BGH hebt Verurteilung eines Mannheimer Polizisten auf

Am 01.03.2024 hatte das Landgericht Mannheim einen Mannheimer Polizisten zu einer Geldstrafe verurteilt, weil dieser Ante P., der sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden hat, mehrfach gegen den Kopf geschlagen hatte. Kurze Zeit später starb der Mann. Der BGH hob nunmehr die Verurteilung auf.

Der Hintergrund des Falls

Im Mai 2022 kam es am Mannheimer Marktplatz zu einem tödlichen Polizeieinsatz. Ein Mensch befand sich in einer psychischen Ausnahmesituation. Daraufhin ruft ein Arzt des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim die Polizei weil er befürchtete, der 47-jährige Psychiatrie-Patient könne sich selbst gefährden. Am Ende des Polizeieinsatzes war, wie so oft in vergleichbaren Fällen, der Patient tot.

Weit über die Stadtgrenzen hinaus erregte der Fall Aufmerksamkeit und führte zu massiven Protesten wegen Polizeigewalt.

Das Urteil des LG Mannheim

Das Landgericht sprach einen der beteiligten Polizisten frei, was der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich bestätigte. Ein weiterer Polizist wurde wegen Körperverletzung im Amt zu einer geringen Geldstrafe, von 6.000 € verurteilt.

Revision zum Bundesgerichtshof (BGH)

Gegen Urteil des Landgerichts hatte die Schwester des Toten, als Nebenklägerin, Revision zum BGH eingelegt. Nach der mündlichen Verhandlung hob der BGH nun am 17.10.2024 die Verurteilung auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung an das Landgericht Mannheim zurück. Die Schwester wollte eine Verurteilung zumindest wegen Körperverletzung mit Todesfolge erreichen. Damit drang sie nicht durch, und nicht nur das. Der BGH stellte sich nun auf den Standpunkt, dass das Urteil Rechtsfehler zu Lasten (!) des Polizisten aufweise, weshalb das Urteil aufgehoben und an das Landgericht zur neuen Verhandlung zurückverweisen wurde. Die genauen Urteilsgründe sind jedoch noch nicht bekannt.

Bewertung

Unterschiedliche Fälle zu vergleichen ist immer etwas problematisch, aber sobald Polizist*innen als (angebliche) Geschädigte involviert sind, kennt die Justiz keinerlei Hemmungen. Ich erinnere exemplarisch an die Verurteilung von jungen Antifaschist*innen die von der bayrischen Justiz zu 18, bzw. 15 Monaten Gefängnis verurteilt wurden, weil sie vor vier Jahren Polizist*innen angeschrien (!) haben sollen.

Im Fall in Mannheim war es evident, dass ein Mensch in einer Ausnahmesituation, der eigentlich Hilfe brauchte, von der Polizei zu Boden gerungen, gefesselt und malätriert wurde und anschließend verstarb. Den Freispruch eines des beteiligten Polizisten bestätigte der BGH schon, ob auch der zweite Polizist völlig ungeschoren davon kommen wird, bleibt abzuwarten.

Wie die Wochenzeitung kontext vor wenigen Wochen berichtete, sind Polizisten die im Zusammenhang stehen mit dem Geschehen am 02. Mai 2023, aber auch mit einem weiteren Todesfall vom 23. Dezember 2023, anwaltlich gegen die „Initiative 2. Mai“ vorgegangen, da sie sich „verleumdet“ fühlen. Ertekin Ö. starb im Dezember 2023 in Folge von Polizeischüssen in Herz und Lunge.

Die Polizeigewerkschaft GdP beabsichtigt gegen Mitglieder der Interventionistischen Linke (IL) vorzugehen, weil Polizist*innen im Zusammenhang mit Protesten gegen tödliche Polizeiaktionen beleidigt worden seien. Wer Polizist*innen anschreit, der/dem droht schnell mal eine Verurteilung zu einer Haftstrafe. Wer darauf hinweist, dass Polizist*innen andere Menschen getötet haben, dem werden Anwält*innen und die Staatsanwaltschaft auf den Hals gehetzt. „Tief betroffen“ zeigt sich die GdP nicht etwa nach dem Tod von Ante P. und Ertekin Ö., sondern erst, als ein Polizist starb.

