Bundesgerichtshof verhandelt das Antifa-Ost Verfahren

Es ist ein nass-kalter Februarmorgen. Von Ferne sind schon zahlreiche Polizeikräfte zu erkennen. Um überhaupt zum Eingang des Bundesgerichtshofs (BGH) zu gelangen, müssen Menschen sich ausweisen, stehen sie nicht auf irgendeiner der Listen die die Beamt:innen mit sich herum tragen, ist kein Weiterkommen. Wer an der öffentlichen Hauptverhandlung des 3. Strafsenats im Fall Lina E. teilnehmen wollte, musste sich schon im Januar, unter Angabe der Personalien, anmelden. Es ist 8:30 Uhr und erste Demonstrant:innen stehen vor den massiven Polizeiabsperrungen, stellen Lautsprecher auf und es ist die erste Rede der Roten Hilfe zu hören, die das Verfahren und auch den martialischen Polizeieinsatz vor dem Gerichtsgebäude einordnet.

Der Prozessauftakt

Wegen der umfänglichen Sicherheitskontrollen, die der Vorsitzende Richter Prof. Dr. Schäfer später „business as usual“ nennen sollte, beginnt die Verhandlung mit knapp 30min Verspätung um kurz vor 10 Uhr. Der Vorsitzende dankt allen Beteiligten für ihre Geduld, damit meint er auch die Verteidiger von Lina E., denn auch sie hatten so ihre Anfangsschwierigkeiten überhaupt ins Gebäude zu gelangen. Anschließend referiert der beisitzende Richter Dr. Kreicker eine Zusammenfassung des rund 400 Seiten umfassenden Urteils des Oberlandesgerichts Dresden vom 31.Mai 2023.

Die Revisionsbegründung der Verteidigung

Nun muss eine Revision gegen ein Urteil nicht umfassend begründet werden, es genügt die sogenannte „allgemeine Sachrüge“, die auch nicht näher ausgeführt werden muss. In dem rund zehnminütigen Vortrag der Verteidigung wurde auf einen Angriff auf einen Kanalarbeiter am 08.01.2019 im Leipziger Stadtteil Connewitz eingegangen. Hier sei die Beweiswürdigung lückenhaft und widersprüchlich. Für eine konkrete Teilnahme seiner Mandantin fehle es an Beweisen.

Dann folgten Ausführungen zu der Frage, ob eine tatmehrheitliche Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zulässig sei, oder ob eine tateinheitliche Verurteilung anzunehmen sei. Hier bezog sich der Verteidiger auf eine erst kürzlich geänderte Rechtsprechung des 3. Strafsenats. Nach Ansicht der Verteidigung komme hier zu Gunsten ihrer Mandantin nur Tateinheit und nicht Tatmehrheit in Betracht, was zur Folge habe, dass die Strafen neu festzusetzen seien, denn „Tateinheit wiegt weniger schwer als Tatmehrheit“, so der Anwalt.

Er beantragte das Urteil des OLG Dresden aufzuheben und zur neuen Entscheidung nach Dresden zurück zu verweisen.

Der Bundesanwalt erwidert

Nun hatte Dr. Matthias Krauß als Bundeswalt das Wort. Er betonte, der Sachverhalt sei sehr komplex, von einem umfangreichen „Personengeflecht“ geprägt, es sei nicht immer so klar, wer gehörte „zum Kern“, wer habe „nur von außen mitgewirkt“. Die Beweiswürdigung des OLG Dresden sei nicht widersprüchlich und auch die Verurteilung wegen des Sachverhalts vom 03.01.2019 sei zurecht erfolgt. Dass die Tat von der Vereinigung begangen worden sei, das habe man einem aufgezeichneten Gespräch vom 15.2.2020 entnehmen können, wie auch der Kronzeuge Domhöver es dann bestätigt habe. Es habe eine Frau an dem Angriff mitgewirkt, Lina E. sei in anderen Fällen als „Überblicksperson“ tätig geworden, durch „Szenariotrainigs“ auch entsprechend geschult, und die Statur von ihr passe zu der Person die an dem angriff teilgenommen habe.

