Jobcenter Freiburg stellt mein Leben auf den Kopf

Am 22.12.2023 erreichte mich ein Konvolut von drei Schreiben des Jobcenters Freiburg. Seit meiner Freilassung, nach fast 27 Jahren Gefängnis, bin ich nun Teil der Jobcenter-Maschinerie. Noch keine vier Monate „Kunde“ erreichte mich zwei Tage vor Weihnachten ein Aufhebungsbescheid. Zum 01.01.2024 werde man die bislang gewährten Leistungen aufheben, sprich einstellen. Warum? Weil ich angeblich Einkünfte durch Arbeit erzielen würde.

Bisherige Erfahrungen mit dem Jobcenter Freiburg

Da ich bis zum 29.08.2023 inhaftiert war, konnte oder musste ich keine Erfahrungen mit Jobcentern sammeln. Als sich jedoch eine mögliche Freilassung aus der Haft am Horizont abzeichnete, schickte ich vorsorglich einen Bürgergeld-Antrag an das Freiburger Jobcenter, um den Entscheidungsprozess einzuleiten. Kurz vor der möglichen Freilassung teilte das Jobcenter mit, man werde jetzt den Antrag ablehnen, denn ich sei ja nach wie vor in Haft und man sei nicht Willens die Akte noch ein paar Wochen unbearbeitet liegen zu lassen.

Am 29.08.2023 traf ein Telefax des Oberlandesgerichts ein, ich sei unverzüglich auf freien Fuß zu setzen: kaum gegen 13 Uhr entlassen, stand ich gegen 15 Uhr schon im Jobcenter am „Service-Schalter“. Es kam dann in den Folgewochen zu einigen kleineren Diskussionen und Differenzen, jedoch konnten diese geklärt werden und ich erhielt Bürgergeld und Mietübernahme in voller Höhe.

Freiburger Jobcenter verschickt Aufhebungsbescheid

Mit Bescheid vom 19.12.2023, zugegangen am 22.12.2023, hob nun die Sachbearbeiterin Frau A. mit Wirkung zum 01.01.2024 alle Leistungen auf und teilte mit, ich sei dann auch nicht mehr krankenversichert. Grund für die Aufhebung sei, dass ich ja nun Einkommen durch Arbeit erzielen würde.

Aber was war da noch in der Post? Immerhin kamen ja drei Briefe von Frau A. Im zweiten Brief teilte sie mit, ab dem 01.01.2024 werde man nun doch vorläufig Leistungen bewilligen, aber erheblich reduziert, denn man gehe davon aus, ich würde 520 € verdienen. Und im dritten Brief wurde ich aufgefordert meinen Mitwirkungspflichten nachzukommen, insbesondere Nachweise über Taschengeld vorzulegen.

Das ominöse Einkommen von 520 €

Frau A. hatte offenbar einfach mal geschätzt was denn wohl ein Bundesfreiwilligen-dienstleistender bei Radio Dreyeckland verdient: 520 €! Woher sie diese Betrag hat? Niemand weiß es- außer sicherlich Frau A. Tatsache ist, ab dem 31.12.2023 werde ich für zwei Jahre einen Bundesfreiwilligendienst bei Radio Dreyeckland absolvieren. Den Vertrag hatte ich, nachdem er vom zuständigen Bundesamt genehmigt wurde, dem Jobcenter zugemailt. Laut Vertrag erhalte ich ab dem 31.12.2023 monatlich
180 € Taschengeld (und dieses ist laut Sozialgesetzbuch II anrechnungsfrei, darf also auf das Bürgergeld nicht angerechnet werden). Um sicher zu gehen, dass soweit alles in Ordnung ist, rief ich einige Tage nachdem ich den Vertrag ans Jobcenter gemailt hatte, den zuständigen Vermittler an, Herrn R. Er gab auf Frage an, dass alles seine Richtigkeit habe und von mir nichts mehr weiter zu veranlassen sei.

Um so überraschter war ich, als die Sachbearbeiterin A. kurz vor Weihnachten mein Leben auf den Kopf stellte und mich in wirtschaftliche Existenznot stürzte, durch ihre Entscheidung, ohne vorherige Rücksprache, mein Einkommen auf
520 € zu schätzen. Erschwerend kommt in meinem Fall zu der langen Haftzeit hinzu, dass ich schwerbehindert bin, mit einem Grad der Behinderung von 80%.

