hielt, daß es sich um vier Menschen gehandelt habe, die Herr M. in seinem Auto aufgenommen hatte.

Der Verteidiger forderte eine geringere Geldstrafe, stellte 50 Tagessätze in den Raum und auch eine geringere Tagessatzhöhe.


Nach kurzer Beratung verkündte das Gericht um kurz vor 11 Uhr sein Urteil: 70 Tagessätze Geldstrafe von jeweils 10 €. Zu Gunsten von Herrn M . wurde bedrücksichtigt, dass er gut integriert und eben wieder Vater geworden sein, daß er viel und hart arbeite, geständig war, was den Kernvorwurf anbetraf und er eben aus altruistischer Motivation gehandelt habe. Allerdings hatte er vor einigen Jahren ingesamt vier Geldstrafen u.a. wegen Körperverletzung erhalten, war also vorbestraft, aber nicht einschlägig, wie der Vorsitzende betonte.

Die Staatsanwältin gab Frage von RDL noch dahingehend Auskunft, daß man in Freiburg selten “Schleuserfälle” vor Gericht bringe, und wenn, dann seien es in der Regel Anhegörige oder Bekannte die anderen Angehörigen und Bekannten helfen würden. “Richtige Schleuserkriminalität”, so Frau Dr. Rohr, gebe es hier eigentlich kaum.

Auch wenn der Prozess öffentlich war, so interessierten sich wenige Menschen dafür, wäre nicht ich für RDL im Zuschauer*innenraum gesessen, so hätte auch von diesem Prozess niemand weiter Kenntnis genommen. Irritierend fand ich, wie während der Prozesspause der Verteidiger, die Staatsanwältin und auch die Protokollführerein des Gerichts sich relativ fröhlich unterhielten, über den (lang erwarteten) Umzug des Amtsgerichts in neue Räumlichkeiten, dann weniger fröhlich über die hohe Arbeitsbelastung der Bediensteten des Amtsgerichts, über andere Strafprozesse- und währenddessen saß Herr M. relativ verloren und unsicher auf seinem Stuhl.

In der Mittagssendung von RDL sprach kex mit mir über den Prozess und auch dessen politische Einordnung. Der Link zu dem Beitrag folgt noch.

Auf breakdownthewalls sind ältere Beiträge von mir zu finden und ab sofort blogge ich hier selbstständig.

Mein Dank gilt an dieserStelle hier all jenen Menschen die fast 27 Jahre meine Texte abgetippt, redigiert und online gestellt haben. Denn während meiner Haftzeit hätte ich stumm bleiben müssen, wenn nicht Menschen vor den Mauern meine Texte, die ich in den ersten Jahren noch von Hand schreiben musste, abgetippt hätten. Internetzugang ist in den Gefängnissen nach wie vor ein Fremdwort.

Der Blog hier befindet sich in einem Stadium „working in progress“, denn ich muss mich erst peu a peu einarbeiten und bin froh, dass dank des Supports von so36.net der Umzug von meinem alten Blog hierher auf den neuen so gut geklappt hat!

Thanks to all of you!