Am Anfang war das Wort! Kommentar zum Antifa-Ost-Verfahren aus Sicht eines Beobachtenden…

Es gibt das tief verwurzelte Verlangen wohl eines jeden Menschen nach Befreiung.

Befreiung von dem, was uns einengt, uns hindert, uns selbst, zumal in sozialen Zusammenhängen, zu verwirklichen.

Antifaschismus definiert sich, schon begrifflich, durch die Befreiung vom und den Kampf gegen den Faschismus, einer immer währenden Aufgabe, ja Verpflichtung.  Darüber hinaus meint Antifaschismus aber mehr. Es ist eine innere Haltung zu Mitmenschen, zur Welt, getragen von einem Freiheitsverständnis, welches nicht nur die „Freiheit von Faschismus“ meint, die sogenannte „negative Freiheit“ im Sinne von „Freiheit von etwas“, sondern zugleich eine Idee „positiver Freiheit“ mit sich führt, nämlich die „Freiheit zu etwas“.

Das Antifa-Ost-Verfahren wirft nun ein grelles Licht auf staatliche Strukturen wie auf rechtsextreme Kreise, welche gleichermaßen davon beseelt zu sein scheinen, andere Menschen einzuengen und am Gebrauch der Freiheit zu hindern.  Geprägt von restaurativen, antiemanzipatorischen, xenophobischen Grundhaltungen, welche mit einem positiven Begriff von Freiheit wenig bis nichts anzufangen wissen.

Mangels Zugang zum Internet (hier in Haft) kann ich den vor dem OLG Dresden laufenden, unter „Antifa-Ost-Verfahren“ firmierenden Strafprozess nur sehr, sehr indirekt verfolgen, insbesondere die diverse Berichterstattung. Ich möchte mich zudem beschränken auf die in der Berichterstattung, zumindest so wie sie mir bislang vorliegt, dokumentierte scheinbare Schweigsamkeit, insbesondere zu den Auftritten des sogenannten Kronzeugen.

 Das Recht zu schweigen ist im Strafprozess essentiell, zumal nach geltender Rechtslage eine auch nur teilweise Einlassung Gerichte dazu berechtigt, hieraus ggf. ungünstige Schlussfolgerungen zu ziehen.  Würden Angeklagte durchgängig schweigen, so zumindest die Theorie, dürfte dieses Schweigen nicht nachteilig berücksichtigt werden.

Die wohl recht umfassenden Aussagen des sogenannten Kronzeugen sind in der Welt.  Linke Aktivist:innen haben sich dazu verhalten, die Aussagen kritisiert (nicht nur diese, sondern auch das Verhalten des Kronzeugen). Dass es eine politische Einordnung von Seiten der Angeklagten gegeben hätte, dies wurde zumindest medial nicht vermittelt. Dafür wird es prozesstaktische Gründe geben, nur ist zu fragen, ob damit nicht nur letztlich dem Kronzeugen das Feld überlassen wird? Er (erneut) in eine dominante Position gelangt, in der er zudem die Rezeption der Geschichte maßgeblich mitbestimmen kann.

 Zu fragen wäre auch, welches Signal hiervon an künftig von Strafprozessen betroffene Menschen ausgeht.  Ob sie sich ermutigt fühlen, sich offensiv zu verhalten oder es eher über sich ergehen lassen sollen, wenn jemand wie im vorliegenden Fall über Stunden und Tage hinweg seine Sicht verbreiten darf.

 Was bleibt am Ende von den Aussagen des Kronzeugen haften, nicht primär in der (linken) Szene, die dürfte vielfach gut informiert sein, sondern auch beim ( bürgerlichen) Publikum, und wenn wir an die Zukunft denken:  bei Menschen, die künftig, vielleicht in 10, 15, 20 und mehr Jahren auf das Verfahren vor dem OLG Dresden mit zeitlichem Abstand zurück schauen.  Wäre es angemessen, wenn die Wahrnehmung durch die Aussagen eines Kronzeugen wesentlich dominiert würden?

Im Anfang ist das Wort – und das erfordert mitunter auch Widerworte!

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV),

Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg

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Grundrechte-Report 2022 – eine Rezension!