Die weiteren Schritte

Die erwähnte Haftzeit war allerdings auch eine Art von lebenspraktischer Schulung im Umgang mit (renitenten) Behörden und deren Mitarbeitenden. Also legte ich Widerspruch gegen die belastenden Bescheide ein. Ob ich zudem nach den Feiertagen bei Gericht Eilrechtsschutz gegen die belastenden Bescheide beantragen werde, wird von der Reaktion des Jobcenters in den kommenden Tagen abhängen.

Zudem beschwerte ich mich beim Büro der Vorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Frau Andrea Nahles. Dort wird ein zentrales Beschwerdemanagement für Eingaben betrieben, welche direkt an die Vorsitzende gerichtet sind. Auch der Freiburger Geschäftsführer des Jobcenters, Tobias Wilde, bekam elektronische Post. Ferner sprach ich Mitarbeitenden des Jobcenters höflich auf deren dienstliche Mailboxen und forderte sie auf, noch in der letzten Dezemberwoche den Fall zu klären, damit zum 01.01.2024 der volle Bürgergeldbetrag und auch die Mietzahlung erfolgen werden.

Einordnung des Vorgehens des Jobcenters Freiburg

Es wird immer wieder in der Presse darüber berichtet, mit welch sozialer Kälte, Härte, ja mit welcher Brutalität, Jobcenter gegen bedürftige Bürger*innen vorgehen. Mit welcher Rücksichtslosigkeit, Menschen in prekären Lebenslagen in das wirtschaftliche Nichts gestoßen werden. Nun zahlt in meinem Fall ab dem 01.01.2024, wenn auch erheblich reduziert, das Jobcenter erstmal vorläufig weiter, und ich lande nicht auf der Straße. Aber es gibt viel zu viele Fälle in denen es nicht so läuft, wo ganze Familien plötzlich ohne Geld da stehen. Wo Menschen getroffen werden, welche nicht in der Lage sind, sich adäquat rechtlich zur Wehr zu setzen, gegen solch ein Vorgehen eines Jobcenters. Viel zu viele Menschen, welche nicht die Möglichkeit haben, den Fall publik zu machen.

In § 1 des SGB II heißt es: „Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht“.

Hohle, leere Worte- für zu viele Menschen.

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Antifa-Proteste gegen Naziaufmarsch in Budapest: Ein Kommentar zu der Festnahme von Maja*

Vor wenigen Tagen, am 11. Dezember 2023, wurde Maja, eine von den Behörden gesuchte Person, in Berlin durch eine Zugriffseinheit der Polizei brutal festgenommen. Maja wurde dabei durch eine Glastüre geworfen und zog sich Schnitte sowie Schürfwunden zu.

Glaubt man dem Bericht der auf der Seite der Tagesschau zu lesen war, wird Maja  in Ungarn wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung gesucht. Maja soll gemeinsam mit weiteren Personen aus dem antifaschistischen Spektrum im Februar 2023 mehrere Teilnehmende der rechtsextremen Veranstaltung „Tag der Ehre“ in Budapest, einem SS-Gedenkmarsch, angegriffen haben. Dabei sollen teilweise Hämmer und Schlagstöcke eingesetzt worden und mehrere Personen verletzt worden sein. Unmittelbar nach der Verhaftung am 11. Dezemner fanden mehrere Hausdurchsuchungen bei Angehörigen der betroffenen Person in Jena statt.

Seitdem überschlägt sich die rechte Presse, von BILD, über Spiegel, Seit an Seit mit der Jungen Freiheit und feiern einen sogenannten „Erfolg“ gegen angebliche Linksextremist*innen.

Gegen Maja lagen ein deutscher Haftbefehl sowie ein europäischer aus Ungarn vor. Im Laufe 12. Dezember wurde Maja am Amtsgericht Dresden einem Ermittlungsrichter vorgeführt und in die Untersuchungshaft geschickt. In den kommenden Wochen soll darüber entschieden werden, ob das Verfahren gegen Maja in Deutschland geführt oder es eine Auslieferung an die ungarischen Behörden geben wird. Eine Auslieferung an das faschistisch geprägte Ungarn hätte nicht nur Haftstrafen im zweistelligen Bereich und unmenschliche Haftbedingungen zur Folge, sondern auch eine Inhaftierung weit weg von zuhause, welche die solidarische Begleitung des Prozesses sowie der Haft erschweren würde.