Dann kommt der Bundesanwalt auf einen Diebstahl von zwei Hämmern in einem Baumarkt zu sprechen. Hier sei eigentlich eine Verurteilung wegen „Diebstahls mit Waffen“ die Folge, das habe das OLG Dresden übersehen, denn Hämmer seien gefährliche Werkzeuge und der Tatbestand sei schon erfüllt, wenn jemand zwar keine Waffen bei sich führe, aber das Diebesgut als Waffe geeignet sei. Vielleicht läge sogar ein räuberischer Diebstahl vor, denn Lina E. habe einen Stoß gegen einen Mitarbeiter des Baumarkts verübt. Das könne jedoch dahinstehen, denn Lina E. sei nicht beschwert, weil das OLG sie wegen eines geringeren Delikts verurteilt worden sei. Abschließend setzte sich der Bundesanwalt dann mit der konkurrenzrechtlichen Einordnung (Tateinheit vs Tatmehrheit) auseinander und beantragt in einem Fall die Aufhebung einer Einzelstrafe (von 2 Jahren 6 Monaten), mit der Folge, dasss auch die Gesamtstrafe aufzuheben sein werde.

Einzige Wortmeldung des Anwalts des Nebenkläger Ringel

In wenigen dürren Sätzen teilte der Anwalt mit, er schließe sich den Ausführungen des GBA an.

Die Revisionsbegründung des Generalbundesanwaltes

Jetzt war Bundesanwalt Weiß, als Vertreter des Generalbundesanwaltes (GBA), an der Reihe die Revision des GBA zu begründen. Soweit Lina E. im Fall Enrico B. freigesprochen wurde, sei dieser Freispruch nicht haltbar. Es gebe DANN-Spuren von ihr an einer tatrelevanten Tüte, es sei ausgeschlossen, dass die Spuren nur zufällig dorthin gelangt seien, z.B. durch eine Drittperson. Das OLG habe hier zu strenge Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung angelegt.

Soweit der GBA zu Anfang noch gerügt habe, eine Verurteilung wegen Rädelsführerschaft sei zu Unrecht unterblieben, hielt der Bundesanwalt daran nicht (mehr) fest. Er führte aus, es gebe nicht ausreichend Informationen über die „Binnenstruktrur“ um Lina E. eine solche Rädelsführerschaft nachzuweisen. Auf Frage des Vorsitzenden, dass das aber in der Revisionsbegründung noch anders dargestellt worden sei, betonte Bundesanwalt Weiß, dass jene Begründung nicht von ihm stamme, relevant sei, was er hier in der Verhandlung vortrage.

Im Fall des Kanalarbeiters (08.01.2019) sei die Strafzumessung jedoch fehlerhaft, denn es liege eine das „Leben gefährdende Behandlung“ vor, was eine höhere Strafe nach sich ziehen könnte. Das Opfer sollte nachhaltig geschädigt werden.

Zum Schluss setzte sich der Bundesanwalt noch mit der Strafzumessung durch das OLG Dresden auseinander was die reißerische Berichterstattung anging: das OLG habe diese durchgängig erheblich strafmildernd berücksichtigt, ohne dies detailliert zu begründen. Im Gespräch mit dem Vorsitzenden Richter verwies der Bundesanwalt dann auf das NSU Verfahren, wo die Angeklagten auch medial sehr intensiv begleitet worden seien, und hier habe der BGH eine strafmindernde Berücksichtigung abgelehnt. Was den Vorsitzenden Richter zu der Bemerkung veranlasste, dass der Vergleich zum NSU-Verfahren „hier vielleicht nicht ganz“ passe.

Die Verteidigung erwidert auf den Bundesanwalt

In einem ausführlichen Vortrag legte der zweite Verteidiger von Lina E. dar, weshalb die Rügen des GBA nicht durchgreifen. Zurecht sei ihre Mandantin teilweise freigesprochen, zurecht sei die mediale Berichterstattung berücksichtigt worden, denn sie sei in rechten und rechtsextremen Publikationen unverpixelt, mit vollem Namen dargestellt worden, das gehe weit über das hinaus, was Angeklagte hinnehmen müssten.

