Gefangene sind Lumpen?

Heute soll über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hamburg berichtet werden, wonach die Bezeichnung von Gefangenen als „Lumpen“ eine straflose Meinungsäußerung darstelle (Ziff. 1), sowie über den Ausgang eines über 6 1/2jährigen Rechtstreits eines Gefangenen der JVA Bruchsal (Ziff. 2).

1.) Gefangene sind Lumpen- so ein Wärter

Auch Strafvollzugsbedienstete sind gewerkschaftlich organisiert und zwar im Bund der Strafvollzugsbediensteten ( http://www.bsbd.de). Dessen Zeitschrift „Der Vollzugsdienst“ druckte 2008 einen Bericht des hamburgischen Vollzugsbeamten Schuster, der mit einem Kollegen eine Dienstreise in die bayrische JVA Kaisheim unternommen hatte ab. In seinem Bericht beschrieb Schuster eine Führung durch die Anstalt in Kaisheim und fand es offenkundig amüsant, daß dort das Personal die Inhaftierten umgangssprachlich als „Lumpen“ bezeichnet.

Diesen Begriff machte er sich sodann zu eigen, z.B. als er beschrieb, daß den „Lumpen“ in Kaisheim -im gegensatz zu den Haftraumausstattungen in Hamburg- keine CD-Spieler zur Verfügung stünden. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beamten Schuster wegen des Verdachts der Beleidigung (Az.: 7301 Js 62/09, Staatsanwaltschaft Hamburg) stellte Staatsanwältin Dr. Graue das Verfahren ein, weil der Begriff „Lump“ nach ihrer Auffassung „in Bayern offensichtlich eine übliche Bezeichnung ist“. Ferner fehle es dem Beamten an einem Vorsatz Gefangene beleidigen zu wollen, da er sich in seinem Bericht „lediglich des dortigen Jargons bedient und keine Herabsetzung (…) Gefangener beabsichtigt“ habe.

Die angerufene Generalstaatsanwaltschaft Hamburg (Az.: 2 Zs 715/09) machte zudem geltend, daß angesichts der kurzen Verjährungsfrist im Presserecht (6 Monate) auch schon Verjährung eingetreten sei, so Staatsanwältin Menke. Zur Zeit beschäftigen sich noch die Petitionsausschüsse in Hamburg und München mit der Frage welches Menschenbild wohl hinter der Verwendung des Begriffs „Lumpen“ für Gefangene stehen mag.

2.) Schadensersatz für Bruchsaler Gefangenen

In den vergangenen Jahren berichtete ich schon mehrfach über den Klagemarathon des Fritz G. aus der JVA Bruchsal. Seit dem 06.08.2009 liegt nun ein wohl endgültiges Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Az.: 12 U 226/06) vor.

Wie alles anfing: seit Anfang 2002 war Herr G. als „Einkaufshelfer“ beschäftigt. Im Verkaufsraum des damaligen Anstaltskaufmanns hatte er verschiedene Hilfstätigkeiten im Zusammenhang mit dem zweimal monatlich stattfindenen Basar-Einkauf zu erbringen. Mit Verfügung vom 02.06.2003 löste die Anstaltsleitung G. von dieser Tätigkeit ab, da er versucht haben soll eine Stange Tabak zu stehlen.

Sich keiner Schuld bewusst klagte er sich durch alle Instanzen, und wurde Ende November 2005 wieder als Einkaufshelfer eingesetzt. Dem ging u.a. ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (Az.: 7 Ca 327/05) voraus, welches mit einem Vergleich endete. Aber Herr G. wollte den ihm entgangenen Verdienst ersetzt bekommen, weshalb er das Land Baden-Würtemberg auf Schadenersatz vor dem Zivilgericht verklagte. In erster Instanz unterlag er 2006, da die Zivilkammer keine Amtspflichtverletztung erkennen wollte.

Hiergegen legte G. Berufung zu OLG ein. Zwischenzeitlich erging am 27.12.2007 noch eine Entscheidung des von Fritz G. angerufenen Bundesverfassungsgerichts (Az.: 2 BvR 1061/05) in welcher sich das Gericht zur Frage der Verantwortlichkeit der Anstalt bei Verwendung von Gefangenen in Privatunternehmen ausführlich äußerte und der Verfassungsbeschwerde stattgab. ( http://www.bverfg.de) Mit Urteil vom 06.08.2009 billigte jetzt das OLG Karlsruhe dem Gefangenen 960.- Euro, zzgl. Zinsen zu, betonte jedoch ausdrücklich, daß nicht jede unrichtige Rechtsanwendung durch Gefängnisbeamte eine schuldhafte Amtspflichtverletzung darstelle.

ng eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung vorausgehe, die dann getroffene Entscheidung „des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen“ werden könne, scheide ein Schadenersatzanspruch aus. Denn nur weil etwa strafvollzugsgerichtliche Entscheidungen eine Verfügung der JVA missbilligten und aufheben, folgte hieraus noch kein zivilrechtlich relevanter Schuldvorwurf.

Deshalb erhielt Herr G. auch nicht die insgesamt geforderten knapp 1900.- Euro für die Gesamtdauer der Nicht-Verwendung als Einkaufshelfer, sondern nur die erwähnten 960.- Euro für einen Teil des Zeitraums. Der ungerechtfertigte Vorwurf des versuchten Diebstahls belastete die Vollzugssituation des Fritz G. über Jahre. Es waren damit befasst: Landgericht (Zivilkammer und Strafvollstreckungskammer), das Amtsgericht (dort wurde er freigesprochen), das Oberlandesgericht (Strafsenat und Zivilsenat), das Bundesverfassungsgericht, das Arbeitsgericht.