Gerne wird er als „alternativer Verfassungsschutzbericht“ bezeichnet, der seit 1997 jährlich erscheinende „Grundrechte-Report“ von zehn Bürgerrechtsorganisationen. Nun liegt der Jahresbericht 2022 vor und in den 39 Beiträgen weisen die Autor*innen das eklatante Auseinanderklaffen zwischen verfassungsrechtlicher Theorie und exekutiver Praxis nach.

Verfassungsrechtliche Theorie

Das Grundgesetz enthält zahlreiche Bestimmungen, insbesondere in den ersten rund 20 Artikeln finden sich die wesentlichen Grundrechte, aber auch in weiteren Artikeln der deutschen Verfassung finden sich wesentliche Vorgaben für Verwaltung, Gericht und Parlamente.

Das Inhaltsverzeichnis des Grundrechte-Reports arbeitet sich strukturiert durch wesentliche Grundrechte die laut Grundgesetz (GG) eigentlich garantiert sein sollen. Von Artikel 1 GG, in welchem die Würde des Menschen für unantastbar erklärt wird, über die in Artikel 2 GG garantierte freie Entfaltung der Persönlichkeit, wie auch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Weiter zum Verbot der Diskriminierung (Art.3 GG), dem Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit (Art.5 GG), dem Recht auf Versammlungsfreiheit (Art.8 GG) und des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art.10 GG). Ebenfalls thematisiert wird die Möglichkeit der staatlichen (Zwangs-)Enteignung einerseits, sowie die Vergesellschaftung andererseits (Art.14 und Art.15 GG). Das zur fast schon leeren Hülle ausgehöhlte Grundrecht auf Asyl (Art.16a GG) findet sich ebenso, wie die Rechtswegegarantie (Art.19 GG) und dem Sozialstaatsgebot (Art.20 GG). Die Aufsätze behandeln zudem den Grundsatz, wonach Exekutive und Judikative an Recht und Gesetz gebunden sind (Art.20 GG), ebenso das Prinzip des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen (Art.20a GG) und des Rechts von Parteien an Wahlen teilzunehmen (Art.21 GG). Schließlich finden sich auch die Art.25 (Bindung an das Völkerrecht), Art.34 (Schadenersatzpflicht des Staates), Art.101 (Recht auf den gesetzlichen Richter), Art.103 (Verbot rückwirkender Strafen und das Doppelbestrafungsverbot), Art.109 (Verbot kreditfinanzierter Staatshaushalte) und zuletzt die Art.140 (Privilegierung religiöser Gemeinschaften) Grundgesetz.

Die Praxis vor Gerichten, in Verwaltungen und Parlamenten

Der Umwelt- und Klimaschutz ist ein Bereich der über Generationen das Leben auf diesem Planeten prägen wird, so wundert es nicht, dass in mehreren Beiträgen dieses Thema aufgegriffen wird. Zum einen wird der wegweisende Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2021, mit welchem Teile des Klimaschutzgesetzes für verfassungswidrig erklärt wurden, vorgestellt. Zum anderen findet sich auch eine Darstellung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 08.09.2021 mit welchem die Räumung des Hambacher Forstes für rechtswidrig erklärt wurde.

Der Situation von Geflüchteten widmen sich auch mehrere Beiträge, seien es die Abschiebungen nach Afghanistan oder den Menschenrechtsverletzungen an der belarussisch-europäischen Grenze.
Nicht fehlen darf auch der Fall des Verwaltungsrichters aus Gießen, der über die Klage in einem Asylverfahren eines Afghanen zu entscheiden hatte, sich aber zuvor in einem anderen Verfahren ausführte, dass „Migration tötet“. Der Afghane lehnte diesen Richter wegen Befangenheit ab – erst vor dem Bundesverfassungsgericht drang er damit durch! Der fehlende Zugang zur ärztlichen Versorgung von Geflüchteten wird ebenfalls kritisiert.

Weitere lesenswerte und wichtige Beiträge beschäftigen sich mit der Datensammelwut des Staates (inkl. Staatstrojaner), der Agitation des Verfassungsschutzes gegen die‘ junge welt‘, stundenlangen Polizeigewahrsams in München anlässlich der Automobilausstellung, das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts um eine Zulassung der DKP zur Bundestagswahl zu ermöglichen, bis hin zu der Frage, ob es menschenwürdig sei, wenn Strafgefangenen nur 4 qm Bewegungsfläche in der Zelle bleibt,- um nur einen Teil der 39 Aufsätze kurz anzudeuten.