Was den Diebstahl der Hämmer angehe, so seien Hämmer zwar „abstrakt-generell“ gefährliche Werkzeuge, aber eben nicht „abstrakt-konkret“, denn andernfalls müsste man jegliches Handwerkszeug als „gefährliche Werkzeuge“ einstufen, mit der Folge, das wer so etwas stehle, immer wegen „Diebstahl mit Waffen“ verurteilt werden würde.

Urteil wird am 19.03.2025 verkündet werden

Um kurz nach halb eins neigt sich die Verhandlung dem Ende zu. Der Vorsitzende dankt allen Anwesenden für die ruhige und sachliche Atmosphäre, denn ihm sei bewusst, dass es sich um ein emotional bewegendes Verfahren handele, aber er freue sich, dass alles „störungsfrei“ abgelaufen sei. Das Urteil werde am 19. März 2025 verkündet werden. Ob man gestatte die Urteilsverkündung aufzuzeichnen, darüber entscheide das Gericht rechtzeitig. Sollte eine Aufzeichnung stattfinden, werde diese üblicherweise am Folgetag im Internet frei zugänglich sein. Für diejenigen die live im Gerichtssaal sein wollen, werde es aber wieder eigene Akkreditierungsbedingungen geben.

Ausklang vor dem Gerichtsgebäude

Die rund 100 Zuschauer:innen strömten aus dem Saal, ich selbst ging dann zu der Soligruppe die vor dem Gerichtsgebäude einen Pavillon aufgebaut hatte, mit Flaggen, Mobimaterial der Roten Hilfe, auch stand heißer Tee bereit. Über Stunden hatten die solidarischen Genoss:innen ausgeharrt, es waren mehrerer Reden gehalten worden und Dandl von der Roten Hilfe betonte, wie wichtig solche Zeichen der Solidarität und Unterstützung seien. Denn immer mehr linke Aktivist:innen landeten in den Knästen. Auch am 19. März werde man wieder vor Ort sein.

Ausblick und Bewertung

Eine teilweise Aufhebung des Urteils erscheint denkbar, insbesondere was das Strafmaß anbetrifft, auch wenn substanzielle Änderungen vielleicht nicht zu erwarten sind. Was passiert aber, wenn das erste Urteil im Antifa-Ost Verfahren rechtskräftig sein wird? Angesichts des auch in der Verhandlung immer wieder thematisierten „Pools“ von Aktivist:innen die der konstruierten Vereinigung zugerechnet werden, sind weitere Gerichtsverfahren und weitere (massive) polizeiliche Repression zu erwarten.

Seltsam technokratisch mutete die Verhandlung an, bar jeglicher politischen Kontextualisierung. Zwar kamen die Hintergründe und Motive ansatzweise im einleitenden Referat des Berichterstatters vor, im weiteren Verlauf der Verhandlung blieben sie aber seltsam im Dunklen.

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Polizeigewalt in Mannheim: Clifford O. freigesprochen

Am 27.01.2025 kam es in Mannheim zu einem seltenen Ereignis: das Opfer eines brutalen Polizeiübergriffs wurde freigesprochen.

Im Oktober 2023 wurde Clifford O in Mannheim auf der Kurpfalzbrücke einer Verkehrskontrolle unterzogen. Er war auf dem Himweg, nach einer 12-Stunden Schicht im Pflegeheim, wo er als Pflegefachkraft arbeitet. 2016 aus Nigeria nach Deutschland geflüchtet, erlebte er am diesem Morgen, wie die Polizei in vielen Fällen vorgeht: einschüchternd, mit brutaler Gewalt. Am Ende lag er, mit einer 10 cm langen Schramme im Gesicht auf den Boden gepresst im Dreck.

Er zeigte später die Polizist:innen an, was diese mit einer Gegenanzeige beantworteten: während die Ermittlungen gegen die Polizist:innen eingestellt wurden, fand er sich diese Woche auf der Anklagebank wieder.

Warum am Ende selbst die Staatsanwaltschaft einen Freispruch forderte kann im Bericht für Radio Dreyeckland nachgehört werden. Dort findet sich auch ein Interview, das Clifford O. nach dem Freispruch gegeben hat.

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Bezahlkarte für Geflüchtete stoppen! 500 Menschen demonstrieren in Freiburg.