Das sind die Maßstäbe von Staat, Justiz und Polizei.

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Bundesgerichtshof verhandelt über Antifa-Ost Verfahren

Nachdem am 31. Mai 2023 das Oberlandesgericht Dresden im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren, mehrere Antifaschist*innen zu mehrjährige Haftstrafen verurteilte hatte, legten diese, wie auch der Generalbundesanwalt Revision zum Bundesgerichtshof ein (BGH). Für dem 06.02.2025 hat der BGH nunmehr eine mündliche Verhandlung angekündigt.

Das Verfahren vor dem OLG Dresden

Von September 2021 bis Mai 2023 verhandelte der Staatsschutzsenat des OLG Dresden gegen vier Antifaschist*innen, denen der Generalbundesanwalt (GBA) unter anderem vorwarf, an einer eine kriminelle Vereinigung (§ 129 StGB) als Mitglied beteiligt oder diese unterstützt zu haben. Das Gericht verurteilte sie schließlich zu Haftstrafen zwischen 2 Jahren und 5 Monaten sowie 5 Jahren und 3 Monaten. Sie sollen Teil einer Vereinigung gewesen sein, welche zum Ziel hatte, Neonazis anzugreifen.

Die Revision

Der GBA, wie auch die Angeklagten legten gegen das Urteil Revision ein. Dabei wehrt sich der GBA unter anderem gegen einen Teilfreispruch, wie auch die Strafhöhe, denn der GBA hatte beantragt, Lina E. zu einer Strafe von 8 Jahren zu verurteilen. Die Verteidigung wiederum hatte ursprünglich einen weitgehenden Freispruch beantragt. Wie die Pressestelle des BGH nun mitteilt, wird In Karlsruhe am Donnerstag, den 6. Februar 2025, 9.30 Uhr der BGH mündlich über die Revisionen des GBA und von Lina E. öffentlich mündlich verhandeln.

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Der Alltag vor dem Amtsgericht – auch eine Klassenfrage!

Der Gerichtsalltag vor den Strafgerichten wird immer wieder mal beschrieben. Auch in der südbadischen Provinz lässt sich der Klassenaspekt der Strafjustiz beobachten. Nur drei Beispiele aus den letzten Tagen.

Sechs Monate Haft ohne Bewährung wegen Ladendiebstahl

Wie kürzlich berichtet, hat das Amtsgericht Freiburg einen Menschen wegen Ladendiebstahl und Hehlerei zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Der alkoholabhängige und drogensüchtige Angeklagte saß deswegen schon seit über einem Monat in Untersuchungshaft. Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt, d.h. der Angeklagte wurde nach der Urteilsverkündung wieder gefesselt und zurück in die JVA Freiburg verbracht. Rechtsanwalt M. aus Freiburg, der dem dortigen Angeklagten zur Seite stand, begnügte sich im Plädoyer damit, statt der acht Monate Haft, die die Staatsanwaltschaft forderte, auf sechs Monate zu plädieren. Zur Frage, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, äußerte sich der Verteidiger nicht. In der Urteilsbegründung gesteht der verurteilende Richter selbst zu, dass die Haftanstalt in Fällen wie jenen des Angeklagten wohl nicht viel tun könne, wie überhaupt die ganze Strafjustiz nicht.

Für 75 € Bußgeld kommen ein Professor Dr. und eine Großkanzlei zum Einsatz

Ein Tag später, selber Ort: Amtsgericht Freiburg. Eine junge Frau, unweit von Freiburg wohnend, hatte Einspruch gegen ein Bußgeld eingelegt. Sie soll auf der Autobahn nur rund 20m Abstand zum vorderen Fahrzeug gehalten haben, obwohl mindestens 38,7m Abstand erforderlich gewesen wären. Vertreten wird sie, laut Terminaushang vor dem Saal, von einem Herrn Professor Dr. Rechtsanwalt aus Köln. Weil der Herr Professor verhindert ist, kommt kurzerhand ein Vertreter aus einer renommierten Großkanzlei aus Freiburg. Mit viel Verve verteidigt er die dichte Auffahrt seiner Mandantin auf das vor ihr fahrende Auto. Ihr sei nicht zumutbar gewesen auf die rechte Spur, die frei gewesen war, auszuweichen. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass seine Mandantin aus der Kolonne auf die freie rechte Spur ausschert, nur um den Mindestabstand einhalten zu können. Es half nichts, die Richterin verurteilte sie die 75 € Bußgeld zu bezahlen.