Ein Prozessmarathon von 6 1/2 Jahren der viel Geduld und Nerven abverlangte und hätte Herr G. nicht eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verbüßen und deshalb genügend Zeit um alles durchzustehen, vielleicht im Nichts geendet.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z. 3113, Schönbornstrasse 32, D-76646 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas.de

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Haftbedingungen im europäischen Vergleich

Wer sich mit den Haftbedingungen in den Knästen beschäftigt, der oder die ist vielleicht auch daran interessiert etwas über die Situation in anderen Staaten zu erfahren. Selbst auf europäischer Ebene wird sich mit dieser Frage beschäftigt, wobei die Gründe hierfür einmal dahin gestellt bleiben sollen.

In einer Studie, welche im Auftrag des europäischen Parlaments die University of London (dort das „International Center for Prison Studies“) erstellte, wurden die Haftbedingungen in 27 Staaten Europas näher beleuchtet. Erkenntnisquellen waren primär die entsprechenden Ländergesetze zum Strafvollzug, aber genauso Berichte von amnesty international oder des Komitees des Europarates zur Verhütung von Folter. Zwar datiert die Studie (Az. Des Europäischen Parlaments: PE 358.897) von Professor Andrew Coyle von März 2004, dessen ungeachtet ist die auch noch fünf Jahre später lesenswert und informativ.

Auf den ersten 39 Seiten der insgesamt 138 Seiten umfassenden Studie stellt der Autor seine Erkenntnisse zusammenfassend dar. Er beklagt nachdrücklich die in vielen Staaten der Europäischen Union (EU) zu beobachtende Praxis der Überfüllung der Haftanstalten, die zunehmende Zahl der Gefangenen, obwohl die Zahl der Straftaten rückläufig ist. Sodann behandelt er die besonderen Aspekte jeder Freiheitsentziehung: Isolationshaft, Rassismus, Gesundheit, Kontakt mit der Aussenwelt, Arbeit, weibliche Gefangene und jugendliche Inhaftierte.

Die restlichen knapp 100 Seiten beinhalten jeweils detaillierte Analysen der eingangs erwähnten 27 EU-Staaten. Angefangen bei Österreich, über Osteuropäische Länder, aber auch Deutschland bis in den Süden, nach Italien, Spanien, Griechenland. Aus der Fülle der Informationen möchte ich folgende herausgreifen: Zu Spanien erwähnte Professor Coyle kritisch ausdrücklich das FIES-System (anschaulich bei Xose Tarrio in seinem Buch „Hau ab Mensch“ beschrieben), welches die Isolierung von Gefangenen erlaubt. Die Zahl der inhaftierten in Spanien sei von 1992 von 35.246 Gefangen auf 56.244 im Jahre 2004 gestiegen. 40 % seien mit Hepatitis infiziert, mindestens 15 % mit HIV/AIDS. Lettland sperrt, umgerechnet auf die Bevölkerungszahl am meisten Menschen weg, nämlich 351 von 100.000 Bürgerinnen und Bürgern, Estland immerhin 330 von 100.000. Die niedrigste Rate weisen Zypern mit 50 von 100.000 BürgerInnen auf und Slowenien mit 55 von 100.000. Die Überfüllung von Gefängnissen ist vielerorts ein drängendes Problem.

Für Griechenland wird eine Belegungsrate von 158 % angegeben: d.h. 8.841 Gefangene (Stand: Dez. 2003) standen nur 5.584 Haftplätze gegenüber. Frankreich das öfters von sich Reden macht, wies für 2003 ebenfalls nur 48.603 Haftplätze für 60.963 Gefangene aus. Insgesamt krankt die Studie daran, dass sie in weiten Teilen nur die Gesetzeslage in den einzelnen Ländern referiert; aber wir wissen alle, dass es einen großen Unterschied zwischen Theorie und Praxis gibt. Da der Gutachter jedoch auch –wie oben erwähnt- Berichte von amnesty international, Urteile des Menschenrechtsgerichtshofes einarbeitet, kann man nicht davon sprechen, dass er die Situation allzu rosig darstellt. Der Berichtsteil über die Lage in Deutschland umfasst knapp vier Seiten (S. 70-74).

Hervorgehoben wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Juli 1998 zu Gefangenenentlohnung, ferner, dass das Essen im Gefängnis dem in Freiheit vergleichbar wäre. Arbeit sei für 50 % der Gefangenen vorhanden.

Wer sich mit dieser Studie beschäftigt, der sollte jedoch auch die von mir schon früher besprochenen Studie des Europäischen Parlaments von Mai 2000 (Az.: PE 168.394/Fin.St.) mit dem Titel „Crowd Control Technologies“ (Techniken/Technologien zur Bekämpfung von Aufständen) lesen. Dort wird ausführlich dargestellt mit welchen technischen Möglichkeiten Aufstände, ob nun in Freiheit oder aber in Gefängnissen niedergekämpft oder aber z.B. „gefährliche Gefangene“ unter Kontrolle gehalten werden können. Sehr anschaulich ist das Beispiel des „elektrischen Gürtels“. Ein Gürtel mit eingebautem Elektroshocker, der von Wärtern per Fernbedienung ausgelöst werden kann. Vor dem Ersteinsatz an Gefangenen testete man ihn an Schweinen! Es gibt Gefängnisse in den USA, dort müssen als „gefährlich“ eingestufte und HIV-positive Gefangene solch einen Gürtel während ihrer gesamten Haftzeit tragen.