Das Bündnis „Bezahlkarte Stoppen“ hatte in Freiburg zu einer Demonstration aufgerufen. Am 25.01.2025 nahmen zeitweise bis zu 500 Menschen an dem Protest teil. In mehreren Reden wurde der rassistische, ausgrenzende Charakter der Bezahlkarte thematisiert. Die Demonstration zog vom Platz der Alten Synagoge zum Augustinerpaltz. Halt gemacht wurde zudem vor dem Regierungspräsidium. Der Demonstrationszug wurde von einigen wenigen Polizeikräften begleitet. Kurz zum Stehen kam die Demonstration in der Stadtmitte am Bertholdsbrunnen, als AfD Anhänger:innen zu sehen waren, die von der Polizei umgehend abgeschirmt wurden.

Nach einigen Minuten konnte die Demonstration fortgesetzt werden und kehrte zu ihrem Ausgangspunkt, dem Platz der Alten Synagoge zurück.

Für Radio Dreyeckland sind die Reden dokumentiert, dazu gibts noch einen kleinen Radiobericht über die Demonstration.

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Somalierin kämpft vor Gericht um ihren Flüchtlingsstatus

Regelmäßig verhandelt das Freiburger Verwaltungsgericht über Klagen von Geflüchteten gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Für Radio Dreyeckland habe ich am 14. Januar 2025 einen solchen (öffentlichen) Prozess besucht. Das BAMF hatte Frau Wido, ihren Namen haben wir zu ihrem Schutz geändert, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verweigert. Hiergegen klagt die Somalierin nun vor Gericht.

Im Anschluss an den Prozessbericht beantwortee mir ihr Rechtsanwalt Wolfgang Grötsch aus Annweiler, einige Fragen.

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„Knäste hacken“- über einen Vortrag auf dem CCC

Im Sommer 2024 machte ein Datenschutzskandal bundesweit Schlagzeilen. Sensible Daten tausender Gefangenen waren offen zugänglich. Die Gefangenen hatten eines gemeinsam: denselben Anbieter von Knast-Telefonie. Sicherheitsforscherin Lilith Wittmann, die den Skandal aufdeckte, berichtete nun auf dem CCC über ihren Hack.

Worum geht’s

Gefangene haben keine Smartphones, keinen Zugang zum Internet und telefonieren ist auch nur unter Einschränkungen möglich. Manche Haftanstalten haben Telefonapparate auf dem Flur, einzelne Anstalten auch Telefone in den Zellen. Bevor die Telio Communications GmbH im Jahr 1998 und später dann die Gerdes Communications GmbH das Licht der Welt erblickten, konnte Gefangene in den Anstalten über schlichte Apparate der Deutschen Post und später der Telekom telefonieren. Die Telio Communications GmbH bot nun den Haftanstalten ein rund-um-sorglos-Paket an: vollständige Überwachung und Kontrolle wer wann mit wem telefoniert. Abhörmöglichkeiten, Speichermöglichkeiten und weitere detaillierte Auswertemöglichkeiten. All das hatte seinen Preis: die Telefongebühren für die Gefangenen waren so hoch, dass das Bundesverfassungsgericht eingriff. Es wies darauf hin, dass die Haftanstalten eine Fürsorgepflicht hätten und dabei die wirtschaftliche Lage und Interessen der Gefangenen berücksichtigen müssten, wenn sie Leistungen outsorcen würden. Ich selbst hatte das Land Baden-Württemberg auf Schadenersatz verklagt. Im Rahmen eines Vergleichs bekam ich zumindest 800 Euro vom Land zurück gezahlt.

Neben der Telio Communications GmbH trat später die Gerdes Communications GmbH in den Markt ein, bevor diese von ihrem Konkurrenten aufgekauft wurde. Immerhin wurden die Telefoniepreise im Laufe der Jahre gesenkt.

Der Datenschutzskandal

Im Sommer 2024 berichteten unter anderem der NDR, Die Zeit, LTO und andere Medien darüber, dass höchstpersönliche Daten von Gefangenen online frei zugänglich gewesen seien. Welche/r Gefangene hat wann mit wem und wie lange telefoniert. Waren es Angehörige, Behörden, Beratungsstellen. Auch ließen sich Rückschlüsse darauf ziehen in welchem Trakt die gefangene Person einsaß, mit einer gewissen Kenntnis über einzelne Stationen in einer Haftanstalt konnte so in Erfahrung gebracht werden, ob jemand zum Beispiel auf einer „Drogenabschirmstation“ saß. Selbst Ausschnitte gespeicherter Telefonate waren laut Presseberichten zugänglich.

