Prozessbericht vom Montag, den 20. Juli 2009

Prozessbericht vom Montag, den 20. Juli 2009 – Getrennte Verfahren
Um 11.40 Uhr begann der Prozess. Doch statt der üblicherweise fünf saßen
nur drei Angeklagte auf der Anklagebank – Mustafa Atalay, Ilhan Demirtas
und Hasan Subasi.

Hintergrund dessen ist die forcierte Abtrennung der Verfahren, um das
Verfahren abzukürzen: Seit Dezember fanden mehr oder weniger regelmäßig
Gespräche zwischen Bundesanwaltschaft, Senat und Verteidigung statt, um
sich in irgendeiner Hinsicht zu einigen. Letztlich ließen sich die drei
Angeklagten darauf ein ausgehandelte Einlassungen abzugeben, in denen
sie sich weder distanzieren noch jemand anderen denunzieren. Da sich die
anderen zwei gegen ein solches Abkommen stellten wurde die Abtrennung
der Verfahren beantragt.

Am Dienstag, den 07. Juli (der Tag der Prozessdelegation) sollte die
Entscheidung des Senats hinsichtlich der Abtrennung bekannt gegeben
werden. Jedoch wurde von der Verteidigung von Ahmet D. Yüksel und von
Devrim Güler ein Befangenheitsantrag gestellt, der die Entscheidung
vertagte. Begründet wurde der Befangenheitsantrag damit, dass nicht alle
Anwälte von der Aushandlung der Einlassungen in Kenntnis gesetzt wurden
und nur mit der jeweilig betroffenen Verteidigung kommuniziert wurde. In
diesem Kontext wurde bekannt, dass der Senat bis auf das Komma
vorformulierte Einlassungen an die Verteidigung schickte und den
Angeklagten vorlegen ließ. Die Verteidigung formulierte mit den
Angeklagten Gegenvorschläge und es wurde sich dann nach kurzem Hin und
Her geeinigt.

Eigentlich hätte letzte Woche Dienstag bereits über den
Befangenheitsantrag entschieden werden sollen, jedoch beendete der
Vorsitzende den Prozesstag vor der Entscheidungsverkündung (siehe
Prozessbericht vom 14. Juli 2009). Doch auch am heutigen Montag sollte
nicht über den Befangenheitsantrag entschieden werden – zumindest nicht
öffentlich. Von Beginn an waren nur die drei Angeklagten anwesend und
damit die Abtrennung der Verfahren beschlossene Sachen.

Somit laufen nun zwei Verfahren nach dem §129b in Stuttgart Stammheim:
Der heute stattfindende Prozess gegen Mustafa Atalay, Ilhan Demirtas und
Hasan Subasi, der vermutlich bis August laufen wird, und der morgen
stattfindende Prozess gegen Devrim Güler und Ahmet Düzgün Yüksel, der
erstmal bis September angesetzt ist. Die weiteren Prozesstermine werden
bekannt gegeben.

Wann und ob über den Befangenheitsantrag entschieden wurde ist noch
unklar. Die Abtrennung der Verfahren ist jedoch beschlossene Sache.

Zum Inhalt des heutigen Prozesstages:
Es wurden seitens des Senats Dokumente des BKAs und des Niederländischen
Forensischen Institutes (NFI) verlesen. Die Dokumente des BKAs befassten
sich mit dem versuchten Anschlag auf den ehemaligen türkische
Justizminister (Samieh Türk) und dem Ergenekon Prozess in der Türkei und
dem darin fallenden Sabanci-Anschlag. Die Dokumente des NFI befassten
sich mit den in den Niederlanden gefundenen Dateien und über die Art der
Verschlüsselung, sowie deren Entschlüsselung seitens des NFI. Dem NFI
war es nur deswegen möglich die über 13000 Dateien (nur knapp 150
Dateien konnte das NFI nicht entschlüsseln), die mit Key-Safe
verschlüsselt waren, zu entschlüsseln, da das Passwort kurz (10 Zeichen)
und nur aus Buchstaben bestand. Zwar waren in den einzelnen
verschlüsselten Dateien weitere verschlüsselte Dateien, die aber alle
mit demselben Passwort gesichert waren…

Wir wollen diese Gelegenheit nutzen, um auf sichere
Verschlüsselungsarten aufmerksam zu machen und verweisen auf die
Anleitungen der Rosa Antifa Wien (http://raw.at/compsec/index.htm) und
der Bunten Hilfe Stuttgart (http://bunte-hilfe.fasthoster.de/pc/pc_1.html)

Nach der Mittagspause ging es weiter mit der Analyse der Übersetzung
einiger Telefongespräche und Mitteilungen. Der sachverständige
Übersetzer glich die deutschen Übersetzungen mit den türkischen
Gesprächen/Mitteilungen ab und gab dazu seine Analyse ab.

Der nächste Prozesstag, dieses Prozesses findet am Donnerstag, den 30
Juli statt.

Prozess gegen Devrim Güler und Ahmet Düzgün Yüksel:
Dienstag, 28.07.2009 || 8.30 Uhr
Dienstag, 04.08.2009 || 8.30 Uhr
Freitag, 07.08.2009 || 9.30 Uhr
Montag, 17.08.2009 || 9.30 Uhr
Sommerpause
Montag, 14.09.2009 || 9.30 Uhr
Dienstag, 15.09.2009 || 8.30 Uhr

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Gericht verweigert Freilassung von Meyer-Falk

Nach meiner Festnahme 1996 wurde ich 1997 vom Landgericht Heilbronn wegen eines versuchten Banküberfalls zu 11 1/2 Jahren und Sicherheitsverwahrung verurteilt. In weiteren Verfahren kamen summa summarum 5 Jahre und 3 Monate Haft hinzu, da sich einige RichterInnen und PolitikerInnen von mir beleidigt, bzw. bedroht fühlten.
Nachdem 2007 von den Strafen zwei Drittel verbüßt waren, beantragte ich meine Freilassung auf Bewährung. Dies lehnte das Landgericht Karlsruhe (Vorsitzender Richter Kleinheinz, Richterinnen am Landgericht Görlitz und Herlitze) mit Beschluss vom 04. Mai 2009 ab.
Die Kammer ist der Ansicht, ich bedürfe einer langjährigen Sozialtherapie (in einer entsprechenden Abteilung einer JVA) um dort die „bestehende Persönlichkeitsproblematik“ aufzuarbeiten, insbesondere aber einen „sozialkompetenten Umgang mit Konfliktsituationen“ zu erlernen. Es bestehe eine „ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörung“, von deren „Hintergrund die Straftaten gesehen werden“ müssen.

Besonders nachteilig wirke, so das Gericht, daß ich nicht regelmäßig an gemeinschaftlichen Veranstaltungen innerhalb der JVA teilnehmen würde; dies lasse nur den Rückschluss zu, daß ich „nach wie vor nicht konfliktfähig im Sinne einer sozialkompetenten Auseinandersetzung mit anderen“ sei.

Eine gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde wurde durch das Oberlandesgericht (1. Strafsenat) Karlsruhe verworfen, so daß die Entscheidung nun rechtskräftig ist. Bis 2013 kann (und werde ich wohl auch) alle 6 Monate meine Freilassung beantragen und nach Beginn der Sicherungsverwahrung kann dann alle zwei Jahre ein solches Gesuch gestellt werden.

Was heißt nun „sozialkompetenter Umgang mit Konfliktsituationen“? Habe ich jemals z.B. einen Wärter der mich provozierte physisch angegriffen? Nein. Oder einen Mitgefangenen? Ebenfalls nein. Ich nehme mir jedoch die Freiheit über Missstände im Strafvollzug zu berichten, sie öffentlich zu machen, anstatt sie „sozialadäquat“ unter den Teppich zu kehren.

Über die Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit von Sozialtherapien kann gestritten werden (erst kürzlich wurde ein wegen Sexualverbrechen vorbestrafter ehem. Sicherungsverwahrter, den die sozialtherapeutische Abteilung in Asperg/bei Stuttgart „behandelt“ hatte und den ein Gericht 2007 dann frei ließ, erneut in Bruchsal eingeliefert, nachdem er nämlich 2008 prompt wieder eine Frau vergewaltigte). Ich für mich lehne sie ab; denn eine solche Zwangstherapie die darauf setzt, daß der Proband am Ende in die Schablonen der TherapeutInnen, GutachterInnen und RichterInnen passt ist mit meinen Menschenbild nicht zu vereinbaren.

Diese Haltung brachte mir schon den von mir als zynisch erlebten Vorwurf ein: „Du willst doch garnicht mehr raus“. Es geht mit Sicherheit darum wieder frei zu kommen, aber nicht um den Preis sich jahrelang (denn es geht um eine Jahre dauernde Therapie) zu verbiegen, von staatlichen Psychologinnen und Psychologen im Hirn herumdoktern zu lassen, bis man -wie ein pawlow´scher Hund- zu sabbern beginnt, wenn die TherapeutInnen mit dem Glöckchen klingeln. Das mag eine sehr subjektive Sicht der Dinge sein, jedoch bekam ich von therapeutisch tätigen Personen in meinem Umfeld durchaus zu hören, daß unter qualitativen Gesichtspunkten bspw. die Sozialtherapie auf dem Asperg ziemlich sinnlos sei.

Aber auch eine qualitativ hochwertige Therapie kann nicht dem Betroffenen aufgezwungen werden; es mutet zudem perfide an den politischen Aspekt der Handlungen die mit Knast und SV geahndet wurden vollkommen zu negieren und alles einer „narzisstischen Persönlichkeitsstörung“ zuzuschreiben. Es ist eine banale Erkenntnis, daß die menschliche Psyche es ist die uns motiviert dieses oder jehnes zu tun oder zu lassen.
Die hier beobachtbare Pathologisierung menschlichen Tuns entspricht zweifelsohne dem Menschenbild des Gutachters und der RichterInnen, aber sie ist kein Grund auf ihre Forderungen einzugehen und sich damit ihrem Diktat zu unterwerfen.

Und so werde ich vorerst weiter aus dem Knast berichten, anstatt mich in Freiheit an der Auseinandersetzung beteiligen zu können.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

http://www.freedom-for-thomas.de
http://www.freedomforthomas.wordpress.com

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Knast und Kriminalitätsfurcht

Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsfurcht beherrschen vielfach die Diskussion, wenn über den Strafvollzug und die dort einsitzenden Gefangenen die Rede ist. Medien und Politik tun das ihre, um bestehende Vorurteile zu verstärken und tendenziell Stimmung gegen Gefangene zu machen. Knast und Kriminalitätsfurcht

Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsfurcht beherrschen vielfach die Diskussion, wenn über den Strafvollzug und die dort einsitzenden Gefangenen die Rede ist. Medien und Politik tun das ihre, um bestehende Vorurteile zu verstärken und tendenziell Stimmung gegen Gefangene zu machen.

Schaut man sich die einschlägigen Statistiken, von welchen im Folgenden die Rede sein soll an, so wird deutlich, wie sehr die Stimmungsmache Wirkung zeigt.

A.) Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)

In der PKS veröffentlicht das Bundesministerium des Inneren alljährlich die der Polizei bekannt gewordenen Straftaten, bietet also einen Einblick in das Hellfeld der Kriminalitätsentwicklung in Deutschland (das Dunkelfeld, also jene Delikte, die nicht zur Anzeige gebracht werden, wird nicht erfasst).
Erfasste die PKS 1993 circa 6,75 Millionen Fälle, so waren es für 2008 nur noch 6,11 Millionen. Davon waren über 55 % der Delikte Diebstahl oder Betrug.
Wichtig zum Verständnis ist, die Zahl der Delikte in Bezug zur Einwohnerzahl zu setzen, denn es macht einen Unterschied, ob wenige Menschen viele Taten oder viele Menschen wenige Straftaten begehen. Vor 16 Jahren, also 1993 zählte das Statistische Bundesamt circa 80,9 Millionen Einwohner, 2008 waren es schon 82,2 Millionen.

Das bedeutet, im Vergleich der Jahre 1993 und 2008 stellen wir einerseits einen Rückgang der erfassten Delikte um etwa 636 000, zugleich aber eine Zunahme der Bevölkerungszahl um 1,2 Millionen fest.

Der subjektive Eindruck vieler Bürgerinnen und Bürger, es würden immer mehr und immer schwerere Straftaten begangen, lässt sich statistisch nicht belegen. Vielmehr ist das Gegenteil richtig.

Sexualdelikte, die immer gerne von Politik und Medien heran gezogen werden, um Gesetzesverschärfungen zu begründen (aktuell die Bestrebungen der Bundesministerin von der Leyen, auf dem Rücken missbrauchter Kinder eine umfassende Internetzensur – erfolgreich – durchzusetzen), werden in ihrer Zahl, so schockierend und traurig jeder Einzelfall ist, überschätzt. Wie hoch schätzen Sie den Anteil von Sexualtaten an der Gesamtkriminalität? 5 %? 10 %? 20 %? 30 %?.
Es sind exakt 0,9 %! Wobei man natürlich berücksichtigen muss, dass es sich dabei um die zur Anzeige gebrachten Fälle handelt (vgl. obige Bemerkung zum Dunkelfeld).
Die Zahl der Tötungsdelikte sinkt ebenso wie die Zahl der Raubüberfälle.

Während somit trotz steigender Bevölkerungszahl (1993 – 2008) die Zahl der erfassten Straftaten, wie auch die Anzahl der schweren Gewalttaten sank, stieg die Zahl der Gefangenen und Sicherungsverwahrten.

B.) Gefangenenstatistik

Die Zahl der Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten sank von 1965 bis 1995 auf 46.516 (1965: 49.573), um seitdem wieder zu steigen, auf zwischenzeitlich 62.348 (für 2008).
Befanden sich 1995 ungefähr 0,057 % der Bevölkerung in Strafhaft oder Sicherungsverwahrung, waren es 2008 schon 0,076 %, was immerhin einer Steigerung von 33,38 % entspricht (im selben Zeitraum 1995 – 2008 sank die in der PKS erfasste Zahl der Fälle um 8,32 %!).

Noch frappierender ist die Situation für in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Menschen. Die SV ist nach dem Gesetz als Maßregel der Besserung und Sicherung für die (angeblich) schwersten Fälle von „Gewohnheitsverbrechern“ gedacht, wobei die SV – nach diversen „Reformen“ – mittlerweile auch gegen Ersttäter und nach Jugendstrafrecht Verurteilte (dann auch nachträglich) verhängt werden darf.

Deren Zahl, d.h. der in SV Untergebrachte, sank von 1965, als 1430 in SV saßen, auf 183 im Jahr 1995. Seinerzeit wurde sogar die Abschaffung der SV diskutiert und es gab entsprechende parlamentarische Initiativen, unter anderem von den GRÜNEN.
Aber zwischenzeitlich stieg die Belegung der SV um sage und schreibe 152 %! Zum Stichtag 30.11.2008 waren in Deutschland 461 in Sicherungsverwahrung untergebracht, so viele, wie seit Anfang der 70’er Jahre nicht mehr. Und auch für Frauen wird das Klima härter: Waren über, man kann sagen Jahrzehnte, keine Frauen in Sicherungsverwahrung oder nahezu keine (von 1980 – 1990 je 1; bis 2006 keine) sind zum Stichtag 30.11.2008 drei Frauen in SV.

Auch die Lockerung des Vollzugs, um dadurch Gefangenen eine Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen, etwa in Form des „Offenen Vollzugs“ (dabei kann der/die Gefangene tagsüber in Freiheit arbeiten, muss aber abends und am Wochenende ins Gefängnis) nimmt sukzessive ab; trotz steigender Gefangenenzahl nimmt die Zahl derer, die im Offenen Vollzug untergebracht sind, ab. Wer übrigens in der SV sitzt, hat so gut wie keine Chance auf den Offenen Vollzug. Waren es 2004 noch 8 von 334 Verwahrten, ging die Zahl auf 7 im Jahr 2008 zurück, bei nunmehr jedoch 461 Verwahrten (ein Rückgang von 36 %).

