Am Vormittag des 23.10.2023 verhandelte das Schöffengericht, unter Vorsitz von Richter Peterson, flankiert von einer Schöffin und einem Schöffen knappe zwei Stunden gegen Herrn M. Ihm wurde von der Staatsanwaltschaft Freiburg zur Last gelegt , im September vor zwei Jahren von Freiburg mit seinem eigenen Auto nach Frankfurt an der Oder gefahren zu sein und dort dann vier Minderjährige aufgenommen zu haben, um diese nach Karlsruhe zu fahren. Sich schon auf der Rückfahrt befindend, wurden sie 100 km entfernt von Berlin von der Polizei kontrolliert und von dieser dann Strafanzeige wegen des Verdachts der Einschleusens Minderjähriger und das auch noch gegen Entgelt erstattet. So lautete dann auch die Anklage.
Ein Vorwurf der Herrn M., wie dann sein Freiburger Verteidiger, Rechtsanwalt Erschig, im Verlauf der Verhandlung schon auch Angst machte, denn eine Anklage zum Schöffengericht läuft oftmals auf eine Freiheitsstrafe hinaus.
Während der Verhandlung stellte sich dann aber heraus, daß Herr M. nicht wirklich wissen konnte, daß es sich um Minderjährige handelte, denn nachdem Gericht, Staatsanwältin Frau Dr. Rohr und der Verteidiger die seinerzeit aufgenommenen Lichtbilder der vier Geflüchteten angeschaut hatten, wollte keiner die Hand dafür ins Feuer legen selbst sagen zu müssen, daß es sich um Menschen unter 18 Jahren gehandelt hat.
Auch der Vorwurf gegen Entlohnung tätig geworden zu sein fiel bald in sich zusammen. Zwar konnte durch Chatverläufe sichergestellter Telefone von der Polizei ermittelt werden, dass ein Betrag von um die 750 Euro thematisiert worden waren, jedoch betrugen die Bezinausgaben für die Fahrt des Herrn M. nach Frankfurt an der Oder und zurück mehr als 500 €, so daß zu seinen Gunsten davon ausgegangen wurde, wie dann der Vorsitzende auch in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich betonen sollte, daß Herr M. aus “alturistischen Motiven” gehandlet habe: nämlich anderen Menschen helfen wollend, so wie ihm geholfen wurde, als er 2014 in die BRD flüchtete. Herr M. war nun selbst in der Lage helfen zu können, als er im September 2021 über einen Hamburger Bekannten seines Vaters, der nach wie vor im Irak lebt, nachts angerufen und um diesen Hilfsdienst für die vier Geflüchteten gebeten worden.
Hier lebt er mit einer (deutschen) Ehefrau, drei Kindern, gerade vor wenigen Wochen ist er nochmal Vater geworden, arbeitet hauptberuflich für eine Logistikfirma, im Nebenjob noch für Lieferando. Seine Frau ist im Mutterschutz und als Angestellte für die Stadt Freiburg tätig.
Im Verlauf der Hauptverhandlung, die gänzlich ohne Zeug*innen auskam, wurde Herrn M. der Hinweis erteilt, er könne auch wegen eines anderen Vorwurfs, als des angeklagten verurteuilt werden, nämlich statt des Einschleusens von Minderjährigen, bzw. Beihilfe hierzu, wegen “Einschleusens mehrerer Ausländer”.
So kam es dann auch. Die Staatsanwältin forderte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 15 €, wobei sie es für schulderschwerend hielt, daß es sich um vier Menschen gehandelt habe, die Herr M. in seinem Auto aufgenommen hatte.
Der Verteidiger forderte eine geringere Geldstrafe, stellte 50 Tagessätze in den Raum und auch eine geringere Tagessatzhöhe.
Nach kurzer Beratung verkündte das Gericht um kurz vor 11 Uhr sein Urteil: 70 Tagessätze Geldstrafe von jeweils 10 €. Zu Gunsten von Herrn M . wurde bedrücksichtigt, dass er gut integriert und eben wieder Vater geworden sein, daß er viel und hart arbeite, geständig war, was den Kernvorwurf anbetraf und er eben aus altruistischer Motivation gehandelt habe. Allerdings hatte er vor einigen Jahren ingesamt vier Geldstrafen u.a. wegen Körperverletzung erhalten, war also vorbestraft, aber nicht einschlägig, wie der Vorsitzende betonte.
Die Staatsanwältin gab Frage von RDL noch dahingehend Auskunft, daß man in Freiburg selten “Schleuserfälle” vor Gericht bringe, und wenn, dann seien es in der Regel Anhegörige oder Bekannte die anderen Angehörigen und Bekannten helfen würden. “Richtige Schleuserkriminalität”, so Frau Dr. Rohr, gebe es hier eigentlich kaum.
Auch wenn der Prozess öffentlich war, so interessierten sich wenige Menschen dafür, wäre nicht ich für RDL im Zuschauer*innenraum gesessen, so hätte auch von diesem Prozess niemand weiter Kenntnis genommen. Irritierend fand ich, wie während der Prozesspause der Verteidiger, die Staatsanwältin und auch die Protokollführerein des Gerichts sich relativ fröhlich unterhielten, über den (lang erwarteten) Umzug des Amtsgerichts in neue Räumlichkeiten, dann weniger fröhlich über die hohe Arbeitsbelastung der Bediensteten des Amtsgerichts, über andere Strafprozesse- und währenddessen saß Herr M. relativ verloren und unsicher auf seinem Stuhl.
In der Mittagssendung von RDL sprach kex mit mir über den Prozess und auch dessen politische Einordnung. Der Link zu dem Beitrag folgt noch.
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