All das hatte die Firma Gerdes Communications GmbH ermöglicht, denn der Sicherheitsforscherin Lilith Wittmann war es gelungen, Zugriff auf all diese Daten zu erhalten, und das ohne ein Passwort zu benötigen. Ihr Internetanschluss und ein bisschen Zeit genügten.

Der CCC Vortrag

Auf dem CCC 2024, vor wenigen Wochen in Hamburg, berichtete Wittmann in einem 40minütigem Vortrag wie es ihr gelungen war an die Daten zu kommen, wie sie die Behörden darüber informierte und welche Reaktionen das nach sich gezogen hat. Ihren Vortrag verband sie mit einem klaren Statement über die Unsinnigkeit von Gefängnissen und berichtete ergänzend von dem Projekt, möglichst viele Gefangengenzeitungen online zugänglich zu machen. Über das Knastarchiv können nun zahlreiche bundesdeutsche Gefangenenzeitungen kostenlos abgerufen werden und so einem breiteren Publikum Einblicke in die Gefängniswelt ermöglichen.

Neben der Gefangenentelefonie und den Gefangenenzeitungen geht es in Lilith Wittmanns Vortrag auch um jene Verwaltungssoftware, mit der mittlerweile 13 der 16 Bundesländer die Insass*innen „verwalten“: vom Eintritt in die Haftanstalt bis zum Verlassen.

Es ist ein sehr kurzweiliger, lebendiger Vortrag, den sich anzuschauen lohnt, weil er Einblicke in Bereiche des Justizvollzuges gibt, die sonst eher zu kurz kommen in der täglichen Berichterstattung.

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Knäste zu Baulücken – Lautstarke Silvesterdemonstration vor und um den Freiburger Knast

Zu Silvester finden immer wieder Demonstrationen und Kundgebungen vor den Gefängnissen statt. Ob in Dortmund, Berlin, Stammheim, Köln und vielen anderen Städten. So auch im südbadischen Freiburg.

Der Auftakt der Kundgebung

Die erste Stunde der Kundgebung vor Freiburgs Gefängnis verlief kämpferisch, laut und immer wieder von Rufen wie: „Es fehlen die Gefangenen“ oder „Knäste zu Baulücken“ geprägt. Auf dem Boden liegen die ausgebreiteten Transparente, auf welchen eine knastfreie Gesellschaft gefordert wird. Um die 70 oder 80 Menschen haben sich versammelt, bewacht von fast einer ähnlich hohen Zahl an Polizist:innen.

In der Auftaktrede der Orga wird angeklagt, wer denn vor Gericht und dann in den Gefängnissen lande: marginalisierte Menschen, solche aus prekären Lebensverhältnissen, Antifaschist:innen. Dazu internationale Bezüge in der Rede, beispielsweise auf die Befreiung Gefangener in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes. Aber auch Antifa-Ost und das Budapest-Verfahren fanden Erwähnung.

Weitere Redner:innen wiesen darauf hin, dass Gefängnisse nicht der „Gerechtigkeit“ dienen, sondern Instrumente der Unterdrückung sind. Wichtig war dabei der Fokus auf die Forderung nach der Freiheit für alle Gefangenen, und nicht nur der linken Genoss:innen. Aus anarchistischer Perspektive sind Gefängnisse insgesamt von Übel, es kann also keine Differenzierung geben, bei der Forderung, diese Institution abzuschaffen.

Ein Redebeitrag kam von AZADI e.V, dem Verein, der sich insbesondere für aus politischen Gründen in Deutschland inhaftierte Kurdi:innen engagiert, sie in der Haftzeit begleitet und auf politischer Eben für eine Abschaffung der §§ 129 a und § 129 b StGB kämpft, jener politischen Gesinnungsparagrafen des Strafrechts, welche als „Anti-Terrorgesetzgebung“ gelten.