C.) Resümee

Strafvollzug, Verbrechen im Allgemeinen eignen sich als Projektionsfläche für Ängste und als Instrument „Sicherheitspolitik“ zu betreiben und Auflage, bzw. Einschaltquote zu steigern. Objektiv rechtfertigen lassen sich die Steigerungen der Zahl der Gefangenen und Verwahrten ebenso wenig, wie der Rückgang der Vollzugslockerungen. Letztlich sind Gefangene auch nur Spielball von Politik, Justiz und Medien. Angesichts der aufgezeigten irrationalen Entwicklungen sollte über Alternativen zu Knast mehr denn je nachgedacht werden.

Quellen:
PKS 2008, Hrsg. Bundesministerium des Inneren;
Statistisches Jahrbuch 2008, Hrsg. Bundesministerium für Arbeit und Soziales;
Bestand der Gefangenen und Verwahrten, Fachserie 10 des Statistischen Bundesamtes, http://www.destatis.de

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Gefängnisschicksale in Deutschland

Heute soll über das Schicksal von Ralf Schüler (er ist mit der Namensnennung einverstanden), der seit 2005 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal in Absonderung sitzt und über David S., der im Juli 2008 in der JVA Nürnberg verblutete berichtet werden.
A.) Ralf Schüler und die Sicherungsverwahrung

Landauf, landab wird von Politik und Justiz betont, in der Sicherungsverwahrung säßen nur die Gefährlichsten der Gefährlichen ein. Die SV wurde 1933 von den Nationalsozialisten in das Strafgesetzbuch als Maßregel der Sicherung eingeführt; hiernach kann eine Person, welche als „allgemeingefährlich“ gilt auch über das Ende der regulären Strafzeit hinaus im Gefängnis verwahrt werden. Nach einer „Reform“ von 1998 unter SPD/GRÜNE, kann die SV nunmehr auch im ersten Fall ihrer Anordnung lebenslang dauern (zuvor war sie auf 10 Jahre begrenzt).

Mit Beschluss vom 07. Mai 2009 ordnete das Landgericht Karlsruhe bei Herrn Schüler die Fortdauer der SV über 10 Jahre hinaus an, da „die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.“ Weswegen sitzt er in der SV? Er hatte sich eine Verurteilung wegen „Diebstahls in 17 Fällen und versuchten Diebstahls in 3 Fällen“, wie Gefangene zu sagen pflegen, „eingefangen“. Konkret ist er mehrfach in Wohnungen und Geschäftsräume eingebrochen und hat dort u.a. Bargeld entwendet.

Frustriert über den Umstand, daß nach seiner Beobachtung in der SV-Station der JVA Freiburg, wo er von 1999-2005 einsaß, zwar Diebe und Betrüger bis zum Tode verwahrt würden, man jedoch Sexualverbrecher frei lasse und er für sich als „Einbrecher“ keine realistische Entlassungsperspektive sah, begann er Nachschlüssel herzustellen um aus der Haft fliehen zu können. Bei der Erprobung der Schlüssel im September 2005 wurde Alarm ausgelöst und Herr Schüler entdeckt.

Wegen der nun seitens der Justiz angenommenen erhöhten Fluchtgefahr, wurde er in die JVA Bruchsal verlegt, wo er bis heute, d.h. seit bald vier Jahren in Absonderung sitzt. Zwar muss er arbeiten (in einem Minibetrieb, der extra für eine handvoll „gefährlicher“ Gefangener eingerichtet ist), darf jedoch an keinerlei Freizeitveranstaltungen teilnehmen, seine Zelle bleibt stehts verschlossen und auch die Hofstunde, darf er nur mit seinen Arbeitskollegen aus den Minibetrieb absolvieren.

Am 02. April 2009 hatte Ralf Schüler 10 Jahre der SV verbüßt; nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hätte nun positiv festgestellt werden müssen, daß er akut „gefährlich“ ist. Wie kann man dies bei einem Einbrecher, der während der Einbrüche nie „Kontakte“ zu den Bewohnern hatte? Der also nie etwa jemanden überwältigte, fesselte – eben weil nie jemand da war!? Kammer und Gutachter gingen über 22 Jahre (!) in der Vita des Herrn Schüler zurück; damals hatte er mittels einer ungeladenen Schrotflinte eine Bank überfallen. Dies dokumentierte, so heute die Richter und der Sachverständige (Professor Dr. Harald Dreßing; Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim), sei enormes Gefährlichkeits- und Gewaltpotenzial.

Die Einbrüche hatte er während des Freigangs begangen; aber aus dem Umstand, daß er bei diesen anerkanntermaßen unbewaffnet war, wollte man keine positiven Rückschlüsse ziehen. Der Gutachter verstiegt sich zu der These, „inwieweit der Proband überhaupt die Möglichkeit hatte, sich Waffen zu besorgen und einen gewalttätigen Überfall vorzubereiten“. Es wird also unterstellt, er hätte im Freigang keine Waffen sich verschaffen können; eine an der Realität vollkommen vorbei gehende Idee.