Resümee

Die Rund 220 Seiten bieten einen aktuellen Einblick in viele Teilbereiche der Gesellschaft und des politischen Lebens aller Menschen die hier leben (und jenseits der Grenzen: denken wir nur an die Situation an der belarussischen Grenze oder die ehemaligen Ortskräfte in Afghanistan, von denen nach jüngsten Meldungen schon dutzende gestorben sind, statt, dass sie in der BRD aufgenommen wurden). All die Vorfälle sind nicht neu, aber deren Zusammenstellung macht das Buch so lesenswert und relevant. Ergänzt werden die Aufsätze jeweils um Literatur- und Quellenhinweise. Erfreulich ist auch das sehr detaillierte Stichwortverzeichnis, das ein leichtes Auffinden von Einzelbeiträgen ermöglicht. Im Anhang sind zudem Kurzportraits der beteiligten Bürgerrechtsorganisationen, einschließlich der Kontaktinformationen abgedruckt.

Bibliografische Angaben zu dem rezensierten Buch:
Titel: “Grundrechte-Report 2022 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“
Hrsg: Derin, Engelmann, Fischer, Gössner, u.a.
Seiten: 221
Verlag: FISCHER Taschenbuch
ISBN: 978-3-596-70805-5
Preis: 13 Euro

Rezensent:
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg
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greetings for the International Week of Solidarity with Anarchist Prisoners

[en]
https://solidarity.international/index.php/2022/08/30/germany-letter-from-anarchist-prisoner-thomas-meyer-falk/

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Grußwort für die internationale Soliwoche für anarchistische Gefangene

Hier das Grußwort für die internationale Soliwoche für anarchistische Gefangene – im 2. link auch in englischer übersetzung

[de]https://solidarity.international/index.php/2022/08/30/brief-von-dem-anarchistischen-langzeitgefangenen-thomas-meyer-falk/

[en]
https://solidarity.international/index.php/2022/08/30/germany-letter-from-anarchist-prisoner-thomas-meyer-falk/

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In eigener Sache: Gutachten nach 26 Jahren Haft!

Im Oktober 2022 jährt sich meine Festnahme zum 26.-mal. Zwecks Vorbereitung für die im späten Frühjahr 2023 anstehende gerichtliche Prüfung über die Fortdauer der Inhaftierung hat das Gericht ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Der Gutachtenauftrag

Das LG (Landgericht) Freiburg beauftragte eine renommierte und erfahrene Psychiaterin und Psychoanalytikerin aus München mit der Prüfung der Frage, ob und wenn ja, welche Straftaten ich innerhalb welches Zeitraums mit welcher Wahrscheinlichkeit begehen könnte.

Zudem müsste sie sich zu der Frage äußern, ob eine psychische Störung vorliege und in Folge dieser Störung mit schweren Gewalttaten gerechnet werden muss.

Der Hintergrund

Nach einem Banküberfall mit Geiselnahme wurde ich zu einer langjährigen Haftstrafe mit anschließender Unterbringung in der SV (Sicherheitsverwahrung) verurteilt. Es waren, dies nur am Rande, die Nationalsozialisten die mit Gesetz vom 24.11.1933 die SV in das Strafrecht einführten und seitdem können Menschen auch nach Verbüßen der Freiheitsstrafe weiterhin in Haft gehalten werden. Aktuell betrifft dies rund 600 Männer und 2 Frauen (eine davon Carmen in Schwäbisch-Gmünd). Wegen diverser, aus der damaligen Isohaft verschickten Briefe an RichterInnen und PolitikerInnen verlängerte sich die Freiheitsstrafe wegen Beleidigung und Bedrohung um mehr als 5 Jahre. Seit Juli 2013 verbüße ich nun in der südbadischen JVA Freiburg die SV.

Das Gutachtenergebnis

Vorab teilte die Sachverständige dem Gericht schriftlich mit, dass nach der an zwei Tagen stattfindenden Exploration sie zu dem Ergebnis komme, dass aus psychiatrischer Sicht eine Entlassung zum 10-Jahreszeitpunkt vertretbar erscheine. Eine umfängliche Begründung reiche sie nach.

