Nach der Haft- was nun: Theorie meets Praxis. Eine Rechtsanwältin und eine Kulturanthropologin sprechen im Interview über Ihre Arbeit

In der Katholischen Akademie in Freiburg fand am 06. November 2023 eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung unter der Überschrift „Du kommst aus dem Gefängnis frei- Resozialisierung-Impulse aus Theorie und Praxis“ statt. Norbert Schwab, stellvertretender Direktor und einer der Studienleiter der Akademie, leitete die Veranstaltung mit einem kurzen Impuls ein. In Monopoly-Spiel, so Schwab, verhelfe einem die Ereigniskarte „Du kommst aus dem Gefängnis frei“ zurück ins Spiel.In der Wirklichkeit sei das aber nicht so einfach. Wer fängt Menschen nach der Freilassung aus dem Gefängnis auf ihrer emotionalen Achterbahn ab, wer hilft, was leistet die Gesellschaft? Im Anschluss an Schwabs Impuls hielten die aus Würzburg angereiste Theologin Katharina Leniger und die Freiburger Uni-Dozentin Dr. Barbara Sieferle jeweils einen etwa zwanzigminütigen Vortrag. Leniger sprach aus der Sicht der Ethikerin was den ein „resozialisiertes Leben“ meine und wie Strukturen aussehen sollten um ein solches zu gewährleisten. Das Problem im Haftalltag, so Leniger, sei nicht nur die Entfremdung von Familie und Freund*innen, sondern auch das Fehlen von Eigenverantwortung. Selbst die einfachsten Alltagshandlungen, wie kochen, Wäsche waschen, würden den Gefangenen abgenommen, so dass nach der Freilassung viel zu vieles erst wieder neu gelernt werden müsste. Kritisch positionierte sich Leniger auch zur Frage der „Sicherheit“: diese sei ein wichtiges Gut, aber letztlich sei es doch ein „leerer Begriff“, dominiere aber zu häufig die politische Debatte, wenn es um den Strafvollzug gehe.

Dr. Sieferle wiederum sprach in ihrem Vortrag aus der Perspektive der Kulturwissenschaften. Sie erzählte einleitend, dass sie viele Jahre gedankenlos an der Mauer der örtlichen Haftanstalt vorbei gefahren sei auf dem Weg zur Uni, sich nicht ansatzweise für die Welt und die Menschen dahinter interessiert habe. Nun, nach, vielen Jahren intensiver wissenschaftlicher Beschäftigung mit Strafe, Strafvollzug und insbesondere den hafterfahrenen Menschen sehe sie einen deutlichen Widerspruch zwischen den gesetzlichen Vorgaben Inhaftierte zu „re-sozialisieren“ einerseits und der Wirklichkeit andererseits. Schon dem Begriff der „Resozialisierung“ begegnete sie mit viel Skepsis und dekonstruierte ihn, auch wenn er als Konzept eine wichtige politische Funktion habe.  Wenn sie heute an der Mauer der Haftanstalt vorbei fahre, frage sie sich immer wieder, welche Alternativen es zu den Gefängnissen geben könne.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert