„Haftantritt ausgesetzt- Über Knast, Untertauchen und Solidarität“

Angesichts der staatlichen Repression stehen politische Aktivist*innen immer wieder vor der Frage, wie gehen sie mit dem Verfolgungsdruck um!? Sich der Justiz ausliefern, solange warten, bis die Festnahme erfolgt, oder ab- und untertauchen? Nun liegt der im immergrün-Verlag erschienene autobiografische Roman eines Antifaschisten aus Stuttgart vor. Smily, RASH-Skin, Tattoo Artist, Student, Bassist der antifaschistische Oi!-Band „Produzenten der Froide“, kam nach 10 Monaten Knast raus und entschloss sich 2013 ins Exil zu gehen.

„Die Reise ins Ungewisse“

„Sie bretterten mit 140 Sachen über die Autobahn (…) Es war eine Reise ins Ungewisse“, so rasant die Geschichte von Karl, wie der Hauptdarsteller des Romans heißt, beginnt, so geht sie auch weiter. Einleitend wird erzählt warum Karl seine Reise begonnen hat: er wird für Konfrontationen mit der „Staatsmacht“ gesucht: bei der Revolutionären 1. Mai Demo wollte ein Cop eine rote Fahne einkassieren, Karl gab sie aber nicht her. Dann war da noch die Verhinderung eines NPD-Infostandes. Zurück in den Knast wollte er nicht mehr, die mögliche Verjährungszeit in seinem Fall betrug (damals) fünf Jahre. Also, so die Überlegung, für diese Zeit abtauchen, sich nicht erwischen lassen und danach wieder zurück in die Legalität. Aber wo soll es hingehen?

„Willkommen auf der Universität der Revolutionäre“

Zuerst führt uns der Roman jedoch ersteinmal ins Gefängnis, denn das hatte Smily schon kennengelernt. Vorwürfe wie Sachbeschädigung (auf einem Polizeiauto fand sich plötzlich der Schriftzug ACAB), aber auch Körperverletzung, im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um eine Grauzonen-Debatte im linken Milieu: Karl war nicht einverstanden damit, dass vermeidlich „unpolitische Skinheadkonzerte“ von Rechten okkupiert wurden.

Da Karl in den Verfahren Zeugen via facebook versucht haben soll einzuschüchtern, wurde Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr erlassen und Karl bildete sich die nächsten zehn Monate in der JVA fort. Die Leser*innen erfahren viel über den demütigenden, frustrierenden Haftalltag. Karl kam nach Stuttgart-Stammheim, und so erfahren wir auch etwas über die Hintergründe von „Weißer Folter“ und die Bedeutung dieser Haftanstalt für die Inhaftierung der RAF. Wir erleben mit, wie Karl in einer Viermann-Zelle lebt, wie er seinen Alltag zu strukturieren beginnt, wie er Enttäuschungen, aber auch großartige Momente erlebt- und wie wichtig für ihn die solidarische Begleitung durch Menschen von „draußen“ ist.

„Haftantritt ausgesetzt“

Als sich nach der Haftentlassung abzeichnet, dass Karl bald wieder in Haft werde gehen müssen, neue Haftstrafe, Bewährungswiderruf, wollte er nicht mehr zurück in diese enge Welt, sondern sich lieber auf das Abenteuer Leben in Freiheit einlassen: nicht in einem EU-Staat, zu groß schien ihm die Gefahr von dort im Falle einer Polizeikontrolle nach Deutschland abgeschoben zu werden. So fiel die Wahl auf die Türkei. Obwohl in Freiheit, wenn auch auf der Flucht, machte sich bald Heimweh und das Gefühl der Isoliertheit breit.

Aber im Verlaufe der Wochen und Monate wurde er doch sesshaft, konnte eine Liebesbeziehung eingehen und schließlich „sein erstes Tattoo im Exil“ stechen. Was ihm dann in den kommenden Jahren auch materiell den Lebensunterhalt sicher sollte. Aber ohne die Erfahrung der Solidarität wäre auch ein seelisches Überleben nur schwer möglich gewesen.

„Also für mich wäre das nicht hier“

Wir erfahren im Laufe der Romans einiges über die politische Situation in der Türkei in der Zeit ab 2013, der Situation der Kurd*innen, dem Alltagsleben in Istanbul, aber vor allem, wie trotz des kämpferischen Herzens von Karl, es für ihn meist ein Tanz auf Messers Schneide war, denn nie durfte er in eine Polizeikontrolle kommen, durfte nicht (offen) mit seinen Freund*innen und Genoss*innen, wie auch seiner Familie in Deutschland kommunizieren, zu groß die Gefahr, dass deutsche Behörden ihn sonst aufgespürt hätten. Und doch bekam er irgendwann Besuch von Gefährt*innen aus Deutschland. Wo diese sich jedoch frei bewegen konnte, achtete er selbst darauf lieber Seitenstraßen als belebte Hauptstraßen zu nutzen, nicht immer in den selben Supermarkt zu gehen, die Telefonnummer regelmäßig zu wechseln und viele (vermeintliche) Kleinigkeiten mehr. So dass ein Freund der ihn besuchte mal meinte, als für ihn „wäre das nichts hier“. So auf Flucht, immer auf dem Sprung sein müssend. Für Jahre!