Sich abzeichnende Konfliktlinien

Einerseits wird die Sachverständige mutmaßlich mit liebgewonnenen Vorannahmen der Haftanstalt und bisheriger Gutachter nicht ganz übereinstimmen. Andererseits scheint sie auch dem Behandlungskonzept der JVA womöglich skeptisch zu begegnen. So informierte die behandelnde Stationspsychologin, Frau Dipl.-Psychologin W. über ein Telefonat zwischen der Gutachterin und ihr. Darin habe die Sachverständige hartnäckig danach gefragt, ob sie – Frau W. – eine Approbation, also die entsprechende Zulassung als psychologische Psychotherapeutin, besitze. Irgendwann habe sie – Frau W. – dann die Psychiaterin zurück gefragt, wer denn hier nun begutachtet werde, der Insasse oder sie, die Stationspsychologin. Ja, sie – Frau W – habe keine Approbation, das sei im Justizvollzug nicht erforderlich, zudem habe sie genügend Fortbildungen gemacht und fühle sich gut gerüstet für ihre Arbeit, vielleicht sogar besser, als jene die einen gradlinigen Weg von Abitur, Studium, Approbation gingen.

Wie geht es weiter?

Laut der Gutachterin soll ich zu Anfang, soweit eine Freilassung erfolgt, in ein „betreutes Wohnen“. Der Idee bei dem Freien Radio (Radio Dreyeckland) ein Jahr als Bundesfreiwilligendienst-Leistender zu arbeiten, ein entsprechendes Angebot liegt vor, konnte sie etwas abgewinnen. Bislang ist erst für Mai 2023 eine mündliche gerichtliche Anhörung geplant. Ob diese vorgezogen wird ist offen, ebenso wie sich Gericht und Staatsanwaltschaft zu dem Gutachten positionieren werden, denn es gab schon Fälle in welchen das Gericht den für Insassen günstigen Gutachten nicht folgen wollte.

Thomas Meyer-Falk

z.Zt. JVA (SV)

Hermann-Herder-Str. 8

D-79104 Freiburg

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Radiosendung mit „Wie viele sind hinter Gittern“

Gespräch mit Thomas über Rainer Loehnert, der sich nach 36 Jahren in der Forensik seit dem 21.August wieder im Bunker befindet. Warum Thomas auch nach 26 Jahren Knast keine Vollzugslockerungen erhält und warum er sich mit dem anarchistischen Gefangenen Yannis Michailidis aus Griechenland solidarisiert.

https://www.freie-radios.net/117416

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In Solidarität mit Yannis Michailidis

Vor einigen Tagen hat der in Griechenland inhaftierte Anarchist Yannis Michailidis nach 68 Tagen seinen Hungerstreik beendet, auch wenn die griechische Justiz weiterhin auf Konfrontation setzt und ihn nicht aus dem Knast entlassen möchte.

Die von der dortigen Justiz gewählte Begründung für die Verweigerung der Freilassung lautet, daß sein gutes Verhalten im Haftalltag lediglich vorgetäuscht sei.

Wenn Nazikollaborateure, Pädokriminelle und andere ein gutes Verhalten an den Tag legen, wird ihnen der rote Teppich durchs Knasttor in die Freiheit ausgerollt. Wie auch die deutsche Presse berichtete, wurde nun ein Freund der griechischen Regierung, der ehemalige Direktor des Nationaltheaters, Dimitris Lignadis, nach der Verurteilung wegen Vergewaltigung zweier Kinder auf Kaution freigelassen.

Diese Justizpraxis ist international üblich, auch in Deutschland, das noch heute dafür bekannt und berüchtigt ist nach dem 2. Weltkrieg keinen einzigen Nazirichter, die teilweise Mordurteile im Akkord verhängt hatten, strafrechtlich rechtskräftig belangt zu haben und bis heute italienischen, griechischen, polnischen, ungarischen, russischen und vielen Opfern weiterer Länder eine gerechte Entschädigung zu verweigern.