Auf der Soli-Seite www.basc.news wird berichtet, dass in Mailand die Verhandlung zur Auslieferung des italienischen Genossen Gabriele erneut verschoben wurde. Auch er wird im Zusammenhang mit den Aktionen gegen die Neonazis in Ungarn gesucht. Der zuständige Richter beschloss, der ungarischen Regierung Fragen zu den Haftbedingungen zu stellen und Garantien für den Ablauf des Verfahrens und die Unabhängigkeit der Justiz zu erbitten. Die nächste Anhörung in diesem Zusammenhang wird am 16. Januar 2024 stattfinden.

In den kommenden Wochen ist es wichtig, so der Aufruf auf www.basc.news eine breitere Öffentlichkeit hier in Deutschland für die Folgen einer Auslieferung nach Ungarn zu schaffen. Aber auch um Gabriele, Maja und jene die von Hetze und polizeilicher Verfolgung bedroht sind, spüren zu lassen: sie sind nicht alleine und Solidarität macht vor Gefängnismauern keinen Halt.

Es gab schon eine erste Solidemo vor dem Dresdner Knast wo Maja in Untersuchungshaft sitzt. Für die kommenden Tage wird zu weiteren Soliaktionen aufgerufen. Für Maja, für Gabriele, und weitere Betroffene, wie Tobi und Ilaria. Genauso aber für jene, die bislang nicht in den Fängen der ungarischen, deutschen oder Repressionsbehörden anderer Staaten gelandet sind.

Antifaschismus zu kriminalisieren, zu verfolgen, die Betreffenden einzuknasten, wegzusperren, das ist eine langgeübte Praxis der wir uns entgegenstellen müssen! Immer öfter kommen wieder Faschist*innen in Regierungsämter und niemand braucht eine Glaskugel um absehen zu können, was das dann aktuell und in der Zukunft für Aktivist*innen bedeuten wird.

Antifaschismus ist kein Verbrechen. Die Verfolgung muss beendet werden. Sofort! Und eine Auslieferung nach Ungarn darf schon garnicht erfolgen. Die deutschen Behörden agieren hier als der lange Arm Orbans. Stellen wir uns solidarisch an die Seite der Verfolgten!

Aktuelle Infos findet Ihr auf www.basc.news und auf deren Twitterkanal basc.

Den Kommentar findet sich auch als Audio auf der Seite von Radio Dreyeckland.

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Freiburger Knast verbietet Barfußlaufen!

Wie aus der JVA Freiburg berichtet wird, hat nun Bereichsdienstleiter W. per Aushang am 20.09.2023 informiert, daß das Barfußlaufen in „sämtlichen Gemeinschaftsbereichen“ verboten sei, und zwar aus „hygienischen Gründen“. Ausserhalb der Zellen, die dort euphemistisch „Zimmer“ genannt werden, habe man Schuhe zu tragen.

Meine eigene Barfußzeit in der JVA Freiburg

So um das Jahr 2014 fing ich an, in der JVA Freiburg keine Schuhe mehr zu tragen. Am Anfang war das für mich (und andere) etwas gewöhnungsbedürftig, aber im Verlaufe der Jahre genoss ich immer mehr dieses Stückchen Freiheit in einem ansonsten sehr von Regeln durchsetzten Haftalltag. Nach einigen Wochen sprach mich seinerzeit der damalige Bereichsdienstleiter P. an. Er bat darum, daß ich künftig doch wieder Schuhe tragen möge, die Hygiene und so. Auf meine Frage hin, ob es sich hierbei um eine Bitte seinerseits oder eine formale Weisung handele, gegen welche ich vor Gericht klagen würde, antwortete P., es handele sich lediglich um eine Bitte seinerseits. Und diese lehnte ich ab.

Danach versuchte Oberpsychologierätin W. (vergeblich) ihr Glück: ob ich denn, wenn ich zum Gespräch in ihr Büro käme, zumindest dann Schuhe tragen könnte. Nachdem sie drei oder vier Mal ohne damit Erfolg zu haben, gefragt hatte, war das Thema für die folgenden Jahre erledigt. Immer mal wieder ließen sich auch andere Insassen davon animieren, dass ich konsequent ohne Schuhe unterwegs war, es selbst zu probieren. Manchmal entstanden auch Gespräche darüber warum ich keine Schuhe trage, wie sich das so anfühle, ob mir nicht kalt sei.