„Die Heimreise“

Doch irgendwann war die Verjährungszeit vorüber. Karl konnte sich auf den Heimweg machen auch wenn er nicht einfach in das nächstbeste Flugzeug steigen konnte, denn er schließlich hielt sich seit Jahren illegal im Land auf. Und so macht Karl die Erfahrung wie es sich anfühlt als Geflüchteter in einem Abschiebeknast zu landen, denn die Zugreise, für die er sich entschied, diese endete unerwartet an der Außengrenze der Türkei. Karl wurde festgenommen und verbrachte die nächsten fünf Tage auf engstem Raum mit neun weiteren gefangenen Flüchtlingen, bevor ihn die Türkei frei ließ, um ihn ins nächste Flugzeug nach Deutschland zu stecken.

Die Wirklichkeit im und hinter dem Roman

Karl hat so manche Gemeinsamkeit mit Smily. Nicht nur, weil im Jahr 2019 eine Broschüre mit dem gleichnamigen Titel erschienen war, in der dieser von seinem Untertauchen und der Flucht in die Türkei erzählte, sondern im Anhang zu dem knapp 260 Seiten starken Buch finden sich auch ein „Erlebnisbericht“ aus Smilys Zeit in Stammheim, sowie ein Interview, in welchem er über seine Exilzeit erzählt. In einem Nachwort kommen auch Genoss*innen von Smily zu Wort, die Exil und politischen Widerstand historisch kontextualisieren und die Bedeutung der „praktischen Solidarität mit den ‚Illegalen‘“ über Jahre oder Jahrzehnte betonen.

Erinnerung und ein Dazwischen

Das erinnert manche vielleicht an die Situation von Bernhard Heidbreder, Peter Wendelin Krauth und Thomas Robert Walter in Venezuela, die seit fast 30 Jahren im Exil leben. Oder erinnert an einen Aktivisten, der im Mai 2023 entschied, eine Haftstrafe nicht anzutreten. Oder auch an die seit 2023 untergetauchten Beschuldigten im Verfahren um den sogenannten Budapest-Komplex.

Mich erinnert es zudem an jenes Buch das vor etwas zwei Jahren, ebenfalls im immergrün-Verlag erschienene ist: „Ich vermisse Euch wie Sau“. Dort arbeitete ein Kollektiv von Genoss*innen und Gefährt*innen den Suizid von Riccardo auf, einem jungen politischen Aktivisten aus Sachsen, der ebenfalls als Folge staatlicher Verfolgung, ins Exil ging: er flüchtete nach Moçambique. Von wo er nicht mehr lebend zurück kehren sollte- denn er nahm sich dort 2017 das Leben.

Hier ein Leben das viel zu früh im Tod endete, dort ein Leben das wieder nach Deutschland führte. Und dazwischen jene Menschen die aktuell untergetaucht sind oder untertauchen werden.

Das Buch vom Smiley will und kann keine Handlungsanleitung sein, und auch wenn der Roman mit Schwung geschrieben worden ist, bei aller Coolness die Karl an den Tag legt, immer dort, wo es um Fragen des existenziellen Überlebens, der Sorgen, der Einsamkeit geht, wird hinter manchmal etwas gestelzten Worten, genau deshalb, die Not so greifbar.

Bibliografische Angaben

Autor: Smily
Titel: „Haftantritt ausgesetzt- über Knast, Untertauchen und Solidarität“
256 Seiten
Preis: 12 €
ISBN: 978-3-910281-12-7

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Tod in den Gefängnissen- eine Rezension

Es war im Juli 2020, um genau zu sein, am 23.07.2020, als aus einer Gefängniszelle in Berlin-Moabit Schreie gellten. Ferhat Mayouf saß in seiner brennenden Zelle, die Wärter vor der Zelle öffneten die Zellentüre erst als die Feuerwehr vor Ort war. Ferhat konnte nur noch tot geborgen werden. Noch keinen Monat saß er wegen versuchten Diebstahls in Untersuchungshaft als er in Haft starb.

„Ferhat Mayouf – Kein Vergeben, Kein Vergessen“

Im Juli 2024 ist nun eine Broschüre, gleichnamigen Titels, im Gedenken an Ferhat und all jene die hinter Gittern starben, erschienen. Auf den knapp 50 Seiten versammeln sich eine Chronologie der Ereignisse bis zum Tod Ferhat Mayoufs, Reden von Demonstrationen, Interviews und sonstige Beiträge. Die Herausgeber*innen, Death in Custody, Free Mumia, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt, Perspektive Selbstverwaltung und Rote Hilfe Berlin wollen, dass nicht nur die Erinnerung an Leben und Sterben von Ferhat Mayouf erinnert werden, sondern auch der Kampf um die Erinnerung, der Kampf um Aufklärung dokumentiert wird.