Der Sachverständige fühlte sich offenbar auch davon getroffen, daß Herr Schüler jegliches Gespräch mit ihm ablehnte und führte dann in der Anhörung vor Gericht aus, aufgrund dieser Verweigerungshaltung, die darin -Zitat- „gipfele“, daß Schüler sogar die Anhörung bei Gericht verweigere, er es letztlich verunmögliche zu beurteilen, welche Entwicklungen bei ihm eingetreten seien.

Zwar wurde erwähnt, daß Herr Schüler weder während der Haftzeit, noch der Jahre in der SV durch gewalttätiges Verhalten aufgefallen sei – aber dies positiv zu werten kam weder dem Gutachter, noch den Richtern in den Sinn. Einerseits wurde eben erwähntes nicht positiv berücksichtigt, andererseits wurde „prognostisch ungünstig“, so der Herr Professor aus Mannheim, gewertet, daß Herr Schüler in Briefen an Dritte die Behauptung vertritt, die Hustiz entlasse hoch gefährliche Kinderschänder und Sexualtäter, um auf diese Weise eine ständige Verschärfung der Strafgesetze rechtfertigen zu können, um letztlich Menschen wie ihn dauerhaft in der SV unterzubringen.

Das ist schon faszinierend, wie hier eine zulässige Meinungsäußerung dazu dient, letztlich die „Gefährlichkeit“ eines Verwahrten zu begründen. Heute ist Ralf Schüler 46 – Mit diesem, Beschluss des Landgerichts wird er noch in 10 oder 20 Jahren einsitzen. (Quellen: Beschluss Landgericht Karlsruhe vom 07. Mai 2009, Az: 15 StVK 81/09 BR; Anhörungsprotokoll vom 24. April 2009, a.a.O.)

B.) Gefangener in Nürnberg verblutet

Straf- und Untersuchungsgefangenen kommt nach der Gesetzeslage nicht das Recht auf freie Arztwahl zu, sie müssen mit dem Arzt oder der Ärztin vorlieb nehmen der/die in der JVA arbeitet. Auch wenn gegen diesen wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts zum Nachteil eines Gefangenen ermittelt wird.

So aktuell der Fall in Nürnberg. Am frühen Morgen des 16. Juli 2008 verblutete der Untersuchungsgefangene David S. und starb mutmaßlich deshalb, weil der sich in seiner Nachtruhe von einem Sanitätsbeamten per Telefon informierte Gefängnisarzt Kurt P. nicht weiter stören lassen wollte, und empfahl die klaffenden Wunden von David, dieser hatte sich die Pulsadern eröffnet, mit Klemmpflaster zu versorgen. Selbst ins Gefängnis kommen und den Patienten untersuchen wollte der Doktor nicht; erst zum regulären Dienstantritt um 7.00 Uhr werde er nach ihm sehen, man möge den Gefangenen solange in die B-Zelle sperren (ein Raum, völlig kahl, ein Loch im Boden als WC-Ersatz). Nur lebte um 7.00 Uhr David nicht mehr. Der vom Sanitäter zwischenzeitlich alarmierte Notarzt konnte später nur noch den Tod von ihm feststellen. Doktor Kurt P. hatte in dieser Nacht ausdrücklich Bereitschaftsdienst!

Der Nürnberger Strafrechtler Bernd Ophoff, der die Eltern des 23-jährigen David S. vertritt geht von einer Tötung durch Unterlassung aus.

Das Justizministerium sah keinen Anlass den Gefängnisarzt zu suspendieren, obwohl ihm selbst von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene Gutachten schwer wiegendes Fehlverhalten bescheinigen. Zynisch mutet die Aussage des Leiters der JVA Nürnberg an, der angesichts des Todes von David S. und dem Verhalten des Arztes Kurt P. davon schwärmt mit welchem großem Einsatz und Engagement dieser seit mehr als 20 Jahren vorbildlich hinter Gittern seinen Dienst tue.

Zwischenzeitlich prüft der Petitionsausschuss den Fall, insbesondere die Frage einer möglichen Suspendierung.

(Quelle: Süddeutsche Zeitung, 18. Mai 2009)

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de

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Knastprivatisierung am Beispiel Berlin

Nachdem im Jahr 2006 über die Pläne des Landes Berlin berichtet wurde, den geplanten Neubau eines Gefängnisses (JVA Heidering) möglicherweise durch private Firmen abwickeln und dann auch betreiben zu lassen, bat ich mit Schreiben vom 12.10.2006 die Senatsverwaltung für Justiz um Zugang zu einem Gutachten zur – Zitat – „Untersuchung alternativer Realisierungsformen der JVA Heidering“.
Erst in Folge eines längeren Rechtsstreits mit dem Land Berlin erhielt ich schlussendlich Ende April 2009 das 150 Seiten starke Gutachten.

Darin wird ausführlich ein Wirtschaftlichkeitsvergleich angestellt zwischen den drei Modellen: Eigenrealisierung ( d.h. alle Aufgaben des Projekts, Planung, Bau, Finanzierung und Unterhaltung in Verantwortung des Landes Berlin), Investorenmodell (wesentliche Leistungen der Bau- und Planungsphase würden an einen privaten Investor vergeben), sowie PPP-Modell (public-private-partnership); hier würde privaten Firmen die Aufgaben der Planung, der Errichtung und Finanzierung der Anstalt weitestgehend vollständig übertragen und in Teilen auch des Betriebs der JVA).