Nun mag man mir vorwerfen, ich spräche aus eigener Betroffenheit. Ja, das stimmt. 1996 verhaftet nach einem Banküberfall mit Geiselnahme, wird mir ein nun schon über 20 Jahre andauerndes höfliches Alltagsverhalten als Schauspielerei vorgeworfen. In Wahrheit, so der Vorwurf, hätte ich gelernt meinen Hass gegen die deutsche Justiz besser zu verstecken, weshalb auch nicht ausgeschlossen werden könne, daß ich noch heute Rachepläne im Herzen trage.

Anarchistische Vorstellungen geraten dann zum Beleg für eine fortdauernde Gefährlichkeit, gefordert wird die totale Unterwerfung, totale Reue, der vollständige Widerruf und der totale Verrat.

Derartiges kann, darf und wird es niemals geben.

Yannis Michailidis hat einen mutigen Kampf gewagt, er war bereit an die Schwelle des eigenen Todes zu treten. Es war genauso mutig und entschlossen einen Schritt vom endgültigen Abgrund zurück zu treten, denn der Tod würde keine Erlösung bedeuten.

Ein lebendes Herz in Yannis Michailidis Brust ist wertvoller als ein kaltes, totes lebloses Herz.

Die Losung lautet nämlich nicht mehr „ Libartad o muerte“, sondern eleutheria kai euthymia (was soviel heißt wie Freiheit/Ungebundenheit und Lebenslust).

Solidarische Grüße an Yannis und all seine Gefährtinnen und Gefährten in den griechischen Knästen.

Thomas Meyer-Falk

Z.Zt. JVA (SV), Hermann-Herderstr. 8

D 79104 Freiburg (Deutschland)

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Weiter keine Vollzugslockerungen in Freiburgs Knast

Anfang Juli 2022 hatte ich bei der JVA Freiburg weiterführende Vollzugslockerungen beantragt. Dies lehnte die Haftanstalt gegen Ende des Monats ab, weshalb ich nun die Sache zur Überprüfung an das Landgericht Freiburg weiter geleitet habe.

Vorgeschichte

Nachdem ich seit nunmehr rund 26 Jahren in Haft sitze und seit 2014 vier Mal pro Jahr von Bediensteten bewachte Ausführungen erhalte, wären weitere Vollzugserleichterungen, wie zum Beispiel eine Unterbringung im Offenen Vollzug, alleinige Ausgänge oder Hafturlaub eigentlich ganz sinnvoll, auch um für die 2023 anstehende Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eine breitere Grundlage zu schaffen. Um also gewissermaßen zu dokumentieren, dass ich gerade keine weiteren Straftaten mehr begehen werde. Mehrfach hatte ich in den letzten Jahren entsprechende Anträge an die Anstalt gerichtet. Jedes Mal erfolgte deren Ablehnung.

Antrag vom 01.07.2022 und Ablehnung vom 21.07.2022

Am 01.07.2022 beantragte ich die oben erwähnten Lockerungen, zumindest aber seien mir nun wesentlich öfters, am besten wöchentlich, bewachte Ausführungen zu gewähren. Denn um auf eine etwaige Haftentlassung besser vorbereitet zu sein, wären solche Lockerungen essentiell. Zumindest müssten mehr Ausführungen erfolgen, um so etwaigen Schäden durch die Langzeithaft vorzubeugen.

Als eine seiner letzten Amtshandlungen übergab mir am 28.07.2022 der scheidende Sozialarbeiter S. die schriftliche Ablehnungsentscheidung der Anstalt. Vollzugslockerungen die über die vier beachten Ausführungen hinaus gingen, könnten mir wegen Flucht- und Missbrauchsgefahr nicht gewährt werden.

Fluchtgefahr bestehe, da eine Freilassung nicht absehbar sei, auch im Hinblick auf die 10-Jahresprüfung gelte nichts anderes. Vielmehr sei die unsichere Zukunft als ein natürlicher Fluchtanreiz zu sehen. Soziale Bindungen die einem etwaigen Fluchtanreiz hemmend entgegen stehen könnten seien nicht bekannt. Zwar sei bekannt, dass ich soziale Kontakte pflegen würde, aber die Anstalt habe keinen näheren Einblick, könne diese also nicht bewerten im Hinblick auf deren „Integrationsfähigkeit“. Ferner hätte ich mich bislang einer Tataufarbeitung verweigert.