Acht Monate Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung

Und wieder ein Tag später: ein Gefangener steht vor dem Freiburger Amtsgericht, weil er zwei Jahre zuvor einen Mitgefangenen geschlagen haben soll. Das räumt er unumwunden ein. Vertreten wird er von Rechtsanwalt Till-Alexander Hoppe aus Kiel. Der einschlägig wegen Körperverletzung und auch schweren Raubes verurteilte Angeklagte scheint deshalb denkbar schlechte Karten zu haben. Aber ein einsatzfreudiger Anwalt und sicherlich auch günstige Umstände, veranlassten nach fast sechs Stunden Prozess die Richterin, die Strafe von acht Monaten zu der sie ihn verurteilte, zur Bewährung auszusetzen. Nur weil der Angeklagte in Haft sitze, so die Richterin, dürfe man ihm die Bewährung nicht verwehren. Radio Dreyeckland berichtete über den Fall und sprach auch mit Rechtsanwalt Hoppe.

Klassenaspekte der Strafjustiz

Die geschilderten Verfahren finden in einem schicken Neubau statt, erst für 22 Millionen Euro geplant, werden es am Ende dem Vernehmen nach wohl eher 31 Millionen Euro die das Land Baden-Württemberg für den Bau hinblättern wird. Ganz viele große Fenster, weiße Böden, weiße Tischmöbel, ganz so, als wollte sich die Justiz ein transparentes und unschuldiges Äußeres geben. Weiß, die Farbe der Unschuld!

Der Ladendieb, alkoholabhängig, drogensüchtig. Jack Daniels im Wert von 12,96 €, Whiskey 18,98 € und Parfum im Wert von 799, 94 €. Das war seine Beute. Das Parfum allerdings wurde ihm noch im Ladengeschäft abgenommen und da unbeschädigt, wieder ins Regal zurückgestellt. Realer Schaden also 31,94 €.

Aber er soll nun, bzw. wird sechs Monate in Haft bleiben. Er wurde vertreten von einem nicht sonderlich bemüht wirkenden Anwalt. Für die Frau, die wegen eines 75 € Bußgelds Einspruch eingelegt hatte, wurden ein professoraler Anwalt aus Köln und eine Großkanzlei aus Freiburg in Marsch gesetzt. Der wegen Körperverletzung angeklagte Strafgefangene wiederum hatte das Glück, dass sein Kieler Anwalt auf Strafvollzug spezialisiert ist und entsprechend nachdrücklich auftrat. Wie der Anwalt mir nach dem Prozess erzählte, könne man von dieser Arbeit nur dann leben, wenn entsprechend viele Mandate bearbeitet würden und auch eine Portion Idealismus dabei sei.

Immerhin, alle drei Betroffenen waren anwaltlich vertreten, im Alltagsgeschäft vor den Amtsgerichten ist das in Strafsachen nicht die Regel. Aber dort wo es um Freiheit oder Haftstrafe geht, kann eine gute anwaltliche Vertretung entscheidend sein, ob jemand ins Gefängnis gehen muss oder doch die Chance einer Bewährungsstrafe erhält. Mehr Öffentlichkeit täte den Verfahren auch gut, denn meist sitzen nur einzelne Menschen im Publikum oder niemand, dabei geht es vielfach um existenzielle Entscheidungen. Dann auch noch von der Öffentlichkeit vergessen zu werden, das erscheint mir besonders bedrückend.