Ein offizielles Verbot wurde bis zu meiner Freilassung aus der JVA am 29.08.2023 nie erlassen.

Das Verbot vom 20.09.2023

Bereichsdienstleiter Erster Amtsinspektor W., Nachfolger von P., informierte im September, daß nun doch das Barfußlaufen untersagt sei- gnädigerweise dürfe man in der Zelle („Zimmer“) und sogar im Hofarreal, ohne Schuhe spazieren gehen oder sich aufhalten! Es wurden nicht näher erläuterte „hygienische Gründe“ angeführt, fastso, als ob die Schuhsohlen der zu tragenden Schuhe besonders keimfrei wären.

Überlegen wir mal was wir mit den Händen alles anfassen, und uns danach ins Gesicht: Schmutz, Viren, Bakterien überall. Aber Füße gelten offenbar als besonderes schmutzig und eklig, sie müssen eingeschnürt und versteckt werden. Na klar, die Fußsohlen werden schmutzig, wenn wir keine Schuhe tragen, aber mensch kann sich Füße ja dann auch waschen, so wie wir es mit den Händen auch tun. Der gefürchtete Fußpilz, der verbreitet sich übrigens gerne in feucht-warmer Umgebung, also dem Duschbereich und nicht auf dem (trockenen) Flurboden einer Haftanstalt. Wohlweislich hat also Erste Amstinspektor W. klugerweise davon Abstand genommen, die vorgeblichen „hygienischen Gründe“ näher zu konkretisieren, oder gar wissenschaftlich zu belegen.

Was kann uns das Verbot über die JVA Freiburg sagen?

Wieder wurde den Inhaftierten ein kleines Stückchen Freiheit genommen. Zu den unzähligen (oft sehr kleinteiligen und kleinlichen) Regeln ist eine neue hinzugefügt worden. Der Entfaltungsraum für die Sicherungsverwahrten ist noch enger geschnürt worden. Dies ist die typische Entwicklung in den letzten Jahren. Die Schrauben werden weiter angezogen, Umdrehung für Umdrehung. Im Kern handelt sich bei dem Verbot um einen weiteren Beleg für die nekrophilen Orientierung und Ordnung einer Haftanstalt. Wobei wir hier von der Persönlichkeitsstruktur der Beschäftigten sprechen: sie leben den Inhaftierten vor, wie man mittels Zwang, Kontrolle, Überwachung, Disziplinierung und Strafe, Macht über andere ausübt. Dabei müssen die Maßnahmen die getroffen werden, sachlich garnicht begründet werden, möglicherweise sollen sie das garnicht, denn gerade erst durch das Fehlen einer sachlichen Begründung, erweist sich die Totalität der Macht.

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Fundraising für Buch „Lass uns über Knast sprechen“

Das Kollektiv „Friends of criminals“ sprach in den letzten zwei Jahren mit unterschiedlichen Menschen aus der linken und linksradikalen Strömung, die schon einmal im Knast gesessen haben.

Die Gespräche wurden verschriftlich und sollen nun als Buch herausgegeben werden. Wie es im Fundraising-Text heißt: „In „Lass uns über Knast sprechen“ kommen 12 Menschen zu Wort, die sitzen mussten. Sie schildern ihre Eindrücke aus der Knastzeit, ebenso von der Zeit danach, gehen auf die emotionalen Auswirkungen ein und geben Menschen, die potentiell auch sitzen müssen, praktische und emotionale Tipps, um die Knastzeit etwas leichter zu gestalten.“

3.000 € werden für die Realisierung dieses Projekts gebraucht und im Rahmen des Crowdfunding gesammelt.

Ein, wie ich finde, wichtiges Projekt, denn zwar gibt es immer wieder einzelne Erfahrungsbericht ehemaliger Inhaftierter, aber hier in dem Buchprojekt versammeln und entfalten sich die Erlebniswelten von 12 Menschen, d.h. die Vielfalt der Perspektiven ist breit gefächert.