Auf 93 Seiten breiten die Sachverständigen die entsprechenden Technologien –zum Teil bebildert- aus. Beide Studien sind kostenlos über die Webseite des Europäischen Parlaments abrufbar ( http://europarl.de ; bei Problemen die Studien zu finden, kann man sich per Mail an das Archivzentrum des Parlaments wenden unter arch-info@europarl.europa.eu ). Inhaftierte Interessierte können die Studien ebenfalls unter Angabe der erwähnten Aktenzeichen bestellen. Hierzu schreibe man an Herrn Isaac Gonzales Garcia, c/o Parlement Europeen –Comite Editorial-, ATR 01L026, Rue Wiertz/Wiertzstraat 60, B-1047 Brüssel, Belgien. Jedoch sind beide Studien nur in ENGLISCHER Sprache zu beziehen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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Nachrichten aus dem Strafvollzug – August 2009

Im folgenden berichte ich zum einen über das Therapiekonzept des Justizvollzugskrankenhauses Hohenasperg (Baden-Württemberg) für Drogenabhängige (1.), im weiteren über den im Juni 2009 im Düsseldorfer Landtag vorgestellten Jahresbericht des Ombudsmanns für den Justizvollzug in NRW (2.) und schließe mit einem Beispiel aus dem kafkaesken Vollzugsalltag unter dem Stichwort Styropor-Kuchenring-Affäre (3.).


1.) Therapiekonzept

Drogenabhängige Gefangene in Baden-Württemberg können auf dem Hohenasperg (bei Stuttgart gelegen) eine entsprechende Therapie erhalten. Sie leben in Mehrmannzellen und haben sich dem Therapiekonzept der Anstalt zu unterwerfen. Der Therapieverlauf wird von einem sogenannten „Phasenmodell“ bestimmt, d.h. nach der Beobachtungsphase von etwa einem Monat folgt die Zugangsphase (Dauer 3 Monate) und hieran anschließend die Beobachtungsphase (Dauer 8 Monate), wobei nach letzterer Phase eine Entlassvorbereitung einsetzen sollte.


Grundlage für die tägliche Arbeit mit den Gefangenen ist eine „Interventionssystem“ genannte Methodik. In dem Papier der Anstalt (Station: PS IV, Stand: 02.07.2009) heißt es wörtlich: „Das Interventionssystem beruht auf dem Verständnis des selbstbestimmten und ressourcenorientierten Handelns und Verhaltens des Patienten. Sie sollen durch die regelmäßige Rückmeldung ihres Verhaltens (in Form von Punkten) zu positiven Verhaltensänderungen ermutigt werden.“


Was hat es mit den „Punkten“ auf sich? Insgesamt gibt es fünf „Kriterienlisten“: Therapie-Checkliste, HOSS (=Hygiene, Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit), Sport-Liste, Kommunikations-Liste und Lockerungs-Liste. Wer nun von einer Phase (siehe oben) in die nächste Phase aufrücken oder später Vollzugslockerungen erhalten möchte, der benötigt eine bestimmte Mindestpunkte-Zahl.

Hinsichtlich der HOSS-Liste kontrollieren die Wärter an 7 (!) Tagen der Woche Bett, Schrank, Nachttisch, Kühlfach, Sauberkeit, etc. und machen – Zitat – „Häckchen“ in einer Liste, wenn sie meinen, alles sei in Ordnung. 49 „Häckchen“ können pro Woche ergattert werden. Zwischen 45 und 49 „Häckchen“ gibt es am Ende der Woche einen Punkt, zwischen 40 und 45 gibt es keinen, bei unter 40 Häckchen erfolgt ein Punkteabzug und Nacharbeit.


Für fast jede Lebensäußerung innerhalb der Therapie gibt es Punkte, Häckchen oder entsprechenden Punkteabzug. Für „korrekte Sportkleidung“ ebenso wie für „Wortwahl“, „aktives Zuhören“ und „respektvollen Umgang“.


Wer in der Behandlungsphase die Grenze von 110 Punkten unterschreitet, erhält keine Vollzugslockerungen, da in diesem Fall nicht mehr „mit gebotener Sicherheit das Vorliegen einer Flucht- und Missbrauchsgefahr ausgeschlossen werden könne“. Wer also sein Bett nicht oft genug ordentlich macht oder zum Sport nicht in „angemessener“ Kleidung erscheint, dem werden in letzter Konsequenz Vollzugslockerungen verwehrt. Eine juristisch zumindest kreativ zu nennende Auffassung und Praxis – aber wo kein Kläger, da kein Richter. Ob es zudem psychologisch Sinn macht, die Gefangenen regelrecht dazu abzurichten, sich „Häckchen“ und „Punkte“ durch Anpassungsverhalten zu erdienen, scheint zumindest fraglich.


2.) Jahresbericht des Ombudsmanns NRW


Seit 2007, in Folge eines Mordes an einem Gefangenen in der JVA Siegburg, gibt es in Nordrhein-Westfalen einen Ombudsmann für den Justizvollzug. Seit 2007 wird dieses Amt von dem ehemaligen Direktor am Amtsgericht Rolf Söhnchen bekleidet.

In seinem 74-seitigen Bericht für den Zeitraum März 2008 bis März 2009 widmet Söhnchen sich ausgiebig den Problemen des Vollzugspersonals, angefangen bei hohen Krankenständen, geringer Wertschätzung ihrer Arbeit oder deren Klagen über die lange Dauer von Versetzungsgesuchen, und dann auch den Problemen und Themen, welche Inhaftierte oder deren Angehörige beschäftigen.