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Strafprozess vor dem Amtsgericht: Angeklagter Gefangener bekommt Bewährungsstrafe

Gefängnisse sind immer auch gewalttätige Orte und so hatte am 09. Oktober 2024  Strafrichterin Bachmann vom Amtsgericht Freiburg über einen solchen Fall aus der Justizvollzugsanstalt zu verhandeln: ein damals 23-jähriger Insasse soll einen Mitgefangenen unvermittelt angegriffen und geschlagen haben. Eigentlich ein klare Sache, und  nach einer Stunde hätte der Prozess vorbei sein können, aber am Ende dauerte die Verhandlung rund fünf Stunden. Es wurden das Tatopfer, aber auch JVA-Beamte sowie der Stiefvater des Angeklagten als Zeugen vernommen.

Ich habe den Prozesse besucht und dann für RDL darüber berichtet.

Im Anschluss an die Urteilsverkündung  hatte ich zudem Gelegenheit , mit dem Kieler Rechtsanwalt Till-Alexander Hoppe, dem Verteidiger des Angeklagten, zu sprechen. Der Fall zeigt, wie eine engangierte Verteidigung dazu führen kann, dass am Ende ein milderes Urteil steht als vielleicht am Anfang zu erwarten.

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Sechs Monate Knast: ein Rad, ein paar Flaschen Parfüm und Whiskey!

Es ist Frühsommer in Freiburg. Ein Mittvierziger, erst vor wenigen Wochen aus der Haft entlassen, kurz danach in das ihm so vertraute Milieu der Drogenszene abgerutscht oder auch abgetaucht, wird beim Klauen im Laden erwischt. Mittlerweile ist es Herbst, gefesselt wird er in Saal 6 des Amtsgerichts Freiburg geführt, ihm wird der Prozess gemacht.

Die Vorwürfe

Staatsanwalt Kinel warf Markus von Pohl (Name des Angeklagten geändert) vor, vier Dosen Jack Daniels, zwei Flaschen Whiskey und sechs Flaschen Parfum gestohlen zu haben. Bei NORMA und Galeria Kaufhof habe Markus von Pohl gestohlen, die Unternehmen hätten ausdrücklich Strafantrag gestellt.

Ferner habe der Angeklagte ein E-Bike entweder selbst entwendet, oder aber zumindest gewusst, sollte er es gekauft haben, dass es sich um ein gestohlenes Rad gehandelt haben muss. Strafbar als Diebstahl, gewerbsmäßiger Diebstahl, im Falle des Rads ggf. als Hehlerei.

Zeit des „Sex, Drugs, Rock’n’roll“ vorbei – so der Angeklagte Markus von Pohl

Erst am 12. Mai 2024 war er aus der Haft entlassen worden, immerhin auf Bewährung, aber bis zur Bewährungshilfe schaffte er es nie. Zu schnell, so erzählte er es in der Verhandlung, sei alles wieder verrutscht. Alkohol, Drogen. Mit einem Freund, bei welchem er hätte wohnen sollen, habe er sich zerstritten, so dass er in der Freiburger Obdachlosenunterkunft habe leben müssen. Seit rund 30 Jahren sei er abhängig von Drogen, von allem was der Markt so hergebe: Kokain, Heroin, Speed. Zurzeit werde er in der Haftanstalt mit Polamidon substituiert, habe nach der Verhaftung aber erstmal einen „krassen Alkoholentzug“. Die Zeiten des „Sex, Drugs, Rock’n’roll“ seien für ihn definitiv jetzt vorbei, er wolle einen „Cut“ machen.

Geboren 1979 in Freiburg, mehrere Gymnasien besucht, schließlich in der 10. Klasse abgegangen, später mal den Realschulabschluss nachgeholt. Eine Lehre zum Elektriker ebenfalls abgebrochen. 27 Vorstrafen führt das Bundeszentralregister seit 2007 auf. Durchweg Diebstähle, meist mit kleinen Geldstrafen geahndet: 20 Tagessätze, 30 Tagessätze, 90 Tagessätze, die er zu oft nicht bezahlen kann. Auch mal Erschleichen von Leistungen (so nennt sich das Fahren ohne gültiges Ticket), oder der Besitz von Drogen. Später folgen Haftstrafen, sechs Monate, eineinhalb Jahre, dann wieder sechs Monate: immer wegen Diebstählen.