Zudem sprach ein ehemaliger Langzeitgefangener über seine Zeit nach der Haft und was es für ihn bedeutet, nun vor der Mauer stehen zu dürfen und nicht mehr in der Zelle sitzen zu müssen, und wie wichtig dabei die Solidarität sei.

Rap-Künstler:innen performten zwischen den Redebeiträgen live.

Die Teilnehmer:innen in Bewegung

Gegen 19:00 Uhr setzte sich die Demonstration in Bewegung um das Gefängnis zu umrunden. Begleitet von einem Lauti-Rad, vorne eine Flagge mit Totenkopf und Schwertern, hinten die Flagge der Antifaschistischen Aktion. Auf dem Rad war die Technik für die Lautsprecheranlage montiert. Ein zweites Rad, eine Rikscha, kam von Radio Dreyeckland, mit der mobilen Sendeanlage konnte die gesamte Kundgebung live übertragen werden, auf UKW und im Internet.

Nach wenigen Minuten ein kleiner Tumult an der Spitze der Demonstration, denn Polizeikräfte versuchten in die Menge zu stürmen. Laut eines Augenzeugen sei der Einsatzleiter der Polizei losgestürmt, es sei um eine angebliche Verletzung von Demoauflagen gegangen. Die Reihen der Demonstrant:innen schlossen sich und es wurde solange skandiert: „Haut ab! Haut ab“, bis die Polizei sich wieder zurückzog, ohne dabei jemanden festzunehmen. Das blieb der einzige kritische Moment des Silvesterabends.

Immer wieder wurden Bengalos, Rauchbomben, Raketen gezündet. In einer Schlussrede sprach eine Abolitionistin darüber, weshalb sie für eine Abschaffung von Gefängnissen und für die Schaffung von Alternativen zu dem Knastsystem kämpft.

Eine vollständige Umrundung der JVA Freiburg verhinderte die Polizei, da direkt neben der Anstalt ein Krankenhaus steht. Die von der Demonstration ausgehende Geräuschkulisse, so heißt es, sei den Patient:innen nicht zumutbar.

Gegen 20 Uhr endete die Kundgebung und die Teilnehmenden zogen weiter, um das Ende des Jahres zu feiern.

Für Radio Dreyeckland habe ich zu der Demo einen Radiobericht produziert. Und RDL dokumentiert die einzelnen Reden vollständig.

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Aktion Bleiberecht zur Ermordung von Mahdi ben Nacer: „Mahdi darf nicht vergessen werden!“


Auf dem Platz der Alten Synagoge in Freiburg, fand am 19. Dezember 2024 eine Gedenkveranstaltung statt. Vor einem Jahr wurde der aus Tunesien geflüchtete Mahdi Ben Nacer in Rickenbach ermordet. Kürzlich wurde der Täter wegen Totschlage zu einer Strafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Ein Urteil das auf Protest stieß.

Für Radio Dreyeckland sprach ich mit Carla von Aktion Bleiberecht aus Freiburg über die Gedenkveranstaltung und deren Hintergründe. Aktion Bleiberecht sowei BIPOC* Freiburg hatten zu der Kundgebung aufgerufen.

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Vor einem Jahr ermordet: Gedenkveranstaltung für Mahdi ben Nacer in Freiburg

Nachdem vor einem Jahr der tunesische Geflüchtete Mahdi ben Nacer in Rickenbach ermordet und der Täter vor einigen Wochen verurteilt worden war, riefen Aktion Bleiberecht und BiPOC*Freiburg für den 19.12.2024 zu einer Gedenkveranstaltung auf dem Platz der Alten Synagoge auf. Trotz zu Anfang strömenden Regens kamen rund 70 Menschen, um in einer stillen Kundgebung an Mahdi und seinen Tod zu erinnern. Mahdis Schwester Zouleihka war per Video aus Tunesien zugeschaltet. Auf der Veranstaltung wurde auch thematisiert, dass trotz eindeutiger Indizien für eine rechtsextreme Gesinnung des Täters, dies nicht zu einer Verurteilung wegen Mordes führte.

Für Radio Dreyeckland war ich vor Ort und berichtet hier über die Gedenkveranstaltung.

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