In einer Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags in Düsseldorf vom 17. Juni 2009 (Ausschussprotokoll 14/908, Seite 4ff) gab Söhnchen seine Einschätzung über Gefangene wie folgt zu Protokoll:


„Gegen ihn selbst laufe ein Prozess, weil er einen Gefangenen genötigt haben solle. Er wisse, wovon er rede. Deshalb wolle er dem ein oder anderen in Erinnerung rufen (…), dass die Gefangenen es mit ihrer Wahrheitsliebe nicht sehr genau nähmen“.


Diese pauschalisierende Diffamierung der Gefangenen ist bezeichnend und sagt viel über die Einstellung des Ombudsmanns aus.


Während des Berichtzeitraums habe er mit 529 Bediensteten und 383 Gefangenen gesprochen (Jahresbericht, a.a.O., Seite 9). 57 Bedienstete hätten ihn zudem angeschrieben und von Gefangenen seien 873 Eingaben, sowie von Angehörigen 36 Eingaben zu verzeichnen gewesen. Die größte Zahl an Eingaben, so ist dem Bericht (a.a.O., Seite 10) zu entnehmen, kam aus der JVA Duisburg-Hamborn (151), danach folgte Geldern (69), Gelsenkirchen (55), sowie Bochum und Kleve mit je 49 Eingaben. Auf den Seiten 20-22 schlüsselt Söhnchen die Anliegen im Einzelnen auf. Die größte Zahl an Eingaben (69) erfolgte zur Problematik der Verlegung in den Offenen Vollzug, auf Platz 2 folgten Probleme mit Bediensteten (48) und ein Zuwenig an Vollzugslockerungen (42 Eingaben).


In Teil V und VI seines Berichtes geht der Ombudsmann auf insgesamt 43 Problembereiche zumindest etwas näher ein. Ob nun das Problem der Genehmigung einer Playstation II (wird weiterhin vom Justizministerium aus Sicherheitsgründen abgelehnt, was aber selbst dem Ombudsmann sachlich nicht wirklich nachvollziehbar erscheinen mag), der Frage der Eingangsbestätigung von Gefangenenanträgen und der für sie eingehenden Post oder Auswirkungen der vor einiger Zeit eingeführten zusätzlichen Prüfungsstufe vor der Gewährung von Vollzugslockerungen.


Mittlerweile soll es wohl eine Weisung des Justizministeriums geben, wonach die Jahresberichte in den Anstaltsbibliotheken zur Entleihe für die Gefangenen bereit zu halten seien.

Von 27 Anstaltsleitern hatten immerhin 10 „Bedenken“ gegen eine Auslegung des Berichts, denn schließlich gingen die Gefangenen die in den Berichten geschilderten Probleme der Bediensteten nichts an (a.a.O., S. 49).


Wer sich mit der Materie Strafvollzug beschäftigen möchte, erhält durch den Bericht zumindest einen ersten Einblick, wenn dieser jedoch auch mitunter etwas einseitig gerät, was aber nicht überrascht, wenn man bedenkt, dass dessen Autor ehemaliger Direktor eines Amtsgerichts und mithin von Hause aus sehr justiznah ist.


3.) Styropor-Tortenring-Affäre


Wer kennt sie nicht, die Styropor-Tortenringe von Tiefkühltorten?

Seit Urzeiten könne sich Gefangene in Bruchsal zwei mal im Monat von ihrem Verdienst Lebensmittel kaufen, und eben auch Tiefkühltorten. Gefangener Gerd T. behielt einen solchen Styropor-Tortenring in seiner Zelle, da er diesen gut gebrauchen konnte, um sich aus Fertigtortenboden selbst einen Kuchen zu machen. Eines Tages gefiel es dem Wärter, den Tortenring an sich zu nehmen und als „Müll“ zu entsorgen – und ohne Gerd T. zuvor zu befragen. Dieser wandte sich an das Gericht und dieses gab ihm vollumfänglich recht (LG Karlsruhe, 151 StVK 27/09, 08.07.2009). Die Entnahme und Entsorgung war, so die Kammer „rechtswidrig“.


Wie sah nun die Reaktion der Anstaltsleitung aus? Sie entschuldigte sich bei dem Gefangenen T.?? Aber nein! Ähnlich einem trotzigen Kind, das aufstampft, wenn Vater mit ihm schimpft, nutzte die Anstalt, bzw. das zuständige Personal seine Macht und verbot kurzerhand den Kauf der besagten Tiefkühltorten für die Zukunft und setzt so ihre Vorstellung auf diesem Wege durch.


Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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Schweinegrippe im Knast

Nun ist die Schweinegrippe auch im Gefängnis angekommen. In der JVA Freiburg wurden Anfang August 14 Gefangene in Quarantäne genommen, sprich in das Krankenrevier verlegt, da sie Kontakt zu einem Wärter hatten der sich auf seinem Mallorca-Urlaub mit dem H1N1-Virus infizierte. Auch weitere Wärter gelten als potentielle Gefahr, da sie mit dem Mallorca-Urlauber eine Fahrgemeinschaft bildeten.

Zu leiden haben jedoch alle Insassen des Freiburger Gefängnisses, da vorbeugend die Anstalt nahezu völlig abgeriegelt wurde. Keinerlei Besuche durften empfangen werden, keine Transporte, keine Termine bei Gericht, keiner darf arbeiten (bis auf die Insassen der Küche und anderer ähnlich wichtiger Bereiche), selbst der nun alle 14 Tage stattfindene Einkaufstag steht auf der Kippe.


