Tod in den Gefängnissen- eine Rezension

Es war im Juli 2020, um genau zu sein, am 23.07.2020, als aus einer Gefängniszelle in Berlin-Moabit Schreie gellten. Ferhat Mayouf saß in seiner brennenden Zelle, die Wärter vor der Zelle öffneten die Zellentüre erst als die Feuerwehr vor Ort war. Ferhat konnte nur noch tot geborgen werden. Noch keinen Monat saß er wegen versuchten Diebstahls in Untersuchungshaft als er in Haft starb.

„Ferhat Mayouf – Kein Vergeben, Kein Vergessen“

Im Juli 2024 ist nun eine Broschüre, gleichnamigen Titels, im Gedenken an Ferhat und all jene die hinter Gittern starben, erschienen. Auf den knapp 50 Seiten versammeln sich eine Chronologie der Ereignisse bis zum Tod Ferhat Mayoufs, Reden von Demonstrationen, Interviews und sonstige Beiträge. Die Herausgeber*innen, Death in Custody, Free Mumia, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt, Perspektive Selbstverwaltung und Rote Hilfe Berlin wollen, dass nicht nur die Erinnerung an Leben und Sterben von Ferhat Mayouf erinnert werden, sondern auch der Kampf um die Erinnerung, der Kampf um Aufklärung dokumentiert wird.

Die Chronologie

Mit der Festnahme Ferhats am 29.06.2020 beginnt die Chronologie und endet am 06.10.2023, als jene Generalstaatsanwaltschaft, die im Falle der Auslieferung von Maja an Ungarn bewiesen hat, wie schnell und „gründlich“ sie zu arbeiten vermag, erneut ein Ermittlungsverfahren gegen jene Knastmitarbeitenden einstellt und zu den Akten legt, die die Zellentüre während des Brandes so lange nicht öffneten.

Reden auf Demonstrationen

Dokumentiert werden in der Broschüre u.a. ein Redebeitrag der Migrantifa Berlin von Januar 2021. Sie kritisieren, dass nach jeder rassistischen und tödlichen Gewalt niemand verantwortlich gewesen sein möchte, dass die Bürokratie „nur gleichgültige, empathielose und kaltschnäuzige Beamt*innen hervor(bringe)“. Die Rote Hilfe Berlin erinnerte in ihren Redebeitrag, ebenfalls von Januar 2021 daran nicht nur den Todesopfern zu gedenken, sondern auch solidarisch mit all jenen zu zeigen, die „den mörderischen Statuts Quo nicht hinnehmen wollen“. Die Women in Exile klagen in ihrem Redebeitrag von Juli 2022 an, Ferhat sei ein „weiteres Opfer der tödlichen Fortsetzung der Kolonialpolitik und der Abschottung Europas“.

Interviews

Den Auftakt der Interviews in der Broschüre bildet ein Gespräch mit Kay Schedel, der im Juli 2020 selbst in der JVA Moabit einsaß und von Anfang an über die Umstände des Todes von Ferhat Mayouf berichtete. Mit viel Herzblut, Mut und Entschlossenheit, auch unter Inkaufnahme von Schikanen berichtete Kay immer und immer wieder über die Situation im Moabiter Knast. Man muss nicht allen seinen Schlussfolgerungen zustimmen, so gibt es für Kay „Suizid im Knast (…) nicht. Menschen werden dort dazu gebracht“, dabei muss es meines Erachtens auch Gefangenen zugestanden werden, ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende zu setzen, aber die unermüdliche Berichterstattung waren und sind notwendig.

Mit Benjamin Düsberg kommt jener Berliner Anwalt zu Wort, der 2020 Ferhats Verteidiger war und später im Auftrage des Bruders von Ferhat Strafanzeige gegen jene vier JVA-Bedienstete erstattet hat, welche die Zellentüre nicht geöffnet hatten. Wir erfahren mehr von den Haftumständen Ferhats, der in den wenigen Wochen der Haft in Isolationshaft landete, aber auch über die eingestellten Ermittlungsverfahren gegen die Gefängnisbediensteten.

Dann findet sich noch ein Gespräch mit Andreas Krebs, der aktuell in Berlin-Tegel in Haft sitzt und schon seit langem über die Lebenswirklichkeit hinter Gittern berichtet, und auch mit mir zu Fragen darüber, wie es ist (alleine) in der kleinen Zelle zu sitzen, aber insbesondere auch darüber wie (überlebens-)wichtig Solidarität ist!

Sonstige Beiträge

Ein längerer Beitrag der GG/BO beschäftigt sich mit der Frage, was denn „Soziale Gefangene“ sind, denn die Aufmerksamkeit für politische Gefangene, denen beispielsweise die Rote Hilfe e.V. Unterstützung bietet, lässt manchmal vergessen, worum es bei der Existenz von Gefängnissen geht: ihre Funktion, so die GG/BO, sei es, „soziale Herrschaftsverhältnisse abzusichern“. Auch das Wegsperren sogenannter „sozialer Gefangener“, sei „Ausdruck von Klassenherrschaft“.

Zwischen den Rede- und sonstigen Beiträgen und Interviews finden sich eindrucksvolle Zitate, jeweils übersetzt auf Englisch und Arabisch: „Dich umgibt eine ständige Angst, Angst alles zu verlieren, was die doch so lieb und teuer ist“.

Wo bekomme ich die Broschüre

Es wird sie, hoffentlich, bald in gut sortierten Buchläden geben, denn eine größere Zahl ist mittlerweile gedruckt und wird auch schon verteilt. Als PDF ist sie jederzeit kostenlos erhältlich.

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