Abgesehen davon droht viel zu vielen politischen Aktivist*innen eine Inhaftierung, so daß es hilfreich sein kann sich schon im Vorfeld zumindest auf solch einem Weg gedanklich mit der Situation Knast zu beschäftigen, welche Probleme auftauchen können, aber auch welche Möglichkeiten es gibt innerlich stark zu bleiben und aufgehoben zu sein in einem solidarischen Umfeld.

Wer zur Verwirklichung dieses Projekts beitragen kann, findet hier die Details!

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Freiheitsfonds plant Gefangenenbefreiung

Der Hamburger Journalist und Aktivist Arne Semsrott gründete Ende 2021 den „Freiheitsfonds“. Der Fonds bezahlt die Geldstrafen von Menschen, die im Gefängnis sitzen, weil sie ohne gültiges Ticket mit Bus, Straßenbahn oder Zug gefahren sind. Tausende Menschen landen deswegen jedes Jahr im Gefängnis. Was nicht nur erhebliche Kosten für die Landeshaushalte bedeutet, sondern vor allem verheerend ist für jene, die dann in Haft landen. Sie werden aus ihrem Leben gerissen und weggesperrt- einzig deshalb, Weil sie eine Geldstrafe für Fahren ohne gültiges Ticket bekommen haben- und dann die Geldstrafe nicht bezahlen konnten.

Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, möglichst viele dieser Betroffenen aus den Knästen freizukaufen!

Am 05.12.2023 ist die nächste große „Gefangenenbefreiung“ geplant, wie es der Verein selbst nennt. Man möchte so viele Menschen wie möglich aus dem Knast holen und sucht dafür Spenderinnen und Spender.

Über die gelpante Aktion des Freiheitsfonds berichtete ich in einem kurzen Beitrag auf RDL.

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Kommentar: Freiburger Polizei veröffentlicht rassistische Fahndungsmeldung

Mitte November 2023 fahndete die Freiburger Polizei nach einem aus der Forensischen Psychiatrie geflüchteten jungen Mann.

In der Fahndungsmeldung wurde neben der üblichen Personenbeschreibung wie Größe und Statur in der Rubrik „Erscheinungsbild“ angegeben „afrikanisch“. RDL wollte wissen was es mit dieser rassistischen Fahndung auf sich hatte. Mangels substantieller Antworten seitens der Behörden, kommentierte ich auf RDL den Vorfall.

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Rezension: „Nach dem Knast- Alltag und unsichtbare Bestrafungen“

Vor kurzem legte die Freiburger Kulturanthropologin Dr. Barbara Sieferle im transcript-Verlag eine Studie zur Lebenswirklichkeit von (männlichen) hafterfahrenen Menschen in der Übergangsphase von Haft in die Welt außerhalb der Gefängnismauern vor. Welche Herausforderungen, Schwierigkeiten, Konflikten begegnen Menschen in dieser Situation, wie gelingt es ihnen in der Gesellschaft anzukommen?

Die Methode

Durch eine längerfristige „Teilhabe und das Miterleben der Lebensrealitäten hafterfahrener Menschen“, wie Sieferle schreibt, ist es ihr möglich geworden die ganz konkreten Höhen und vor allem auch Tiefen der Betroffenen zu beobachten. Statt nur, wie sonst üblich, durch punktuelle Befragungen zu versuchen die Situation zu erhellen, hat die Autorin über mehrere Monate hinweg, Menschen die noch in Haft saßen, bei denen aber eine Entlassung absehbar war, begleitet. Vor allem dann aber auch in der Zeit nach ihrer Freilassung. Dazu ging sie in (zwei) Haftanstalten, besuchte die Inhaftierten, und traf sich mit diesen nach deren Entlassung: ob in Einrichtungen der Straffälligenhilfe, in Wohnheimen, in deren Wohnungen, oder auch einfach auf einer Steinmauer vor einer Haftanstalt.

Kritik am Begriff der „Resozialisierung“

Den zentralen Grundannahmen die dem Begriff der „Resozialisierung“ eingeschrieben scheinen, begegnet Sieferle kritisch: die erste Grundannahme, straffällig gewordene Menschen wiesen einen Mangel an Sozialisation auf, teilt sie nicht, denn aus kulturwissenschaftlicher Sicht könnten Menschen keinen „Mangel an Sozialisation“ aufweisen. Sozialisation als „mangelhaft“ zu bewerten sei aber typisch für die Strafjustiz und markiere die Betroffenen zu gleich als „moralisch deviant“. Die zweite Grundannahme, der behauptete „Mangel an Sozialisation“ könne gerade im Gefängnis behoben werde, teilte sie ebensowenig. Hier werde, Sozialisation auf die Ausbildung eines Normenbewusstseins und dessen Befolgung verengt. Dabei, so Sieferle, sei soziales Zusammenleben und kulturelle Bedeutungssetzungen jedoch nicht mit Normen gleichzusetzen. Die Fokussierung auf bloße „Legalbewährung“ greife zu kurz.