Die Chronologie

Mit der Festnahme Ferhats am 29.06.2020 beginnt die Chronologie und endet am 06.10.2023, als jene Generalstaatsanwaltschaft, die im Falle der Auslieferung von Maja an Ungarn bewiesen hat, wie schnell und „gründlich“ sie zu arbeiten vermag, erneut ein Ermittlungsverfahren gegen jene Knastmitarbeitenden einstellt und zu den Akten legt, die die Zellentüre während des Brandes so lange nicht öffneten.

Reden auf Demonstrationen

Dokumentiert werden in der Broschüre u.a. ein Redebeitrag der Migrantifa Berlin von Januar 2021. Sie kritisieren, dass nach jeder rassistischen und tödlichen Gewalt niemand verantwortlich gewesen sein möchte, dass die Bürokratie „nur gleichgültige, empathielose und kaltschnäuzige Beamt*innen hervor(bringe)“. Die Rote Hilfe Berlin erinnerte in ihren Redebeitrag, ebenfalls von Januar 2021 daran nicht nur den Todesopfern zu gedenken, sondern auch solidarisch mit all jenen zu zeigen, die „den mörderischen Statuts Quo nicht hinnehmen wollen“. Die Women in Exile klagen in ihrem Redebeitrag von Juli 2022 an, Ferhat sei ein „weiteres Opfer der tödlichen Fortsetzung der Kolonialpolitik und der Abschottung Europas“.

Interviews

Den Auftakt der Interviews in der Broschüre bildet ein Gespräch mit Kay Schedel, der im Juli 2020 selbst in der JVA Moabit einsaß und von Anfang an über die Umstände des Todes von Ferhat Mayouf berichtete. Mit viel Herzblut, Mut und Entschlossenheit, auch unter Inkaufnahme von Schikanen berichtete Kay immer und immer wieder über die Situation im Moabiter Knast. Man muss nicht allen seinen Schlussfolgerungen zustimmen, so gibt es für Kay „Suizid im Knast (…) nicht. Menschen werden dort dazu gebracht“, dabei muss es meines Erachtens auch Gefangenen zugestanden werden, ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende zu setzen, aber die unermüdliche Berichterstattung waren und sind notwendig.

Mit Benjamin Düsberg kommt jener Berliner Anwalt zu Wort, der 2020 Ferhats Verteidiger war und später im Auftrage des Bruders von Ferhat Strafanzeige gegen jene vier JVA-Bedienstete erstattet hat, welche die Zellentüre nicht geöffnet hatten. Wir erfahren mehr von den Haftumständen Ferhats, der in den wenigen Wochen der Haft in Isolationshaft landete, aber auch über die eingestellten Ermittlungsverfahren gegen die Gefängnisbediensteten.

Dann findet sich noch ein Gespräch mit Andreas Krebs, der aktuell in Berlin-Tegel in Haft sitzt und schon seit langem über die Lebenswirklichkeit hinter Gittern berichtet, und auch mit mir zu Fragen darüber, wie es ist (alleine) in der kleinen Zelle zu sitzen, aber insbesondere auch darüber wie (überlebens-)wichtig Solidarität ist!

Sonstige Beiträge

Ein längerer Beitrag der GG/BO beschäftigt sich mit der Frage, was denn „Soziale Gefangene“ sind, denn die Aufmerksamkeit für politische Gefangene, denen beispielsweise die Rote Hilfe e.V. Unterstützung bietet, lässt manchmal vergessen, worum es bei der Existenz von Gefängnissen geht: ihre Funktion, so die GG/BO, sei es, „soziale Herrschaftsverhältnisse abzusichern“. Auch das Wegsperren sogenannter „sozialer Gefangener“, sei „Ausdruck von Klassenherrschaft“.

Zwischen den Rede- und sonstigen Beiträgen und Interviews finden sich eindrucksvolle Zitate, jeweils übersetzt auf Englisch und Arabisch: „Dich umgibt eine ständige Angst, Angst alles zu verlieren, was die doch so lieb und teuer ist“.

Wo bekomme ich die Broschüre

Es wird sie, hoffentlich, bald in gut sortierten Buchläden geben, denn eine größere Zahl ist mittlerweile gedruckt und wird auch schon verteilt. Als PDF ist sie jederzeit kostenlos erhältlich.

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Geflüchtete auf 50 € Bargeld zu begrenzen: von Gerichten beanstandet

Mit der sogenannten Bezahlkarte sollen Geflüchtete gezwungen werden, den Großteil ihrer Ausgaben nur noch unbar zu bezahlen. Lediglich um die 50 € Bargeld im Monat wollen die Behörden ihnen zugestehen.