Bei allem Verständnis für Prophylaxe, dieses Maßnahmenpaket, das wohlgemerkt für die Insassen gilt, nicht nur die 14 unter Quarantäne stehenden, erscheint überzogen. Zumindest erhalten die Gefangenen die Lohnausfall erleiden diesen ersetzt (vgl. § 56 Infektionsschutzgesetz, Zahlungspflichtig ist das jeweilige Bundesland, vgl. § 66 IfSG).


Bis 9.8.2009 sind die Maßnahmen vorerst befristet; es bleibt abzuwarten wie danach verfahren wird. Angesichts der um sich greifenden Infektionsfälle, wir sind in der Hauptreisezeit, dürfte es noch weitere Knäste treffen.

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Gericht verweigert Freilassung von Meyer-Falk

Nach meiner Festnahme 1996 wurde ich 1997 vom Landgericht Heilbronn
wegen eines versuchten Banküberfalls zu 11 1/2 Jahren und
Sicherheitsverwahrung verurteilt. In weiteren Verfahren kamen summa
summarum 5 Jahre und 3 Monate Haft hinzu, da sich einige RichterInnen
und PolitikerInnen von mir beleidigt, bzw. bedroht fühlten.

Nachdem 2007 von den Strafen zwei Drittel verbüßt waren, beantragte ich
meine Freilassung auf Bewährung. Dies lehnte das Landgericht Karlsruhe
(Vorsitzender Richter Kleinheinz, Richterinnen am Landgericht Görlitz
und Herlitze) mit Beschluss vom 04. Mai 2009 ab.
Die Kammer ist der Ansicht, ich bedürfe einer langjährigen
Sozialtherapie (in einer entsprechenden Abteilung einer JVA) um dort die
„bestehende Persönlichkeitsproblematik“ aufzuarbeiten, insbesondere aber
einen „sozialkompetenten Umgang mit Konfliktsituationen“ zu erlernen. Es
bestehe eine „ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörung“, von
deren „Hintergrund die Straftaten gesehen werden“ müssen.

Besonders nachteilig wirke, so das Gericht, daß ich nicht regelmäßig an
gemeinschaftlichen Veranstaltungen innerhalb der JVA teilnehmen würde;
dies lasse nur den Rückschluss zu, daß ich „nach wie vor nicht
konfliktfähig im Sinne einer sozialkompetenten Auseinandersetzung mit
anderen“ sei.

Eine gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde wurde durch das
Oberlandesgericht (1. Strafsenat) Karlsruhe verworfen, so daß die
Entscheidung nun rechtskräftig ist. Bis 2013 kann (und werde ich wohl
auch) alle 6 Monate meine Freilassung beantragen und nach Beginn der
Sicherungsverwahrung kann dann alle zwei Jahre ein solches Gesuch
gestellt werden.

Was heißt nun „sozialkompetenter Umgang mit Konfliktsituationen“? Habe
ich jemals z.B. einen Wärter der mich provozierte physisch angegriffen?
Nein. Oder einen Mitgefangenen? Ebenfalls nein. Ich nehme mir jedoch die
Freiheit über Missstände im Strafvollzug zu berichten, sie öffentlich zu
machen, anstatt sie „sozialadäquat“ unter den Teppich zu kehren.

Über die Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit von Sozialtherapien kann
gestritten werden (erst kürzlich wurde ein wegen Sexualverbrechen
vorbestrafter ehem. Sicherungsverwahrter, den die sozialtherapeutische
Abteilung in Asperg/bei Stuttgart „behandelt“ hatte und den ein Gericht
2007 dann frei ließ, erneut in Bruchsal eingeliefert, nachdem er nämlich
2008 prompt wieder eine Frau vergewaltigte). Ich für mich lehne sie ab;
denn eine solche Zwangstherapie die darauf setzt, daß der Proband am
Ende in die Schablonen der TherapeutInnen, GutachterInnen und
RichterInnen passt ist mit meinen Menschenbild nicht zu vereinbaren.

Diese Haltung brachte mir schon den von mir als zynisch erlebten Vorwurf
ein: „Du willst doch gar nicht mehr raus“. Es geht mit Sicherheit darum
wieder frei zu kommen, aber nicht um den Preis sich jahrelang (denn es
geht um eine Jahre dauernde Therapie) zu verbiegen, von staatlichen
Psychologinnen und Psychologen im Hirn herumdoktern zu lassen, bis man
-wie ein pawlowscher Hund- zu sabbern beginnt, wenn die TherapeutInnen
mit dem Glöckchen klingeln. Das mag eine sehr subjektive Sicht der Dinge
sein, jedoch bekam ich von therapeutisch tätigen Personen in meinem
Umfeld durchaus zu hören, daß unter qualitativen Gesichtspunkten bspw.
die Sozialtherapie auf dem Asperg ziemlich sinnlos sei.

Aber auch eine qualitativ hochwertige Therapie kann nicht dem
Betroffenen aufgezwungen werden; es mutet zudem perfide an den
politischen Aspekt der Handlungen die mit Knast und SV geahndet wurden
vollkommen zu negieren und alles einer „narzisstischen
Persönlichkeitsstörung“ zuzuschreiben. Es ist eine banale Erkenntnis,
daß die menschliche Psyche es ist die uns motiviert dieses oder jenes zu
tun oder zu lassen.

Die hier beobachtbare Pathologisierung menschlichen Tuns entspricht
zweifelsohne dem Menschenbild des Gutachters und der RichterInnen, aber
sie ist kein Grund auf ihre Forderungen einzugehen und sich damit ihrem
Diktat zu unterwerfen.

Und so werde ich vorerst weiter aus dem Knast berichten, anstatt mich in
Freiheit an der Auseinandersetzung beteiligen zu können.