Im Ergebnis kommt das Gutachterkonsortium PSPS, Drees & Sommer Berlin GmbH und Hogan & Hartson Raue L.L.P. zu dem Schluss, dass das PPP-Modell um 6,70 % (barwertig: 11,8 Mio Euro über 25 Jahre Laufzeit) wirtschaftlicher wäre als die Eigenrealisierung; das Investorenmodell wäre noch 0,38 % (barwertig: 680.000 Euro über 25 Jahre) wirtschaftlicher als die Eigenrealisierung.

Ausgiebig widmen sich die Gutachter der Frage der „Gefangenenbeschäftigung“ (rechtlich handelt es sich dabei um Zwangsarbeit); auf S. 44 des Gutachtens heißt es: „Das Land Berlin beabsichtigt (…) auch die Gefangenenbeschäftigung einem privaten Partner zu übertragen“.

Aus Anhang E zu dem Gutachten ergibt sich, über welche Arbeitsbetriebe die JVA Heidering verfügen soll. Es fällt auf, dass nach den dort durchgerechneten Szenarien (Best Case, Real Case, Worst Case) zwar Qualifizierungsmaßnahmen vorgesehen sind (Deutschkurs, Anlernmaßnahme Gastronomiehelfer, etc.), jedoch die Mehrzahl der Inhaftierten möglichst in Unternehmerbetrieben der Lebensmittelverarbeitung, Abfallsortierung, Automobilzulieferung und der Montage/Verpackung tätig sein werden.

Entlohnt sollen die Gefangenen in diesen Unternehmerbetrieben mit Lohnstufe 2 werden; dies bedeutet 88 % des normalen Gefangenensalärs. In Zahlen: circa 1,15 Euro pro Stunde! Im Best Case Szenario werden Umsatzerlöse alleine in den Unternehmerbetrieben von 1,3 Mio Euro pro Jahr erwartet (Real Case: 525.000; Worst Case: 300.000).

Vorgabe des Senats sei, so das Gutachten, dass in der JVA Heidering keinerlei Produkte, die für den Eigenverbrauch der JVA oder des Landes (z.B. Möbel, Bäckerei) bestimmt sind, hergestellt werden sollen, sondern alle hergestellten Produkte „wettbewerbsfähig auf dem privaten Absatzmarkt vertrieben werden“ müssen.

Hinsichtlich der möglichen Gestaltung der JVA lassen sich dem Gutachten folgende Maßgaben des Senats entnehmen. Arbeitsbetriebe sollen nicht via Kamera überwacht werden, jedoch ist sicherzustellen, dass sich innerhalb der Anstalt Gefangene möglichst wenig begegnen („… keine ungewollte Vermischung der Häftlinge aus den jeweiligen Wohngruppen und Teilanstalten …“, a.a.O. S. 33). Die unterirdische Gangführung zu einzelnen Funktionsbereichen (z.B. Arbeitsbetrieb, Arzt) wird bevorzugt. Je 36 Inhaftierte sollen eine Wohngruppe bilden; zwei Wohngruppen bilden eine Station.
Insgesamt sollen 648 Haftplätze geschaffen werden; die Beschäftigungsqoute soll bei 75 % liegen.

Die Anstalt verfügt über eine eigene Alarmzentrale, welche Tag und Nacht mit zwei Beamten besetzt sein wird; insgesamt befänden sich nach dem Gutachten in der Nachtschicht 11 Bedienstete in der Anstalt. Für die Tagschicht ist pro Wohngruppe ein Bediensteter vorgesehen und zusätzlich pro Station ein Gruppenleiter. Zwei Ärzte und vier Sanis sind für die Frühschicht eingeplant, sowie drei Psychologen, wobei diese vom privaten Anbieter gestellt werden können. Insgesamt könnten von den 301 erforderlichen Bediensteten 72 (= 23,93 %) „privatisiert“ werden.

Auch wenn abzuwarten bleibt, wie sich letztlich der Betrieb der Anstalt darstellen wird, es ist absehbar, dass es neben dem Outsourcing von Leistungen ganz zentral um eine möglichst effiziente Nutzung der „Arbeitskraft“ Gefangener gehen soll.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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Nachrichten aus dem Strafvollzug

Birgitta Wolf gestorben – Leider ist an dieser Stelle vom Tod Birgitta Wolfs zu berichten. Geboren am 04. Februar 1913 widmete Frau Wolf Jahrzehnte ihres Lebens der Arbeit für Gefangene. Schon im 3. Reich besuchte sie Gefangene im Konzentrationslager, versuchte nach Kräften ihr Los zu verbessern.

Nach 1945 setzte sie sich unermüdlich, ihre eigenen Kräfte bis an die äußersten Grenzen ausreizend und vielfach überschreitend für Gefangene ein. Sie war dabei als in Hamburg in den 6oern durch Hungerstreiks für die Aufklärung von Todesfällen in der Haftanstalt Santa Fu und eine Verbesserung der Haftbedingungen gekämpft wurde. Über Jahre hinweg fand sie in Generalstaatsanwalt Bauer (bekannt durch NS-Prozesse die er initiierte) einen Freund und Förderer; für ihre Arbeit erhielt sie viele Auszeichnungen. Ich selbst hatte vor einigen Jahren sporadischen Briefkontakt zu und mit ihr, bevor sie, von schwerer Krankheit gezeichnet, ihre Arbeit in andere Hände legen musste.