Hiergegen regte sich von Anfang an Widerstand. Wieso? Zahlen nicht mittlerweile viele Menschen mit Karte? Zum einen werden Geflüchtete staatlich entsprechend gezwungen, können also nicht wählen, so wie die übrigen Bürger*innen. Zum anderen sind gerade Menschen in prekären Lebensverhältnissen darauf angewiesen Geschäfte auch bar zu tätigen: viele (kleine) Läden nehmen keine Karten an, auf Flohmärkten, wo bestimmte gebrauchte Artikel besonders günstig zu kaufen sind, kann mensch sowieso nicht mit Karte bezahlen. Aber wie steht es um die Bezahlung von Anwält*innen? Nicht wenige Geflüchtete suchen anwaltliche Hilfe und bezahlen diese von ihren Sozialleistungen, wenn sie aber nur noch 50 € im Monat in bar erhalten, können sie dies nicht mehr. Oder soetwas wie ein Handyvertrag: den bekommen sie mit der Bezahlkarte nicht. Dazu bräuchten sie ihr reguläres Bankkonto, aber auf dieses wird die Sozialleistung nicht überwiesen, sondern auf die gesonderte „Bezahlkarte“.

Eine erste Gerichtsentscheidung aus Hamburg

Das Sozialgericht Hamburg verpflichtete am 18.07.2024 die zuständige Behörde einen höheren Barbetrag als die 50 € im Monat auszuzahlen, denn dieser geringe Betrag werde der spezifischen Situation der antragstellenden Person nicht gerecht. Zudem habe es die Behörde versäumt eine konkrete Einzelfallentscheidung zu treffen.

Die entsprechende Eilentscheidung wurde medial breit rezipiert, beispielsweise in der taz, im Neuen Deutschland, oder im NDR.

Zweite Entscheidung aus Hamburg

Nicht ganz so breit berichtet wurde über eine Entscheidung des Landessozialgerichts, ebenfalls aus Hamburg. Dort lehnte es das Gericht ab, einem Geflüchteten mehr als die 50 € Barbetrag im Monat zuzugestehen. Dass der Geflüchtete viele Möglichkeiten günstig einzukaufen so nicht nutzen könne, veranlasste die Richter*innen lediglich zu der Bemerkung, dass „in der Begrenzung dieser konkreten Möglichkeiten (…) kein wesentlicher Nachteil (liege), sondern dies (der Neuregelung) immanent“ sei.

Entscheidung aus Bayern

Anders wiederum eine Sozialgericht aus Nürnberg. Diese hat am 30. Juli 2024 entschieden, das zwei Antragsteller*innen die jeweils vollen Beträge auf deren Girokonten auszuzahlen seien, so dass sie entsprechend auch dieses in bar abheben können. Es bedeute eben sehrwohl erhebliche Nachteile auf lediglich 50 € Bargeld im Monat beschränkt zu werden.

Bewertung

Neben der zivilgesellschaftlichen Möglichkeit, den Geflüchteten im Rahmen von Initiativen wie jener in München, die Bezahlkarten in Bargeld umzutauschen, ist abzuwarten wie die oberen Sozialgerichte in den kommenden Monaten entscheiden werden. Das Landessozialgericht in Hamburg gibt schon den ersten Ausblick, wohin die Rechtsprechung gehen könnte. Eine marginalisierte Gruppe, die in sehr prekären Verhältnissen lebt, wird -wie so oft- nicht nur von rechten Kräften, sondern in diesem Fall auch, ebenfalls wie so oft, von SPD und GRÜNEN zu Täter*innen stilisiert: angeblich würden von den Sozialleistungen Schleuser*innen bezahlt, und es soll sogar Geflüchtete geben die sich mal Zigaretten und Alkohol kaufen!

Immer nur auf Gerichte zu setzen oder auf Initiativen wie in München scheint mir zu wenig. Es bedarf größerer Proteste gegen die Entmündigung von Geflüchteten und deren Stigmatisierung.

Anmerkung

Bei Radio Dreyeckland habe ich einen kurzen Radiobericht über die aktuelle Rechtslage veröffentlich

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Majas Auslieferung nach Ungarn: Verfassungsgericht hatte große Bedenken

Im Zusammenhang mit den antifaschistischen Protesten gegen Neonazis in Budapest im Februar 2023, sucht die ungarische Justiz seitdem europaweit nach Antifas, um diese in Ungarn vor Gericht zu stellen. Eine (nicht-binäre) Person aus Deutschland, Maja, wurde im Dezember festgenommen und am 28.06.2024, nachdem das Berliner Kammergericht am Vorabend die Auslieferung bewilligte, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Ungarn überstellt. Den Ausgang des gegen die Auslieferung anhängige Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), warteten die deutschen Behörden nicht ab. Dabei hatte das BVerfG am späten Vormittag des 28.06.2024, die Übergabe Majas an Ungarn per einstweiliger Anordnung untersagt. Als der Beschluss erging saß Maja aber schon in einer ungarischen Zelle!

Verfassungsgericht legt Beschlussgründe vor

Mittlerweile hat das Gericht die Gründe für die Eilentscheidung vorgelegt. Danach steht nun fest, dass das Bundesverfassungsgericht große verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Auslieferung Majas an die ungarische Justiz hegte.