Die Verhandlung

Wie so oft bei solchen Strafsachen, interessiert sich die Öffentlichkeit auch hier nicht dafür. Ich war der einzige Zuschauer. Lediglich für die Urteilsverkündung verirrten sich noch zwei weitere Menschen in den Saal: der eine war Polizist und eigentlich als Zeuge geladen, wurde aber nicht (mehr) benötigt, wollte sich dann aber zumindest das Urteil anhören. Der zweite Zuschauer war ein Kollege der Protokollführerin, also ein Mitarbeiter des Amtsgerichts.

Markus von Pohl legte gleich zu Beginn ein umfassendes Geständnis ab. Das E-Bike habe er für unter 100 € von einer unbekannten Person gekauft. Auch die Diebstähle gab er unumwunden zu und beschrieb seine Drogen- und zuletzt auch Alkoholabhängigkeit, dass er vorhabe eine Drogentherapie zu machen, der Haftalltag sehr strukturiert sei und er auf eine milde Strafe hoffe.

Als einzige Zeugin wurde die Eigentümerin des Fahrrads vernommen. Eine örtliche Apothekerin, die sehr freundlich, warmherzig und energiegeladen in den Saal kam. Das Rad sei ihr bald wieder zurückgegeben worden. Ja, das Radschloss sei geknackt worden und im Hinterrad habe sie später in der Werkstatt einen Achter reparieren lassen müssen. Fertig war ihre Vernehmung, keine 5 Minuten hatte ihr Auftritt gedauert.

Auf weitere Zeug*innen wurde angesichts des vollumfassenden Geständnis verzichtet.

Die Plädoyers

Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer eine achtmonatige Haftstrafe, denn auch wenn der Angeklagte voll geständig sei, er habe schon kurz nach der Entlassung aus dem Gefängnis wieder gestohlen, habe fast 30 Einträge im Bundeszentralregister, keinen Kontakt zur Bewährungshilfe aufgenommen und keine günstige Sozialprognose.

Der Freiburger Rechtsanwalt, der Markus von Pohl im Prozess vertreten hat, forderte seinerseits eine sechsmonatige Strafe für seinen Mandanten. Allerdings kamen zur Frage der Bewährung weder Ausführungen noch Anträge, was etwas eigenartig anmutet, denn auf der Internetseite der Gemeinschafts-Kanzlei der der Anwalt angehört, wird damit geworben, man biete „qualitativ hochwertige Verteidigung“. Womöglich hätte Rechtsanwalt M. sich für einen zahlungskräftigen Mandanten mehr ins Zeug gelegt, als für einen arbeitslosen Drogenabhängigen, der im Gefängnis sitzt.

Das Urteil

Immerhin folgte Richter Dr. Stegmiller dem Plädoyer des Verteidigers: sechs Monate Freiheitsstrafe wegen Hehlerei, Diebstahls und gewerbsmäßigen Diebstahls. Letzteres deshalb, weil die gestohlenen Parfums dazu gedacht gewesen seien die Drogensucht zu finanzieren. Während ein einfacher Diebstahl geahndet werden kann mit Geldstrafe oder Haft bis zu 5 Jahren, gilt für gewerbsmäßigen Diebstahl eine Mindeststrafe von drei Monaten! Dabei ist Richter Stegmiller nicht als Hardliner bekannt, sondern hat bei Sitzblockaden der „Letzten Generation“ auch schon mal einen Freispruch verkündet.

So räumt Stegmiller in seiner mündlichen Urteilsbegründung unumwunden ein, es gebe in der JVA sicher „nicht viel“ was dem nunmehr Verurteilten wirklich helfen werde, was überhaupt für das Strafrecht in diesen Fällen gelte. Aber er sehe keine günstige Sozialprognose, sondern rechne damit, dass wenn er jetzt Markus von Pohl entlasse, dieser alsbald wieder stehle, um seine Sucht zu finanzieren. Er rate ihm deshalb, sich ernsthaft um eine Therapie zu bemühen. Er rate ihm deshalb, sich ernsthaft um eine Therapie zu bemühen. Den Haftbefehl wurde nicht aufgehoben, denn es fehle an Anhaltspunkten für eine günstige Prognose, so der Richter Dr. Stegmiller. Am Ende der Verhandlung wurden Markus wieder Fesseln angelegt und es ging für ihn zurück in die JVA Freiburg.