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Folter in Jugendgefängnis

Anfang Juli 2009 wurde ruchbar, dass mehrere Gefangene in der Jugendstrafanstalt Regis-Breitingen im Frühjahr 2008 einen Jugendstrafgefangenen über Wochen schwer misshandelt haben sollen; am Ende sollen die Täter versucht haben, ihr Opfer zu töten, was ihnen jedoch misslungen sei.

Der Aufschrei in den Medien war groß; nicht so groß wie im November 2006, als in der JVA Siegburg (bei Bonn) ein Mitgefangener zu Tode gequält wurde, jedoch immerhin. Es gab zahlreiche Berichte in den regionalen und überregionalen Medien über den Fall an sich und die Situation speziell in Jugendgefängnissen im Besonderen. Was war geschehen?

Insgesamt neun Gefangene zwischen 15 und 24 Jahren sollen ihr Opfer, einen 18-jährigen Mitgefangenen, zwischen April und Mai 2008 geschlagen, mit kochendem Wasser verbrüht, bedroht und schließlich versucht haben zu erdrosseln. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat die Tatverdächtigen zwischenzeitlich angeklagt.
Empört zeigte sich der Bürgermeister von Regis-Breitingen bei Leipzig darüber, dass er als Vorsitzender des Anstaltsbeirats 2008 nicht von dem Vorgang zeitnah informiert worden sei. Beim Anstaltsbeirat handelt es sich meist um Politiker oder sonstige Honoratioren aus der Gemeinde der jeweiligen Anstalt, die nach dem Gesetzeswortlaut „bei der Gestaltung des Vollzuges und bei der Betreuung der Gefangenen“ mitwirken (vgl. § 163 Strafvollzugsgesetz). Insbesondere haben sie durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge den Anstaltsleiter zu „unterstützen“.

Im Haftalltag erleben viele Gefangene die jeweiligen Beiratsmitglieder als eher desinteressiert, oder aber als verlängerten Arm des Anstaltsleiters.
Aufschlussreich war in vorliegendem Fall eine Pressemitteilung des Sächsischen Justizministeriums vom 06. Juli 2009 (Medieninformation 64/09), denn dort merkte man an, der Beirat der Anstalt sei „im Juni 2008 über die Misshandlung des Gefangenen und die Einschaltung der Staatsanwaltschaft informiert“ worden.

Und so musste am 15.07.2009 der erwähnte Beiratsvorsitzende kleinlaut einräumen, dass er tatsächlich seinerzeit informiert wurde, jedoch habe man ihm keine Details mitgeteilt, schob er nach.

Dies deckt sich mit den Erfahrungen der Gefangenen anderer Anstalten: die Beiratsmitglieder sitzen mit der Anstaltsleitung bei Kaffee und Keksen zusammen, gelegentlich werden sie durch Teile der Anstalt geführt. Und wenn sich mal ein Gefangener zu einem Gespräch meldet und um Hilfe bittet, darf der Betreffende schon froh sein, wenn er am Ende die Mitteilung erhält, man werde die Anstaltsleitung bitten, Stellung zu nehmen. Und mit der dann eingeholten Stellungnahme ist die Angelegenheit auch beendet; d.h. kritisches Hinterfragen der Haltung der Anstaltsleitung ist eine Seltenheit. Gerne wird sich jedoch mit der Urkunde geschmückt, die es für dieses Ehrenamt seitens des jeweiligen Bundeslandes gibt.

Gewalt in Gefängnissen, und gerade in Jugendstrafanstalten ist Alltag!

Wo Menschen mit problematischen Biografien auf engstem Raum zusammengepfercht werden, man ihnen die Möglichkeit nimmt, einander auch auszuweichen, gedeihen Nächstenliebe und Friede in den seltensten Fällen. Auch wenn dies das Verhalten der mutmaßlichen Täter nicht entschuldigt, so sollten gerade solche Vorfälle Anlass sein, über Alternativen zu den Knästen nachzudenken.
Aber es ist genauso zu fragen, weshalb weder der Beirat (dem übrigens auch eine Abgeordnete der LINKE angehört) noch der Justizminister von sich aus 2008 die Öffentlichkeit informierten. Der Minister behauptet, der „Schutz der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Jugendlichen“ (vgl. Medieninformation vom 06.07.2009) habe im Vordergrund gestanden. Soviel Fingerspitzengefühl bewies Minister Mackenroth vor einigen Jahren, als er seine Solidarität mit Polizei-Vizepräsident Daschner (dieser hatte einem Verdächtigen Folter androhen lassen) bekundete, nicht; aber vielleicht ist Folter für ihn auch deshalb nicht etwas allzu außergewöhnliches.

In deutschen Gefängnissen werden nach einschlägigen Untersuchungen (vgl. „Sicherheitsempfinden im Justizvollzug“ in: Justiznewsletter der Führungsakademie im niedersächsischen Justizvollzug, Ausgabe 10 vom 16.04.2009,(http://www.fajv.de) fast 30 % der Inhaftierten während ihrer Haftzeit Opfer von Gewalt, Bedrohung oder Erpressung (nur übertroffen z.b. von Lettland, Polen und Litauen).

Seit Gefängnisse existieren gibt es Folter und Übergriffe, ob nun seitens Gefangener auf Mitgefangene oder Wärter auf Inhaftierte – und solange es Gefängnisse geben wird, hat diese Gewaltspirale kein Ende!