  1. Aufklärungspflicht zu den (unmenschlichen) Haftbedingungen

    Das Kammergericht Berlin hatte am 27.06.2024 in seiner die Auslieferung nach Ungarn stattgebenden Entscheidung zu den (unmenschlichen) Haftbedingungen dort lapidar erklärt, dass trotz des sehr ausführlichen Vortrags der Anwält*innen von Maja zu den realen Vollzugsbedingungen, es nicht ersichtlich sei, weshalb es in ganz Ungarn keine Haftanstalt geben solle, einen Haftraum zur Verfügung zu stellen, der der Europäischen Menschenrechtskonvention entspräche. Zudem könnte Maja entsprechende Verstöße dann vor Ort (also in Ungarn) vor Gerichten beanstanden. Dazu merkt das BVerfG an, dass letzteres nicht ohne weiteres dazu führen dürfe, dass jemand sehenden Auges in solche Verhältnisse ausgeliefert würde. Ob das Kammergericht „die Bedeutung und Tragweite von Art. 4 GRCh und die damit verbundenen Aufklärungspflichte (…) in ausreichendem Maße beachtet“ habe, das müsse ebenfalls gründlich untersucht werden. Denn Artikel 4 der Europäischen Grundrechtecharta verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafe.
  2. Zusicherungen der ungarischen Justizbehörden

    Es gibt zwar eine entsprechende Zusicherung der Justizbehörde in Ungarn, wonach der Schutz einer nicht-binären Person hinreichend sichergestellt sei. Die Werthaltigkeit und Wirklichkeitstreue diese Zusicherung bezeichnet das BVerfG als „zweifelhaft“. Denn das Kammergericht in Berlin hatte allgemeine Aussagen der ungarischen Behörde, man lege Wert auf die Verhinderung von möglichen -Zitat- „Gräultaten“, zudem enthalte der „Ethikkodex für den Strafvollzug“ explizit ein Diskriminierungsverbot. Dies als ausreichenden tatsächlichen Schutz anzusehen, so wie es die Richeter*innen des Kammergerichts getan haben, hält das BVerfG für verfassungsrechtlich wohl nicht ausreichend.
  3. Fehlender effektiver Rechtsschutz

    Deutlich arbeitet das BVerfG heraus, dass in Auslieferungsverfahren es an einem effektiven Rechtsschutz fehlt, wenn die Behörden dann ohne Wartezeit, ohne der betroffenen Person die Möglichkeit zu geben, sich mit den Rechtsbeiständen zu beraten, mit der Umsetzung der Auslieferung beginnt und so die Anrufung des Verfassungsgerichts unterlaufen. Ob eine (angemessene) Wartezeit oder auch eine konkrete Ankündigung eines Termins für eine Auslieferung notwendig sind, sei in dem weiteren Verfassungsbeschwerdeverfahren dann konkret zu prüfen.

Ausblick

Der Beschluss hat für Maja erstmal keine konkreten günstigen Folgen, eine Rückholung nach Deutschland wird voraussichtlich erst nach rechtskräftigem Abschluss des ungarischen Strafverfahrens erfolgen. Allerdings wird das Verfahren über den Einzelfall hinaus, (hoffentlich) positive Folgen zeigen: sei es für andere im „Budapest-Komplex“ beschuldigte und/oder inhaftierte Personen, wie Hanna, die in Nürnberg in Auslieferungshaft festgehalten wird, aber auch darüber hinaus.

So wird von Abschiebungen, für diese dürfen keine anderen Maßstäbe gelten, immer wieder wird berichtet, wie tief in der Nacht Polizeibeamt*innen in Unterkünfte eindringen, um Menschen, ohne die Möglichkeit ihre Anwält*innen zu informieren, mitnehmen um sie abzuschieben. Das ist Tagesgeschäft für die deutschen Behörden.

Viele schauen aktuell auf die Behörden welche Majas Auslieferung in Rekordzeit vollzogen haben, dabei gerät die Verantwortung des Kammergerichts zusehends aus dem Blick, dabei war es das Kammergericht, das mit seiner Entscheidung, die umfangreich vorgetragenen Argumente zu den unmenschlichen Haftbedingungen in Ungarn, kleinzureden oder ganz zu ignorieren, erst das ganze Geschehen in Gang setzte. Dabei sind die den Beschlussgründen zu entnehmenden Kritikpunkte und Vorhaltungen in Richtung des Kammergerichts  doch sehr massiv.

Was von Zusicherungen der ungarischen Justizbehörden zu halten ist, kann jede*r selbst beurteilen, die/der sich nur mal Berichte der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter zu den Verhältnissen in deutschen Hafteinrichtungen durchliest. Auch hierzulande gibt es viele Gesetze welche Diskriminierung, wie auch Misshandlung eigentlich verbieten.

Ein Blick in ungarische Zellen, auch in Ungarn gibt es eine entsprechende Nationale Stelle zur Verhütung von Folter, lässt zwar polierte Böden und militärisch strenge Ordnung in den Zellen erkennen, und mag womöglich das Kammergericht geleitet haben, jedoch haben solche Bilder wenig mit der Wirklichkeit zu tun.