Klassenjustiz in Südbaden in Aktion

Vielleicht hätte ein/e engagierte/r Rechtsanwält*in mehr für den Mandanten herausholen können, denn bei einer streitigen Verhandlungsführung sind Gerichte durchaus für Zugeständnisse offen- und zumindest eine Aussetzung zur Bewährung erschien mir durchaus erreichbar. Das hätte aber Arbeit für den Freiburger Anwalt bedeutet: den Mandanten unterstützen eine Wohnmöglichkeit vorweisen zu können, vielleicht auch einen ambulanten Therapieplatz, eine Selbsthilfegruppe wo er hätte hingehen können. Aber hier war kein großes Geld für den Anwalt zu verdienen. Für eine reale „Tatbeute“ von vier Dosen Jack Daniels und zwei Flaschen Whiskey, zur Erinnerung: das E-Bike hat den Weg zur Eigentümerin zurückgefunden und das Parfum Galeria Kaufhof nie verlassen, sechs Monate Knast. Sechs Monate Betonwände. Sechs Monate Isolation von der Außenwelt. Sechs Monate Perspektivlosigkeit. Sechs Monate verlorenes Leben.

Dabei ist der Fall des Markus von Pohl Justizalltag. Jeden Tag stehen Menschen wie er vor Gericht, werden binnen einer Stunde verurteilt, und sitzen dann ihre Strafen ab. Vergessen von der Außenwelt.

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100. Geburtstag der Roten Hilfe – „Die staatliche Repression verschärft sich in allen Bereichen!“

Am 01.10.1924 wurde die Rote Hilfe Deutschlands offiziell gegründet. Eine linke Solidaritäts- und Schutzorganisation, die von Anfang an, politisch verfolgten Aktivist*innen politische und finanzielle Unterstützung gewährte. Von den Nationalsozialisten 1933 verfolgt und verboten, reorganisierte sich die Rote Hilfe in den 70er und 80er Jahren. Radio Dreyeckland hat aus Anlass des 100. Geburtstages schon mehrfach in den zurückliegenden Monaten berichtet, darunter über die Gala aus dem Ballsaal des Millerntorstadions in Hamburg.

Mit Silke von der Roten Hilfe e.V sprach ich für Radio Dreyeckland zu dem 100. Geburtstag. Sie schaut mit mir zurück in die Zeit der 20er und 30er, aber auch nach vorne. Warum wird es auch noch auf längere Sicht einer Organsiation wie der der Roten Hilfe e.V. bedürfen?

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AfD sorgt sich um ein Zuviel an Sympathie für Daniela Klette

Aus einer schon ein paar Monate alten Anfrage des AfD Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt lässt sich ablesen, wie die AfD durch Anfragen an die Bundesregierung versucht, an Informationen aus dem linken Spektrum zu gelangen.

Die Anfrage des AfD Bundestagsabgerodneten

Ende April 2024 fragt der sachsen-anhaltinische Bundestagsabgeordnete in einer 10 Fragen umfassenden Anfrage, unter anderem nach Solidaritätskundgebungen im Zusammenhang mit der Festnahme von Daniela Klette, der vom Generalbundesanwalt vorgeworfen wird, Mitglied der RAF gewesen zu sein. Aber auch ein womöglich „gesteigertes Radikalisierungs- und Gefährdungspotenzial durch die linksextreme Szene“ möchte der Abgeordnete gerne konkretisiert haben. Außerdem treibt Wenzel Schmid die Frage um, ob es „Fälle von RAF-Unterstützern (gibt), die mit politischen Vereinen, Wohn- und Hausprojekten wie z. B. autonomen Zentren, Stiftungen, Gewerkschaften oder Parteien in Verbindung stehen, und wenn ja, welche“.

Die Antwort der Bundesregierung

Am 10. Mai 2024 wird die Antwort der Bundesregierung als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Es werden hinsichtlich abgefragter Solidaritätsaktionen unter anderem ein Banner an der Fassade der Roten Flora in Hamburg erwähnt („Wir stehen zusammen! – Für Euch Gesundheit & Glück“), die Demonstration vom 9. März 2024 in Berlin-Kreuzberg unter dem Motto „Stoppt den Staatsterrorismus Solidarität mit den Untergetauchten und Gefangenen“. Aber auch die vor der J A Vechta angemeldeten Kundgebungen unter dem Motto „Solidarität für Daniela“.