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Pressemitteilung zum Düsseldorfer §129b Verfahren

Pressemitteilung zum Düsseldorfer §129b Verfahren
Termin 3.August 12 Uhr am OLG Düsseldorf, Kapellweg 36
Zu Lehrstunden in Sachen Klassenjustiz und institutionalisiertem
Rassismus entwickelt sich das Verfahren nach Paragraph 129b StGB vor dem
2. Strafsenat am OLG Düsseldorf. Verhandelt wird dort seit dem 15.1.2009
gegen Faruk Ereren, der sich nach dem Militärputsch in der Türkei am 12.
September 1980 zum aktiven Widerstand entschloss, deshalb war er dort
langjährig in Haft, wurde gefoltert, unter anderem wurden
Scheinhinrichtungen an ihm vollzogen.
Hier in Deutschland wirft man ihm Mitgliedschaft in führender Position
in der verbotenen Volksbefreiungsfront/partei (DHKP-C) vor. Interessant
in diesem Zusammenhang: Ursprünglich ging das Verbot der Partei von dem
als rechtstreu bekannten Innenminister Kanther (CDU) aus. Am 13. August
1998 hatte Innenminister Kanther(CDU) die Revolutionäre
Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) in Deutschland verboten. Und im
zweiten §129 b Prozess in Stuttgart gab es bereits einige Skandale.
Dort war im Herbst Serdar Bayraktutan, Leiter der Abteilung DHKP-C in
der Istanbuler Antiterroreinheit, nach Stuttgart vorgeladen worden, um
dort seine Erkenntnisse über die Organisation vorzutragen. Die Anwälte
der Angeklagten stellten jedoch fest, daß gegen Bayraktutan ein
Gerichtsverfahren eröffnet wurde. Der Vorwurf: Er soll gefoltert haben.
Daraufhin beendete das Gericht die Vernehmung Bayraktutans, um dessen
Dienststelle zu kontaktieren.
Auch in Düsseldorf läuft nicht alles nach Maß, es gab Übergriffe auf
Prozessbeobachter, türkisches Beweismaterial beruhend auf Folteraussagen
wurde akzeptiert.
Während in Düsseldorf BKA Zeugen vorgeben wichtige Tatsachen nicht zu
kennen, werden türkische Linke als Zeugen vor Gericht genötigt jedes
einzelne Detail, und sei es auch 20 Jahre her, genau dazulegen.
Am letzten Verhandlungstag im Monat Juni brachte dies der Zeuge des BKA
– ein Kriminalhauptkommissar- auf den Punkt: Ein Schwerpunkt der §129 b
Verfahren seien die „Personenbeweise“ aus türkischen Gerichtsurteilen
und diese stützen sich auf „Aussagen des Beschuldigten“ in der Türkei.
In diesem Zusammenhang sprach er wortwörtlich von „so genannten
Missständen in türkischen Gefängnissen“. Der BKA Beamte berücksichtigte
die Tatsache nicht, daß die Türkei regelmäßig wegen ihrer
Informationsgewinnung durch Folter vom Europäischen Gerichtshof
verurteilt wird.
Sich genau erinnern musste allerdings der Zeuge Nuri E. am Vortag. Die
Bundesanwaltschaft wollte detaillierte Angaben welche Bücher und
Broschüren die DHKP-C vor einem Jahrzehnt bei ihren Schulungen einsetzte
– unter anderem wurde der Zeuge Nuri E. auch nach den Herausgebern
befragt. Über eine Stunde lang dauerte die diesbezügliche Befragung
durch den Staatsanwalt der BAW auch nach der“DHKP-C Bibliothek“.
Schwierig für Nuri E. ist in diesem Fall seine Behinderung: Während der
Haft in der Türkei wurde Nuri E. regelmäßig gefoltert, infolge dessen
ist Nuri E. erblindet. Einige Tage später, am 2.Juli, musste Nuri E.
dann bereits zum fünften Mal als Zeuge aussagen. Bei einer für den
Prozess um Faruk Ereren völlig unrelevanten Frage machte er von seinem
Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht selbst der
Strafverfolgung auszusetzen. Des Weiteren wies er drauf hin, dass in den
fünf Prozesstagen nur selten Fragen zum eigentlichen Verfahren kamen.
Doch der Richtersenat drohte nach vorhergegangenem Antrag der
Bundesanwaltschaft, mit einem Ordnungsgeld von 1000 Euro und 1 Monat
Beugehaft, weil man die Rechtmäßigkeit der Aussageverweigerung nicht
anerkannte. Doch dies stieß beim Zeugen verständlicherweise auf
Unverständnis. Er wiederholte seine Bedenken und berief sich erneut auf
sein Recht auf Aussageverweigerung. Nach zwei viertelstündigen
Beratungen des Richtersenats verkündete dieser, dass die Verweigerung
widerrechtlich sei und verhängte 500 Euro Bußgeld und bis zu drei Monate
Beugehaft. Besonders zynisch bemerkte der Vorsitzende Richter des
2.Strafsenates für Nuri E. sei die Beugehaft wohl ein wirksames Mittel
um sich zu besinnen, denn er sei ja erblindet. Nuri E. wurde noch im
Gerichtssaal abgeführt und bleibt vorerst bis zum nächsten
Prozesstermin, der aufgrund einer sog. „Sommerpause“ des OLG erst für
den 3. August angesetzt ist, in Haft.
Der Prozess beginnt: 12 Uhr am OLG Düsseldorf, Kapellweg 36.
Es wird dringend um die Anwesenheit der Presse gebeten, damit
Öffentlichkeit gewährleistet ist!