Für Maja ist der Beschluss des Bundesverfassungsgericht ein Pyrrhussieg, vielleicht wird er aber anderen Betroffenen noch von Nutzen sein und zumindest bei diesen Menschen verhindern, dass sie in unmenschliche Haftbedingungen hinein geschickt werden.

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Urteil im Fall gegen AfD-Anhänger Robert H.

Am 30.07.2024 sprach das Landgericht sein Urteil in der Strafsache gegen Robert H. wegen gefährlicher Körperverletzung. Die kleine Strafkammer des Landgerichts Freiburg wies die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ab, legte dem Angeklagten die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich die der Nebenklage auf.

Dem Antrag der Staatsanwaltschaft wegen der langen Verfahrensdauer 20 der 120 Tagessätze schon als „vollstreckt“ anzusehen, folgte die Kammer ausdrücklich nicht, denn die Belastung durch die Verfahrensdauer sei für den Angeklagten eher gering gewesen. Da nur er selbst gegen das erstinstanzliche Urteil Rechtsmittel eingelegt hatte, sei ihm bewusst gewesen, dass er eine höhere Strafe als die ursprünglichen 120 Tagessätze nicht würde erhalten können.

Sollte das Urteil des Landgerichts rechtskräftig werden und Robert H. nicht noch in Revision zum Oberlandesgericht gehen, gälte er als vorbestraft.

Über das Prozessende und das Urteil sprach Julian Rzepa von Radio Dreyeckland mit mir. Im Beitrag sind auch O-Töne des Nebenklagevertreters Nikolai Erschig zu hören, den Julian Rzepa nach der Urteilsverkündung auf dem Gerichtsflur interviewte.

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Eine geplante Knastbesichtigung- oder eher doch ein „Zoobesuch“?

Die Badische Zeitung bewirbt aktuell eine Ferienaktion: Hinaus und hinein in fremde Welten. Es geht in die Kanalisation von Freiburg, oder wie es werbewirksamer heißt: „Ein Blick in die Unterwelt“ soll ermöglicht werden. Oder wer will, kann hinaus ins All schauen und ins Planetarium gehen. Wer es jedoch ganz exotisch mag, könnte am 20. August 2024, von 10:00 bis 11:30 Uhr im örtlichen Gefängnis vorbei schauen, wäre diese Veranstaltung nicht schon ausgebucht.

Knastbesichtigung vs. Zoobesuch

Immer wieder wird berichtet, wie Menschen täglich über Monate oder auch Jahre an den Gefängnismauern, der mitten im Universitätsviertel von Freiburg gelegenen Haftanstalt, vorbei radeln, vorbei spazieren, ohne auch nur daran zu denken, was das für ein mittelalterlich anmutendes Gemäuer eigentlich ist.

Insofern ist es nicht gänzlich abseitig, wenn die Anstalt einigen wenigen anstaltsfremden Personen die Möglichkeit einräumt, einen Blick hinter die Mauern zu werfen. Dennoch mutet es eher wie ein Zoobesuch an.

Die Selbstüberschätzung von BZ und Justizvollzugsanstalt

Wer immer die Bewerbung der Aktion für den 20.08.2024 übernommen hat, die Vorstellung, in 90 Minuten „Struktur, das Leben und die Begrenzungen der Gefängniswelt kennnezulernen“, wie es in dem Aktionstext heißt, erscheint allzu ambitioniert. Für gewöhnlich werden die Besucher*innengruppen zügig durch die einzelnen Bereiche geschleust. Begleitet von hochrangigen Uniformierten, abgesichert durch Bedienstete des Sicherheitsdienstes. Vielleicht dürfen die Besucher*innen in eine leere Zelle gucken, oder in eine Vorzeigezelle eines übermotivierten Insassen. Knasthof und Arbeitsbetriebe werden gezeigt- wobei in Freiburg der Anstaltsleiter, Leitender Regierungsdirektor Michael Völkel gewiss herausstellen dürfte, das die Gefangenen neben Basketball, auch Tennis (mit einem Softball), Fußball und Volleyball spielen dürfen. Dazu noch ein Blick in die gefängniseigene Sporthalle.

Ein Dialog und Austausch mit Inhaftierten ist bei solchen Besichtigungstouren nicht vorgesehen.

Gefangenen als Objekte der Neugierde

Wären die Freiburger Inhaftierten Kriegsgefangene, so müssten sie laut der Genfer Flüchtlingskonvention, vor der Neugierde des Publikums geschützt werden, so aber sind sie darauf angewiesen, dass das Personal sie zuvor informiert um sich dann ggf. zurückziehen zu können. Nach meiner eigenen Erfahrung passiert das nicht immer und auch nicht zuverlässig. Das selbe betrifft den Datenschutz: an den Zellentüren stehen Vor/Zuname der Insassen, an großen Tafeln in den Büros der Bediensteten sind auch die Vor/Zunamen zu lesen, es war immer wieder Gegenstand von Beschwerden einzelner Insassen, dass diese Tafeln dann abgedeckt werden- nicht jede/r möchte, dass sein/ihr Name von fremden Menschen gelesen werden kann.