Schließlich hätte ich in einem Beitrag auf meiner Internetseite am 01.01.2014 über die „Voraussetzungen einer erfolgreichen Flucht“ berichtet und mit der Bemerkung geschlossen „Freiheit wird einem nicht gegeben, Freiheit muss man sich nehmen“. Dies belege weiter die Fluchtgefahr meinerseits.

Und eine Missbrauchsgefahr bestehe deshalb, also die Gefahr neuer Taten, weil ich mich zum einen einer Tataufarbeitung widersetzen würde und zudem meine innerste Gedankenwelt hermetisch abriegeln würde, weshalb ich letztlich undurchschaubar und undurchsichtig sei.

Eine Erhöhung der Zahl der Ausführungen komme nicht in Betracht, da ich mir schließlich meine Lebenstüchtigkeit bislang gut hätte bewahren können. Ich würde bei den jährlich vier Ausführungen selbstsicher vorgehen und könne zudem meine Angelegenheiten selbstständig regeln.

Begründung der gerichtlichen Klageschrift

Mit Schriftsatz vom 29.07.2022 habe ich nun bei der 13. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Ich stellte im wesentlichen darauf ab, dass weder eine Flucht- noch Missbrauchsgefahr vorliegen würde und die entsprechende Argumentation der Anstalt widersprüchlich sei, zudem seien wesentliche Tatsachen nicht berücksichtigt worden.

Soweit die Anstalt auf einen Blockeintrag von mir Bezug nehme (ich hatte 2014 über eine aus der Haft frei gelassene Sicherungsverwahrte berichtet) könne dies zudem nicht geeignet sein, 2022 für meine eigene Person eine Fluchtgefahr zu begründen.

Die Anstalt hätte zudem ihre eigene Telefon- und Besuchskartei auswerten können und müssen, und hätte so in Erfahrung gebracht, dass ich über ein soziales Umfeld verfüge, mit dem ich seit vielen Jahren, teilweise 10,15,20 Jahre hinweg, verbunden sei.

Ich hielt der JVA zudem vor, sie nehme letztlich eine etwaige gerichtliche Entscheidung 2023 über die Fortdauer unrechtmäßig vorweg: Vollzugslockerungen bei welchen sich Insass*innen bewährt haben, ermutigen Gerichte eine Freilassung auszusprechen. Unterbleiben solche Lockerungen zögern Gerichte in dieser Frage eher, so dass am Schluss sich Gerichte und Haftanstalten den Ball zuwerfen. Die Anstalten sagen, sie gewähren keine Lockerungen, weil eine Entlassung nicht absehbar sei, und Gerichte verweigern die Entlassungen, da keine vorherige Erprobung unter gelockerten Bedingungen erfolgt ist.

Unberücksichtigt hatten die Entscheider*innen in meinem Fall zudem, dass ich seit 2014 um die 30 bewachte Ausführungen hatte und ich stets als – wie das so schön heißt – „absprachefähig“ beschrieben wurde. Und statt am Ende 10 Minuten zu spät in die Anstalt zurück zu kehren (was dann als Beleg für das Fehlen von Absprache- und Planungsfähigkeit gälte) komme ich lieber 30 Minuten „zu früh“ zurück.

Was die höhere Zahl an Ausführungen angeht, so konnte ich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 1165/19, 18.09.2019) verweisen. Dort hatte das Gericht betont, Ausführungen hätten das Ziel das Eintreten von schädlichen Folgen langer Haft tunlichst zu vermeiden oder diesen vorzubeugen, so dass das aus Sicht der Anstalt Fehlen von Schädigungen in meinem konkreten Fall schlicht der falsche Ansatz sein dürfte. 26 Jahre Haft sollten genügen um mehr als die wenigen vier Ausführungen pro Jahr gewährt zu erhalten!

Weitere Aussichten

Wann die Kammer des LG Freiburg über meinen Antrag entscheiden wird, das ist offen. In den nächsten Wochen und Monaten werden erstmal Schriftsätze gewechselt werden. Zudem habe ich beantragt mir einen Rechtsanwalt beizuordnen, der mich auch in dem Verfahren über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung 2023 vertritt; geht es bei Vollzugslockerungen doch um einen essentiellen Aspekt der Vollzugsgestaltung.

Thomas Meyer-Falk

z.Zt. JVA (SV),

Hermann-Herder-Str.8,

D-79104 Freiburg

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