Am 25. April 2009 ist Birgitta Wolf gestorben.

http://www.nothilfe-birgitta-wolf.de

Seit kurzem gibt es in Wiesbaden die „Bundesstelle zur Verhütung von Folter“ (c/o Kriminologische Zentralstelle e.V., Viktoriastr. 35, 65189 Wiesbaden). Eingerichtet wurde diese in Folge eines Fakultativprotokolls von 2002 zum Antifolterübereinkommen der Vereinten Nationen von 1984. Aufgabe der Bundesstelle ist es, zur Verhütung von Folter Orte der Freiheitsentziehung aufzusuchen, auf Missstände aufmerksam zu machen und Verbesserungsvorschläge vorzulegen. Zum Leiter der Bundesstelle wurde sinnigerweise ein ehemaliger Anstaltsleiter bestimmt, in dessen JVA es zu seiner eigenen Dienstzeit zu Übergriffe auf Gefangene kam, u.a. ein Gefangener mit einer Leine um den Fuß an der Zellenwand fixiert wurde, damit er nicht mehr an die Zellentüre klopfen konnte (die Leine gab ihm gerade soviel Spielraum, daß er vom Bett zum WC gehen konnte). Klaus Lange-Lehngut (ehem. Leiter JVA Berlin-Tegel) ist, laut SPIEGEL vom 11.04.2009, dieser neue Chef der Bundesstelle.

Eine Anfrage beim Bundesministerium der Justiz (11015 Berlin, Az.: IV M – 9470/2 II – 48 211/2009) ergab, daß diese Bundesstelle für Gefangene in Ländergefängnissen garnichts tun könne oder dürfe, da sie nur für Freiheitsentziehungen im Zuständigkeitsbereich des Bundes (z.B. Bundespolizei) ein Mandat habe. Die Bundesländer, so Herr Polk vom Ministerium, würden zur Zeit eine „Kommission der Länder zur Verhütung von Folter“ einrichten, wobei der Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme noch nicht bekannt sei.

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Was ist Zeit aus Gefangenensicht?

Wer im Gefängnis sitzt, bezahlt für etwas, das er/sie getan hat mit Lebenszeit, so genannter Strafhaft – oder für etwas, das er/sie tun könnte, so genannter Sicherungsverwahrung.

Was ist Zeit aus Gefangenensicht?

Wer im Gefängnis sitzt, bezahlt für etwas, das er/sie getan hat mit Lebenszeit, so genannter Strafhaft – oder für etwas, das er/sie tun könnte, so genannter Sicherungsverwahrung.

Vor Jahren bezeichnete ich beispielsweise eine Richterin am Landgericht Mannheim als „Bilderbuchexemplar einer faschistischen Justizschlampe“. Einmal beiseite gelassen, ob der inhaltliche Kern dieser Bezeichnung zutraf, einem Richterkollegen war dieser Satzteil immerhin wert, 7 Monate Freiheitsstrafe auszuwerfen (§ 185 StGB; d.h. Beleidigung. Strafrahmen: Von Geldstrafe bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe).
Am Ende summierten sich wegen verschiedenster Verurteilungen wegen des Vorwurfs der Beleidigung und Bedrohung, geäußert jeweils in Briefen, 5 Jahre 3 Monate und 3 Wochen. Knapp 2000 Tage oder etwas mehr als 46.000 Stunden Freiheitsentziehung.

Umgerechnet in die Arbeitszeit eines Arbeiters/einer Arbeiterin bei 42 h/Woche und 48 Arbeitswochen pro Jahr, entspräche dies immerhin 22 Jahren Arbeitsverhältnis – um einmal einen Eindruck für die Proportionen zu erhalten. Denn in unserer kapitalistischen Gesellschaft ist Arbeitszeit ein Äquivalent für das, was wir uns nach Zahlung von Gehalt, bzw. Lohn am Markt kaufen können.

Aber was bedeutet dies konkret für Gefangene? Wer in einer Haftanstalt zu leben gezwungen ist, bekommt nur noch sehr gefilterte Eindrücke vom Leben vor den Mauern mit. Hier „drinnen“ läuft das Leben langsamer; ein geflügeltes Wort lautet „Knast konserviert“.

Wie ein träger, monotoner Fluss fließt sie dahin, die Lebenszeit. Erst durch In-Bezugsetzung zu anderen Ereignissen bekommt man ein Gefühl für die Monate, Jahre, Jahrzehnte. Am deutlichsten wird mir selbst die verstrichene Zeit, wenn FreundInnen/GenossInnen berichten, wie ihre Kinder geboren werden, zu sprechen beginnen, laufen lernen, eingeschult werden, auf eine weiterführende Schule wechseln.

Jedoch ansonsten? Was vor 5 Jahren passierte, ist für einen Gefangenen oftmals so, als wäre es gestern gewesen.
Zeit hat hier eine andere Qualität; wer kann „draußen“ schon sagen, was er/sie in zum Beispiel zwei Jahren am 02. Mai 2011 tun wird?
Gefangene können dies! Der 02. Mai 2011 ist ein Montag, es wird um 6.15 Uhr die Zelle geöffnet werden, um 6.40 Uhr gehen wir zur Arbeit. Um 11.45 Uhr wird es ein Mittagessen mit Reis geben, denn jeden Montag gibt es Reis zu Mittag. Und am nächsten Tag, ein Dienstag, wird es für jeden 1 Liter Milch geben, wie jeden Dienstag.
Von exakt 17.00 Uhr bis um 19.00 Uhr werden wir in einer Sportgruppe sein und um 19.20 Uhr in die Zellen für die Nacht eingeschlossen werden.