Die Herausforderungen für die hafterfahrenen Menschen

Unsicherheitsgefühle erscheinen dominierend. Schon während der Phase einer bevorstehenden Freilassung machen sich diese bemerkbar, auch wenn zugleich viel Euphorie zu verzeichnen ist, bald den Gefängnisalltag hinter sich lassen zu können. Aber immer wieder schlagen Fragen durch, wie ein Neubeginn gelingen, wie der Lebensunterhalt gesichert, gewohnt und wie der Alltag strukturieren werden kann. Wie wird die Rückkehr gelingen, angesichts des Stigmas des „Ex-Gefangenen“? Und dann, kaum in Freiheit gelangt, verstärken sich diese Unsicherheiten angesichts erlebter Frustrationen in Alltag.

Der Autorin gelingt es in besonderer Weise, durch die Wiedergabe ihrer Begegnungen mit den Betroffenen, deren Lebenswirklichkeit lebendig zu machen, zugleich diese jedoch kulturwissenschaftlich einzuordnen in den größeren Zusammenhang. Vor allem aber zu dekonstruieren, beispielsweise durch Reflexion der Gesellschaftsbilder welche die Haftentlassenen aufweisen. Die gerne integriert werden möchten und deshalb oftmals ganz besonders vorsichtig agieren, um nirgends anzuecken.

Systemische Faktoren

Der kulturwissenschaftliche Blick ist in seiner Analytik auf die Gesamtheit angelegt, weshalb Barbara Sieferle immer wieder auf die systemischen Zusammenhänge zurück kommt. Wie hafterfahrene Menschen auf mitunter sichtbarere oder oft auch weniger sichtbare Mauern stoßen welche eine Rückkehr in die Welt außerhalb von Gefängnissen erschweren, oder gar verunmöglichen. Selbstverständlich können die Betroffen immer versuchen innerhalb ihrer Strukturen zu verbleiben, bei Anlauf- und Beratungsstellen für Haftentlassene, in Wohnheimen oder an ähnlichen Orten. Das Stigma Gefängnis, so die Kulturwissenschaftlerin, sei nicht nur äußerst langlebig, sondern weise auch eine durch und durch moralische Komponente auf. Es markiere hafterfahrene Männer als ›unmoralische Andere‹.

Weshalb, auch nach Ansicht der hafterfahrenen Betroffenen, die eigentliche Bestrafung erst nach der Haftentlassung beginne. Die von der Gesellschaft, stellvertretend von den Gerichten, zugemessene Freiheitsstrafe verbüßt, beginnt erst mit der Entlassung die soziale Wirkmächtigkeit der Verurteilung so richtig zu wirken, da die Wiedereingliederung ein im Grunde Jahre dauernder Prozess ist.

Resümee

Bei der Buchlektüre fühlte ich mich immer wieder erinnert an Alice Goffmans Buch aus dem Jahre 2014, “ON THE RUN Die Kriminalisierung der Armen in Amerika”, die gleichfalls im Rahmen einer teilnehmenden Beobachtung die prekäre Lebenssituation von Menschen in einem Armenviertel beschrieb und analysierte. Die nun vorgelegte Studie von Dr. Sieferle bietet einen Einblick in die ganz aktuellen Problembereiche von Menschen die aus der Haft entlassen werden: deren Armut, deren Suche nach einem Platz in der Gesellschaft, ihre Hoffungen, ihre Sorgen und Nöte.