Zudem wähnt die Bundesregierung ein „teilweise deutliche(s) Gefährdungspotential“, welches sie aus dem Umstand ableitet, dass es bei der Demonstration vom 09. März 2024 in Berlin „zum Abbrennen pyrotechnischer Erzeugnisse und Böllerwürfen auf Polizeikräfte“ gekommen sein soll. Zudem habe „sich die linksextremistische „Rote Hilfe“ auf ihrer Website ebenfalls zur Verhaftung Klettes“ geäußert.

Ausforschungsstrategie der AfD

Immer wieder stellen Abgeordnete der AfD Anfragen an Bundes- oder an die Landesregierungen, um so an Informationen. Exemplarisch sei die recht willfährige erscheinende sächsische Landesregierung in Gestalt der GRÜNEN Justizministerin Katja Meier erinnert, die auf eine Anfrage aus den Reihen der AfD umfangreiche und detaillierte Angaben zu den Besuchen von Lina E. während der Zeit der Untersuchungshaft, im Antifa-Ost Verfahren, machte.

Der Fragesteller Jan Wenzel Schmidt

Dem Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt liegt ein Verbot der Roten Hilfe ganz besonders am Herzen. Zwischen Hetze gegen Menschen die Bürger*innengeld beziehen und gegen die Amadeu Antonio Stiftung, die einen angeblichen linksextremistischen Mitarbeiter beschäftige, geht fast unter, dass der sonst so sehr die Wirtschaftspolitik kritisierende Abgeordnete, gerne die Vergütungen als Verwaltungsratsmitglied der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), wie auch der Kreissparkasse Börde entgegen nimmt.

Vorsitzender der Jungen Alternative in Sachsen-Anhalt von 2015 bis 2021, Ehrengast und Redner bei einer öffentlichen Versammlung der Identitären Bewegung in Wernigerode, Arbeitgeber von Mario Müller, einem Rechtsextremisten. Schließlich hat Wenzel Schmidt den mehrfach wegen Gewalttaten verurteilte Funktionär der rechtsextremen Identitären Bewegung Mario Müller, als wissenschaftlichen Mitarbeiter in seinem Bundestagsbüro angestellt.

Warum jetzt noch über die Anfrage berichten

Die Anfrage ist nun schon fast sechs Monate alt, angesichts der Schnelllebigkeit im Nachrichtengeschäft also veraltet. Aber ich denke auch sechs Monate später ist es noch wichtig, denn des handelt sich nur um eines von vielen Beispielen der Ausforschungsstrategie der AfD. Dabei nutzen deren Mitglieder schon heute, mal mehr, mal weniger effizient die Ressourcen der Sicherheitsapparate- ganz offiziell, ohne dass irgendwer „heimlich“ für sie in irgendwelche Datenbanken schauen müsste. Wenn schon eine sächsische GRÜNE Justizministerin ganze Listen von persönlichen Besuchsdaten eines Menschen heraus gibt, dürfte das Hinweis darauf sein, was in den kommenden Jahren passieren wird.

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Junge Freiheit recherchierte im Umfeld linker Zentren- auch in Freiburg! Ein Kommentar.

Die „Junge Freiheit“ hat im Rahmen einer „Recherchereise“ in Antifa-Zentren versucht, an Informationen zu kommen. Diese Reise, so der Autor, habe sie auch in die KTS in Freiburg geführt. Dort soll der MItarbeiter der Wochenzeitung auf einen auskunftsbereiten jungen Mann gestoßen sein.

Wie steht es um die Offenheit oder auch Verschlossenheit gegenüber Menschen die wir nicht kennen? Heute ein Mitarbeiter der „Jungen Freiheit“, morgen jemand von Verfassungs- oder Staatsschutz?

Für Radio Dreyeckland kommentiere ich die „Recherchen“ und die mitunter unsicheren Grenzen zwischen Offenheit und Abschottung in linken Strukturen.

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