Zerteilt wird der Mahlstrom der Zeit durch die zwei Besuche pro Monat, sowie die zwei Einkaufstermine, zu welchen wir bestellte Nahrungs-/Körperpflegemittel (vgl. http://www.de.indymedia.org/2009/01/239491.shtml) erhalten.

Brave BürgerInnen werden nun rufen: „Das ist Eure gerechte Strafe!“
Muss Strafe wirklich sein? Hilft sie irgendwem; außer dass sie einen Gefängnis-Industriellen-Komplex ernährt?!

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Keine Freilassung für Meyer-Falk !?

Vor bald einem Jahr berichtete über das Verfahren zur „vorzeitigen“ Freilassung aus der Haft, betreffend meiner Person (http://de.indymedia.org/2008/05/218770.shtml). Hier nun ein Zwischenfazit.

Im Dezember 2008 besuchte mich der von Gericht bestellte Sachverständige Professor Dr. Foerster (Universität Tübingen) und unterhielt sich zwei Stunden mit mir. Sein schriftliches Gutachten vom 19.01.2009 führte dazu, daß ich ihn wegen Besorgnis der Befangenheit zwischenzeitlich abgelehnt habe. Über diesen Antrag entscheidet nun das Landgericht Karlsruhe (wobei im Falle der Zurückweisung des Antrags Beschwerde zum OLG möglich ist).

Foerster führt in seiner Zusammenfassung aus, daß „die Risikofaktoren überwiegen“ würden. Ich bedürfe therapeutischer Behandlung, erst in der JVA Bruchsal. Hier als Vorbereitung für eine sich anschließende langjährige Sozialtherapie in einer anderen Vollzugsanstalt welche nämlich über eine entsprechende sozialtherapeutische Abteilung verfüge.

Ohne dies näher zu begründen, geht der Sachverständige davon aus, daß eine ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliege. Erforderlich sein eine „Aufarbeitung der Taten“, auch bedingt durch die lange Einzelhaft (ich saß knapp 11 Jahre in Isolationshaft) sei „Gruppenerfahrung“ von Bedeutung und die „Förderung der sozialen Kompetenz, Gefühle zulassen können“, sowie adäquater Umgang mit Konflikten.

Staatsanwältin Arnold aus Mannheim erwiderte auf das Gutachten ich sei „offenbar nicht bereit, (mich) dem Gutachter offen mitzuteilen“ und es bedürfe eines breitgefächerten Behandlungsprogrammes, um mir „soziales Verantwortungsbewustsein zu vermitteln, das den verurteilten in die Lage versetzt, ein straffreies Leben führen zu können.“. Und Staatsanwalt Külker aus Heilbronn begehrt die Verwerfung meines Befangenheitsgesuchs. Mit intellektueller Brillianz kommt er zu der Erkenntnis „Der Verurteilte ist offensichtlich inhaltlich mit dem Ergebnis der Begutachtung nicht zufrieden.“.

Unabhängig von Inhalt und Ergebnis des Gutachtens ist festzustellen, daß nach aktuellen Untersuchungen (Michael ALEX in „Nachträglich Sicherheitsverwahrung – eine empirische erste Bilanz“, Universität Bremen) psychatrische Sachverständige viel zu vielen Gefangenen, bzw. Verwahrten eine „Gefährlichkeit“ attestieren. Alex vermutet, daß alleine bei den derzeit 435 Sicherheitsverwahrten 360, also über 80% zu Unrecht verwahrt werden.

Vor Jahrzehnten war es in Mode durch neurologische Eingriffe ins Gehirn (stereotaktische Operation) „Verbrecher“ vermeindlich „heilen“ zu wollen; heute geht man subtiler vor. Seinerzeit konnte sich ein Gefangener noch physisch wehren, auch wenn er dann gewaltsam fixiert wurde. Er hatte zumindest eine Möglichkeit aktiv zu handeln und sich zu widersetzen; der Operateur pfuschte dann im Gehirn herum. Heute aber soll der Gefangene bitteschön gleich selbst mitwirken an der eigenen Wesensveränderung. Die Gefangenen sollen alles über Bord werfen, was Gutachter, Justiz, Psychiater, Psychologen für hinderlich halten. So wie der Hund dem Stöckchen nachrennt, soll der Inhaftierte dem Stöckchen nachhecheln. Wer kennt nicht das Spiel mit Hunden, wenn man nur so tut als hätte man ein Stöckchen geworfen – der Hund hetzt dennoch los. Und genau so ergeht es auch vielen Gefangenen – die Justiz wirft nicht einmal ein Stöckchen und trotzdem hechelt ein Großteil der Gefangenen los.

Ich lehne diese „Spielchen“ ab; in der Konsequenz bedeutet dies, daß aktuell und auf die nächsten Jahre die Gerichte eine Freilassung verweigern werden.

Das Ziel ist immer die Freiheit – aber entscheidend ist der Weg dahin.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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