Es sollte besonders von jenen gelesen werden die mit hafterfahrenen Menschen in Berührung kommen, aber auch von Inhaftierten, um sich schon vorab ein (realistischeres) Bild zu machen von der eigenen Situation in welche sie dereinst gelangen werden. Eigentlich müsste das Buch auch zur Pflichtlektüre im Bereich des Justiz-/Strafvollzuges gemacht werden. Aber die Praktiker*innen der „Resozialisierung“ könnten dort mit ihnen womöglich unangenehmen An- und Einsichten konfrontiert werden. Zu wünschen wäre zudem eine vergleichbare Studie zur Lebenswirklichkeit von weiblichen und weiblich gelesenen hafterfahrenen Menschen, denn deren spezifischen Problembereiche konnten in der vorliegenden Studie nicht mit abgedeckt werden, auch wenn sich viele der allgemeinen Herausforderungen bei diesen in ähnlicher Weise stellen dürften.

Der Verlag stellt das Buch erfreulicherweise als PDF kostenlos zum Download bereit, denn in der gedruckten Fassung kostet es stolze 45 €!

Bibliografische Angaben:
Autorin: Dr. Barbara Sieferle
Titel: „Nach dem Gefängnis-Alltag und unsichtbare Bestrafungen“, 234 Seiten
Preis: 45 € (als PDF: kostenfrei)
ISBN: 978-3-8376-6891-9

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Kämpferische Demo gegen Sozialabbau in Freiburg

Am Samstag, dem 18. November 2023 kamen in Freiburg auf dem Platz der Alten Synagoge rund 150 Menschen zusammen um gegen den Sozialabbau zu protestieren. Die Bundesregierung und der Bundestag beschließen in Zeiten sprudelnder Milliardengewinne der Konzerne und der nicht minder sprudelnden Steuereinnahmen umfangreiche Kürzungen im sozialen Sektor. Der „Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Freiburg“ hatte unter der Überschrift „Sozialkürzungen Stoppen“ zu der Demo aufgerufen.

Start der Veranstaltung auf dem Platz der Alten Synagoge

Bei niesligem Novemberwetter ging es mit mehreren Redebeiträgen der AKS und auch der FAU, um kurz nach 14 Uhr los, in welchen die drastischen Kürzungen skandalisiert wurden. Zugleich wurde auch auf den Rechtsruck in der Politik, die Sündenbock-Strategie der Regierung hingewiesen. Immer öfter würden Geflüchtete oder Leistungsempfänger*innen zu Sündenböcken für die gegenwärtige Situation erklärt. Bundesfinanzminister Linder wurde aufgefordert die sofortige Rücknahme der geplanten Kürzungen zu veranlassen. Zu Anfang war die Polizei mit doch erklecklichem Aufgebot vor Ort.



Der Demozug setzt sich in Bewegung

Die Demonstration marschierte, unter Begleitung von Polizeikräften, in Richtung Bertholdsbrunnen und dann über die Kaiser-Joseph-Strasse zum Europaplatz. An der Spitze mit einem Transparent auf dem stand : „Sozialkürzungen Stoppen“, aber im Einsatz waren auch selbstgemalte Plakate und Schilder. Unterdessen skandierten die Teilnehmenden immer wieder lautstark: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man  uns die Zukunft klaut“. Oder auch: „What do we want?-Social Justice- When do wie want it?- Now”! Ebenfalls skandiert wurde „Kapitalismus raus aus den Köpfen“ und „“Bei der Rüstung sind sie fix – für soziales tun sie nix“.

Da die Kaiser-Joseph-Strass gut mit den Konsument*innen gefüllt war, die Samstags in die Läden gehen wollten, konnten viele Menschen den Parolen folgen und es gab von Sympathiebekundungen bis hin zu einigen wenigen Anpöbeleien Resonanz.

Kundgebung am Europaplatz und Weitermarsch über den Friedrichsring

Am Europaplatz angekommen gab es nochmal Redebeiträge, unter anderem ein Grußwort aus Berlin, in welchem die sozialen Verwerfungen im Land, in Folge der rigiden Sparpolitik im Sozialbereich dargestellt wurden.

Anschließend zog die Kundgebung über den Friedrichsring zurück zum Platz der Alten Synagoge. Es wurden weiter die Parolen skandiert, gelegentlich auch durch ein Megaphon der Anlass der Demo erklärt.

Ende der Demo

Gegen 1530 Uhr endete auf dem Platz der Alten Synagoge die Demo. Die Veranstalter*innen dankten u.a. der FAU Freiburg für die Bereitstellung von technischem Support, bevor dann die Veranstaltung für beendet erklärt wurde.

Radio Dreyeckland zeichnete erfreulicherweise die Reden auf.

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