Proteste gegen die Ferienaktion vor der JVA?

Ob es am 20.08.2024 am Vormittag zu Protesten vor der JVA kommen wird, ist aktuell noch offen. In einschlägigen Foren würde aber sicherlich rechtzeitig dazu aufgerufen werden, wenn der Werbeaktion der BZ und der Haftanstalt etwas entgegengesetzt werden sollte.

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Tattoo Circus im Freiburg: Mehr als Tattoos- auch Musik, Vorträge, Shows und Kulinarisches

Anfang Oktober 2024 findet in nun auch im südbadischen Freiburg ein erster Tattoo-Circus statt!

Vom 03.10.-05.10.2024 wird in Freiburg der erste Tattoo-Circus stattfinden. Eine dezidiert politische Veranstaltungsform die es so seit fast 20 Jahren gibt: rund um das Thema Gefängnis, Gefängniskritik und Repression kommen Tattoo-Artists zusammen um Tattoos zu stechen, es gibt ein kulturelles Rahmenprogramm mit Vorträgen, Workshops und Diskussionen. Aber auch Shows und Musik. Die nicht-kommerzielle Veranstaltung wird Spenden die zusammenkommen, an von Repression betroffene Menschen oder Solistrukturen weiterreichen.

Für Radio Dreyeckland sprachen Conny und Jaques mit mir über das geplante Event, welche Bands auftreten werden, was sonst so geplant ist und an welche politischen Gruppen die Spenden gehen sollen. 

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Strafsache gegen Robert H. Ein Prozess, reich an Merkwürdigkeiten!

Die Vorgeschichte

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt. Querdenker und ewiger Stadtratskandidat der AfD Robert H. verfolgte im Sommer vor drei Jahren Jugendliche von welchen er sich beleidigt fühlte. Er filmte sie gegen sie ihren Willen und setzte Pfefferspray ein. Als sich ein älteres Ehepaar, das zufällig mitbekam wie er den Jugendlichen nachsetzte, zu helfen versuchte, setzte es auch für das Ehepaar Pfefferspray und dem Ehemann stach H. in den Bauch. Robert H. legte nach Eintreffen der Polizei das Messer erst aus der Hand, als einer der Polizisten seine Schusswaffe zog. Der Messerstich wurde von der Freiburger Staatsanwaltschaft zu den Akten gelegt. Für den Einsatz des Pfeffersprays verurteilte das Amtsgericht Robert H. im Dezember 2022, also rund 1 ½ Jahre nach der Tat, zu 120 Tagessätzen Geldstrafe zu je 10 Euro. Gegen die Verurteilung legte der Angeklagte Rechtsmittel ein, welche nun vor dem Landgericht Freiburg verhandelt wurde.

Aus meiner Sicht, der ich die beiden ersten Prozesstage verfolgt habe, gab es diverse Merkwürdigkeiten im Berufungsprozess, welche ich hier kommentiere.

Richterin will Presse des Saals verweisen

Als nun Ende Juli 2024, wir befinden und drei Jahre nach der Tat, das Landgericht Freiburg sich bequemte die Berufung zu verhandeln, war schon der Auftakt bemerkenswert: die Presse fotografierte den Einzug des Gerichts in den Saal, wie das bei Verfahren nicht unüblich ist, als die Vorsitzende meinte: jetzt seien die Aufnahmen einzustellen und die Presse habe den Saal zu verlassen. Die Aufforderung, die Presse möge den Saal verlassen, wiederholte sie. Dem kam die Presse jedoch nicht nach und die Vorsitzende Dr. Müller beharrte dann nicht weiter auf den Ausschluss der Medien von der öffentlichen Verhandlung. Später schob der Pressesprecher des Landgerichts Freiburg auf Anfrage von Radio Dreyeckland nach, es habe sich um ein „Versehen“ der Richterin gehandelt, welches diese korrigiert habe. Aber wie eine promovierte und erfahrene Vorsitzende Richterin zu solch einem „Versehen“ kommt, das wurde nicht erläutert- und was bedeutet „korrigiert“: die Richterin beharrte nicht mehr auf ihre zwei Mal erteilte Weisung die Presse habe den Saal nun zu verlassen.

Die Akten hatten Staub angesetzt- das wird einen Bonus für H. geben

Seit März 2023 hatten die Akten der Strafsache gegen Robert H. Staub bei der Vorsitzenden Richterin Dr. Müller angesetzt. Sie habe, auch wegen Überlastung, keinen früheren Verhandlungstermin gefunden, wie sie im Prozess mitteilte. Was nun dazu führt, dass selbst wenn H. verurteilt werden sollte, er sich bei ihr wird bedanken dürfen, denn eine solche Verfahrensverzögerung führt regelmäßig dazu, dass die Strafe gemildert wird. In diese Richtung zielte auch die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer: zwar forderte sie, H. möge erneut zu 120 Tagessätzen verurteilt werden, jedoch seien 20 Tagessätze abzuziehen- wegen dieser langen Liegezeit der Akten.