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Die „Geständnisse“ im Stammheimer §129bVerfahren

Am Montag, den 20. Juli 2009 wurde das in Stuttgart-Stammheim laufende
§129b-Verfahren gegen Mustafa Atalay, Ilhan Demirtas, Devrim Güler,
Hasan Subasi und Ahmet Düzgün Yüksel in zwei Prozesse aufgetrennt. Die
öffentlichen Berichte, dass diese Abtrennung auf „Geständnissen“ seitens
der Angeklagten beruhen würde, verschleiern den gesamten Verlauf dieses
politisch hoch brisanten Prozesses, da die Farce und die Brutalität
dieses Verfahrens nicht zum Ausdruck kommen; geschweige denn – bewusst
politisch motiviert oder durch fragwürdig durchgeführte jounalistische
Recherchearbeit – verschwiegen werden.

Zum Hintergrund ist zu sagen:
Seit dem 17. März 2008 läuft das Verfahren gegen die fünf Migranten,
denen auf Basis des 2002 eingeführten §129b die „Mitgliedschaft in einer
ausländischen terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen wird. Vorgeworfen
wird ihnen konkret die Mitgliedschaft in der DHKP-C (Revolutionäre
Volksbefreiungspartei/Front), welche in der Türkei auch bewaffnet für
eine sozialistische Revolution kämpft. Die Anklagepunkte beziehen sich
auf das Sammeln von Spendengeldern, auf die Organisation von Picknicks
und Veranstaltungen, wie auch auf die Organisation von einem
Waffentransport. Basis der Anklage sind neben Akten und Aussagen aus der
Türkei die Aussagen des Hauptbelastungszeugen Hüseyin Hiram. Dieser
arbeitete sowohl für den türkischen Geheimdienst (MIT) als auch für den
deutschen Verfassungsschutz und wurde bereits dafür verurteilt. Darüber
hinaus leidet er unter Schizophrenie, was die Qualität seiner Aussagen
erheblich beeinflusst.

Was ereignete sich aktuell?
Am 20. Juli erfolgte nun die Abtrennung des Prozesses in zwei
§129b-Verfahren. Hintergrund waren die Einlassungen von drei der
Angeklagten: dem herzkranken Mustafa Atalay, Ilhan Demirtas und Hasan
Subasi, die sie auf Basis ausgehandelter Urteile gemacht haben. Devrim
Güler und Ahmet Düzgün Yüksel machten keine Einlassungen, das Verfahren
gegen sie läuft deswegen getrennt weiter.

Wie in einigen Medien lanciert aber wurde, sollen „Geständnisse“ den
Grund für die Abtrennung der Verfahren der drei Angeklagten darstellen.
Entgegengesetzt zu den gebrachten Meldungen belasten die Angeklagten in
den bereits angesprochenen Einlassungen niemanden und distanzieren sich
nicht von der kriminalisierten Organisation.

Der Fall von Mustafa Atalay schildert die Situation und den Beweisstand
des Verfahrens eindrücklich und soll exemplarisch dafür dienen, uns die
Umstände zu verdeutlichen: Mustafa Atalay, der über 15 Jahre in der
Türkei bereits im Gefängnis saß und dort schwer gefoltert worden war,
wurde im November 2006 nur zwei Wochen nach einer schwierigen
Herzoperation aus einer Reha-Klinik heraus verhaftet und befindet sich
seitdem in Einzel-Untersuchungshaft unter Isolationsbedingungen. Durch
seinen angeschlagenen Gesundheitszustand, der bereits vor der Haft
kritisch war und sich während dessen stetig verschlechterte, sowie dem
Umstand geschuldet, dass der Senat sein Leben durch die dreimalige
Ablehnung des Antrags auf Haftunfähigkeit und der fehlenden nötigen
medizinischen Versorgung aufs Spiel setzte und weiterhin setzt, ließ man
ihm – trotz der Tatsache, dass keine Beweise existieren – keine andere
Wahl als die ausgehandelten Bedingungen zu akzeptieren. In seiner
Einlassung bekannte er sich dazu „Sozialist zu sein und das Programm der
DHKP-C zu kennen“ – wie es wohl auch die Generalbundesanwältin
Becker-Klein kennen wird. Dafür soll er nun eine Strafe von fünf Jahren
bekommen.

Ilhan Demirtas soll eine Strafe von dreieinhalb Jahren bekommen und
Hasan Subasi soll mit zwei Jahren und 11 Monaten bestraft werden.
Der Umstand, dass die Angeklagten einen Großteil ihrer Strafe bereits
abgeleistet haben, bedeutet dass Ilhan Demirtas und Hasan Subasi am Tag
der Urteilsverkündung freigelassen werden und dass Mustafa Atalay im
November aus der Haft entlassen wird und die Reststrafe zur Bewährung
ausgesetzt wird.

Zu diesen Absprachen kam es durch die seit Dezember 2008 stattfindenden
Gespräche zwischen Bundesanwaltschaft, Senat und Verteidigung, in denen
eine Abkürzung des Verfahrens erwirkt werden sollte.
Juristisch bedeutet das, dass mit einer Abtrennung der Verfahren, die
eine Beschleunigung des gesamten Verfahrens darstellen, ein wichtiger
Schritt in Richtung der Etablierung des §129b getan ist. Falls das
Urteil dann auch in der Revision bestätigt werden würde, wäre der
Paragraph durch.

Wir bringen an dieser Stelle erneut unseren Protest gegen die deutschen
Anti-Terror-Gesetze §§129, 129a und 129b zum Ausdruck. Politisches
Engagement in Form des Kampfes für soziale Gerechtigkeit und des
Widerstandes gegen imperialistische Kriege, Ausbeuitung und
Unterdrückung sind kein Verbrechen, sondern legitim und notwendig.

Weg mit den §§129!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Komitee gegen §§129
www.no129.info
23.07.2009

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