Wortwahl der Richterin- und wie sie Nachhilfe von Nicole Schneiders bekommt

Die Wortwahl der Vorsitzenden Richterin ließ auch noch Spielraum nach oben offen: irgendwann ging sie dazu über das Opfer der Messerstichs nur noch als „der Gestochene“ zu bezeichnen, als wenn dieser namen-, gesichtslos wäre. Geschenkt, dass die Richterin zudem behauptete, Rechtsanwalt Mandic, der zeitweise Robert Hs. Anwalt war, sei aus der AfD ausgeschlossen worden. Dabei war es Mandic selbst der die AfD verließ, weil diese ihm nichts rechts genug war. Auch prozessuale Fehler leistete sich die Richterin, musste dabei von der Neonazi-Szene Anwältin Nicole Schneiders auf eben solche Fehler hingewiesen werden. Nicole Schneiders? Klingelt es da? Verteidigerin im NSU Prozess, des dort angeklagten und bekannten Neonazis Ralf Wohlleben. Jetzt vertritt sie in der Freiburger Provinz AfD und Querdenkenanhänger Robert H.

Ein Polizeizeuge und die „Gefährderansprache“

Nicht viel besser die Performance der Polizeizeugen: nehmen wir mal den in der Abteilung Staatsschutz tätigen Herrn Kurz. Als er gefragt wurde, ob er von einer Gefährderansprache des Robert H. wisse, bejahte er: eine Kollege habe das erledigt. Bei einer Gefährderansprache wird eine Person von der vermutet wird, sie könne die öffentliche Sicherheit gefährden, gezielt von der Polizei angesprochen. Im Verlauf des Prozesses kam dann heraus, dass es sich jedoch eher um eine sogenannte „Gefährdeten-Ansprache“ gehandelt hat, dass nämlich ein Polizeikollege von Kurz den Robert H. informierte, es werde eine Demo im Viertel geben, die auch vor sein Wohnhaus führe. Selbst die Richterin wollte darin nicht wirklich eine Gefährderansprache erkennen.

Ein Polizeizeuge wird unwirsch als er zur Wahrheit ermahnt wird

Etwas pampig-aufbrausend wurde Staatsschützer Kurz als er vom Anwalt des Tatopfers an seine Wahrheitspflicht erinnert wurde. Auf Frage hatte Kurz nämlich beteuert, ihm sei der Angeklagte zuvor im Zusammenhang mit Gewalttaten nicht bekannt gewesen. Wie Kurz überhaupt recht bemüht schien, H. fast schon zu verteidigen. Als Opfer der „linken Szene“ zu stilisieren. Allerdings hatte H. bei einer Auseinandersetzung mit Linken schon 2019 von einer Blechschere Gebrauch gemacht, was dem Staatsschützer auch bekannt war, wie er dann einräumen musste.

Viele Fotos in den Akten-eines aber fehlt: das des Tatopfers

Und noch so eine Merkwürdigkeit: die Hände des Angeklagten, sein Rücken, das Messer, die Pfefferspray-Dose….es wurde viel fotografiert in dem Ermittlungsverfahren. Aber, wie der böse Zufall so spielt: Bilder jener Frau, die von H. Pfefferspray in die Augen gesprüht bekam, fanden sich nicht in den Akten. Es war der erwähnte Anwalt der Nebenklage, Rechtsanwalt Erschig, der während der Verhandlung eine Bildaufnahme zu den Akten reichte.

Die Richterin lässt den ausfallend werdenden Angeklagten gewähren

Ein zeternder Angeklagter, der von der Justiz als organisierter Kriminalität sprach, der bis zum Ende darauf beharrte, er sei im Recht gewesen. Ein Angeklagter der in seinem Schlusswort das Tatopfer als „abgebrühten Schlägertypen“ beschimpfen darf, ohne dass die Richterin die Hasstirade stoppt, rundeten das Bild irgendwie ab.

Resümee der Merkwürdigkeiten

Das Bild einer Justiz, die fast dazu getragen werden musste, einem bekennenden AfD-Anhänger, der sich vom who is who der lokalen wie überregionalen Szene-Anwältinnen- und Anwälteschaft verteidigen lässt, den Prozess zu machen. Einer Polizei, die ernsthaft erwog dem Tatopfer, dem Menschen der in den Bauch gestochen wurde, eine Gefährderansprache zu erteilen. Ein nicht untypisches Vorgehen der Polizei- die Opfer zu potentiellen TäterInnen machen. Ein pampiger Staatsschützer, der ein sehr eigenes Verhältnis zur Wahrheit zu haben den Anschein erweckte. Eine Vorsitzende die beim Einmaleins der Prozessordnung Unterstützung von Nicole Schneiders brauchte und erhielt.

Egal wie das Urteil am Ende lauten wird: Freispruch oder erneute Geldstrafe. Die ganzen „Merkwürdigkeiten“ machen deutlich, wie einseitig Justiz und Polizei agieren

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